28. Kapitel Nach draußen ins Innere

Riiiichiiiee!», schrie Ella, doch da stoppte der Boden bereits seinen Fall. Sie war noch irgendwo mitten im «iiieee!», als sie mit einem Schlag auf etwas Festem aufprallten. Ella landete mit dem Gesicht auf dem Boden. Sie hob den Kopf und spuckte Sand aus.

«Richie!», rief sie. «Bist du okay?»

Richie lag in komplett verdrehter Haltung neben ihr. Er sah aus, als wollte er sich mit seinen eigenen Füßen den Rücken massieren.

«Einigermaßen», stöhnte er.

Sie befanden sich in einem Erdtunnel, der gerade breit genug für sie beide war. Der Tunnel wurde von Lampen erhellt, die in die Wände eingelassen worden waren, und führte etwa dreihundert Meter geradeaus, teilte sich dazwischen aber mindestens ein Dutzend Mal. Die abzweigenden Tunnelgänge waren rund und unterschiedlich breit: mal dreißig Zentimeter, mal sechzig, mal einen Meter. So konnten Tiere der unterschiedlichsten Größe hindurchkriechen. Die Scouts schienen sich in einem Haupttunnel zu befinden, der mit anderen, ähnlichen Tunneln verbunden war. Er endete vor einer Art Vorhang. Einem Samtvorhang mit dicken Fransen.

«Ähm … Ella?», sagte Richie.

«Ja?»

«Warum hängt da ein Vorhang … in der Erde?»

«Wüsste ich auch gern», antwortete Ella.

Der Boden war voller Präriehunde. Die Tiere huschten vor und zurück und schossen aus den Gängen oder in sie hinein und verhielten sich mit ihren wilden Sprüngen wie verrückt. Sie bellten, quiekten und vollführten einen Riesenwirbel.

Ein Geräusch erscholl hinter ihnen, und die Scouts drehten sich um. Die Plattform, die sich in den Boden abgesenkt hatte, stieg nun wieder auf einem sich drehenden Stab nach oben. Er hob die Plattform wieder zurück an ihren Platz und füllte die Tunnel mit Staub. Jetzt waren sie von der Welt oben abgeschnitten.

«Das ist ja eine richtige Maschine!», keuchte Richie erstaunt. «Aber wozu?»

«Ich weiß es nicht», sagte Ella. «Aber jetzt gibt es nur noch einen Weg, den wir gehen können.»

Die beiden Scouts krochen den Haupttunnel entlang, wobei sie mit ihren Rücken hin und wieder an die niedrige Decke stießen. Die Präriehunde liefen zwischen ihren Armen und Beinen hindurch. Ella beobachtete, wie eines der Tiere in einen größeren Präriehund hineinlief und umfiel. Es rappelte sich wieder auf, schüttelte sich wütend den Schmutz ab und flitzte davon.

«Wo wollen die bloß alle hin?», fragte Richie.

«Ich weiß es nicht. Hin und zurück.»

«Hin und zurück wovon?»

«Das weiß ich auch nicht. Aber wenn wir weiterkriechen, werden wir es schon rausfinden.»

Als sie an der Mündung eines abzweigenden Tunnels vorbeikrochen, sahen sie, dass auch er von einem Samtvorhang verdeckt war, genau wie der vor ihnen. Danach kamen wieder zwei Tunnel ohne Vorhänge. Ella verstand es nicht. Und nach Richies «Hä?» zu urteilen, verstand er es auch nicht.

Sie krabbelten weiter. Ein Präriehund lief unter Ella hindurch und fuhr ihr mit seinem kurzen, spitzen Schwanz über das Gesicht. Ella schrie auf, und der Präriehund bellte, als wollte er «Entschuldigung!» sagen – oder vielleicht auch «Stell dich nicht so an!». Dann hastete er mit wedelndem Hinterteil den Tunnel entlang.

«Diese Viecher haben vielleicht Nerven!», rief Ella.

Ein Präriehund sprang aus einem Tunnel und lief bellend über ihre Hände.

«He, bin ich vielleicht unsichtbar?», rief Ella.

Allmählich näherten sie sich dem roten Samtvorhang. Er bedeckte den Tunnel vollkommen.

«Folg mir», sagte Ella zu Richie.

Sie drängten sich gleichzeitig hindurch. Auf der anderen Seite des Vorhangs verbreiterte sich der Tunnel plötzlich. Ein paar Meter weiter endete die Höhle, und Sonnenlicht strömte herein.

«Die Sonne?» Ella runzelte die Stirn. «Wir sind doch in einer Höhle. Wie kann es …?» Ihre Stimme verlor sich.

«Wie kann es da sonnig sein?», beendete Richie ihre Frage. «Und das mitten in der Nacht!»

Sie standen auf und klopften sich die Hosen ab.

«Sind wir … im Inneren

«Ich glaube schon», sagte Richie.

Staunend standen sie da. Die Präriehunde wuselten immer noch um sie herum. Richie rückte seine große Brille zurecht und ging mutig auf den Ausgang zu.

«Komm», sagte er mit fester Stimme. «Suchen wir unsere Freunde.»

Ella eilte ihm nach. Und zusammen traten sie nach draußen – ins Innere.