Drei Wochen später flatterte ein Brief ins Haus, in dem Tante Edine der Verwandtschaft mitteilte, dass sich George Johanssen mit ihrer ältesten Tochter Marie verlobt habe.

Tante Fanny sank in den Sessel und stieß seltsame Laute aus, die wie ein Lachen, dann aber auch wieder wie Schluchzen klangen. Als sie begann, nach Luft zu ringen, und man fürchtete, sie könne ersticken, liefen Ettje und Charlotte in die Küche, um kaltes Wasser und Riechsalz zu besorgen. All diese Bemühungen halfen jedoch wenig, erst als die Großmutter ihr befahl, sofort mit dem hysterischen Getue aufzuhören, beruhigte sich die unglückliche Fanny.

»So eine hinterhältige Person … Tut, als könne sie kein Wässerlein trüben …«

»Was regst du dich auf? Marie ist vier Jahre älter als Ettje – es war höchste Zeit, dass sie unter die Haube kam.«

»Marie war verlobt!«

Auch der Großvater fand diesen Umstand bedenklich, schließlich bedeutete eine Verlobung eine Verpflichtung, die im Einverständnis mit Eltern und Familien eingegangen worden war und die man nicht so mir nichts dir nichts in den Wind schlagen könne. Der junge Assessor hatte Marie keinen Grund gegeben, die Verlobung zu lösen, er hatte sich vorbildlich verhalten, war eifrig in seinem Beruf und hatte sogar einen Verlobungsring gekauft. Wie stand er nun in der Öffentlichkeit da?

»Eine Verlobung ist eine Zeit der Prüfung«, sagte die Großmutter und betonte dabei jedes Wort.

»Drum prüfe, wer sich ewig bindet – ob sich nicht noch was Bess’res findet«, zitierte Gymnasiast Paul mit verhaltenem Spott.

»Friedrich Schiller ist ein Aufrührer und Unruhegeist, der den jungen Menschen nur die Köpfe verwirrt«, gab der Großvater ärgerlich zurück. »Außerdem ist das Zitat verballhornt und ganz falsch!«

Das wusste Paul natürlich, er hatte witzig sein wollen, was leider gründlich danebengegangen war. Die Großmutter, von literarischer Bildung vollkommen unbelastet und eher praktisch denkend, fand jedoch, dass Paul nicht unrecht hatte.

»Bei einer Heirat kommt es immer darauf an, in die Zukunft zu denken. Und George ist für Marie auf jeden Fall die bessere Partie.«

Das war nicht zu leugnen. Für die Großmutter konnte es gleich sein, ob George Marie oder Ettje nahm – die Hauptsache war, er heiratete in die Familie ein. Die Sache war somit beredet und trotz leichter Vorbehalte des Großvaters für in Ordnung befunden, was bedeutete, dass Tante Fanny ihre enttäuschten Hoffnungen mit sich selbst auszumachen hatte.

Ettje nahm die Nachricht mit erstaunlicher Gelassenheit auf. Nur abends in den Betten, als Klara sie tröstete, George hätte sowieso nicht zu ihr gepasst, brach der Kummer aus ihr heraus, und sie fauchte die Schwester böse an:

»Schau du lieber selber, dass du einen abbekommst! Du mit deinem Humpelbein!«

»Lass sie«, sagte Klara besänftigend, als Charlotte auf Ettje losgehen wollte. »Sie hat es nicht so gemeint.«

Als Tante Fanny zu Bett ging, schloss sie das Fenster, da die kühle Nachtluft angeblich der Lunge schade. In Wirklichkeit hatte sie panische Angst vor Einbrechern und anderen männlichen Gestalten, die ihrer Meinung nach draußen im Dunkeln lauerten, um ahnungslose Schläferinnen zu überfallen. Es wurde stickig in der Schlafkammer, die schweren Federbetten waren durch Leintücher ersetzt worden, doch die langen, hochgeschlossenen Nachthemden waren Pflicht, und so lagen die Mädchen schwitzend in den Kissen. Ettje war trotz der Wärme und ihres Ärgers bald eingeschlafen, Klara hatte die Augen geschlossen und bewegte sich nicht, doch Charlotte wusste, dass sie noch wach war.

