Kapitel 25

Er fragte Frankie bei einer Portion heißem, gegrilltem Lamm auf Rosmarin mit sahniger Knoblauchsoße. Peter stellte den Teller vor ihr ab, schenkte den Rotwein in einem plätschernden Strahl in ihr Kristallglas und kniete dann neben ihrem Stuhl nieder.

»Ich hatte nicht vor, das so schnell zu tun, und ich tue es nur aus einem Impuls heraus, darum bin ich auf jede Reaktion gefasst, aber … Dr. Frances Saunders, möchtest du mich heiraten?«

Während Frankie in Peters ernstes, fast flehendes Gesicht blickte, kam Henbury zu seinem Herrchen getappt. Der Hund schnupperte erst am Esstisch und dann an Peters Geschlecht.

Peter verzog das Gesicht und schubste Henbury mit dem Ellbogen weg. »Verzieh dich, Henners. Du machst den alles entscheidenden Moment kaputt!«

Peters Augen knitterten in einem Lächeln, dann nahm er Frankies Hand und sah ihr in die Augen. Ihr stockte der Atem. Sie war sprachlos. Glück und panische Angst überwältigten sie. Lachend hauchte sie: »Peter!«

Sie streckte beide Hände aus, um ihn zu umarmen, und lachte dann noch einmal. »Das kommt so überraschend. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!«

»Ja! Du sollst Ja sagen!«

»Das möchte ich doch. Ich würde für mein Leben gern Ja sagen … Oh!« Sie schlug die Hand vor den Mund. Ihr zukünftiges Leben blitzte vor ihren Augen auf. Sie sah sich gemeinsam mit Peter alt werden. In einem richtigen Haus mit Garten, nicht in dieser winzigen Wohnung. Sie und ihn gemeinsam beim Hochbinden der Tomaten, Erbsenschälen oder Töpfern. Am Wochenende faul in der Sonne liegen und in dicken Wochenendzeitungen schmökern. Abende voller Geplauder über Wissenschaft, ihre Arbeit und seine Studenten. Ein Leben, das von seiner Wärme und seiner Fürsorge durchdrungen war. Aber noch während die Bilder aufblitzten, spürte Frankie, wie sie von Schuldgefühlen überrollt wurde. Immer wenn sie ihr Leben zu genießen begann, machte ihr das Unterbewusstsein einen Strich durch die Rechnung. Sie war die Frau, die ihre Kinder im Stich gelassen hatte – unverzeihlich. Würden sie dies als ihren letzten Verrat betrachten? Peter konnte sehen, wie Frankies freudige Miene in sich zusammenfiel. Er drückte ihre Hände fester. »Wenn es dir zu früh ist und du noch Zeit zum Nachdenken brauchst … du kannst dir alle Zeit der Welt nehmen, Frankie.«

»Ach, Peter, das ist es nicht. Ich liebe dich. Von ganzem Herzen … Aber ich … ach, ich weiß nicht …«

»Also, nachdem du offenbar noch etwas Zeit zum Überlegen brauchst, würde ich gern wieder aufstehen – meine Knie halten das nicht mehr lange durch«, versuchte er die Situation zu entkrampfen. Aber seine Stimme klang brüchig. Frankie hörte es und merkte, wie ihr noch mehr Schuldgefühle den Boden unter den Füßen wegzogen. Steif und angespannt machte er sich daran aufzustehen, schwer auf ein Knie gestützt und eine Hand in den Rücken pressend.

»Ich weiß sowieso nicht, wieso du einen alten Knacker wie mich nehmen solltest«, scherzte er.

»Peter.« Liebevoll legte sie die Hand auf seinen Arm. »Setz dich zu mir.« Sie zog den Stuhl neben sich am Esstisch heraus. Dann küsste sie ihn zärtlich auf die Lippen und nahm seine beiden Hände.

»Erst möchte ich dir erklären, was ich empfinde«, sagte sie sanft.

»Ja. Tu das.«

»Ja, ich würde dich liebend gern heiraten, doch ich habe trotz alledem das Gefühl, dass es ein Aber gibt.«

Peter nickte. »Deine Kinder?«

»Genau.« Sie senkte den Kopf.

