42. Kapitel Zurück in der Stadt der Artenvielfalt

Mr Darby führte sie durch das Haus der Kolibris zurück und dann durch den Flugwald. Sie gingen über eine Brücke, die über einen Fluss auf eine kleine Insel führte. Auf der Insel befand sich ein riesiger gläserner Fahrstuhl. An Decke und Boden war die Mechanik befestigt – Schaltungen, Rollen, Kabel und einige unbekannte Teile. Mr Darby, die Scouts, Tank und die Tiere passten alle hinein.

Als sich der Fahrstuhl in den Nebel erhob, fragte Ella: «Ist das Ding hier … magisch?»

«Nicht ein bisschen», antwortete Mr Darby. «Dieser Fahrstuhl wurde vor etwa fünfzig Jahren von einem brillanten Team Ingenieure konstruiert – von Kindern, die nicht viel älter waren als ihr.»

Noah blickte zur Seite hinaus, während sie durch die großen Bäume aufstiegen. «Wo sind sie jetzt?»

Diesmal antwortete Tank: «Die meisten haben sich in der Seniorenstadt zur Ruhe gesetzt.»

«Wo liegt die?», wollte Richie wissen.

«Am Rande der Stadt der Artenvielfalt», sagte Tank. Seine tiefe Stimme hallte von den Glaswänden des Fahrstuhls wider. «Es ist ein kleiner Ort – eher ein Dorf als eine Stadt. Die meisten von uns wohnen hier in der Stadt der Artenvielfalt.»

«Wie viele Leute sind in der Geheimen Gesellschaft?», fragte Ella.

Tank sah Mr Darby an. «Wie viele sind wir jetzt? Tausend?»

«Neunhundertzweiundfünfzig, als ich das letzte Mal nachgesehen habe», antwortete Mr Darby.

«Neunhundertzweiundfünfzig!», keuchte Noah. «Und die wohnen alle hier?»

«Die meisten», sagte Mr Darby. «Aber es gibt auch Pendler.»

«Pendler?», wiederholte Noah.

«Das sind die, die zwischen dem geheimen Zoo und der Welt draußen hin- und herpendeln. Einige von ihnen haben sogar ein richtiges Leben in der Außenwelt.»

Der Fahrstuhl stieg durch den Nebel und in den offenen Raum darüber, wo die Scouts eine Schar von Vögeln erblickten. Viele verfolgten die gläserne Kiste und umkreisten sie. Einige hockten sich auf das Dach und ließen sich in die Höhen des Flugwaldes tragen. Auf Noah wirkten sie, als freuten sie sich, dass Mr Darby die Action Scouts gefunden hatte.

Der Fahrstuhl hielt neben einem riesigen Ast an und wurde von den Kabeln auf dicke Gleise geführt, die zwischen den Baumstämmen verliefen. Sie erinnerten Noah an Eisenbahnschienen. Von dort schoss der Fahrstuhl so schnell weiter, dass die Äste knackten und Vögel erschrocken in die Luft aufstiegen, und hielt vor einem schmalen, dunklen Gang, der in die Wand des Flugwaldes gebaut worden war. Die Türen öffneten sich, die Gruppe stieg aus, und am Ende des Ganges schlug Mr Darby einen Samtvorhang zurück, hinter dem die Stadt lag.

Der alte Mann breitete die Arme aus. «Hier sind wir. Zurück in der Stadt der Artenvielfalt!»

Die Scouts duckten sich unter einem Wasserfall hindurch und sprangen über einen Bach, um auf die Straßen der Stadt zu gelangen, die immer noch voller Tiere waren. Ein Pandabär kam auf Ella zugetrottet.

«Hey, du Großer», sagte sie.

Der Panda drückte freundlich seinen Kopf gegen ihre Schulter und marschierte davon.

«Hast du das gesehen, Richie?», sagte Ella. «Du bist nicht die einzige beliebte Person hier.»

«Apropos», sagte Richie und deutete über die Straße, «guck mal, wer da kommt.»

Eine kleine Gruppe von Präriehunden schoss über die Straße auf Richie zu. Sie wuselten um seine Füße herum und starrten auf seine Fesseln. Richie ging behutsam auf Zehenspitzen durch die kleine Meute und versuchte, auf keines der Tiere zu treten.

Mr Darby lachte. «Ich sehe, du hast noch mehr Freunde, was?»

Einer der Präriehunde, ein dickliches Tier mit rundem Gesicht, hatte Richie offenbar besonders ins Herz geschlossen. Er sprang neben ihm her und blickte zu ihm auf.