»Bist du traurig?«, flüsterte Klara plötzlich.

»Es ist so heiß, ich kann nicht einschlafen.«

Zum ersten Mal seitdem sie im Haus der Großeltern lebte, wünschte sich Charlotte ein eigenes Bett, denn dann hätte sie Klara jetzt nicht belügen müssen. Klara spürte, wenn sie unglücklich war, sie merkte es an ihren Bewegungen, an ihrem Atem, an ihrem Pulsschlag. Charlotte hatte ihrer Cousine von ihrem Gespräch mit George erzählt, doch ganz gegen ihre Gewohnheit war sie dabei sehr zurückhaltend gewesen, hatte nur berichtet, dass George die fernen Länder liebe und später wohl nach Übersee reisen wolle. Nichts von dem gebrochenen Damm ihrer Gefühle, von ihrer Beglückung, einen Gleichgesinnten gefunden zu haben; auch jenen so entscheidenden Satz, den George nicht zu Ende geführt hatte, hatte sie für sich behalten. Sie wollte nicht getröstet werden. Der Schmerz, der ihr die Seele abdrücken wollte, gehörte ihr allein, niemand sollte davon erfahren, nicht einmal Klara. Es gab keinen fassbaren Grund für diesen abgrundtiefen Kummer, und außerdem: Weshalb sollte George Marie nicht heiraten? Sie war schön, hatte ein bezauberndes Lächeln und eine Figur wie ein Modell, sie war beweglich und fröhlich – ganz so, wie ein junges Mädchen sein sollte, in das sich ein junger Mann verlieben konnte. Marie hatte schon viele Bewerber abgewiesen, nur auf den dringenden Wunsch ihrer Eltern war sie die Verlobung mit dem jungen Assessor aus Aurich eingegangen, und jetzt, kurz bevor es zu spät war, hatte sie die große Liebe ihres Lebens kennengelernt. Charlotte konnte Marie nur allzu gut verstehen – sie selbst an ihrer Stelle hätte genauso gehandelt.

Weshalb dann aber dieser Schmerz, der sich so schwer auf ihr Herz legte? War es der Gedanke, dass dieses Gespräch, das ihr so unendlich viel bedeutet hatte, für George nur eine kleine unwichtige Plauderei gewesen war? So unbedeutend und nebensächlich, dass er sie bald wieder vergessen hatte? Ja, damit hatte es zu tun. Sie hatte ihm ihr Innerstes geöffnet und Dinge preisgegeben, die nur Klara wusste und sonst niemand. Das, was sie für ernsthafte Anteilnahme, für eine Art Seelenverwandtschaft gehalten hatte, war nichts als oberflächliches Gerede gewesen und vergessen, als Marie auftauchte – hübsch, verführerisch, mit einem koketten Lächeln im Gesicht. In Wahrheit hatte er sich über sie, die »kleine indische Prinzessin mit den Tigeraugen«, wohl nur lustig gemacht. Tante Fanny hustete, dann setzte sie sich im Bett auf, um schnaufend nach einer Stechmücke zu schlagen, die sie drangsaliert hatte. Charlotte bewegte sich nicht. Plötzlich empfand sie Mitgefühl für ihre Tante, deren Hoffnungen ebenfalls herb enttäuscht worden waren. Hatte George nicht auch mit Ettje gescherzt, ihr zu verstehen gegeben, dass sie ihm gefiel? Ja, er war ein Blender, er hatte sie alle über seine wahren Absichten getäuscht, hoffentlich meinte er es wenigstens mit Marie ernst und kam nicht auf die Idee, die Verlobung nach ein paar Monaten wegen einer anderen zu lösen.

Der Sommer wich dem Herbst, kühle Winde rissen an dem welkenden Laub, Regengüsse hinterließen breite Rinnen und glitschige Pfützen auf den Straßen. Wenn die Sonne zwischen den Wolken durchblickte, leuchteten die letzten Blätter ockergelb und dunkelgrün, und einige der Backsteinhäuser glühten in warmem Rot. Doch nur allzu bald stiegen die Nebel aus dem Fluss, um lautlos die Wiesen, Felder und die ganze Stadt zu erobern. Dann legten die Nebelfrauen eine graue Decke über die Häuser, die unter dieser Last niedriger und dunkler erschienen, und wenn sich ein Mensch bei Wind und Regen durch die Straßen kämpfte, hatten die Nebelhexen ihren Spaß daran, sich dicht an ihn zu schmiegen, ihn in ihre feuchten Mäntel einzuhüllen und ihm traurige Geschichten einzuflüstern.

