35
Hochzeitstag
»Ein Spaten?«, fragte Hobbs.
Wenn es jemals einen Mann gegeben hat, der einen Spaten Spaten nannte, so war es der Kommandeur der Wache Hobbs. Es beeindruckte mich, dass ein Mann seines Alters an dieser Stelle noch Atem genug hatte, um Binsenwahrheiten von sich zu geben.
Ich trat durch den Schnee. Überall lagen Spaten, unter einer weißen Decke verborgen.
»Stodds und Keppens Gruppen sollen von ihren Bögen Gebrauch machen und den Hang hinunterschießen«, sagte ich. »Von Harolds Männern möchte ich, dass sie mit diesen Spaten graben.«
»Stodd ist tot.« Hobbs spuckte und blickte über den Schnee. Die Lücke zwischen der Wache und unseren Verfolgern existierte nicht mehr. Hier und dort blieben Männer stehen. Nur wenige schafften es, ihr Schwert zu ziehen oder gar damit auszuholen, bevor sie von Pfeilen oder Klingen getroffen fielen.
Blut im Schnee ist sehr hübsch. Im tiefen Pulverschnee schmilzt es sich nach unten, und oben bleibt nicht viel zu sehen. Aber dort, wo der Schnee eine Kruste aus Eis hat, glitzert das Weiß durchs Scharlachrot, und dadurch sieht das Blut irgendwie anders aus, lebendiger und kraftvoller als das Blut, das in unseren Adern fließt.
»Männer sollen den Hang hinabschießen. Es ist mir gleich, was sie treffen. Beine sind gut. Dadurch sind mehr Körper im Weg, wodurch der Gegner langsamer vorankommt.«
Ein Verletzter ist ein größeres Hindernis als ein Toter. Wenn man jemandem eine große Wunde zufügt, so wird er anhänglich: Er scheint zu glauben, dass ihn seine Gefährten retten können, wenn er sich nur entschlossen genug an ihnen festklammert. Die frisch Verwundeten lieben Gesellschaft. Wenn man ihnen etwas Zeit gibt, sind sie mit ihrem Schmerz lieber allein. Für einen Moment sah ich Coddin; seltsames Licht zeigte ihn mir zusammengerollt in seinem Grab. Manche Leute begraben ihre Toten auf diese Weise: zusammengerollt, die Stirn an den Knien. Makin erklärte, dadurch erfordere das Ausheben des Grabs weniger Arbeit. Aber für mich sieht es eher nach einer Rückkehr aus. Auch in der Gebärmutter liegen wir zusammengerollt.
»Schießt die Mistkerle nieder!«, rief ich und winkte den Leuten zu, von denen ich wollte, dass sie ihre Bögen benutzten. »Zielt nicht lange!«
Makin wankte auf mich zu, und ich klatschte ihm einen Spaten auf die Brust. Zusammen mit Hauptmann Harold begann ich, andere Männer zu sammeln und sie graben zu lassen. Niemand von ihnen fragte nach dem Grund. Abgesehen von Makin, und ich glaube, er wollte nur die Gelegenheit für eine kleine Pause nutzen.
»Wir sind schon einmal hier gewesen«, sagte er.
»Ja.« Ich warf eine weitere Ladung Schnee hinter mich. Es fühlte sich seltsam an, eine Ewigkeit geklettert zu sein und mit letzter Kraft verzweifelt zu graben.
»Wir waren zu einem Dorf unterwegs. Wie hieß es doch noch? Kutting?«
»Gutting«, sagte ich. Noch ein Spaten voller Schnee nach hinten. Die Schreie und das Klirren von Klingen am Hang kamen näher.
»Das ist verrückt!« Makin ließ den Spaten fallen und zog sein Schwert. »Jetzt erinnere ich mich. Es gibt hier Höhlen. Aber sie führen nirgends hin. Wir haben sie durchsucht. Und unsere Männer … Sie fänden kaum genug Platz in ihnen.«
Meine Schaufel biss ins Leere und rutschte mir aus tauben Fingern. »Ich bin durch! Grab hier!«
Das Kampfgewühl reichte bis fünfzig Meter an unsere Position, ein blutiges, wogendes Durcheinander. Immer wieder rutschten Männer im rot gewordenen Schnee aus; abgetrennte Gliedmaßen lagen herum; Blut tropfte von Klingen. Und hinter dem Gemetzel, wie eine auf mich zielende Pfeilspitze, kamen weitere Soldaten in einer breiter werdenden Linie – Hunderte von ihnen erreichten unten die Schneegrenze und kletterten entschlossen nach oben.
