37. Kapitel Der Mann, der Fragen beantwortet

Der Dunst benetzte Noahs Wangen, während die Dodos ihn nach unten trugen. Der Nebel war so dicht, dass er seine Hand ganz nah vor die Augen halten musste, um zumindest seine Fingerspitzen zu sehen.

Als der Nebel sich zu lichten begann, wurden die Wipfel der Bäume und die Wände des Geheges wieder sichtbar. Endlich kam der Boden des Flugwaldes in Sicht. Er war grasbewachsen und mit Felsen, Bächen und Vögeln bedeckt. Die Luft war schwer vom Duft der Erde, die so fruchtbar zu sein schien, dass jedes noch so flüchtige Samenkorn Wurzeln schlagen konnte.

Die Dodos setzten die Action Scouts auf dem Boden ab. Sie entfalteten den Samtvorhang, in dem sie Blizzard getragen hatten, und alle Vögel bis auf einen flogen in die Bäume hinauf. Dieser eine stand auf seinen bleistiftdünnen Beinchen und sah sich um, als erwarte er jemanden.

«Was er wohl will?», sagte Ella.

«Ich weiß es nicht. Vielleicht bleibt er einfach in der Nähe, um uns zu helfen», mutmaßte Noah.

«Uns zu helfen?»

«Vielleicht will er uns rumführen. Das ist immerhin sein Zuhause, weißt du.» Noah trat vor den Dodo. «Hast du auch einen Namen?»

«Ich hoffe, du erwartest keine Antwort von ihm», meinte Ella.

«Ich frage mich nur, ob er einen Namen hat – einen besseren als Dodo», sagte Noah.

Ohne Vorwarnung ertönte plötzlich eine grobe, raue Stimme hinter ihnen. «Macht euch mal keine Sorgen um Namen, ihr Gören.»

Es war Charlie Red, umringt von einer Truppe Polizeiaffen. Er grinste höhnisch. Noah sah, wie seine Lippen sich über die Zähne stülpten, und erwartete beinahe, dass er Fänge zeigte.

«Charlie! Wie konnten Sie –?» Noahs Blick hob sich hinauf zur Bambusrampe, doch alles, was er sehen konnte, war Nebel. «Wie sind Sie hier runtergekommen?»

Charlie Red und seine Affen kamen näher. Er beugte sich vor, und als er sprach, regneten Spucketropfen auf Noahs Wangen.

«Sagen wir einfach, ich kenne ein paar Abkürzungen.»

Zur Überraschung aller erklang plötzlich eine andere Stimme hinter Charlie. «Du bist allerdings nicht der Einzige, der sie kennt.»

Die Stimme kam von einem Mann mit großem, kahlem Kopf und fußballgroßen Bizepsen an den Armen.

«Tank!», rief Noah.

Tank lächelte und blinzelte Noah zu. «Offenbar hast du in deinen Briefkasten geschaut. Und nach deinen Klamotten zu urteilen, hat Podgy dir was zum Anziehen rausgesucht.»

Charlie runzelte die gesprenkelte Stirn. «Tank! Was …? Was machst du hier? Ich dachte –»

«Das war schon mal dein erster Fehler», sagte Tank. Er verschränkte die mächtigen Arme vor der Brust. «Verschwende nicht deine Zeit mit Denken, Junge.»

«Aber … ich dachte … du –»

«Es ist vorbei, Red», sagte Tank. «Es ist alles vorbei. Sie sind jetzt im Inneren. Sie wissen Bescheid.»

Daraufhin ertönte eine dritte Stimme hinter Tank. «Allerdings, es ist alles vorbei!»

Ein alter Mann trat vor. Er hatte dichte graue Haare, die er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, und einen buschigen Bart. Eine mit Perlen geschmückte Sonnenbrille bedeckte seine Augen, und ein roter Samtmantel hing wie ein Umhang über seine Schultern. Er drehte sich zu Charlie Red um und sagte: «Charles, wenn du und deine Assistenten uns jetzt bitte entschuldigen wollt – ich habe mit unseren Besuchern einiges zu besprechen.»

