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Hochzeitstag

Heirat war der Leim, der die Hundert einigermaßen zusammenhielt, der Balsam, der gelegentlich Momente des Friedens schuf, Pausen im scharlachroten Verlauf des Hundertkriegs. Und diese Heirat hing seit fast vier Jahren über mir.

Ich schritt durch den Mittelgang in der Kapelle, vorbei an den Hohen und Mächtigen von Renar, die eigentlich gar nicht so hoch und mächtig waren. Ich habe in den Aufzeichnungen nachgesehen. Die Hälfte von ihnen hat Ziegenhirten als Großeltern. Es überraschte mich, dass sie geblieben waren. An ihrer Stelle hätte ich getan, was der Rote Kent in knappe Worte gefasst hatte. Ich hätte mich über die Matteracks auf und davon gemacht, mit den Dingen, die ich auf dem Rücken tragen kann.

Miana beobachtete mich, frisch und keck wie die Lilien auf ihrem Kopf. Wenn die entstellte linke Seite meines Gesichts sie erschreckte, so ließ sie es sich nicht anmerken. In meinen Fingerspitzen juckte die Versuchung, über die Wölbungen der Narben auf der Wange zu streichen. Für einen Moment spürte ich wieder die Hitze des Feuers, und die Erinnerung an Schmerz drückte meine Lippen zusammen.

Ich trat neben meine Braut vor den Altar und sah zurück. In einem Augenblick der Klarheit verstand ich. Diese Leute erwarteten von mir, dass ich sie rettete. Sie glaubten noch immer, dass ich mit meiner Handvoll Soldaten die Burg halten und den Sieg erringen konnte. Ich hätte Lust gehabt, ihnen zu sagen, was alle wussten, die mich kannten. Es gibt etwas Sprödes in mir, das sich nicht biegt, sondern bricht. Wenn der Fürst von Pfeil mit einem kleineren Heer gekommen wäre, hätte ich vielleicht genug Vernunft gefunden, um zu fliehen. Aber er hatte es übertrieben.

Vier Musikanten in voller Tracht hoben ihre Blaterpfeifen und bliesen die Fanfare.

»Ich rate dir zur kurzen Version, Pater Gomst«, sagte ich leise. »Heute gibt es viel zu tun.«

Daraufhin runzelte Gomst die Stirn, und seine grauen Brauen rieben aneinander. »Prinzessin Miana, ich habe das Vergnügen, dir Seine Hoheit Honorous Jorg Ankrath vorzustellen, König des Hochlands von Renar, Erbe des Landes der Ankrath und der entsprechenden Protektorate.«

»Ich bin entzückt«, sagte ich und neigte den Kopf. Ein Kind. Sie reichte mir kaum bis zu den Rippen.

»Jetzt verstehe ich, warum das Bild dein Profil zeigte«, sagte sie und deutete einen Knicks an.

Ich lächelte. Das Schicksal hatte vermutlich nicht mehr als eine kurze Ehe geplant, aber vielleicht würde sie nicht langweilig sein. »Du hast also keine Angst vor mir, Miana?«

Ihre Antwort bestand darin, dass sie nach meiner Hand griff. Ich zog sie zurück. »Besser nicht.«

»Pater?« Ich nickte dem Priester zu.

»Liebe Gemeinde«, begann Gomst, »wir haben uns hier im Zeichen Gottes versammelt …«

Und so, mit alten Worten von einem alten Mann und ohne jemanden unter den »hier Anwesenden«, der irgendwelche Einwände erhob – zumindest gab es niemanden, der den Nerv hatte, solche Einwände laut auszusprechen –, wurde der kleine Jorg Ankrath zu einem verheirateten Mann.

Ich führte meine Braut aus der Kapelle, mit dem Applaus und den Hurra-Rufen des Adels hinter uns, fast laut genug, um die Klänge der schrecklichen Pfeifen zu übertönen. Die Blaterpfeife, ein typisches Musikinstrument des Hochlands, ist für Musik das, was Warzenschweine für Mathematiker sind. Es gibt kaum eine Verbindung.

Die Tür führt zu einer Treppe, von der aus man auf den größten Hof der Burg hinabblickt, jenen Ort, wo ich den früheren Burgherrn erledigt habe. Mehrere Hundert standen dort unten, von der Ringmauer bis zu den Treppenstufen, und jenseits des Tors noch mehr, dicht gedrängt unter dem Fallgatter. Schneeflocken fielen auf sie alle.

Jubel ertönte, als wir ins Licht traten. Da nahm ich Mianas Hand, trotz der in meinen Fingerkuppen lauernden Nekromantie, und hob sie hoch, um die Menge damit zu grüßen. Die Loyalität des Untertanen dem Herrn gegenüber erstaunte mich noch immer. Ich lebte Jahr für Jahr in Saus und Braus von diesen Leuten, während sie an den Berghängen ein karges Dasein fristeten. Und jetzt waren sie bereit, mit mir in einen ziemlich sicheren Tod zu gehen. Ich meine, selbst der blinde Glaube in meine Fähigkeit, den Wahrscheinlichkeiten immer wieder ein Schnippchen zu schlagen, musste reichlich Platz für Zweifel lassen. Den ersten richtigen Einblick in diese Sache gewann ich vor ein paar Jahren. Es war eine Lektion, die das Leben auf der Straße weder mich noch meine Brüder gelehrt hatte. Die Macht des Ortes.