»Vielleicht bin ich zu spät dran«, sagte ich. Ja, ich wusste, dass ich zu viel Zeit verloren hatte. Mit Coddin. Und Pfeils Soldaten waren schneller gewesen, als ich gedacht hatte.
»Zu spät?«, rief Makin. Er richtete sein Schwert auf das herankommende Heer. »Wir sind so gut wie tot. Dies hätten wir besser dort unten hinter uns bringen sollen! Dann wäre ich wenigstens kräftig genug gewesen, um zu kämpfen.«
Auf mich wirkte er nicht unbedingt schwach. Der Zorn erschließt einem immer eine kleine Reserve, von deren Existenz man bis dahin nichts gewusst hatte.
»Grabt weiter!«, rief ich den Männern um mich herum zu. Der Höhleneingang war breit genug für drei Männer nebeneinander: ein schwarzes Loch im Schnee.
»Wie viele Menschen sind letztes Jahr in den Matteracks durch Lawinen ums Leben gekommen, Makin?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht!« Er starrte mich an, als hätte ich ihn gebeten, seine Kinder auszutragen. »Keine?«
»Drei«, sagte ich. »Und einer im Jahr davor.«
Einige Soldaten versuchten, uns in die Zange zu nehmen. Sie wichen dem Kampfgewühl aus und näherten sich von den Seiten. Ich nahm meinen Bogen und schickte einen Pfeil zu den Männern auf der linken Seite.
»Wir sind erledigt.« Hobbs mühte sich über den Hang und wich den Grabenden aus. Er verdiente Anerkennung für das »Sire«, das er seinen Worten hinzufügte.
Mein Pfeil traf einen Mann dicht über dem Knie. Es schien ein alter Bursche zu sein. Manche Leute wissen einfach nicht, wann man sich besser zur Ruhe setzen sollte. Er kippte, fiel und rollte den Hang hinunter. Ich fragte mich, ob er liegenbleiben würde, bevor er die Spukburg erreichte. »Es gibt einen Grund, warum in zwei Jahren vier Menschen Lawinen zum Opfer gefallen sind«, sagte ich.
»Unachtsamkeit?«, vermutete Makin. Einem der wagemutigeren Männer des Fürsten war es gelungen, unverletzt am Rand des Kampfes unter uns vorbeizugelangen. Makin parierte seinen Hieb und schlug ihn nieder. Ein zweiter Soldat dicht hinter dem ersten bekam einen Pfeil durch seinen Adamsapfel.
Metall kratzte über Fels – die Grabenden hatten die Ränder des Höhleneingangs gefunden. Das Loch war jetzt breit genug für einen Wagen, aber noch breiter würde es nicht werden.
Wenn Schnee die Welt bedeckt, wird sie flach. Alle Mulden und Buckel gehen in einer einheitlichen Oberfläche auf, wie das weiße Blatt, das auf den Federkiel wartet. Auf ein Schneefeld kann man all das setzen, was die Phantasie erschaffen mag, denn die Augen zeigen einem nichts.
»Nun?«, fragte Makin. Die Soldaten von Pfeil kamen noch näher. Es schien Makin zu ärgern, dass ich mich von etwas ablenken ließ, das er für einen Tagtraum hielt.
»Man muss die Schattierungen erkennen«, sagte ich.
»Die Schattierungen?«
Ich zuckte die Schultern. Es gab Zeit; noch brauchten wir die Höhle nicht. »Ich dachte, dass die Macht, nur Schwarz und Weiß zu sehen, allein bei den Jungen liegt«, sagte ich und beobachtete, wie ein Mann unserer Wache fiel. Die rote Spitze eines Schwerts ragte aus seinem Rücken, und seine Hände waren um den Hals des Soldaten geschlossen, dem es gehörte.
