Kapitel
43

Joshua hatte gehofft, die Spectromagic-Parade würde für genügend Ablenkung sorgen, damit er aus Disney World verschwinden könnte.

Auf der Main Street würde es am dunkelsten werden, wenn die ›Fantasia‹-Abteilung vorüberzog. Ironischerweise setzte gerade die unheimliche Filmmusik ein, als es zu den ersten Explosionen kam.

Wie alle Umstehenden auch wurde Joshua von dem Chaos mit einer Kraft erfaßt, die es mit jedem Tornado aufnehmen konnte. Er krachte in einen Touristen, der seinerseits gegen einen anderen prallte und so die Panik unter den aufgebrachten Eltern vergrößerte, die nach ihren Kindern suchten.

Der große Schauwagen, auf dem der Black Demon zu sehen war, war umgekippt, und Josh stolperte über eine der Schwingen.

Er rappelte sich wieder auf und begriff, daß es unmöglich war, sich zum Haupteingang des Magic Kingdom durchzuschlagen.

Zwei Männer lösten sich aus der durcheinander rennenden Menge und kamen direkt auf ihn zu. Josh sah ihnen an, daß sie ihn erkannt hatten, drehte sich um und rannte davon.

»Und ich dachte, du wärst tot«, sagte Blaine zu Harry Lime.

»So war das ja auch geplant.«

»Du warst also in Livingstone Crums Truppe, zusammen mit diesem Thurman und den anderen.«

»Ich habe nur meinen Job erledigt, Captain, genau wie du.«

»Eine Menge Leute hat's dabei aber erwischt.«

»Deswegen bin ich hier.«

»Wie bist du darauf gekommen, daß ich Hilfe brauchen könnte?«

»Thurman hat mich angerufen und mir gesagt, daß er dir einen Gefallen schuldet.«

»Und wen hast du mitgebracht?«

»Ein paar von den Typen, die du in Key West an der Bar kennengelernt hast, Captain. Sie sind immer gern dabei, wenn es tüchtig zur Sache geht.«

Etwas krachte vor dem Laden, und die letzten Scherben flogen aus dem Fensterrahmen. McCracken ging sofort in die Hocke und feuerte auf die Schützen, die über die Straße angerannt kamen. Harry nahm seine Maschinenpistole ab und unterstützte Blaine. Ein Granatwerfer hing von Limes anderer Schulter.

»Da dürfen sie sich heute abend aber freuen«, grinste McCracken.

»Ich gehe jetzt da raus!« verkündete Wills und band sich den Pistolengurt um.

»Da können Sie gleich Ihr Testament machen«, verhieß Fuchs ihm mit unbegreiflicher Ruhe.

Turk wirbelte herum und hätte den Mann am liebsten erschossen. »Sie haben damit gerechnet, stimmt's, Sie Schweinehund!«

»Nein, habe ich nicht, aber ich hätte mich darauf einstellen sollen.« Der Colonel hätte sich denken können, daß McCracken ebenfalls eine Armee ins Feld führen würde. »Das Ganze ist unglücklich gelaufen.«

»Unglücklich? Haben Sie endgültig den Verstand verloren? Sehen Sie sich an, was hier passiert!«

»Das Ziel rechtfertigt auch solche Opfer, Chief, lassen Sie sich dessen versichert sein.«

»Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder ein Auge zubekomme.«

Fuchs beendete die Instruktionen an den Rest seiner Truppe und machte sich dann auf den Weg zur Treppe.

»He, wo wollen Sie denn hin, Mr. Washington?«

»Ich gehe da raus, Chief, und begebe mich in einen anderen Teil des Parks. Dort, wo meine Beute schon auf mich wartet.«

»Arschloch!« rief Turk, aber der Colonel hatte den Raum schon verlassen.

Ein einziger Mann hielt Wache, als Krill an der Lagune ankam. Er erledigte ihn ohne großes Aufhebens und setzte sich in eines der Sicherheitsboote, das genauso aussah wie die drei, die die Barke bewachten.

Krill war gerade kurz vor dem ersten Boot, als die ersten Explosionen krachten. Er ignorierte sie, freute sich nur darüber, daß sie es ihm ermöglichten, die Boote eines nach dem anderen unbemerkt zu erreichen und die Wächter auszuschalten.

Er bestieg rasch die Barke und zog die Uhr aus seiner Hosentasche. Noch zwei Minuten, ehe die Raketen gezündet wurden. Er konnte in der Dunkelheit gut sehen, aber was er sah, verwirrte ihn.