Charlotte kannte die Tücke der Nebelgeister und wappnete sich gegen ihre Macht. Jede Minute, die nicht mit Schule oder Hausarbeiten belegt war, saß sie am Klavier, übte verbissen neue Stücke ein und berauschte sich an jenen Augenblicken, da die Musik gelang, sich dem annäherte, was der Komponist hatte ausdrücken wollen. Es gab immer wieder heftige Szenen, wenn die Großmutter ihr das Spielen verbieten wollte, denn Charlotte war nicht bereit, sich wortlos zu fügen wie alle anderen im Haus – sie argumentierte, bettelte und konnte gar patzig und aufsässig werden. Das letzte Wort behielt sich stets die Großmutter vor, die solche »Launen« nicht dulden konnte und die Enkelin zu nützlichen Arbeiten abkommandierte. Im kommenden Frühjahr würde Charlotte die Schule beenden, und da sie eine hübsche Mitgift besaß, konnte man auf eine baldige Heirat hoffen. Eben darauf wollte die Großmutter sie vorbereiten. Klavierspielen mochte eine nette Zugabe sein, die ihrem künftigen Ehemann wohl Freude bereiten konnte, doch vor allem galt es, das Mädchen zur klugen Führung des Haushalts anzuleiten, wozu gerade Charlotte ganz hervorragende Anlagen besaß. Sie war flink und geschickt, Kochen lernte sie mit Leichtigkeit, niemand wusste die Tafel so hübsch zu dekorieren wie sie, und wenn sie auf dem Markt einkaufte, handelte sie nach wie vor die günstigsten Preise aus. Die Großmutter hätte stolz auf sie sein können, schien Charlotte doch ganz nach ihr zu kommen – wäre sie nur nicht so eigenwillig gewesen. Nur allzu gern hätte die Großmutter den Klavierunterricht verboten, doch Kantor Pfeiffer nahm kein Geld mehr für die Stunden, er musizierte mit Charlotte aus reiner Begeisterung für die Musik, und der Großvater war der Meinung, man dürfe dem alten Kantor diese Freude nicht nehmen.

So kam Charlotte weiterhin in den Genuss der Familienjournale, die dieser für seine Schwester abonniert hatte und nach Jahrgängen sortiert in seinen Regalen aufbewahrte. Vor allem die Reiseberichte faszinierten sie, die Fotografien, auf denen die Einwohner exotischer Länder zu sehen waren. Neger mit spitz zugeschliffenen Zähnen und skurrilen Tätowierungen, Tuareg-Krieger, die ihre Gesichter mit Tüchern verhüllten, so dass man nur die dunklen, ausdrucksvollen Augen sah, auch Chinesen in kurzen Kitteln oder blütengeschmückte Frauen in der Südsee, die ihre nackten Brüste zeigten, was Charlotte zutiefst verlegen machte. Auch andere Artikel verschlang sie, Berichte über Konzerte, gesellschaftliche Ereignisse, Staatsbesuche gekrönter Häupter und vor allem den Fortsetzungsroman. Darin ging es immer um ein armes, einfaches Mädchen, das sich in einen aufregenden Mann verliebte, einen höheren Beamten, einen Fabrikbesitzer oder gar in einen Adeligen. Im Grunde war klar, wie die Sache ausgehen würde, dennoch verschlang Charlotte Fortsetzung um Fortsetzung, bangte um ihre Heldin, litt all ihre Herzensqualen, bis das Paar trotz zahlreicher Widerstände und Intrigen glücklich vereint war. Solche Geschichten waren Schundliteratur, die junge Menschen zu Ausschweifungen und Sittenlosigkeit verführte, das wusste sie von den Großeltern, in deren Haus höchstens das Kirchenblatt gelesen wurde, doch das störte Charlotte keineswegs. Auch Klara profitierte von den spannenden Geschichten, die Charlotte ihrer Lieblingscousine abends im Bett erzählte. Sie malte die schönsten Stellen wortreich aus und änderte auch manchmal die Handlung, wenn sie glaubte, sie müsse eigentlich einen anderen Verlauf nehmen.

