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Vier Jahre zuvor

»Du scheinst sehr jung zu sein, William. Wie alt bist du? Sechzehn? Siebzehn?«, fragte Robert.

»Neunzehn, Herr«, erwiderte ich. »Ich sehe jünger aus, als ich bin.«

»Und meine Schwester ist seit fast fünf Jahren tot. Du musst also vierzehn oder fünfzehn gewesen sein, als sie dies schrieb.«

»Fünfzehn, Herr.«

»Was bedeutet, dass du recht früh in deinem Leben einen so guten Eindruck hinterlassen hast. Ehrlich, tapfer, rechen- und schreibkundig. Warum bist du so weit von der Heimat entfernt unterwegs, William, und unter solch ärmlichen Umständen?«

»Ich habe in der Waldwache gedient, Herr. Nach Königin Rowens Ermordung. Und als der Kommandeur der Wache uns gegen Graf Renar führte, der das Leben Eurer Schwester nahm, der Königin Rowen tötete, meine ich … Da habe ich im Hochland gekämpft. Aber meine Familie lebt in Ankrath, und als dem Grafen Gerechtigkeit widerfahren war, machte ich mich auf den Weg, damit man glaubte, ich sei bei der Spukburg gefallen. Auf diese Weise wollte ich vermeiden, dass meine Verwandten bestraft wurden und ich vielleicht gezwungen gewesen wäre, mich König Olidan zu ergeben. Seitdem bin ich hierher unterwegs gewesen, Herr, in der Hoffnung, Königin Rowens Familie dienen zu können.«

»Eine interessante Geschichte«, sagte Robert. »Noch dazu mit einem Atemzug erzählt.«

Ich schwieg und beobachtete, wie die Schatten der Orangenbäume tanzten.

»Du hast also an der Seite meines Neffen Jorg gekämpft?«, fragte Robert. »Bist du dabei zu deiner Verletzung gekommen?« Er hob die Hand zur Wange.

»Ich habe nicht an seiner Seite gekämpft, Herr, aber auf demselben Schlachtfeld«, sagte ich. »Meinen Namen kennt er bestimmt nicht, und mein Gesicht ebenso wenig, nicht einmal mit dieser Narbe. Die habe ich mir erst vor kurzer Zeit zugezogen, während meiner Reisen.«

»Das muss die Ehrlichkeit sein, von der Rowen schrieb. Viele andere hätten behauptet, zu seiner Linken gekämpft zu haben, um einen größeren Anspruch auf meine Großzügigkeit erheben zu können.« Robert lächelte und rieb sich das kleine Dreieck aus dunklem Bart an seinem Kinn. »Kannst du mit dem Schwert umgehen?«, fragte er. Mein Onkel trug schlichtes Leinen, ein weites Hemd. Brust und Arme waren sonnengebräunt und muskulös. Er schien mehr Reiter als Schwertkämpfer zu sein, aber bestimmt kannte er sich mit Klingen aus.

»Ja.«

»Und du kannst lesen und schreiben.«

»Ja.«

»Ein Mann mit vielen Talenten«, sagte Robert. »Ich werde Lord Jost bitten, einen Platz in der Hauswache für dich zu finden. Das genügt vorerst. Ich werde dich auch Qalasadi vorstellen  – er mag Leute, die sich mit Zahlen auskennen.« Er lächelte, als hätte er sich einen Scherz erlaubt.

»Ich danke Euch, Lord Robert«, sagte ich.

»Danke nicht mir, William. Danke meiner Schwester. Und zeig uns allen, dass sie dich richtig eingeschätzt hat.« Durch die Blätter der Orangenbäume sah er zum erstaunlich blauen Himmel hoch. »Bringt ihn zu Hauptmann Ortens«, sagte er, und Hauswächter führten mich weg.

