13. Kapitel Ellas Flucht

Ella lief durch die Gärten zu Noahs Haus. Sie kroch durch die Hecke in Mrs Ryans Garten und umrundete die Statuen in Mrs Pierres Blumenbeet, sie kletterte über Zäune und tauchte unter Ästen hindurch. Einmal verhakte sich ein Zweig in ihrem Ohrenschützer, und sie musste umdrehen, um ihn zu holen. Als sie sich Noahs Haus näherte, sah sie jemanden in der Auffahrt. Es war Noah, der gerade auf sein Fahrrad stieg.

«Noah!», rief sie. «Noah, warte!»

Doch Noah war schon davongerast, bevor sie sich bemerkbar machen konnte.

Ella lief auf die Auffahrt und trat auf etwas, das neben dem Briefkasten lag. Sie hob es auf. Ein Beutel. Sie bohrte mit den Fingern hinein, fand aber nichts.

«Da war etwas drin», sagte sie. «Irgendwas Wichtiges.»

Sie wirbelte herum und machte sich auf den Weg zu Richie, der in ihrer Straße wohnte. Dafür nahm sie den gleichen Weg, den sie gekommen war, doch diesmal krachte sie in Mrs Pierres Garten mit einem rosa Flamingo zusammen und warf ihn zu Boden.

Bei Richie stellte sie sich unter sein Fenster im ersten Stock und nahm einen kleinen Erdklumpen vom Beet auf. Sie warf ihn gegen die Scheibe. Dann wartete sie ein paar Sekunden und warf dann noch eine Handvoll Erde.

«Komm schon, Richie», flüsterte sie drängend. «Wach auf!»

Plötzlich hielt sie erschrocken die Luft an. Aus dem Augenwinkel hatte sie gesehen, dass jemand im Nachbargarten stand. Ein Mann. Er war groß und schlank und trug einen Hut mit einer weißen Krempe. Er hatte breite Schultern, einen langen, dunklen Trenchcoat und hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, während er Ella aus den Schatten heraus beobachtete. So tief und dunkel waren diese Schatten, dass man weder sein Gesicht noch seine Augen, noch seine Absichten erkennen konnte.

Dann verschwand er. Doch nicht auf diese plötzliche Art, in der etwas Eingebildetes verschwindet. Er löste sich eher auf. Als würde er mit den Schatten verschmelzen.

Eine Gänsehaut überzog Ellas Arme. Sie versuchte sich einzureden, dass der Mann gar nicht da gewesen war und dass ihr überanstrengtes Hirn ihr einen Streich spielte. Doch was hatte Tank gesagt? Haltet euch von dem Mann fern, der in den Schatten lebt … er ist Schatten.

Sie rieb sich über die Arme und blickte hinauf zu Richies Fenster. Endlich wurde es geöffnet.