»Schattierungen?«, fragte Makin erneut.
»Wir sehen nie auf, Makin. Nie heben wir den Kopf, um aufzusehen. Wir leben in einer so großen Welt, kriechen nur auf einer Oberfläche und beschäftigen uns allein mit dem, was vor uns liegt.«
»Schattierungen?« Der sture Makin ließ sich nicht beirren. Hier und dort geriet die Verteidigungslinie ins Wanken; bald würde mein Schwert nötig sein. »Schattierungen«, bestätigte ich. Wenn sich nur Weißes vor einem erstreckt, so lernt man mit der Zeit, bestimmte Schattierungen darin zu erkennen. Das hatten mir die Bauern von Gutting erklärt, mit ihren eigenen Worten. Es gibt viele Arten von Schnee, in vielen Schattierungen, und selbst viele Arten in derselben Schattierung. Es gibt Schichten, Körnigkeit, Pulver. »Als ich Bruder Gemt getötet habe, bin ich etwas zuvorgekommen«, sagte ich. »Verstehst du, was es damit auf sich hat, etwas zuvorzukommen, Bruder Makin?«
Tausend Lächeln und eine krause Stirn. Er gab mir die krause Stirn.
»Ich habe ihn getötet, weil mir danach war, aber auch, weil es nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, wann er mich angegriffen hätte. Bevor er versucht hätte, mir des Nachts die Kehle durchzuschneiden, aus reiner Bosheit.«
»Was hat der verdammte Bruder Gemt hiermit zu tun?« Makin streckte einen weiteren Mann nieder, der zu nahe herankam, und ich schickte einen Pfeil zu den Soldaten rechts von uns.
»In zwei Jahren gab es vier Tote und nicht vierzig, weil die Bewohner des Hochlands Lawinen zuvorkommen«, sagte ich. »Sie lösen sie aus.«
»Was?«
»Sie beobachten den Schnee und sehen die Schattierungen. Sie sehen das Auf und Ab, nicht die glatten Flächen, nicht die leere Seite. Sie graben und testen. Und dann kommen sie der Lawine zuvor.« Ich hob meinen Bogen und ließ das violette Band im Wind flattern. »In die Höhlen. Jetzt!«
Wenn ein Hang gefährlich aussieht, bringen sich die Bewohner des Hochlands mithilfe von Graten, Pässen und Klippen darüber. Sie nehmen Stroh, Steine, eine Schale aus gebranntem Ton, Anzündholz, Holzkohle – oft von den Köhlern in Ankraths Wäldern –, einen glasierten Topf und eine Schafsblase mit. Sie graben sich ein Loch, ganz oben bei den gefährlichsten Schichten, und setzen die Schüssel auf mehrere Lagen dicht gepackten Strohs. In die Schüssel legen sie das Anzündholz, Holzkohle und Steine, damit der Topf über der Schüssel bleibt. Sie füllen den Topf mit Schnee und pumpen die Blase auf, bis sie ganz hart geworden ist, binden sie mit einem Streifen Darmleder zu. Dann zünden sie das Holz an und gehen.
Die Männer der Wache drängten in die Höhlen. Ich hatte gedacht, dass es ziemlich eng in ihnen werden würde, damals, als ich den Befehl gegeben hatte, die Spaten und Schaufeln zurückzulassen. Ich hatte mich gefragt, ob wir alle Platz finden würden. Ungefähr hundert schafften es hinein; es mangelte nicht an Platz.
Vieles im Leben ist einfach nur eine Frage der richtigen zeitlichen Abstimmung.
Ich nahm meinen Platz am Höhlenzugang ein, begierig darauf, die Klinge mit den Männern von Pfeil zu kreuzen. Bei mir war die zeitliche Abstimmung nicht richtig gewesen. So lautete die schlichte Wahrheit. Ich hätte Coddin vor Tagen oder Monaten sagen sollen, worum es ging. Das hatte ich versäumt – ein Fehler.