Meine königliche Präsenz war für ein bisschen Rechtsprechen erforderlich gewesen, und zwar an einem Ort, den man im Hochland von Renar als »Dorf« bezeichnet, obwohl man überall sonst von drei Häusern und ein paar Schuppen gesprochen hätte. Dieses »Dorf« befindet sich hoch oben in den Bergen, nicht weit von den Gipfeln entfernt, und es heißt Gutting. Wie ich hörte, gibt es auch ein Klein-Gutting, weiter oben im Tal, obwohl es nicht viel mehr sein kann als ein großes Fass. Jedenfalls, bei dem Streit ging es darum, wo die Steine eines armen Bauern endeten und die des anderen begannen. Ich erkletterte mit Makin tausend Höhenmeter, um zu zeigen, dass ich meine Pflichten als König ernst nahm. Nach den Berichten waren der Fehde bereits mehrere Männer des Dorfes zum Opfer gefallen, aber bei genauerem Hinsehen beschränkten sich die Verluste auf ein Schwein und das linke Ohr einer Frau. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich einfach alle getötet und wäre mit ihren aufgespießten Köpfen zurückgekehrt, aber vielleicht war ich nach dem langen Aufstieg müde. Ich gab den schäbigen Bauern Gelegenheit, ihre Standpunkte vorzutragen, was sie auch taten, lange und mit ziemlich vielen Worten. Es wurde dunkel, und die Flöhe bissen, und deshalb machte ich es kurz.

»Gebbin, nicht wahr?«, wandte ich mich an den Kläger. Er nickte. »Im Grunde genommen, Gebbin, kannst du diesen Burschen hier einfach nicht ausstehen, und das Warum bleibt mir schleierhaft. Die Sache ist, ich langweile mich und bin wieder zu Atem gekommen, und wenn du mir nicht den wahren Grund nennst, warum du diesen Mann …«

»Borron«, warf Makin ein.

»Ja, Borron. Sei ehrlich und nenn mir den wahren Grund, warum du Borron hasst, oder ich verurteile euch alle zum Tod, mit Ausnahme der Frau mit dem einen Ohr, die sich nach Vollstreckung der Strafe um das eine übriggebliebene Schwein kümmern kann.«

Es dauerte einige Sekunden, bis Gebbin begriff, dass ich es ernst meinte. Einige weitere Momente nuschelte er vor sich hin, bis er schließlich damit herauskam und zugab, dass er Borron hasste, weil er ein »Fämda« war. Fämda, so stellte sich heraus, bedeutete Fremder, und der alte Borron galt als Fremder, weil er auf der Ostseite des Tals geboren war und dort einen großen Teil seines Lebens verbracht hatte.

Die Soldaten jubelten Miana und mir zu, winkten mit ihren Schwertern, schlugen sie an die Schilde und schrien sich heiser. Auf eine Frage hin hätten sie wahrscheinlich gesagt, wie stolz sie seien, für Seine Hoheit und die neue Königin zu kämpfen. In Wirklichkeit aber lief es auf dies hinaus: Sie wollten einfach nicht, dass die Männer von Pfeil über ihre Steine hinwegstapften, ihre Ziegen beäugten und ihren Frauen anzügliche Blicke zuwarfen.

»Der Fürst von Pfeil hat ein viel größeres Heer als du«, sagte Miana. Kein »Euer Hoheit«, kein »Herr«.

»Ja, das hat er.« Ich winkte weiterhin der Menge zu, mit einem großen Lächeln in meinem Gesicht.

»Er wird siegen, nicht wahr?«, fragte Miana. Sie sah wie zwölf aus, klang aber nicht so.

»Wie alt bist du?« Ich warf ihr, während des Winkens, einen kurzen Blick zu.

»Zwölf.«

Verdammt.

»Er könnte siegen. Wenn nicht jeder meiner Männer mindestens zwanzig Gegner tötet, könnte es darauf hinauslaufen. Vor allem, wenn er uns umzingelt.«

»Wie weit entfernt sind sie?«, fragte Miana.

»Drei Meilen trennen uns von ihren vordersten Linien«, sagte ich.

»Du solltest jetzt angreifen«, erwiderte meine Braut. »Bevor sie uns umzingeln.«

»Ich weiß.« Das Mädchen begann mir zu gefallen. Selbst ein erfahrener Soldat wie Coddin, ein guter Soldat, wollte sich hinter den Mauern der Burg verschanzen und es vor allem ihnen überlassen, den Feind abzuwehren. Aber keine Burg kann einer solchen Übermacht standhalten. Miana wusste, was der Rote Kent wusste, der Rote Kent, der an einem heißen Morgen im August die siebzehn Soldaten einer Patrouille getötet hatte. Das Töten braucht Platz. Man muss sich bewegen. Man muss vorrücken und zurückweichen, und manchmal muss man einfach wegrennen.

Ich winkte noch ein letztes Mal, kehrte der Menge dann den Rücken und trat in die Kapelle.

»Makin! Ist die Wache bereit?«

»Das ist sie.« Er nickte. »Mein König.«

Ich zog mein Schwert.

Das plötzliche Erscheinen von ein Meter zwanzig langem, rasiermesserscharfem Erbauer-Stahl im Hause Gottes führte dazu, dass zahlreiche Leute nach Luft schnappten. Es klang gut.

»Gehen wir.«