Abschußrohre in den verschiedensten Größen waren hier ordentlich aufgereiht – es mußten mehrere Dutzend sein. Die Disney-Techniker hatten auch den Ladevorgang automatisiert, so daß Hunderte von Feuerwerkskörpern in den Himmel geschickt werden konnten.

Die Frage war nur, welche Rohre zuerst gezündet werden würden.

Krill blieb nichts anderes übrig, als seine Raketen einfach in die Rohre zu schieben, in die sie paßten, und dann von hier zu verschwinden.

Er trat auf die erste Reihe zu, stellte die Tasche mit den Raketen ab und holte die erste heraus. Er wollte sie gerade in ein Abschlußrohr schieben, als er hinter sich ein platschendes Geräusch hörte.

Er drehte sich um und sah den Indianer, der an der Steuerbordseite über die Reling stieg. Der Gegner sprang ihn sofort an, aber die Rakete, die Krill in der Hand gehalten hatte, fand noch ihren Weg ins Rohr.

Josh hörte nicht auf zu rennen, auch als die eingeatmete Luft in seiner Brust zu brennen begann. Aber er lief ohne Ziel und Richtung. Eigentlich wollte er in den Nordwesten der Anlage, doch als er den Liberty Square erreichte, mußte er entdecken, wie verheerend falsch sein Plan gewesen war. Von allen Seiten kamen dort Schützen auf ihn zu.

Ehe sie ihn einkreisen konnten, bog er auf die Rampe ab, die zu dem dreigeschossigen Schaufelraddampfer führte. Als er das Heck erreichte, hörte er schon die schweren Schritte seiner Verfolger auf den Planken. Voller Verzweiflung sprang er ins Wasser und schwamm panikartig davon. Tom Sawyer's Island fiel ihm ins Auge, und er steuerte darauf zu.

Der Junge hatten den halben Weg zur Insel bereits zurückgelegt, als er entdeckt wurde.

»Folgt ihm!« rief Fuchs seinen Männern zu, die ihm die Nachricht übermittelt hatten. »Er darf uns nicht mehr entkommen!«

Die Männer gehorchten sofort. Diejenigen auf dem Schiff sprangen ins Wasser und schwammen Josh hinterher.

Als der Junge die Insel erreichte, hatten die Schützen schon deutlich aufgeholt. Erschöpft stolperte er los. Die Insel bot viele Versteckmöglichkeiten, vor allem in der Mine und in den Höhlen.

Aber genau damit rechneten seine Verfolger. Deshalb lief Josh nach einer kurzen Verschnaufpause weiter und auf die Fußgängerbrücke zu, die diese Insel mit der nächsten verband.

»Subjekt hat die zweite Insel erreicht«, erfuhr Fuchs. »Wir rücken vom Strand aus vor.«

Der Colonel hatte die unterirdischen Gänge längst hinter sich gelassen und eine der Fähren bestiegen, die zu den Inseln übersetzten. Er dachte kurz nach. Auf der zweiten Insel gab es nicht viel, nur eine Menge Unterholz, ein paar Bäume und das Fort Samuel Clemens.

»Keine Aktion, bis ich da bin«, befahl er.

Die Zustände auf der Main Street U.S.A. kamen Harry Lime und seine Kameraden durchaus gelegen. Das Geschiebe und Gedränge der in Panik geratenen Massen behinderte die Truppen von Gruppe Sechs enorm, und sie konnten ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht nutzen.

Captain Jack, Jimmy Beam und Johnny Walker verlegten sich auf die Guerilla-Taktik. Sie schlugen unerwartet zu, um dann blitzschnell zu verschwinden. Während dessen lockten Papa und Sandmann immer wieder kleinere Gruppen von Schützen in die Walt Disney Railroad Station oder in die City Hall, um sie dort einzeln zu erledigen.

Der Park leerte sich zusehends, und das Chaos verlagerte sich zu der Monorail-Station, wo alle gleichzeitig in die Züge drängten und es nicht vor und nicht zurück ging.

In der kleinen Eisdiele an der Main Street luden Harry und McCracken ihre Waffen nach.

»Soll ich Ihnen irgend etwas von unterwegs mitbringen?« fragte Blaine Susan mit einem Grinsen.

