Kapitel 11

Berlin, Deutsches Reich,
August 1914

Demy und Philippe betraten gemeinsam das Foyer mit seinen dunklen Couchtischen, wuchtigen, halb hinter Kübelpflanzen versteckten Sesseln und von dunkelbraunen Vorhängen eingerahmten Fensternischen. Die elektrischen Lampen an den Wänden erzeugten ein kaltes Licht, weshalb das in Rauten verlegte Parkett, die Stuckverzierungen entlang der Fenster und an der Decke sowie die zwei opulenten Kristallleuchter enttäuschend unscheinbar aussahen.

Ein Junge sprang aus einem Sessel auf, kaum dass er sie sah, stürmte auf sie zu und umarmte Demy, um sie lange Zeit nicht mehr loszulassen. Interessiert beobachtete Philippe die Begrüßung der beiden. Wenn dieser schlaksige Heranwachsende sogar vor Zeugen seiner deutlich älteren Schwester mit so viel Zuneigung entgegenkam, deutete das auf ein inniges Verhältnis hin. Wie schön für Demy, dass sie hier in der Fremde ihre Geschwister um sich hatte. Philippe sah zu, wie auch Rika ihrer älteren Schwester um den Hals fiel. Die Begrüßung zwischen Demy und Tilla, ihrer mit Joseph Meindorff verheirateten Halbschwester, fiel hingegen auffällig steif aus. Demnach hatte sich die Beziehung zwischen den beiden in den vergangenen Jahren nicht wesentlich gebessert. Eigentlich erstaunlich, überlegte Philippe, denn immerhin befanden sie sich seit Jahren gemeinsam auf Reisen quer durch Europa.

Gegenüber Edith, der Ehefrau von Hannes, hatte Demy geäußert, dass zwischen Tilla und Joseph schon seit der Hochzeitsreise eine spürbare Eiseskälte herrschte. Ob Tilla mit ihren ausgedehnten Reisen einen Weg gefunden hatte, aus ihrer Ehe zu flüchten, ohne eine skandalöse Scheidung zu inszenieren?

Philippe hob die Augenbrauen, als Joseph Meindorff, angelockt durch die fröhlichen Stimmen, aus dem Blauen Salon in das prunkvoll ausgestattete Foyer trat. Da die Meindorffs Philippe aufgenommen hatten, betrachteten viele Menschen im Berliner Umfeld den vierzigjährigen Joseph als seinen Bruder. Allerdings hatte Philippe für den Meindorff-Erben nie geschwisterliche oder auch nur freundschaftliche Gefühle empfunden. Im Gegensatz dazu war er mit Hannes und dem wesentlich jüngeren Albert gut befreundet.

Joseph, inzwischen an den Schläfen ergraut und mit einem deutlichen Bauchansatz, begrüßte Demy so förmlich, als sei sie eine Fremde. Feddo und Rika wichen vor dem Ehemann ihrer Schwester zurück, als der zielstrebig auf Philippe zuging. »Sieh an, der verlorene Sohn kehrt heim. Ist dir die Lust am Vagabundieren verleidet oder das Geld ausgegangen?« Joseph lachte über seinen eigenen Scherz und streckte Philippe seine Rechte entgegen.

Philippe ging auf die abfällige Bemerkung nicht ein, drückte aber Josephs Hand so kräftig, dass dieser vor Schmerz die Augen zukniff.

»Ach, ich weiß, was dich hierher treibt: Die Damenwelt hat endlich genug von deinen Eskapaden und …«

»Herr Meindorff arbeitet als Ingenieur bei den Fokker-Werken, Cousin Joseph.« Sowohl Joseph als auch Philippe wandten sich Demy zu, die ihrem Schwager nicht nur unhöflich ins Wort gefallen war, sondern ihn nun noch herausfordernd anblitzte.

»Ach, du scheinst ja bestens über Philippes Leben informiert zu sein, liebe Demy.« Joseph trat auf Demy zu und sah sie finster an.

Mit gerunzelter Stirn beobachtete Philippe, wie Feddo sich mutig neben seine Schwester gesellte, Rika hingegen zurückwich. Tillas Miene wurde noch verkniffener, als sie es zuvor schon gewesen war.