Jene Nacht schlief ich im Wachhaus des Westturms. Ortens, ein Mann mit mehr Narben auf dem kahlen Kopf, als eigentlich möglich sein sollten, hatte gebrummt und geflucht, dann aber einen Kettenhemd-Waffenrock aus der Rüstkammer holen lassen und die Näherin beauftragt, ihn anzupassen und mich mit einer Uniform im Blau des Hauses Morrow auszustatten. Ich bekam auch ein Schwert, ein Langschwert aus der gleichen Schmiede wie die anderen Wächter, das besser sein sollte als die Klinge in meiner schmutzigen Scheide, zweifellos aber schöner, und damit war meine Ausrüstung als neuer Hauswächter komplett.

Die älteren Männer der Wache zeigten den üblichen Zweifel in Hinsicht auf mein Geschick mit dem Schwert. Sie meinten, ich sei vielleicht nicht einmal imstande, meine Mutter damit zu treffen, und sie wetteten darauf, wie lange es dauern mochte, bis mich der Hauptmann hinauswarf. Außerdem erlaubte meine ausländische Herkunft das Äußern schlechter Meinungen über die nördlichen Königreiche im Allgemeinen und Ankrath im Besonderen. Vor allem Ankrath erwies sich als wunder Punkt, da ihre Prinzessin Rowen dort ein unrühmliches Ende gefunden hatte. Ich gab zu, dass ich meine Mutter vermisste, deshalb aber nicht heimkehren würde. Darüber hinaus räumte ich ein, Bürger von Ankrath zu sein, allerdings einer, der an den Toren jenes Mannes gekämpft hatte, der für den Tod der Königin die Verantwortung trug. Ich betonte, dabei mitgeholfen zu haben, ihn für sein Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Was mein Kampfgeschick betraf … Ich forderte alle Männer mit zu viel Blut auf, einen direkten Eindruck zu gewinnen.

In jener Nacht schlief ich gut.

Das Haus Morrow erwacht früh. Die meisten sind schon vor Sonnenaufgang auf den Beinen, damit Dinge erledigt werden können, bevor die Hitze kommt und sich jeder vernünftige Mann in die kürzer werdenden Schatten zurückzieht. Zusammen mit vier anderen neuen Rekruten suchte ich den Übungshof auf. Hauptmann Ortens kam vom Frühstück, um uns zu beobachten, als ein älterer Feldwebel uns mit Holzschwertern gegeneinander antreten ließ.

Ich widerstand der Versuchung, mein ganzes Können zu zeigen, und beschränkte mich beim Kampf auf das Grundlegende. Ein erfahrenes Auge ist dennoch schwer zu täuschen, und ich glaube, Hauptmann Ortens verließ den Hof mit einer höheren Meinung über Rekrut William als der, mit der er gekommen war.

Nach zwei Stunden wurde es zu warm für Übungen mit dem Schwert, und Feldwebel Mattus teilte uns für den Dienst ein. Ich hatte mir die Aufgaben eines Wächters in der Spukburg oder in der Hohen Burg immer als langweilig vorgestellt, aber wie langweilig sie sind, erfuhr ich erst, als ich sie selbst einen halben Tag wahrnahm. Ich stand am Unteren Tor, einer Eisentür, die Zugang zu etwas gestattete, das eigentlich kaum mehr war als ein erweiterter Balkongarten, wo die adligen Damen Salbei, kleine Zitronenbäume und Blumenstöcke wachsen ließen, die ihre Blüten vor einiger Zeit verloren hatten und nun neue entwickelten. Wenn ein Eindringling den Balkon erreichte und von dort aus in die Burg wollte, sollte ich ihn aufhalten. Dass so etwas geschah, war höchst unwahrscheinlich, denn hypothetische Eindringlinge dieser Art hätten von einer vorbeikommenden Wolke springen müssen, um auf den Balkon zu gelangen. Wenn eine Dame den Garten besuchen wollte, sollte ich die Tür für sie aufschließen und wieder abschließen, nachdem die Besucherin gegangen war. Es langweilt mich sogar, davon zu schreiben. Drei Stunden stand ich dort in einer kratzigen Uniform und sah niemanden. Es kam nicht einmal jemand durch den nahen Flur.

Am Mittag löste mich einer der anderen Rekruten von den morgendlichen Schwertübungen ab, und ich machte mich auf die Suche nach dem Speisesaal der Wächter.