»Mir würde es schon reichen, wenn Sie in einem Stück zurückkommen.«

»Wenn Sie sich mit so wenig zufriedengeben …«

»Und bringen Sie Josh mit.«

Lime sprang auf die Straße und feuerte die letzten Geschosse aus seinem Granatwerfer ab. Als die Waffe leer war, ließ er sie fallen und nahm die beiden Maschinenpistolen von der Schulter. McCracken nahm in der Zwischenzeit einem der toten Schützen eine ähnliche Waffe mitsamt zwei Magazinen ab, die er sich in die Tasche stopfte.

Nur an wenigen Stellen brannte wieder Licht, und die Main Street lag weitgehend in trübem Halbdunkel da. Der Rauch von den Explosionen und Schüssen hing schwer in der schwülen Luft. Bis auf die beiden kämpfenden Parteien war das Gelände fast menschenleer. Die Touristen hatten alles zurückgelassen: Souvenirs, Tüten, Rucksäcke und Jacken lagen zwischen Trümmern und Leichen verstreut. McCracken hatte schon ganze Städte vom Kampf zerstört gesehen, aber dieser Anblick hier hatte etwas Unheimliches.

Neue Schüsse empfingen sie von der gegenüberliegenden Straßenseite. Harry und Blaine gaben Dauerfeuer, standen Rücken an Rücken und zertrümmerten das, was von den Scheiben und Fassaden noch übriggeblieben war.

Irgendwann waren Limes Maschinenpistolen leergeschossen, und er hastete zu einer Gruppe Toter, um sich neu zu bewaffnen. Die beiden Männer trafen sich vor dem im alten Stil nachgebildeten Lichtspieltheater wieder.

»Sieht so aus, als könnten meine Jungs sie nicht mehr lange zurückhalten, Captain.«

»Dann sollten wir uns um die Schützen kümmern, die an ihnen vorbeigekommen sind.«

Die ersten Feuerwerkskörper explodierten am Himmel.

Wareagle versuchte, an das Abschußrohr heranzukommen, in dem Krill seine Rakete versenkt hatte. Aber Krill hielt den Indianer nach Kräften zurück, denn er wußte, daß die Zeit für ihn arbeitete. So rangen die beiden Riesen miteinander, stolperten über das Deck und rissen mehrere Reihen der Abschußrohre um, die zu tödlichen Hindernissen wurden. Beide wollten ihre Aufgabe zu Ende bringen: Krill das Laden der beiden anderen Raketen und Johnny die Zerstörung des Rohres, in dem Krills Rakete steckte.

Krill ging plötzlich in die Offensive und versuchte, an Johnnys Hals zu gelangen, um ihm die Luft abzupressen. Der Indianer merkte, daß es ihn schon alle Kräfte kostete, das Monstrum nur abzuwehren.

Plötzlich verzerrten sich die totenkopfähnlichen Züge Krills zu einem häßlichen Grinsen. Er warf den Kopf zurück, ließ ihn wieder vorschnellen und schnappte mit seinen langen Zähnen nach Wareagles Gesicht. Der Indianer zog rasch den Kopf ein, konnte aber nicht verhindern, daß das Ungeheuer ihm ein Stück aus der Wange biß.

Als Krill das Manöver ein zweites Mal versuchte, löste Johnny eine Hand von seinem Gegner und stemmte sie gegen dessen Kinn. Doch dadurch gelang es dem Monster, seine Rechte um Johnnys Hals zu legen. Krills unfaßbar lange Finger hatten keine Mühe, Wareagles muskulösen Hals rundum zu umschließen. Ein weniger starker Mann als Johnny wäre auf der Stelle zusammengebrochen. Aber Wareagles Kehle einzudrücken, erforderte mehr Kraft, als Krill erwartet hatte. Das verblüffte ihn so sehr, daß der Indianer Gelegenheit erhielt, zur Seite zu rucken und sich aus der Umklammerung zu befreien. Er zog die Hand von Krills Kinn, ballte sie zur Faust und ließ sie mit aller Kraft auf dessen Nase krachen.

Krill fuhr ein paar Schritte zurück. Dann stimmte er ein tiefes Knurren an, packte den Indianer wieder mit einer Hand und krümmte die Finger der anderen zu einer Klaue.

Johnny spürte, wie sein Hemd an der Brust aufgerissen wurde und die Fingernägel wie ein Rechen durch sein Fleisch pflügten.

Schon holte der Riese ein zweites Mal aus, und wieder spürte der Indianer die scharfen Krallen. Ein blutiges X zeigte sich jetzt auf seiner Brust. Krill zog ein Bein hoch, zielte auf das X und rammte Johnny sein Knie gegen das Brustbein.