Charlie sah gleichzeitig verunsichert, nervös und wütend aus, doch er konnte nur nachgeben und sagte: «Ja, Mr Darby.» Mit einer weiten Armbewegung führte er seine eingeschüchterten Polizeiaffen in den Wald hinein und außer Sicht.

Der alte Mann – Mr Darby, wie Charlie ihn genannt hatte – stand mit den Händen hinter dem Rücken da.

«Ah, ja», sagte er, «Blizzard und Podgy! Ich hätte mir denken können, dass ihr beide dabei seid.»

Mr Darbys Stimme war warm und beruhigend. Er streckte die Hand aus und kraulte Blizzard am Kinn, so wie man eine Katze streichelt. Blizzard schloss halb die Augen und ließ ein leises Brummen hören.

Eine sanfte Brise kam von den Baumwipfeln. Marlo flatterte herab und setzte sich auf Noahs Schulter.

«Guten Tag, Marlo», sagte Mr Darby. Dann wandte sich der alte Mann an den Dodo neben Noah. «Natürlich ist auch Dodie immer zu einem Abenteuer bereit.»

«Dodie?», fragte Ella.

«Ja», sagte Mr Darbie. «So heißt er.»

«Haben alle Tiere hier Namen?», fragte Richie.

«Ja, natürlich! Wie sollten wir sie sonst unterscheiden?» Er sah auf die großen Bambusstöcke, die aus dem Waldboden ragten. Sie hatten sich tief in die Erde gebohrt. «Ihr habt eure Ankunft auf jeden Fall deutlich bekannt gegeben.»

«Tut uns leid», sagte Noah.

«Diese Rowdys haben uns verfolgt», sagte Ella.

«Rowdys?», fragte Mr Darby.

«Charlie Reds Polizeiaffen», erklärte Noah.

«Ach so», sagte Mr Darby. «Nun, ich muss Charles in Schutz nehmen. Er und seine Affen kümmern sich um unsere Sicherheit, ebenso wie unser Freund Mr Pangbourne, den ihr als Tank kennt.»

Tank blinzelte den Action Scouts zu und lächelte.

«Nun», sagte Mr Darby und strich sich über seinen grauen Bart, «erlaubt mir, mich vorzustellen. Ich bin Mr Darby, und ich bin … nun … sagen wir mal, ich bin der Mann, der hier die Fragen beantwortet. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr drei vielleicht auch einige Fragen habt.»

«Mir würden ein oder zwei einfallen», sagte Ella.

«Ja – ein- oder zweihundert!», setzte Richie nach.

Mr Darby lachte. «Ich glaube, für so viele Fragen haben wir keine Zeit.» Er legte Noah den einen Arm um die Schulter und den anderen um Ellas und führte die Scouts über einen Pfad zwischen den großen Bäumen hindurch. «Aber wenn ihr mich begleitet, dann werde ich doch einige davon beantworten können.»

Noah merkte auf einmal, dass er sich selbst noch gar nicht vorgestellt hatte. «Mr Darby, ich bin Noah. Und das sind meine Freunde –»

«Ella und Richie», beendete Mr Darby seinen Satz.

«Ja», sagte Noah. «Wieso kennen uns eigentlich alle hier?»

«Oh, die Action Scouts sind schon seit einiger Zeit ein Thema bei uns. Hab ich recht, Mr Pangbourne?»

Tank lächelte. Seine Zähne sahen aus wie weiße Edelsteine auf seiner dunklen Haut. «Das ist wahr.»

«Mr Darby», sagte Ella, «wir wissen nicht einmal, was hier bedeutet.»

«Nun, Kinder», antwortete Mr Darby, «ihr seid im geheimen Zoo!»