»Für die ist das bestimmt in Ordnung.«

»Ich weiß! Sie sind alle erwachsen, ich weiß, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass es ein unwiderruflicher Schritt wäre. Dass sie das Gefühl bekommen könnten, ich hätte sie endgültig verlassen.«

»Frankie«, sagte er, »du wirst immer ihre Mutter bleiben, ob du nun mit mir verheiratet bist oder nicht.«

»Ja, aber was für eine Mutter? Ich war eine grässliche Mutter. Ich habe solche … Schuldgefühle.«

»Nein. Sag nicht so was. Du kannst dich nicht ewig mit Schuldgefühlen beladen, das hilft niemandem. Es schadet dir nur.« Sie spürte, wie seine Liebe sie umfloss. Tränen traten in ihre Augen.

»Schau mal«, fuhr Peter fort, »für deine Kinder ist das garantiert in Ordnung. Ich weiß es. Sie führen inzwischen ihr eigenes Leben. Wahrscheinlich werden sie genauso reagieren wie meine Kinder. Anfangs sind sie geschockt, aber dann gewöhnen sie sich an die Vorstellung. Außerdem könnte es uns passieren, dass wir beide allein alt werden, wenn wir diese Chance nicht nutzen, und das möchte ich für keinen von uns.«

Frankie nickte, schluckte ihre Gefühle hinunter und ließ sich weiter von Peter ermutigen.

»Wir nehmen uns beide frei. Wir verreisen zusammen. Wir können gemeinsam nach Waters Meeting fahren, um Tom die Neuigkeiten zu überbringen. Wir könnten sogar bis zu Rebeccas College fahren … Frankie, es ist bestimmt in Ordnung für deine Kinder. Ehrenwort. Vielleicht gefällt ihnen die Vorstellung sogar.«

Sein Blick flehte sie an. Sie streckte die Hand aus und zog ihn an sich. Er roch so gut. Nach Seife und gutem Essen. In seinen Armen fühlte sie sich so geborgen. Sie löste sich von ihm und sah ihn an.

»Ach, Peter«, seufzte sie. »Ich bin deinen Augen und deinen Umarmungen hoffnungslos verfallen.« Er lachte, und sie umarmten sich wieder.

Ein Klopfen an der Wohnungstür riss sie auseinander.

»Wer kann das sein? Erwarten wir jemanden?« Peter sah Frankie nach, während sie zur Tür ging.

»Frankiiiee! Hi!«, gellte Trudys quietschende Stimme durch die Wohnung und ließ die friedvolle Atmosphäre zerspringen.

Sie drängte in die Wohnung und küsste Peter und Frankie auf beide Wangen, während ihr Mick, eine Pappröhre unter den Arm geklemmt, still nachfolgte. Henbury kam unter dem Tisch hervorgekrabbelt, jaulte zur Begrüßung und wedelte mit seinem langhaarigen Schweif.

»Was für eine nette Überraschung!«, strahlte Frankie, als sie sah, wie gesund ihr Sohn aussah. Sie griff seine beiden Oberarme und drückte zu. »Ich freue mich so, dich zu sehen. Trudy, du siehst fabelhaft aus!«

Trudy legte die Hände an den runden Bauch. »Ich hab nicht mehr lang hin. Hoffentlich stören wir euch nicht beim Essen«, Trudys Blick lag auf der gefüllten Platte in der Tischmitte, »aber wir sind ja so aufgeregt! Wir haben eben die Pläne für das neue Haus abgeholt. Der Architekt, ein Freund von Daddy, baut es auf dem Neubaugebiet von Whispering Pines. Es ist perfekt!«

»Wie schön«, meinte Frankie unentschlossen und achtete dabei auf Micks Reaktion. Doch als Mick begeistert die Zeitschriften und Zeitungen vom Couchtisch fegte und den Plan ausrollte, erkannte Frankie, dass er genauso glücklich und stolz war, ein neues Leben in der Vorstadt begonnen zu haben. Seine Finger fuhren, von allen Ölflecken und den Schwielen des Zäuneziehens befreit, über die akkuraten Linien des Grundrisses, während er Peter die Vorzüge des Entwurfs pries und seiner Mutter voller Stolz zeigte, welches Zimmer für das Baby vorgesehen war.