»Einen Augenblick bitte, junger Mann.«

Ich blieb einen Meter vor der Tür des Speisesaals stehen und ließ meinen Magen für mich klagen. Langsam drehte ich mich um.

»Wie ich hörte, bist du rechenkundig.« Der Mann war aus dem Schatten eines Fliederbusches getreten, der über die Innenwand des Hofes wucherte. Ein Mohr, dunkler als der Schatten, in einen schwarzen Burnus gehüllt, die gebrannte Umbra seiner Haut nur an Händen und im Gesicht sichtbar.

»Darauf könnt Ihr zählen«, erwiderte ich.

Er lächelte. Seine Zähne waren schwarz, offenbar gefärbt; es sah seltsam aus. »Ich bin Qalasadi.«

»William«, sagte ich.

Er wölbte eine Braue.

»Wie kann ich Euch helfen, Lord Qalasadi?«, fragte ich. Er hatte die Haltung eines Adligen, doch es glänzte kein Gold an ihm. Ich beurteilte ihn nach dem Schnitt seiner Kleidung und den gepflegten Locken von Bart und Haar. Reichtum kauft ein gewisses Äußeres, das von Geld spricht, auch wenn der Geschmack des Reichen eher schlicht ist.

»Einfach nur Qalasadi«, sagte er.

Ich mochte ihn. So einfach war das. Manchmal mag ich jemanden einfach.

Er ging in die Hocke, zog einen Elfenbeinstab aus seinem Ärmel und schrieb damit Zahlen in den Staub. »Dein Volk nennt mich einen Mathmagier«, sagte er.

»Und wie nennt Ihr Euch selbst?«, fragte ich.

»Einen Zahlenkenner«, antwortete er. »Sag mir, was du siehst.«

Ich betrachtete die Zeichen. »Ist das ein Wurzel-Symbol?«

»Ja.«

»Ich sehe Primzahlen, hier und dort … und auch hier. Dies ist eine rationale Zahl, das da eine irrationale. Ich sehe Gruppen.« Mit dem Zeh strich ich einen Kreis um die Gruppen; an einigen Stellen gab es Überlappungen. »Reelle Zahlen, ganze Zahlen, imaginäre Zahlen, komplexe Zahlen.«

Qalasadi kratzte erneut etwas in den Staub, fließende Symbole, an die ich mich nur vage erinnerte. »Und dies?«

»Teile der Integralrechnung. Aber dies geht über mein Wissen hinaus.« Ich bedauerte, mich geschlagen geben zu müssen. Schon nach dem Erkennen der Primzahlen hätte ich den Mund halten sollen. Stolz ist meine Schwäche.

»Interessant.« Qalasadi strich mit der Hand über den Boden und verwischte die Zahlen, als könnten sie für andere gefährlich sein.

»Habt Ihr jetzt Aufschluss über mich gewonnen?«, fragte ich. »Wie lautet meine geheime Zahl?« Ich hatte von Mathmagiern gehört. Sie schienen kaum anders zu sein als die Hexen, Astrologen und Wahrsager näher bei meiner Heimat, besessen davon, die Zukunft vorherzusehen, die Leute mit schönen Worten zu beeindrucken und ihnen ihr Geld abzunehmen. Wenn mir Qalasadi vom Ruhm erzählt hätte, den der Fürst von Pfeil auf seinem Weg finden würde … In dem Fall wäre es mir sehr schwer gefallen, mich zu beherrschen. Wenn er angedeutet hätte, ich sei vielleicht im Jahr der Ziege geboren, hätte es für mich keine Beherrschung gegeben!

Wieder das schwarze Lächeln. »Deine magische Zahl ist drei«, sagte er.