Wieder schlossen sich die langen Finger um Wareagles Hals. Etwas knackte, und ein elektrisches Prickeln wanderte sein Rückgrat hinab. Gleichzeitig verwandelten sich seine Knie in Gummi.

Im nächsten Moment erkannte er, daß seine Füße nicht mehr den Boden berührten, und schon landete er platschend in der Lagune.

Johnny tauchte gleich wieder auf und stellte fest, daß er mehrere Meter von der Barke entfernt war. Oben näherte sich Krill gerade einem Abschußrohr und hielt eine zweite Rakete in der Hand. Mit ein paar kräftigen Zügen schwamm Johnny zu der Barke zurück. Als er sich an der Reling hochziehen wollte, gingen am anderen Ende der Barke die ersten Feuerwerkskörper los.

Das plötzliche helle Licht am Himmel ließ Krill seine Augen mit den Händen bedecken. Die zweite Rakete entglitt seinem Griff und rollte über das Deck davon.

Krill taumelte, und Johnny kletterte im selben Moment, als ein weiteres Dutzend Feuerwerksraketen hochgingen, an Bord.

Blaine schoß, was seine Waffe hergab und versorgte sich immer wieder von den Gefallenen mit neuer Munition. Harry und er liefen im Zickzackkurs über die Main Street auf den Eingang des Magic Kingdoms zu, wo Limes Truppe in Stellung gegangen war.

Der Sandmann sprang plötzlich auf und rannte, in jeder Hand eine spuckende Maschinenpistole, los. McCracken sah, wie immer neue rote Flecke auf seinem Bademantel auftauchten. Er machte kehrt und rannte mit Harry zu der Stelle, wo sich eine Gruppe Schützen verschanzt hatte und den Sandmann in Stücke schoß.

Bevor McCracken sie erreichte, waren schon Jim Beam und Jack Daniels da und überwältigten die Gegner von hinten.

Als der Sandmann zusammenbrach, stürmte Papa aus der City Hall. Kugeln rasten aus mehreren Richtungen auf ihn zu und trafen ihn in der Brust. Im nächsten Moment flog das Gebäude, aus dem er eben gerannt war, in die Luft, und mit ihm ungezählte Männer von der Gruppe Sechs.

»Scheiße!« murmelte Harry, während er sich über Papa beugte.

»Komm weiter«, drängte Blaine.

»Nein, Captain, es ist vorbei.«

»Von wegen, Harry, es hat gerade erst angefangen.«

Während am Himmel Tausende von bunten Lichtern explodierten, schlich Wareagle durch die Reihen der unablässig feuernden Abschußrohre. Er konnte sehen, daß Krill immer noch geblendet über das Deck taumelte. Die Raketen in der der ersten Reihe, die noch nicht abgefeuert waren, mußten die sein, die als Höhepunkt die amerikanische Flagge am Himmel entstehen lassen würden. Das erklärte, warum Krills Ladung noch nicht hochgegangen war.

Das Monster versuchte gerade verzweifelt, sich zu orientieren, als zwei weitere Reihen Raketen gezündet wurden. Krill schrie und kreischte und preßte die dritte Rakete fest an sich, während die zweite gefährlich nahe an die Reling rollte.

Der Indianer brauchte nicht zu befürchten, von ihm bemerkt zu werden.

Als Krill sich gerade über ein Rohr beugte, um die letzte Rakete darin zu plazieren, sprang Johnny ihn mit aller verbliebener Kraft von hinten an. Der Schmerz in seinem Rücken war unerträglich, und er brauchte ein paar Sekunden, um wieder zu Atem zu kommen.

Krill fiel nach vorn und krachte inmitten der feuernden Abschußrohre auf den Boden. Die Rakete fiel ihm aus der Hand und rollte ins Wasser.

Johnny griff nach dem Rohr, in dem Krill seine erste Ladung versenkt hatte, und riß es aus seiner Verankerung. Mit einer letzten gewaltigen Anstrengung stieß der Indianer das Rohr mitsamt Vorrichtung über die Reling in die Lagune.

Aber das Monster hatte sich wieder aufgerappelt und Johnny trotz des blendenden Lichts erspäht. Brüllend stürzte es sich auf ihn. Die Männer rangen miteinander, und obwohl Krill kaum etwas sehen konnte, mußte Wareagle ein paar wuchtige Schläge einstecken.