»Wir waren einfach sooooo aufgeregt«, trällerte Trudy wieder, während sie über Micks Schulter hinweg die Pläne begutachtete. »Wir wissen, dass wir euch kaum besucht haben, seit wir aus dem Busch hergezogen sind, aber als wir gerade vorbeifuhren, dachte ich … dachten wir, dass es eine gute Idee wäre, bei euch vorbeizuschauen!«

Frankie legte die Hand auf Trudys Unterarm und sah ihr in die leuchtenden braunen Augen. »Wir freuen uns, dass ihr es getan habt. Peter kocht immer für eine ganze Armee. Möchtet ihr zum Essen bleiben?«

»Super«, sagte Michael.

Trudy klatschte in die Hände.

»In diesem Fall werden wir das hier brauchen.« Sie begann in ihrer Tasche zu kramen. Zuletzt zog sie eine braune Papiertüte heraus und streckte sie hoch. »Champagner!« Alle jubelten.

»Natürlich nehme ich nur einen winzigen Schluck!« Trudy tätschelte ihren Bauch.

»Perfekt!«, sagte Frankie. Sie sah Peter an und lächelte aufgeregt.

»Peter und ich haben ebenfalls etwas zu feiern.« Sie nahm ihren Mut zusammen und sprach es aus. Um die Wirkung zu testen.

»Er hat gerade eben um meine Hand angehalten.«

Es war, als würde sie einen Stein von einer Klippe werfen. Frankie wartete auf den Aufprall des Steines am Boden. Das Schweigen schien kein Ende zu nehmen. Dann begann Trudy zu quietschen.

»Oooooh! Das ist ja super für euch! Wunderbar!« Sie klatschte wieder in die Hände und hüpfte mit ihrem dicken Bauch auf und ab wie ein Gummiball.

Frankie verschränkte die Finger und wartete auf Micks Reaktion. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, als ein Lächeln auf seinem Gesicht erschien und er aufstand, um Peter die Hand zu geben.

»Herzlichen Glückwunsch.« Er ging zu seiner Mutter und küsste sie auf die Wange. »Gut gemacht, Mum.«

»Moment! Ich habe noch nicht Ja gesagt!«

Alle lachten.

»Unserer Reaktion nach zu urteilen, Mum, finde ich wirklich, du solltest es tun.« Mick legte den Arm um sie.

»Ja. Dann Ja!« Und Peter schloss sie in die Arme.

Während sie auf das neue Haus, das neue Baby und die neue Verlobung anstießen und tranken, beobachtete Frankie ihren Sohn. Seit er von Waters Meeting weggezogen war, wirkte er wie befreit. Er kam ihr weniger abweisend, weniger arrogant vor. Trudy war ebenfalls glücklicher. Sie kam ihr … sympathischer vor.

»Wie läuft es bei der Immobilienfirma, Mick? Vermisst du die Farm?«, fragte Frankie.

Sie hörte ihm interessiert zu, den Kopf zur Seite gelegt, das Glas immer noch erhoben und einen Ellbogen auf den Tisch gestützt, wie er von seinem neuen Leben erzählte.

Als später das Lachen am Tisch vom Klappern des Bestecks auf den Tellern untermalt wurde, erkannte Frankie, dass ihre Entscheidung richtig war.

Nachts wachte Frankie nach dem vielen Champagner und Wein mit ausgetrocknetem Mund auf. Während sie im Bad durstig ein Glas leerte, fiel ihr das Wasser wieder ein. Das Wasser in ihrem Traum, das tosend durch das Flussbett geschossen kam. Weiter unten lag in einem Strudel abseits der Strömung ihr nackter Sohn Tom mit weißer Haut und dem Gesicht nach unten im Wasser, umspült von Blättern und Zweigen. Sie schüttelte den Traum aus ihrem Kopf und kehrte ins Bett zurück, wo sie sich fest an Peters warmen Rücken schmiegte.

Wo die Wasser sich finden australien2
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