Die Reaktionen der Geschwister van Campen ließen Philippe argwöhnen, dass es um den Hausfrieden nicht besser bestellt war als zu den Zeiten, in denen er unter diesem Dach gelebt und mit seinen Eskapaden und Widerworten für Aufruhr gesorgt hatte. Doch jetzt schienen die Konflikte unterschwellig zu glimmen. Philippe fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis daraus ein offenes Feuer entstand – ähnlich dem, das gerade von Europa Besitz ergriff. Ahnten Joseph und sein Vater überhaupt, auf was für einem gefährlichen Pulverfass sie saßen?

Fasziniert sah er von einem Gesicht in das nächste. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die beiden jüngeren Geschwister zu eingeschüchtert waren, um zu rebellieren. Tilla schien mit einer fast arroganten Entschlossenheit das Beste aus der Situation zu machen und Demy … Auf den ersten Blick schien sie gelassen, doch das Feuer in ihren Augen und ihre hinter dem Rücken geballte Faust verrieten deutlich ihre Anspannung.

»Und Philippe hat dich hierhergebracht, wo auch immer du herkommen magst?«, sprach Joseph weiter. »Bei den reiselustigen van Campens weiß man ja nie, wo sie sich herumtreiben. Weshalb trägst du diese eigenwillige Männerkleidung mit dir herum? Gehört sie Philippe? Muss ich aus all diesen Beobachtungen auf eine engere Verbindung zwischen dir und Philippe schließen?«

Angriffslustig stemmte Demy ihre freie Hand in die Hüfte. Philippe warf ihr einen warnenden Blick zu. »Fräulein van Campen steckte leider zu Kriegsbeginn in Paris fest.«

Anhand der winzigen Querfalten auf ihrer Nase erkannte er ihre Missbilligung seiner Einmischung. In manchen Dingen waren sie sich fast erschreckend ähnlich. Noch ehe es ihm gelang, Joseph beiseitezunehmen, erklärte das widerborstige Mädchen ihrem Schwager: »Diese Kleidungsstücke gehören mir. Das ist nun mal die zweckmäßigste Bekleidung für eine Reise in einem Flugzeug!« Mit diesen Worten drehte sie Joseph und Philippe den Rücken zu und ging gefolgt von Feddo und Rika durch die Eingangshalle zu der Tür, die ins Treppenhaus führte.

»Du bist in einem Flugzeug geflogen? Ist das aufregend! Ich würde so gern …« Feddos Stimme brach und verstummte. Entweder steckte der Bursche mitten im Stimmbruch, oder ihm war in den Sinn gekommen, dass seine Begeisterung für das neuerliche Abenteuer seiner Schwester im Hause Meindorff für Unmut sorgen könnte.

Tilla schaute betroffen drein, erinnerte sich dann an ihre Pflichten als weiblicher Hausvorstand und begrüßte Philippe zurückhaltend. Ihren Ehemann würdigte sie keines Blickes, sondern folgte übereilt ihren Geschwistern.

»Diese Bagage, die meine Ehefrau uns da ins Haus geschleppt hat, ist einfach …«, ereiferte sich Joseph, unterbrach sich aber mit einem Blick auf die noch nicht vollständig geschlossene Tür. Tilla hatte ihn mit Sicherheit gehört, doch das schien ihn nicht zu bekümmern. »Am Schlimmsten ist diese Demy. Unberechenbar nannte Vater sie kürzlich und da kann ich ihm nur beipflichten.« Joseph, der nun offenbar genug über seine angeheiratete Familie geschimpft hatte, musterte Philippe und nickte dann, als sei er zufrieden mit dem, was er sah. »Du bist erwachsen geworden. Allerdings drängt es mich zu erfahren, was dich nach all der Zeit hierher zurückführt.«

»Der Krieg.«

»Du wirst kämpfen? Sehr löblich. So viel Patriotismus hätte ich bei dir gar nicht vermutet.«

»Nein, ich werde nicht kämpfen. Mein Krieg liegt über sechs Jahre zurück.«

»Dieser Herero-Aufstand in Deutsch-Südwest? Das kannst du kaum einen Krieg nennen, das waren doch nicht mehr als ein paar Scharmützel.«