Jetzt erwachten auch die Rohre zum Leben, deren Raketen die ›Stars & Stripes‹ formen sollten. Ohne Pause wurden ein Feuerwerkskörper nach dem anderen abgefeuert.

Krill schlug nur noch blindlings um sich. Dennoch wurde Wareagle viel zu oft getroffen. Als ihm eine Faust an den Hals fuhr, knickten seine Beine ein, und er landete auf den Deckbrettern.

Das Monster tastete nach seinem Gegner und bekam Johnnys Zopf zu fassen. Er riß den Indianer daran hoch und schlug wie auf einen Sandsack auf ihn ein.

Wareagle konnte sich nicht anders wehren, als sich mit der Brust gegen die Kreatur zu werfen. Krill taumelte tatsächlich zurück, direkt auf das Meer von glühenden Funken zu.

Er wollte sich sofort wieder auf den Indianer werfen, aber seine Füße rutschten auf dem feuchten Deck aus, und er kippte mit rudernden Armen nach hinten.

Die grelle Weiße verschluckte ihn. Seine Augen explodierten vor Schmerz, und die Hitze brannte in seinem Körper. Er stolperte blind in die Rohrreihen, die ihre Raketen gleichzeitig auf ihn schossen und ihn in grelles, zuckendes buntes Licht hüllten.

Johnny schleppte sich ein Stück weg und verfolgte, was sich jetzt tat.

Krills Körper fing Feuer, und ständig explodierten weitere Raketen um ihn herum. Er versuchte, die Reling zu erreichen, um sich ins Wasser zu stürzen. Doch nur seine Hände erreichten das Ziel, dann zuckte die Kreatur noch einige Male und lag endlich still.

Der Gestank von verbranntem Fleisch drang dem Indianer in die Nase, während er sich aufzurichten versuchte.

Die US-Flagge am Himmel wies einige Löcher und Lücken auf.

Belamo gelangte endlich aus dem Jungle Cruise und wollte für einen Moment verschnaufen, als er von der panikerfüllten Menge erfaßt wurde, die zu den Ausgängen stürmte.

Sal verlor bei dem Gerangel seine Waffe und spürte, wie er buchstäblich davongetragen wurde. Seine Füße berührten kaum mehr den Boden. Dann blieb eines seiner Beine irgendwo hängen, und er schlug lang hin. Er kauerte sich in einer Ecke zusammen und wartete, bis die Menge über ihn hinweggerast war.

Seine Erleichterung darüber, daß diese Katastrophe ausgestanden war, währte nicht lange. Als er aufstehen wollte, knickte sein Bein einfach weg.

»Scheiße«, fluchte er leise. In diesem Zustand war er McCracken keine Hilfe, ganz abgesehen davon, daß er irgendwo seine Waffe verloren hatte.

Er überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Langsam drehte er sich um und sah plötzlich dem Tyrannosaurus Rex in die Augen.

»Warum nicht?« grinste er. »Verdammt, warum nicht?«

Die Lichter der unvollendeten Flagge am Himmel erstarben langsam und übergaben das Fort Samuel Clemens wieder der Dunkelheit der Nacht. Joshua hockte auf einer Rampe und starrte nach oben.

Er hatte die Ampulle mit CLAIR auf den Knien. Er atmete tief durch und nahm das Fläschchen mit der Substanz, die er bei Gruppe Sechs geschaffen hatte.

Josh öffnete beide, und schüttete etwas von der Substanz zu CLAIR dazu. Der Pegel näherte sich gefährlich der Öffnung des Fläschchens.

Josh wußte, daß der chemische Prozeß ein paar Minuten dauern würde. Er drehte den Deckel auf die Ampulle mit der Mixtur, aber nur so lose, daß er ihn mit einem Finger wieder entfernen konnte.

Warum eigentlich noch warten? fragte er sich. Sein Leben war ohnehin so gut wie vorbei. Er war Gefangener von Männern wie Fuchs, die erst Ruhe geben würden, wenn sie diese tödliche Waffe in ihren Händen hielten.

Ja, natürlich, er könnte dem Colonel das Fläschchen überlassen, aber würde das die Welt verändern? Vielleicht war die Menschheit besser dran, wenn dieses Gift über sie käme.

»Josh! Können Sie mich hören?«

Das war Fuchs. Er mußte ganz in der Nähe sein.

»Hauen Sie ab!« rief Josh zurück.