Anfang November kündigten Tante Edine und ihr Ehemann Peter einen Besuch an, auch Menna würde dabei sein, dazu die beiden Verlobten. George hatte inzwischen sein Abschlussexamen in England mit ausgezeichneten Ergebnissen bestanden, so dass der Hochzeitstermin für das kommende Frühjahr, noch vor Ostern, anberaumt worden war. Die Feier würde in Emden stattfinden, Pfarrer Peter Kramer selbst wollte seine Tochter und ihren Bräutigam miteinander vermählen und ihnen Gottes Segen auf ihrem Lebensweg mitgeben.

Außer den Großeltern war niemand erfreut über diesen Besuch. Paul war enttäuscht, dass Henrich nicht mitkam, der für sein Abitur büffeln musste, und Tante Fanny war seit dem Sommer ohnehin bis aufs Blut mit ihrer Schwester Edine zerstritten.

»Also noch vor Ostern –«, sagte sie spöttisch. »Schmiede das Eisen, solange es heiß ist!«

Charlotte hüllte sich in Schweigen. Der Schmerz, der sie anfangs ganz und gar vereinnahmt hatte, war während der vergangenen Wochen weniger geworden und mitunter ganz verschwunden, so dass sie sich fast sicher war, ihn besiegt zu haben. Dieses Mal wusste sie, was von dem jungen Mann zu halten war, er würde keine weitere Gelegenheit finden, sie zu enttäuschen. Er würde ihr einfach nur gleichgültig sein, mehr hatte er nicht verdient.

Doch als sie George vor dem Haus aus der Kutsche steigen sah, wurde ihr dieser Vorsatz schwerer, als sie geglaubt hatte. Welch ein Unterschied bestand doch zwischen dem Bild in ihrer Erinnerung und dem wirklichen, lebendigen George, der mit einem einzigen Blick seiner grauen Augen, einer raschen Körperbewegung, einer Hebung seiner Stimme die alte Verletzung mühelos wieder aufbrechen ließ!

Mit steifem Lächeln nahm sie das Geschenk entgegen, das er für sie aus England mitgebracht hatte: ein schmales Paket, in gelbes Seidenpapier eingewickelt.

»Willst du es nicht auspacken?«

Er sah sie mit erwartungsvollem Lächeln an, scheinbar überzeugt davon, ihr eine große Freude zu machen. Sie riss das Papier auf und fand ein Buch, in braunes Leinen gebunden; auf dem Deckel war ein Bild eingestanzt, das sie unter anderen Umständen neugierig gemacht hätte. Hohe, orientalisch anmutende Gebäude, davor mehrere Männer in langen Gewändern und Turban, die Silhouette einer Frau, die von Kopf bis Fuß in ein schwarzes Tuch gehüllt war. Am rechten Bildrand ritt ein Araber auf seinem Kamel durch eine angedeutete Wüstenlandschaft, alles schimmerte golden, als würde es von gleißender Sonne beschienen.

»Danke. Sehr nett von dir!«

»Es ist eine Reisebeschreibung:Thousand miles up the Nile von Amelia Edwards. Sie hat im Jahr 1873 Ägypten bereist und ist nilaufwärts gefahren – eine ganz und gar außergewöhnliche, mutige Frau …«

»Aha …«, sagte Charlotte und genoss die Enttäuschung, die sie mit dieser offensichtlichen Gleichgültigkeit auslöste. Marie lachte hell auf, als sie das Geschenk sah, und neckte George, der Charlotte ein englisches Buch schenkte. Wie sollte sie es wohl lesen?

