»Er wünscht dir, du lägest jetzt da drunten.

Und er wird auch dein Grab vernichten,

damit es niemand erfährt, daß du gelebt hast.«

Ödön von Horváth, Jugend ohne Gott

Alulim. Er hatte das Wort gegoogelt und folgende Erklärung dafür bekommen: »Laut der sumerischen Königsliste war Alulim der erste Herrscher von Sumer und somit auch der erste König in der Geschichte der Menschheit. Es ist nicht klar, ob es sich bei ihm um eine historische Person oder nur um einen Mythos handelt. Sollte er tatsächlich gelebt haben, ist seine Regierungszeit auf jeden Fall vor 2900 v.Chr. anzusetzen. Der Legende nach war Adapa, ein mächtiger Magier, sein engster Berater.«

»Interessant«, murmelte er, griff nach Novaks Aufzeichnungen und las weiter.

Die nächsten Einträge enthielten Versuche, die Unterschlagung des Artefakts zu rechtfertigen, gefolgt von seitenlangen Abhandlungen über die Einzigartigkeit der Tafel, die Schwierigkeiten, sie versteckt zu halten, die Gefahr, sie bis nach Österreich zu schmuggeln, und die Bemühungen, sie zu übersetzen. »Jetzt mach es nicht so spannend! Ich will wissen, was auf dem vermaledeiten Ding draufsteht!«, schimpfte er leise und blätterte ungeduldig weiter.

Wien, 3. August 1975

Ich habe nun endlich Gewissheit, dass die geheimnisvolle Tafel jeden Moment meiner Lebenszeit, den ich in sie investiert, jeden Schweißtropfen, den ich vergossen, und jedes Risiko, das ich ihretwegen auf mich genommen habe, wert war.

Wenn die Übersetzung, die ich von der Inschrift angefertigt habe, tatsächlich stimmt, dann bin ich einer echten wissenschaftlichen Sensation auf der Spur – nämlich dem Grab von Alulim, dem mythischen Urvater des sumerischen Königsgeschlechts.

Durch eine großzügige Geste von Fortuna wurde mir diese wundervolle Tafel in die Hände gespielt, und ich werde nun alles daransetzen, diese einmalige Chance auf Ruhm und Ehre zu nutzen. Ich werde mich der Herausforderung stellen, das Abenteuer wagen, das Grab finden und mich damit in die Liste der großen archäologischen Entdecker, neben Howard Carter, Heinrich Schliemann und Sir Flinders Petrie, einreihen. Es gilt nun, die Worte richtig zu deuten und den Ort aufzuspüren, auf den sie hinweisen:

 

Unter dem schützenden Blick von Enkis eintausend Augen,

ruht Alulim, der Gesandte,

von seinen Treuen begleitet,

von Adapas Zauber geschützt.

Er ist das Gestern, er ist das Heute, er ist das Morgen,

er ist der endlose Himmel und der stürmische Wind,

die fruchtbare Erde und das tosende Wasser.

Wer es wagt, seine Ruhe zu stören,

wird durch Enkis Zorn vernichtet werden.