Klara blieb standfest bei ihrem Entschluss. Als Sarah drei Tage später wieder im Laden erschien, erklärte Klara, mit Arbeit so überlastet zu sein, dass sie in nächster Zeit keine Aufträge annehmen könne. Zu Charlottes Erleichterung verübelte Sarah ihr diese Zurückweisung nicht; sie habe vorerst genug zum Anziehen, zumal ein guter Bekannter ihr einige sehr feine Wäschestücke aus Frankreich besorgt habe. Sie kaufte Charlotte einige kleine Tässchen und eine mit Rosen bemalte Teekanne ab, ließ sich mehrere Ellen indischer Seide abmessen und zahlte großzügig, ohne um den Preis zu feilschen.

»Wenn ihr wieder etwas Hübsches hereinbekommt, schick mir deinen boy – dann schaue ich gern vorbei!«

Der kühle Südostwind bauschte ihren Rock, als sie davonging, und sie musste ihren Hut festhalten. Die Trockenzeit war zwar unangenehm wegen des ständig aufwirbelnden, feinen Staubs, aber dafür war die schwüle Feuchtigkeit gewichen, und man konnte in der Nacht besser schlafen. Es gab weniger Mücken, doch jetzt musste man sich vor den Sandflöhen in Acht nehmen, und aus irgendeinem Grund waren auch die kleinen, grauen Affen frecher geworden. Sie wagten sich bis in den Laden hinein, und Schammi musste die Augen überall haben, denn die gewitzten Kerlchen griffen blitzschnell zu, und was sie einmal in ihren Fingern hatten, sah man nie wieder.

Charlotte hatte einige deutsche Frauen kennengelernt, die hier in Daressalam verheiratet waren, ihre Ehemänner waren deutsche Offiziere der hier stationierten Zehnten Kompanie der Schutztruppe oder Verwaltungsbeamte. Die meisten dieser Frauen waren noch sehr jung, nur wenige hatten Kinder. Dennoch nahm Charlotte die Einladungen zu Nachmittagskaffeestündchen nur selten wahr, schon deshalb, weil sie Klara und Schammi nur ungern den Laden anvertraute. Dazu kam, dass es ihr hier in Daressalam nicht anders ging als in Leer: Sie konnte mit den braven Hausfrauen und besorgten Müttern nur wenig anfangen, teilte weder ihre Begeisterung für deutsche Backrezepte, noch konnte sie echte Bewunderung für die Wohnungen aufbringen, die mit Möbeln aus der Heimat geradezu vollgestopft waren. Keine dieser Frauen musste ihren Lebensunterhalt mit eigener Arbeit verdienen, ihre hauptsächliche Sorge galt dem Ehemann, dem Haushalt und den Kindern. Dennoch schienen die deutschen Gattinnen sie zu schätzen, man ließ bei Frau Ohlsen einkaufen, schickte ihr kleine Geschenke und fragte an, ob sie nicht bei dieser oder jener Gelegenheit für ein wenig Musik sorgen wolle. Es gab ein Klavier im Gouvernementspalast, und Frau von Liebert, die Gemahlin des Gouverneurs, habe sich schon mehrfach nach einer guten Pianistin erkundigt. Charlotte verspürte wenig Lust dazu und wimmelte solche Anfragen freundlich ab.

Im Juli endlich brachte Schammi einen Brief vom Postamt. Namenlose Erleichterung ergriff Charlotte, als sie Christians Handschrift erkannte. Das Schreiben war ausführlich und voller Optimismus. Christian hatte nach anfänglichen Schwierigkeiten eine Stellung als Vorarbeiter auf einer neu angelegten Kaffeepflanzung erhalten; er berichtete von den Rodungsarbeiten im tiefen Busch, von der Vorbereitung des Bodens, vom Einsetzen der jungen Pflanzen, die noch vor Beginn der Regenzeit an Ort und Stelle sein müssten. Alles sei doppelt schwierig, da die Schwarzen faule Burschen seien – kaum schaue man zur Seite, da ließen sie die Arbeit liegen. Es gäbe auch solche, die zwei Tage arbeiteten, um danach auf Nimmerwiedersehen im Busch zu verschwinden. Dabei würden sie gut bezahlt, aber diesen Dummköpfen sei der Wert des Geldes nicht bewusst, sie verprassten ihren Wochenlohn an einem einzigen Tag bei den indischen und arabischen Händlern, die sich inzwischen hier angesiedelt hätten.

Er sei zuversichtlich, bald ein eigenes »Haus« zu besitzen, zwar nicht aus Stein, aber doch solide aus Lehm und Holz gebaut. Sobald das der Fall sei, würde er ihnen Reisegeld schicken, und sie könnten zu ihm ziehen.

»Wenn du, mein Liebes, das Handeln nicht sein lassen magst, dann kannst du auch hier einen Laden aufmachen. Ich werde jedenfalls der glücklichste Mann unter der Sonne sein, wenn du erst wieder bei mir bist. Bis zu diesem Augenblick werde ich bei Tag und Nacht an dich denken und mich nach dir sehnen.

Lass dich von mir aus der Ferne umarmen, meine tapfere, kleine Charlotte, und vergiss mich nicht, bis wir uns wiedersehen. Dein dich liebender Ehemann.«

Himmel über dem Kilimandscharo
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