Der Nachmittag zog vor Charlottes Augen vorbei, als stehe sie hinter einem Fenster und betrachte das Geschehen durch die Glasscheibe. Die Kaffeetafel in der Wohnstube, wo man wie immer eng beieinander hockte und sich mit den Ellenbogen berührte. George und Marie, die Seite an Seite saßen und sich heimlich unter dem Tafeltuch an den Händen hielten. Mennas und Ettjes dummes Gekicher, Paul, der den Kaffee verkleckerte, Tante Fannys versteinerte Miene, als ihre Schwester sie nach ihrem Befinden fragte. Am schlimmsten war die Rede von Onkel Peter, der das Predigen auch an der Kaffeetafel nicht lassen konnte. Er hielt eine nicht enden wollende Ansprache auf den zukünftigen Schwiegersohn, der ein so glänzendes Examen abgelegt habe und schon nach Weihnachten in der Praxis seines Vaters die ersten Patienten betreuen werde. Gewiss sei Gott dem Herrn zuallererst am Heil unserer Seelen gelegen, doch habe der Arzt, der den menschlichen Körper heile, eine nicht minder edle Aufgabe, denn Gott selbst habe Adam aus einem Erdenkloß geschaffen, und somit sei auch der Leib des Menschen ein göttliches Werk …

Charlotte war froh, hin und wieder in die Küche laufen zu können, um Milch, Kaffee oder Tee nachzuholen. George gab sich unbefangen heiter, wie es seine Art war; ohne Mühe hatte er Ettje wieder versöhnt, und sogar Tante Fannys eisige Miene schmolz unter seinen Scherzen dahin. Ab und zu beugte er sich über den Tisch, um einige Worte oder eine Frage an Charlotte zu richten, dann antwortete sie mit knapper Höflichkeit und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Hatte er etwa ein schlechtes Gewissen? Aber weshalb denn? Alle liebten ihn, er war in den Schoß der Familie aufgenommen worden und wärmte sich in der allgemeinen Herzlichkeit.

Als sie mit Klara vom Abwaschen aus der Küche zurückkehrte, hatte man an der Tafel schon Wein und selbst gemachte Liköre aufgefahren, der Großvater war mit dem Schwiegersohn Peter in theologische Gespräche vertieft, während Paul, Menna und Ettje sich mit dem Flohspiel vergnügten. George hatte bei Marie und Tante Edine gesessen, jetzt erhob er sich und winkte Charlotte zu.

»Ich habe Noten mitgebracht, Charlotte. Lass uns ein paar vierhändige Stücke miteinander versuchen.«

Wenn er geglaubt hatte, ihr damit eine Freude zu machen, dann hatte er sich gründlich verrechnet. Jetzt wusste sie, dass auch er Klavier spielen konnte, was er damals listig verschwiegen hatte. Der Grund war klar: Er hatte mit Marie tanzen wollen, anstatt am Klavier sitzen zu müssen.

»Ein andermal«, erwiderte sie kühl. »Ich habe mir einen Fingernagel eingerissen, das stört sehr beim Spielen.«

George sah sie auf seine eigene, intensive Weise an, dann schwand das Lächeln aus seinem Gesicht, ganz offensichtlich hatte er ihre Botschaft verstanden. Von schlechtem Gewissen zeugte seine Miene keineswegs, eher wirkte er verdrossen.

»Dann eben nicht!«

Er wandte sich schulterzuckend ab und kümmerte sich für den Rest des Besuches nicht mehr um sie. Charlotte verspürte etwas wie einen Triumph. Sie hatte ihm gezeigt, was sie von ihm hielt, das würde er sich merken. Erst am Abend, als George in Mantel und Hut draußen bei der Kutsche stand, um den Frauen beim Einsteigen behilflich zu sein, wurde ihr beklommen zumute. Nun würde er fortreisen, zuerst nach Emden und dann zu seinen Eltern nach England, um erst im Frühjahr zurückzukommen. War sie ungerecht gewesen? Immerhin hatte er ein Buch für sie gekauft, von dem er glaubte, es würde ihr gefallen. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie rasch zu ihm gehen sollte, um ihm zu sagen, dass er durchaus ihren Geschmack getroffen hatte. Doch als sie den Fuß hob, um zur Kutsche zu eilen, war er bereits eingestiegen. Niemand konnte es ihm verdenken – es regnete, und der Wind war eisig. Der Kutscher trieb die Pferde an, und das rasselnde Gefährt verschmolz in Dämmerung und Nebel bald zu einem formlosen Klumpen, eskortiert vom zitternden Schein der beiden Kutschenlaternen.

Himmel über dem Kilimandscharo
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