Christian wollte sich auf keinen Fall im Krankenhaus behandeln lassen, stur beharrte er darauf, ohne Arzt gesund zu werden. Er brauchte Wochen, um auf die Beine zu kommen. Immer neue Fieberanfälle warfen ihn aufs Lager zurück, auch die Geschwüre heilten nur langsam ab. Wenn es ihm besser ging, setzte er sich unten in den Laden in den schönen Sessel, den Kamal Singh Charlotte geschenkt hatte, um das Tun der beiden Frauen zu beobachten, trank Tee und schwieg sich aus. Bei jeder Gelegenheit rief er nach Schammi, ließ sich von ihm bedienen und wurde zornig, wenn der Junge seine Aufträge nicht wie erwartet ausführte. Schammi erfand bald allerlei Listen, um sich vor den Befehlen des bwana Christian zu drücken. Tagsüber versteckte er sich hinter Klaras Nähmaschine oder trieb sich hinten im Lager herum, oft erbot er sich auch eifrig, zum Markt oder aufs Postamt zu laufen, und blieb dann länger fort, als nötig gewesen wäre. Die sanfte Klara war ihm keine Unterstützung, umso mehr jedoch Charlotte, die energisch darauf bestand, dass Schammi vor allen Dingen für die Belange des Ladens da war.

Als Christian Anfang Dezember endlich fieberfrei war, atmete Charlotte innerlich auf. Sie hatte sich zuletzt schwere Vorwürfe gemacht, seine Pläne nicht hingebungsvoller unterstützt zu haben. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn sie mit ihm gemeinsam ins Usambara-Gebirge gefahren wäre … Wenn sie ihm ihre gesamten Ersparnisse zur Verfügung gestellt hätte, anstatt sie in ihr Geschäft zu investieren … Hatte sie nicht geahnt, dass er scheitern würde? Wäre es nicht ihre Pflicht gewesen, an seiner Seite zu bleiben, um das Schlimmste zu verhindern?

Sie sprachen nicht darüber. Christian suchte ihre Nähe, als müsse er sich an ihr festhalten, folgte ihr mit Blicken, wenn sie ihre Kunden bediente, saß neben ihr, wenn sie am Abend ihre Eintragungen machte. Obwohl sie nie gelernt hatte, ein Handelsbuch zu führen, hatte sie doch einen genauen Überblick über Einnahmen und Ausgaben; sie wusste, welche Waren sie einkaufen musste und wie viel sie damit verdienen würde. Das Geld legte sie in eine Blechschachtel, die in einer Mauernische hinter einem losen Stein verborgen war. Hin und wieder brachte sie einen kleinen Betrag zur Post, um ihre Schulden bei Gerhard abzuzahlen, der Rest musste für den Laden und zum Leben reichen.

Christian verbrachte die Tage in vollkommener Untätigkeit. Nie versuchte er, sich im Laden nützlich zu machen; er war dort nur ein Gast, ein schweigender Beobachter, oft schlief er im Sessel ein, und man musste ihn wecken, wenn das Geschäft am Abend geschlossen wurde. Kamal Singh hatte ihn mit gemessener Freundlichkeit begrüßt, und Christian brachte es sogar fertig, dem Inder für das heilende Pulver zu danken, obgleich seine Abneigung gegen Kamal Singh eher noch stärker geworden war. Auch der Inder hegte keine Sympathien für ihn, er stellte seine Nachmittagsbesuche in Charlottes Laden ein und erschien nur noch am frühen Morgen, wenn Christian noch nicht aufgestanden war. Dann sprach Kamal Singh mit Charlotte wieder über Geschäfte, erklärte ihr einen Teil seiner komplizierten Handelsbeziehungen, und die Vorschläge, die er ihr unterbreitete, faszinierten sie.

»Ich habe aber nur wenig Geld«, wandte sie ein.

»Sie geben mir das, was Sie haben, und ich lege noch einmal so viel drauf.«

»Nein. Ich mache keine Schulden.«

Er drängte sie nicht, ließ jedoch durchblicken, dass er ihre Vorsicht für unklug hielt. Kleine Investitionen brachten kleine Gewinne, wer mehr erreichen wollte, der musste etwas wagen.

Himmel über dem Kilimandscharo
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