Philippe ignorierte auch diese Provokation, zumal er Joseph nicht ins Gesicht sagen wollte, dass er, der er nie einem bewaffneten und zu allem entschlossenen Trupp Männern gegenübergestanden hatte, wohl schwerlich mitreden könne. Er musste ja nicht gleich bei seinem ersten Besuch seit Jahren Josephs Zorn auf sich ziehen. Aus diesem Grund verspürte er einen Anflug von Erleichterung, als Joseph Meindorff der Ältere aus seinem Arbeitszimmer trat. Der Hausherr trug, wie offenbar alle Deutschen, die jemals eine Uniform ihr Eigen genannt hatten, seine alte Rittmeisteruniform.

Sein Ziehvater verharrte vor der Tür und musterte ihn ausgiebig. Philippe erwiderte seinen intensiven Blick ohne Scheu. Der Patriarch war in den vergangenen Jahren deutlich gealtert. Sein einstmals dunkles Haar war völlig weiß, er bewegte sich ungewohnt schwunglos und die blasse, ungesunde Farbe seines eingefallenen Gesichts wies auf einen schlechten Gesundheitszustand hin.

Meindorffs Gehör schien allerdings nach wie vor exzellent zu sein, stellte Philippe fest, als dieser an ihn gewandt sagte: »Genau aus diesem Grund braucht dich das deutsche Heer. Du hast Kampferfahrung! Das geht den jungen Soldaten und den meisten der aktiven Offiziere ab.«

Philippe ließ Joseph stehen, ging mit festem Schritt auf seinen Ziehvater zu und begrüßte ihn höflich, aber wie bereits vor Jahren keineswegs unterwürfig.

»Was treibt dich nach Berlin?«

»Demy!«, wandte Joseph an seiner statt ein und gesellte sich zu ihnen.

»Was hat das Fräulein denn nun schon wieder angestellt?«, brummte Meindorff und griff sich mit der rechten Hand an seinen linken Arm, um diesen zu massieren.

»Meine Ehefrau kam ja ohne ihren Anhang aus Paris zurück, angeblich, weil Demy erkrankt war.«

Diesmal war es Philippe, der Joseph ins Wort fiel. »Die Kriegserklärung überraschte sie, weshalb ich ihr half, Frankreich zu verlassen und hierherzugelangen.«

Meindorff wischte seine Erklärung mit einer Handbewegung beiseite. Offenbar war Demy kein Thema, das ihn interessierte. »Wir setzen die Unterhaltung in meinem Kontor fort. Dort erzählst du mir von deinen Plänen.« Ohne auf seine Zustimmung zu warten drehte Meindorff sich um.

Philippe betrat hinter dem Hausherrn dessen Arbeitszimmer, das sich nicht einen Deut verändert hatte. Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein, während sie an Meindorff selbst deutliche Spuren hinterlassen hatte. Einzig die Ziersträucher vor dem gläsernen Wintergarten waren entfernt worden, vermutlich hatten sie dem Raum zu viel Licht geraubt.

Mit vernehmlichem Ächzen ließ Meindorff sich schwer auf seinen Stuhl fallen. Philippe lehnte sich mit der Schulter an die Glasfront.

»Wo kommst du her?«, wollte der alte Mann wissen.

In der Annahme, Meindorff wolle nicht hören, wo er die letzten sechs Jahre verbracht hatte, erwiderte Philippe knapp: »Paris.«

»Hast du vor, dich in Berlin niederzulassen?«

»Ich arbeite bei Fokker in Schwerin, werde aber auch gelegentlich in Döberitz und Johannisthal sein.«