»Ich weiß, was Sie denken, und es tut mir ehrlich leid, daß alles so kommen mußte. Das, was Sie uns geben können, ist so phantastisch, daß wir wohl ein wenig über die Stränge geschlagen haben.

Passen Sie auf, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir verhandeln von neuem, und von nun an soll es keine Drohungen und kein Ultimatum mehr geben.

Also, Sie kehren zu uns zurück und können in unseren Labors an allen Projekten arbeiten, die Ihnen am Herzen liegen. Wenn Sie uns bei unserer Arbeit helfen wollen, schön. Wenn nicht, werde ich auch diese Entscheidung akzeptieren.«

»Ich habe die beiden Substanzen miteinander vermischt, Colonel.«

»Mein Sohn …«

»Ich bin nicht Ihr Sohn. Vielleicht der von Haslanger, aber bestimmt nicht Ihrer.«

»Josh, beruhigen Sie sich doch bitte. Ich weiß, daß Sie mich hassen, aber das, was Sie da beabsichtigen, ist schlimmer als alles, was ich je verbrechen könnte. Wenn Sie das Gift wirklich freisetzen, was wären Sie dann?«

»Genau so ein Stück Scheiße wie Sie.«

»Die Welt braucht die Gruppe Sechs, Josh. Das mag zwar dem einen oder anderen Unbehagen bereiten, aber an der Tatsache läßt sich nichts ändern. Ich habe die Welt nicht geschaffen, aber ich kann versuchen, sie zu einem besseren Ort zu machen. Mit Ihrer Hilfe. Kommen Sie zu uns, und finden Sie heraus, wie man das wieder richten kann, was außer Kontrolle geraten ist. Na, ist das keine Herausforderung für Sie?«

»Scheren Sie sich zum Teufel!«

»Glauben Sie wirklich, einfach aufzugeben, wäre die Antwort? Behalten Sie die Formel für sich, solange Sie mir nicht vertrauen können, aber kehren Sie zu uns zurück. Es gibt einfach keine Alternative.«

»Sie scheinen eins vergessen zu haben.«

»Ich möchte zu Ihnen kommen, damit wir uns von Angesicht zu Angesicht unterhalten können.«

»Denken Sie nicht einmal im Traum daran.«

»Ich gebe Ihnen ein paar Minuten Bedenkzeit. Beruhigen Sie sich bitte.«

»Und ich gebe Ihnen zehn Minuten. Sollten Sie und Ihre Männer dann immer noch hier sein, lasse ich CLAIR frei.«

Fuchs hielt sein Walkie-talkie an den Mund. »Haben Sie ihn im Visier?«

»Ja, Sir«, antwortete einer der drei Scharfschützen, die in den Bäumen positioniert waren, die über das Fort hinausragten. »Aber er hält ein Fläschchen in der Hand. Wenn wir auf ihn feuern …«

»Mist!«

»Er kann nirgendwo hin, Sir.«

»Wenn ich ihn nicht überreden kann, dann vielleicht jemand anderer …«, lächelte Fuchs.

Im Kontrollraum von Dinoworld wurde eine Party gefeiert. Stacy Eagers konnte es immer noch nicht fassen, wie glatt alles gelaufen war. In den letzten zwölf Stunden war es zu keiner einzigen Panne gekommen, und die Touristen schienen die beiden Saurier bereits in ihr Herz geschlossen zu haben. In dem unterirdischen Raum hatten Stacy und ihre Mitarbeiter nichts von dem Chaos über ihren Köpfen mitbekommen. Sie prosteten sich gerade zum wiederholten Male zu, als ein Fremder hereinkam – ein nicht besonders großer, aber kräftiger Mann mit einer gebogenen Nase und vernarbten Ohren.

»Wenn Sie mich fragen«, sagte er, »dann kann man Ihnen gar nicht genug bezahlen. Sie haben einfach großartige Arbeit geleistet.«

»Wie sind Sie hier hereingekommen?« wollte Stacy wissen.

»Ich habe mit dem Wächter ein Spielchen gemacht, und da hat er das an mich verloren.« Belamo zeigte die Pistole, die er in der Hand hielt.

Stacy war schlagartig nüchtern. »Was hat das zu bedeuten?«

»Wie heißen Sie?«

»Stacy Eagers.«

»Fein, mein Name ist Sal, und ich bin in einer Rettungsmission hier.«

»Hier unten muß niemand gerettet werden.«

Sal zeigte an die Decke. »Da oben schon.«