«Was ist denn mit dem hier?», fragte Richie.

«Was ist P-Dog», sagte Tank.

«P-Dog?», fragte Richie. «Lassen Sie mich raten: Das P steht für Prärie.»

«Sie haben alle Namen, oder?», sagte Ella. «Genau wie die Kolibris.»

«Ja», sagte Tank. «Das ist P-Dog, und da drüben ist Hot Dog und … mal sehen … das sind Chili Dog und Nibbles.»

«Mr Darby», sagte Richie, «können alle Tiere aus dem Stadtzoo in den geheimen Zoo kommen? Sie wissen schon, so wie die Präriehunde?»

«Absolut.»

«Aber wie ist das möglich?»

«Durch Hunderte von Jahren Arbeit von Maschinen und Magie. Die Arbeit hat niemals aufgehört. Unsere Vorstellung hat nie aufgehört. Bhanus Magie ist immer noch im geheimen Zoo lebendig, und wir haben nie aufgehört, sie zu nutzen.»

«Diese Sektoren … all diese Türen mit den Samtvorhängen», sagte Richie. «Ich verstehe nicht, wie –»

«Jeder Sektor besitzt einen Lebensraum, der für gewisse Tierarten angemessen ist. Alle Gehege im Städtischen Zoo haben Zugang zu mindestens einem Sektor, und jeder Sektor hat Zugang zur Stadt der Artenvielfalt. Nach meiner Information ist Noah durch einen Sektor hereingekommen, in den ein Zugang aus dem Pinguin-Palast führt. Du und Ella kamt durch einen Sektor, der mit dem Gehege der Präriehunde verbunden ist.»

«Sie meinen, alle Gehege im Zoo sind mit diesem Ort verbunden?», fragte Ella nach.

«Ja. Und außerdem haben viele Gehege aus dem Zoo auch noch einen geheimen Zugang zur Außenwelt.»

«So ist Blizzard auch in den Tunnel gekommen», sagte Richie. «Aber wozu brauchen sie einen Zugang zur Außenwelt?»

«Sie patrouillieren.»

«Sie tun was?»

«Sie patrouillieren. Sie schützen den geheimen Zoo und seine Grenzen.»

«Das erklärt die Affen, die Megan auf den Dächern der Nachbarhäuser gesehen hat», meinte Noah.

«Aber weshalb patrouillieren sie?», wollte Richie wissen.

Mr Darby sah zum Himmel hinauf und kämmte mit den Fingern seinen Bart. Dann sah er Richie an.

«Ich denke, diese Unterhaltung sparen wir uns für später auf», sagte er.

Immer mehr Tiere versammelten sich in der Stadt der Artenvielfalt. Sie schoben sich durch die Vorhänge und strömten auf die Straße.

«Was ist los?», fragte Noah.

«Das wirst du gleich sehen», antwortete Mr Darby. Dann fügte er hinzu: «Die Zeit ist gekommen, dass ihr erfahren sollt, was wir über Megan wissen. Aber ich muss euch warnen: Es ist keine schöne Geschichte.»

«Wir wollen sie trotzdem wissen», versicherte Ella ihm.

Ein Strauß blieb auf der Straße stehen und pickte nach etwas. Ella wich seinem dicken gefederten Hinterteil gerade noch aus.

Mr Darby blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu den Scouts um. «Einige von uns glauben, dass Megan vielleicht gefangen gehalten wird – in einem gesicherten Gebiet namens das Dunkle Land.»

«Das Dunkle Land?», wiederholte Ella.

«Das Dunkle Land ist ein schlimmer Ort. Es ist bevölkert mit Tieren, die man Yetis nennt. Manche von uns glauben, dass die Yetis …» Mr Darby brach ab, als wollte er die nächsten Worte nur ungern aussprechen. «Manche von uns glauben, dass sie Megan entführt haben.»

Alles Blut wich aus Noahs Wangen. Er sah Ella an. Sie sah seltsam aus, beinahe unwirklich, wie eine Schaufensterpuppe, die zufällig mit Ella Ähnlichkeit hatte.

«Entführt?», flüsterte er.

«Ja. Und wenn sie wirklich im Dunklen Land gefangen gehalten wird, dann gibt es nur einen Weg, um sie zu befreien: Wir müssen diese schlimme Gegend betreten.» Mr Darby umfasste seine Hände. «Und das … nun, das wäre vermutlich die größte Herausforderung, der sich der geheime Zoo je gestellt hat.»