»Dann stimmt das Gerücht also, dass du zu den Fliegern gehörst?«

»Ich bin Ingenieur und Flugzeugkonstrukteur, nebenbei bilde ich Piloten aus.«

»Du hast das Geld, das ich für dich anlegen ließ, niemals angerührt.«

»Ich habe mein Studium selbst finanziert, Herr Rittmeister.«

»Mir gefällt es, wenn ein Mann sein Leben in die Hand nimmt.«

Philippe schwieg. Hannes, Meindorffs zweitältester Sohn, hatte das ebenfalls getan und anstelle von Demy die Frau geheiratet, der seine Liebe galt. Edith entsprach jedoch nicht dem Bild und dem Stand, den der Rittmeister von den Ehefrauen seiner Söhne erwartete, weshalb er Hannes seit ihrer letzten Auseinandersetzung wenige Tage vor der heimlichen Trauung nicht mehr gesehen und gesprochen hatte. Er kannte also weder Edith noch seine beiden Enkelinnen. Einzig die Gebühren für die Elitekadettenanstalt Groß-Lichterfelde11 hatte er bis zu Hannes’ Abschluss weiterbezahlt. Aber vermutlich war dies nur seinem Ehrgeiz geschuldet, wollte er doch, dass alle seine Söhne den Rang eines Offiziers bekleideten.

Der Rittmeister räusperte sich und schichtete ein paar Papiere auf seinem Schreibtisch um. »Du bleibst demnach in der Nähe Berlins?«

Philippe bejahte, wusste aber den Tonfall seines Gesprächspartners nicht einzuordnen. Freute er sich über seine Anwesenheit oder kam sie ihm vielmehr ungelegen?

»Jedenfalls verspüre ich noch heute Erleichterung darüber, dass du dir damals die Heirat mit dieser Negerin aus dem Kopf geschlagen hast.«

Philippe biss die Zähne zusammen. Noch immer fühlte er den Schmerz des Verlustes von Udako wie den heißen Wüstenwind, der über die Namib12 wehte und beißende Sandkörnchen mitriss. Seine zauberhafte Udako war von geldgierigen Halunken ermordet worden, und einer der Finanziers der damaligen Diamantschürfstelle war Meindorffs Sohn Joseph gewesen. Vermutlich wusste der Patriarch bis heute nichts von diesem verlustreichen Geschäft seines Ältesten.

Der Rittmeister musterte seinen erwachsenen Pflegesohn missbilligend. Er war es nicht gewohnt, dass man ihm die Auskunft verweigerte oder auf seine Worte mit Schweigen reagierte. »Also gut!«, stieß er gereizt hervor und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Um dem Haus Meindorff keinen abermaligen Schaden durch deinen zügellosen Lebenswandel zuzufügen, wirst du erstens Berlin meiden, außer du kommst im Zuge einer Einladung in mein Haus …«

Grimmig, aber bereitwillig gab Philippe seine Zustimmung. Berlin und sein Großbürgertum interessierten ihn nicht. Er lebte sein eigenes Leben, benötigte weder die Anerkennung der Familie noch deren gehobenen Lebensstil. Seine Beziehungen zu den Industriellen Berlins waren niemals eng gewesen, weshalb er keinen seiner ehemaligen Bekannten vermisste, zu denen die Kontakte längst abgebrochen waren.

»Zweitens werden wir dir eine Frau besorgen, damit niemand – du am allerwenigsten – auf den Gedanken kommt, du könntest deinen unangemessenen Lebenswandel, was Frauen anbelangt, wieder aufnehmen.«

Jetzt stieß sich Philippe doch von der Scheibe ab, allerdings hob Meindorff im selben Moment abwehrend die Hand und wedelte mit einem Blatt Papier. »Ich bekam erstaunlicherweise aus Straßburg Glückwünsche zu deiner Verlobung übersandt. Das Ganze scheint mir zwar ein Scherz deiner einigermaßen undiszipliniert erscheinenden Pilotenkollegen, aber da der Gedanke nun einmal aufkam …«

Erschrocken trat Philippe vor und zog dem Rittmeister das Telegramm aus der Hand. Tatsächlich gratulierte man darin dem Hause Meindorff zur Verlobung zwischen Philippe und Demy van Campen. Mit grimmigem Blick las er den Absender: Leutnant Heinz Diercke.

Der Mann war nicht dumm und hatte seine Täuschung durchschaut, mit der er die anderen Piloten von Demy hatte fernhalten wollen. Nun versuchte Diercke, ihm eins auszuwischen. Mit Sicherheit wusste der gebürtige Berliner von Philippes Frauengeschichten, die über Jahre hinweg in der Stadt kursiert waren.