Müde Männer sterben leicht, als fänden sie Gefallen an der Vorstellung von Ewigkeit. Mir zitterten die Beine, aber meine Arme waren bereit. Mit zwei Händen führte ich die Klinge und stieß ihre Spitze dem ersten Soldaten ins Auge. Makin kam zu mir und kämpfte an meiner Seite. Jenseits des Feindes reichte mein Blick in Endlosigkeit. Ich sah die wilde Weite der Berge und hinter ihnen den Tagesmond, weiß wie die Erinnerung an Knochen. Leise Klänge des Schwertlieds erreichten mich, als ich meine Klinge schwang und sie halb durch den Hals eines Mannes schnitt. Das Schwert fühlte sich leichter an und tanzte zum Lied, als hätte es ein eigenes Leben, als pulsierte Blut in seinem Innern. Mit einem leisen Fauchen fuhr die Klinge durch die Luft, und Männer fielen in Stücken. Die Sonne schien scharlachrot auf das Schwert meines Onkels, als wollte sie eine Nachricht für den Fürsten von Pfeil heliografieren.
»Es tut mir leid!«, rief ich Makin und den anderen zu.
Zeitliche Abstimmung.
Wir waren dem Feind nicht weit genug voraus. Die Männer von Gutting hätten das Feuer in den Schüsseln angezündet, als sie uns aus dem Tal kommen und die Flanke des Berges erreichen sahen. Ich hatte gedacht, dass wir die Höhlen mit ausreichendem Abstand erreichen würden, dass wir uns eingraben und den Hang mit Pfeilen freihalten konnten. Ich hatte mich geirrt, nur um einige Minuten, aber genug, um dem Feind Gelegenheit zu geben, die Höhlen mit unseren Leichen zu füllen.
Makin fluchte und warf sich zurück, entging dadurch einer schwingenden Klinge.
Fast hätte ich erneut »Es tut mir leid« gesagt, aber ein Berg ist ein guter Ort fürs Sterben. Wenn man schon sterben muss, dann irgendwo mit guter Aussicht.
Ich kämpfte in Zeitlosigkeit, erfüllt von einer grimmigen Freude. Hitze stieg in mir auf, bis die Narben in meinem Gesicht brannten und der kalte Wind mich nicht mehr berührte. Jeder Teil des Kampfes schien zu einer geheimen Partitur zu gehören, und das Gefühl für die richtige zeitliche Abstimmung, das mich zuvor verlassen hatte, kehrte im Schreien von Stahl auf Stahl zurück. Eine Wildheit entfaltete sich in mir, und ich dachte an den brennenden und verbrennenden Ferrakind. Ich dachte daran, dass sich das, was ihn zum Menschen machte, in den Flammen verlor.
Parieren, zustoßen, zur Seite treten. Das kratzende Geräusch meines Schwerts, wenn es aus dem Leib des Gegners kam. Wenn eine schwere Klinge den Kopf eines Mannes trifft, der beim langen Aufstieg seinen Helm verloren hatte, so ist rotes Chaos die Folge, viel schlimmer als das, was ein Schlachter im Schlachthaus anrichtet. Hirn, Schädel und Haar folgen der Bewegung des Schwertes in einem nassen Bogen, scharlachrot, weiß und grau. Teile des Gesichts hängen für einen Moment da, zum Beispiel ein Auge, das seine Flüssigkeit verströmt. Dann fällt alles, und der nächste Mann wankt durch den Kampf, mit Teilen des Vorgängers an seinem Leib.
Feuer umhüllte mich – so fühlte es sich an. Heiße Linien gingen von den Verbrennungen in meinem Gesicht aus, durchzogen Körper und Geist.
Eine Schwertspitze berührte ein Haar meiner Braue und flüsterte über meinen Nasenrücken. Ich zuckte zurück, sprang nach vorn und streckte beide Arme, die Klinge wie eine Stange zwischen ihnen, an beiden Enden gehalten, die Spitze hart am Leder meines Handschuhs. Der Erbauer-Stahl teilte das Gesicht des Soldaten horizontal, zwischen Nase und Oberlippe. Der Griff des Knochens wollte das Schwert mitnehmen, als er fiel, aber ich hielt das Heft fest, ließ die Klinge vom Bewegungsmoment gerade ausrichten und lenkte damit einen herankommenden Speer über meine Schulter hinweg. Jenen Mann trat ich den Hang hinunter, und das aus meinem Mund kommende Gebrüll zerriss die Luft wie der Odem eines Schmelzofens. Wenn mir Zeit genug geblieben wäre, den Blick nach unten zu richten … Es hätte mich nicht überrascht zu sehen, wie der Schnee vor der von meiner Haut kommenden Hitze zurückwich.