Ich lachte. Aber er schien es ernst zu meinen. »Drei?« Ich schüttelte den Kopf. »Es gibt viele Zahlen, aus denen man wählen kann. Drei erscheint mir ein wenig … vorhersehbar.«

»Alles ist vorhersehbar«, sagte Qalasadi. »In ihrem Kern geht es bei meiner Kunst um Wahrscheinlichkeit, woraus sich Vorhersage ergibt, was uns zum Zeitablauf bringt. Und letztendlich geht es bei allem darum, nicht wahr? Um die Zeit und ihren Ablauf.«

Da hatte er nicht ganz unrecht. »Aber drei?« Ich winkte mit der Hand und suchte nach Empörung. »Drei?«

»Es ist die erste deiner magischen Zahlen. Sie bilden eine Reihe«, sagte Qalasadi. »Die zweite lautet vierzehn.«

»Ah, jetzt wird es interessant. Vierzehn. Daran kann ich glauben.« Da er sich offenbar nicht aufrichten wollte, ging ich neben ihm in die Hocke. »Warum vierzehn?«

»Das ist dein Alter, nicht wahr?«, fragte er. »Und es ist der Schlüssel zu deinem Namen.«

»Zu meinem Namen?« Unbehagen kroch mir über den Rücken, kalt trotz der Hitze des Tages.

»Honorous, sollte ich sagen. Mit einiger Gewissheit.« Er zeichnete etwas in den Staub und ließ es sofort wieder verschwinden. »Außerdem wahrscheinlich Ankrath, und vielleicht Jorg.«

»Es fasziniert mich, wie Ihr all das der Zahl vierzehn entnehmen könnt«, sagte ich und dachte daran, ihm das Genick zu brechen und zum Hafen zurückzukehren. Doch das war nicht der Mann, den ich dem Vater meiner Mutter zeigen wollte, oder ihrem Bruder. Es war nicht der Jorg, den sie gekannt hatte.

»Für mich siehst du nach einem Verwalter aus. Die richtigen Linien. Insbesondere bei Augen und Nase, und auch bei der Stirn. Und du hast gesagt, dass du von Ankrath kommst, was deinen Akzent und die Hautfarbe erklärt. Fast alle Verwalter sind nach Honorous benannt. Du könntest unehelich sein, aber wer bringt einem Bastard bei, die Integralrechnung auch nur zu erkennen? Und wenn du ehelich bist, trägst du den Namen Ankrath. Und welche Angehörige jenes Geschlechts sind junge Männer? Jorg Ankrath fällt mir ein. Und wie alt ist er? Fast fünfzehn, aber noch nicht ganz.«

Ich wusste noch nicht, ob es richtig war, diesen Mann zu mögen, aber sein Vorrat an Fakten und sein deduktives Denken beeindruckten mich. »Spektakulär«, sagte ich. »Falsch, aber spektakulär.«

Qalasadi zuckte die Schultern. »Ich gebe mir Mühe.« Er nickte zum Speisesaal. »Ich schätze, dein Essen wartet auf dich.«

Ich stand auf und machte mich daran, den Hof zu überqueren. Doch nach einigen Schritten blieb ich stehen. »Warum drei?«

Qalasadi zog die Stirn kraus, als versuchte er, sich einen verlorenen Eindruck ins Gedächtnis zurückzurufen. »Drei Schritte nach draußen? Drei in der Kutsche? Drei Frauen, die dich lieben werden? Drei Brüder auf der Reise verloren? Die Magie liegt in der ersten Zahl, die Mathematik in der zweiten.«

Die »drei Schritte« schickten mir einen kalten Finger über den Rücken, als hätte Qalasadi in meinem Hinterkopf gewühlt und etwas gefunden, das besser versteckt geblieben wäre. Ich gab keine Antwort und ging weiter, dachte dabei an eine stürmische Nacht, von Blitzen erhellt, und sah eine leere Kutsche, während ich in Dornen hing.

Ich fand mich an einem Tisch im Speisesaal wieder, ohne zu wissen, wie ich dorthin gelangt war. Wie lange würde es dauern, bis Qalasadi seine Schlussfolgerungen vor die Füße meines Onkels legte? Vielleicht verdarb er mir das Spiel, doch für eine Gefahr hielt ich ihn nicht.

»Kein Hunger?« Der kleine Wächter vom Tor saß mir gegenüber. Sunny.

Ich starrte auf mein Essen und versuchte, daraus schlau zu werden. »Was ist dieses Zeug? Hat sich jemand auf meinen Teller erbrochen?«

»Pikanter Tintenfisch.« Der Wächter küsste seine Fingerspitzen und breitete sie aus. Mwah.