»Es ist ohnehin an der Zeit, dass Demy unter die Haube kommt. Wie alt ist sie noch gleich?«

Philippe blieb ihm auch diese Antwort schuldig, denn in diesem Haus wurde Demy für gut drei oder vier Jahre älter gehalten, als sie tatsächlich war. »Das ist inakzeptabel, Herr Rittmeister«, widersprach er scheinbar gelassen. »Fräulein van Campen und ich würden uns nur bekriegen.«

»So in etwa argumentierten damals auch Hans und Demy. Offenbar kommt kein Mann mit dem Mädchen zurecht. Bei Hans kann ich das nachvollziehen. Er ist zu weich, zu schwächlich. Du aber bist aus anderem Holz geschnitzt. Du wirst das Mädchen im Griff haben, vermutlich sogar besser als Joseph diese reiselustige Tilla.«

»Herr Rittmeister, ich suche mir meine Frau selbst aus!«, erklärte Philippe und wandte sich zum Gehen um.

»Du hattest in der Vergangenheit reichlich Gelegenheit, dich bei Frauen auszuprobieren. Dein Ruf in Berlin ist nicht dergestalt, dass du die große Auswahl hättest!« Meindorff war aufgesprungen und taxierte Phillippe wütend, während er sich mit beiden Händen auf der Tischfläche aufstützte. »Ich stelle dir eine Frau an die Seite, und zwar bald, bevor sich herumspricht, dass du wieder hier bist und weitere Frauenherzen brichst. Ich möchte das Risiko, dass mir die dazugehörigen Väter die Freundschaft oder gar die Geschäftsverbindung aufkündigen, nicht ein zweites Mal eingehen. Und bei dieser Demy verhält es sich nicht anders. Sie muss heiraten, damit ich sie endlich aus dem Haus habe. Ich bin nicht gewillt, die van Campen-Brut noch länger durchzufüttern.«

Mit der Hand an der Türklinke zögerte Philippe. Der Gedanke, Meindorff könne sich erneut auf Brautschau für ihn begeben, ließ ihm förmlich die Nackenhaare zu Berge stehen. Er könnte es wesentlich schlimmer treffen, als mit Demy verlobt zu sein. Und sie nicht minder. Zumindest vorerst war diese Lösung die bessere Alternative, wenngleich Demy ihm vermutlich den Kopf abreißen würde, wenn er jetzt seine Zustimmung erteilte.

»Philippe?«

»In Ordnung«, sagte er, verließ den Raum und schloss die Tür nicht eben leise hinter sich.

Im Foyer wartete Maria Degenhardt, die Haushälterin, auf ihn. Ihr Lächeln spiegelte wie immer ihre Zuneigung für ihn wider. »Schön, dass Sie einmal wieder den Weg hierhergefunden haben, Herr Philippe.«

»Danke, Degenhardt. Allerdings bin ich schon wieder im Gehen begriffen.«

»Und ich hatte gehofft, Sie blieben zur Abendmahlzeit!«

»Tut mir leid. Sosehr ich Ihre Küche auch genieße, ich muss nach Schwerin zurück.« Er wollte an ihr vorbeigehen, aber Maria legte für einen Moment ihre Hand auf seinen Arm. Höflich blieb er stehen.

»Ich möchte Ihnen danken, dass Sie Fräulein Demy wohlbehalten zurückgebracht haben. Außer Feddo und Rika hat sich in diesem Haus kein Mensch um ihr Ausbleiben gesorgt. So eigenartig es vielleicht klingen mag, aber sie ist unser Sonnenschein. Sie hat nicht nur ihren jüngeren Geschwistern gefehlt, um die sie sich hingebungsvoll kümmert, sondern auch den meisten Angestellten, insbesondere Henny und mir.«

»Dann ist es also von Vorteil, wenn ich dafür Sorge trage, dass Sie Ihnen lange erhalten bleibt?«, erkundigte er sich, zwinkerte ihr zu und verließ mit schnellen Schritten die feudale Halle. Erst als er auf der geschwungenen Freitreppe anlangte, stellte er sich die Frage, seit wann die ehrenwerte, langjährige Haushälterin der Meindorffs wohl an Türen lauschte.

11 Groß-Lichterfelde war von 1878 bis 1920 Königliche Preußische Hauptkadettenanstalt.

12 Trockenwüste an der Westküste Afrikas (Namibia und Angola). Übersetzt: Leerer Platz bzw. Ort, wo nichts ist.