Viel von mir, fast alles, wollte dem Wahnsinn des Kampfes nachgeben und ganz in ihm aufgehen, sich zwischen die Feinde stürzen und den Berg mit ihrem Blut rot färben, um jeden Preis. Aber das Nachgeben, wem oder was auch immer, fällt mir schwer. Ich zog mich zurück, und der Zorn verließ mich, verschwand so schnell, wie er gekommen war. Ich hatte einen Plan und wollte ihn durchführen, obwohl es keine Hoffnung mehr zu geben schien. Und wenn man einen Plan durchführen will, braucht man einen klaren Kopf.
Weitere Soldaten drängten mir entgegen, und die Müdigkeit meiner Beine kroch in die Arme. Wir brauchten nur noch ein oder zwei Minuten, aber manchmal bekommt man nicht, was man möchte oder was man braucht. Mein Blick kehrte zur Endlosigkeit zurück. Zeit zu sterben.
Ich bin einmal von einem Pferd gerettet worden. Es war kein stolzes Ross, das mich in Sicherheit trug. Vielmehr traf mich der Tritt eines in Panik geratenen Tieres. Es war völlig unerwartet geschehen, und vermutlich hatte es Corion noch mehr überrascht als mich. Doch von der schwachen Blase eines Schafes gerettet zu werden … Das schlägt dem Fass den Boden aus.
Hoch über uns brannten langsame Feuer, schmolzen den Schnee in den Töpfen und erhitzten die aufgepumpte Blase im kochenden Wasser. Der Vorgang lässt den Hochländern Zeit genug, sich in Sicherheit zu bringen. Man muss die Töpfe in der Gefahrenzone aufstellen, und zwar möglichst weit oben, zum eigenen Schutz, aber nicht so hoch, dass sie ihre Wirkung verfehlen.
Die heiße Luft dehnt sich aus. Die Blasen schwellen noch weiter an, auf eine Größe, die sie durch normales Aufpumpen nicht erreichen könnten. Es ist nur eine Frage der Zeit. Und der richtigen zeitlichen Abstimmung. Das Wasser beginnt zu kochen. Der Druck nimmt zu. Und – Bamm!
Die Bewohner des Hochlands spielen die Blaterpfeife. Die Dinger haben bei meiner Hochzeit am Morgen gekreischt und ähneln den Dudelsäcken, die man weiter im Norden findet. Sie sind weniger komplex, aber ebenso lärmend. Man würde es nicht für möglich halten, dass eine explodierende Blase so laut sein kann. Es klingt so, als ob das gesamte Quieken und Heulen, zu dem eine Blaterpfeife während ihres langen Lebens fähig ist, in einen halben Moment gequetscht wird. Es ist ein Geräusch, mit dem man Tote wecken könnte. In diesem Fall war es ein Geräusch, das Tote schaffen sollte.
Eins der sechs Schafe, die den von Gutting-Männern weiter oben am Hang aufgestellten sechs Lawinentöpfen sechs Blasen gespendet hatten, musste inkontinent gewesen sein, denn seine Blase explodierte vor den anderen.
Man fühlt eine Lawine, bevor man sie hört. Es kommt zu einer sonderbaren Zunahme des Drucks, der sich einem auf die Ohren legt. Ich bemerkte den Druck trotz der Soldaten, die versuchten, mich in blutige Stücke zu schneiden. Dann kommt das Grollen. Es beginnt leise und wird immer lauter. Und kurz bevor die Lawine da ist, hört man ihr Zischen.
Das mit der zeitlichen Abstimmung klappte doch noch, im richtigen Moment. Ich sprang in die Höhle, und bevor mir die Angreifer folgen konnten, wurde die Welt weiß und trug die Soldaten fort.