54. Kapitel Hallo

Als Noah und Megan um die langgestreckte Kurve der Jenkins Street bogen, kam ihr Haus in Sicht. Nur fünfzig Meter von ihnen entfernt lag es auf einem kleinen Hügel. Zwei Polizeiwagen parkten vor dem Haus. Ein paar Leute standen in ihren Vorgärten und auf ihren Veranden und sahen neugierig zum Haus der Nowickis hinüber.

«Wie spät ist es, Noah?», fragte Megan.

Er zuckte die Schultern. «Vielleicht neun Uhr morgens.»

Noah stellte fest, dass sein gesamtes Abenteuer im geheimen Zoo weniger als neun Stunden gedauert hatte. Das schien unglaublich kurz zu sein, doch Noah wusste auch, wie schnell alles gegangen war. Der Weg durch die Polarstadt, durch die Stadt der Artenvielfalt, die Flucht aus den Höhen des Flugwaldes, das Gespräch mit Mr Darby im Haus der Kolibris, die Rettung Megans aus dem Dunklen Land – jeder Schritt ihres Weges hatte weniger als eine Stunde gedauert.

Ihr Nachbar Mr Peters harkte auf seinem Rasen Blätter. Als sie an seinem Haus vorbeikamen, hob er abwesend den Kopf und grüßte. «Hallo, Noah», sagte er, ohne mit dem Harken aufzuhören. Als er sah, wer neben ihm ging, grüßte er auch Megan – doch dann riss er den Kopf hoch. «Megan!»

Megan lächelte nur und winkte.

Die Harke fiel Mr Peters aus der Hand und wurde von dem Blätterstapel verschluckt. Sein Körper versteifte sich, sein Kinn klappte herunter, und eine Sekunde lang sah er so verständnislos aus wie ein Zombie. Als er wieder zu sich kam, drehte er sich um und rannte ins Haus, wobei er laut den Namen seiner Frau rief.

Als die beiden Scouts die Straße hinaufgingen, sahen immer mehr Nachbarn aus den Fenstern ihrer Häuser. In Hausschuhen kamen sie in ihre Vorgärten hinausgelaufen. Sie fassten sich an ihre Brust und hielten sich die Hände vor den Mund. Mrs Sanders fiel auf die Knie und begann zu beten. Megan war wieder zu Hause, und es war ein Wunder.

Noah und Megan lächelten ihren Nachbarn im Weitergehen zu. Noah kam die ganze Situation so surreal vor wie alles, was er im geheimen Zoo erlebt hatte. Er brachte seine vermisste Schwester nach Hause, und die Straßen füllten sich mit Freude, Erleichterung und Liebe.

Als sie zu ihrem Haus kamen, sahen ihre Eltern gerade aus der Tür. Beim Anblick ihrer Kinder rannten sie aus dem Haus. Die Scouts liefen auf sie zu, und auf dem Fußweg trafen sie zusammen. Megan und ihre Mutter fielen sich in die Arme, und Megans Mutter brach in Tränen aus. Sie drückte ihr Gesicht gegen das ihrer Tochter und streichelte immer wieder über ihre Haare. Auch Megan begann zu weinen – erst leise, doch dann immer heftiger, bis sie laut schluchzte. Noah verstand ihre Gefühle. Er wusste, woher sie stammten. Sie stammten von einem Ort, der so kompliziert, so tief und so schwer zu erklären war, dass man ihn einfach nur «das Herz» nennen konnte.

Als Noahs Vater auf die Knie fiel und seinen Sohn in die Arme schloss, strömten auch Noah die Tränen über die Wangen.

Noahs Schwester lebte. Und sie war zu Hause.