Ich spießte einen Tentakel auf, was schwierig genug war, und machte mich ans Kauen. Ebenso gut hätte ich auf Schuhleder herumbeißen können. Allerdings hätte man das Leder für eine gleichwertige Erfahrung in Brand setzen müssen. Gewürze sind gut und schön. Salz nach Belieben, eine Prise Pfeffer, ein Lorbeerblatt in der Suppe, vielleicht eine Gewürznelke oder auch zwei im Apfelkuchen. Aber an der Pferdeküste scheint man eine Schärfe zu lieben, die einem die Haut von der Zunge zieht. Ich hatte mich außen verbrannt, ohne es zu mögen, und ich sah keinen Sinn darin, mich auch an der Innenseite zu verbrennen. Ich spuckte den Inhalt meines Munds auf den Teller.

»Dies ist wahrhaft abscheulich!«, sagte ich.

»Ich hätte auch deine Portion gegessen«, sagte der Wächter. »Aber du hast hineingespuckt. Übrigens, ich heiße Greyson.«

»William von Ankrath«, sagte ich, nahm mein Stück Brot, knabberte vorsichtig daran und rechnete halb damit, dass der Koch einen Beutel Chili ins Mehl gemischt hatte.

»Was hat es mit dem Mohr auf sich?«, fragte ich und strich mir mit den Fingern über die Zähne, als sei »Mohr« nicht Beschreibung genug.

»Du bist Qalasadi bereits begegnet, wie?« Greyson lächelte. »Er ist der Buchführer der Burg. Vollbringt Wunder bei den hiesigen Kaufleuten. Sorgt dafür, dass Graf Hansa all die guten Verträge bekommt. Das Beste von allem: Er ist für die Bezahlung der Wächter zuständig und gibt das Geld nie einen Tag zu spät. Vor fünf Jahren führte Friar James die Bücher. Manchmal blieben wir einen ganzen Monat ohne Sold.« Er schüttelte den Kopf.

»Steht er dem Grafen und seinem Sohn nahe, dieser Qalasadi?« , fragte ich.

»Nicht besonders. Er ist nur der Buchhalter.« Greyson hob und senkte die Schultern.

Das gefiel mir, aber ich fragte mich, wieso sich ein Mann mit solchen Fähigkeiten mit einer so kleinen Rolle zufriedengeben sollte.

»Ich mag ihn«, sagte Greyson. »Manchmal spielt er Karten mit den Mauerwächtern. Verliert immer, beklagt sich nicht, trinkt nie unser Bier.«

»Man sollte meinen, dass er beim Kartenspiel gut ist«, sagte ich.

»Er ist schrecklich. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er die Regeln versteht. Aber es scheint ihm zu gefallen, und die Männer mögen ihn. Sie setzen ihm nicht zu, weil er der einzige Mohr in der Burg ist. Und eigentlich sollte man so etwas von ihnen erwarten. Immerhin dringen seine Landsleute auf dem Kontinent immer weiter vor und verwandeln uns alle in Heiden oder Leichen.«

»Mohre, wie?«, erwiderte ich. »Sollte ich damit rechnen, bald einige von ihnen töten zu müssen?«

Andere Wächter rückten näher und hörten zu, während sie ihre Tintenfische kauten. Ich vermutete, dass der Chili die Tentakel vielleicht auflöste, zumindest nach einer Weile, denn Kauen allein schien nicht zu genügen.

»Könnte durchaus sein«, sagte Greyson. »Ibn Fayed, der Kalif von Liba, hat dreimal in diesem Jahr Schiffe geschickt. Bald dürfte ein weiterer Angriff zu erwarten sein.«

Plötzlich wurde es still im Speisesaal, und Greyson senkte den Kopf. »Shimon, der Schwertmeister«, flüsterte er. »Er kommt sonst nie hierher.«

Ein Mann ragte hinter mir auf. Ich konzentrierte mich auf den Tintentisch, steckte ihn mir aber nicht in den Mund.

»Du, Junge«, sagte Shimon. »Ankrath. Auf den Hof mit dir. Du sollst vielversprechend sein.«