PROLOG

BRANDWACHT
Cambridge, Massachusetts; Sonntag, 15 Uhr

»Wir gehen jetzt runter, Doktor.«

Susan Lyle nickte dem Piloten zu und lehnte sich im Sitz zurück, während der Hubschrauber sich zum Edwin-H.-Land-Boulevard hinabsenkte. Der Rotor wirbelte auf der normalerweise stark befahrenen, zur Zeit jedoch leer daliegenden Cambridger Hauptverkehrsstraße Schmutz und Unrat auf; nur Polizisten und Beamte der Massachusetter Staatspolizei waren unten zu sehen, die sich wacker alle Mühe gaben, eine wimmelnde Menschenmenge zurückzuhalten. Aus größerer Höhe hatte die Menschenmasse wie ein über die benachbarten Straßen gebreiteter Teppich gewirkt, der sich ständig ausdehnte und wellenförmig bewegte, weil Leute sich nach vorn drängten und schoben, um einen Blick auf den Schauplatz des Geschehens werfen zu können.

Unterwegs waren Susan ein Stadtplanausschnitt und ein Bauplan des Einkaufszentrums zugefaxt worden, und auf dieser Grundlage hatte sie ihre vorläufige Strategie festgelegt; vor drei Stunden hatte sie an den Verantwortlichen vor Ort ihre Instruktionen übermittelt. Demgemäß war das gesamte Gebiet um die Cambridge-Citypassage, von der Nordseite des Charles-Parks bis zur Monsignor O'Brien Street im Süden, abgesperrt worden. Im Westen verwehrte der Charles River als natürliches Hindernis den Zugang, und Susan konnte aus der Luft erkennen, daß im Osten Polizeisperren die First Street komplett abriegelten. Für den Fall, daß noch jemand durch diese undurchdringlich scheinende Linie schlüpfen sollte, bewachte ein Ring von Polizisten in Kampfausrüstung den Haupteingang des Einkaufszentrums.

Die über der Straße aufgehängten Verkehrsampeln schaukelten, als der Hubschrauber vor dem Royal-Sonesta-Hotel mitten auf dem Land-Boulevard aufsetzte. Susan sah einen Mann in der Uniform der Massachusetts Staatspolizei sich nähern. Mit einer Hand überschattete er die Augen, mit der anderen hielt er seinen Hut fest. Sie stieg aus dem Hubschrauber und ging dem Beamten entgegen, der die Hand von den Augen nahm. Offenbar überraschte ihn Susans Erscheinung. Sie trug eine braune Hose und unter einem leichten Sommerjäckchen eine cremefarbene Bluse. Ihr blondes, von den Umdrehungen des Rotors rücksichtslos aufgewirbeltes Haar wippte, während sie auf den Polizisten zuging. Sie hatte helle Haut, ihre Augenfarbe lag irgendwo zwischen blau und grün. Bis sie den Umkreis der Rotorblätter verließ, schien sie von durchschnittlicher Körpergröße zu sein, doch sobald sie gerade stand, schaute sie dem Polizeibeamten fast direkt in die Augen.

»Dr. Susan Lyle«, sagte sie mit erhobener Stimme, um durch das Motorengebrumm des Hubschraubers und das ununterbrochene Stimmengewirr der Schaulustigen verständlich zu sein, und streckte die Rechte aus. »Sonderabteilung Brandwacht.«

»Captain Frank Sculley«, antwortete der Polizeibeamte, ergriff die angebotene Hand. »Ich habe in dem Park auf der anderen Straßenseite eine Befehlsstelle eingerichtet.«

»Sind meine Anweisungen befolgt worden, Captain?« erkundigte sich Susan, während sie zusammen über die Straße gingen.

»So gut wir's konnten.«

»Und die Zeugen?«

»Alle noch da.«

»Hier?«

Sculley deutete auf drei Busse, die weiter unten auf dem Land-Boulevard geparkt standen, umgeben von Polizeifahrzeugen. »Die Busse habe ich von einer Touristengruppe beschlagnahmt. Ich dachte mir, darin sind die Zeugen nicht schlechter untergebracht als anderswo.«

»Was ist mit den Hotelgästen?«

»Da gab's Schwierigkeiten. Ein paar sind weg.«

»Ein paar?«

»Dutzende. Eine ganze Menge, um ehrlich zu sein. Gäste einer Hochzeitsfeier, die gestern abgereist sind. Tut mir leid, Doktor. Als ich hier eingetroffen bin …«

Auf dem Bürgersteig blieb Susan vor den Bereitschaftspolizisten stehen, die den Haupteingang zur Cambridge-Citypassage bewachten. »Die Leute müssen unbedingt ausfindig gemacht und in Quarantäne gebracht werden, verstanden? Es kommt ein zweiter Hubschrauber mit Experten nach, die die Einzelheiten regeln können. Ich möchte, daß Sie in dieser Hinsicht mit der Hoteldirektion zusammenarbeiten.«

Captain Sculley zuckte die Achseln.

Dr. Susan Lyles Blick schweifte über den Cambridger Platz zu einem im Erdgeschoß des Einkaufszentrums gelegenen Restaurant namens Rayz, das einen Eingang zur Straße und einen zur Passage hatte. »Das Restaurant dort war geöffnet, nehme ich an.«

»Bis die hiesige Polizei es geschlossen hat.«

»Und die Gäste?«

Captain Sculley schwieg.

»Ich hatte Anweisung erteilt, alles abzusperren, Captain«, sagte Dr. Lyle streng. »Niemand sollte fort dürfen.«

»Als Ihre Anweisungen kamen, war es schon zu spät. Falls Sie es nicht bemerkt haben sollten, in den letzten Stunden hat sich hier reichlich viel Verrücktes abgespielt.« Sculleys Blick fiel auf ein zweites Restaurant an der Ecke des Land-Boulevards. »Aber im Papa Razzi hat es niemanden erwischt, soweit sich das sagen läßt.«

Susan erinnerte sich an den Bauplan. »Da gibt es keine Verbindungstür zur Passage, stimmt's?«

»Ja, genau. Inwiefern ist das von Bedeutung?«

Susan gab keine Antwort. Je weniger die lokalen Behörden erfuhren, um so besser. Noch vor einigen Stunden hatten sie nicht einmal gewußt, daß so etwas wie die Sonderabteilung Brandwacht überhaupt existierte, und erst recht nicht, daß vor dem Seuchenbekämpfungs- und Verhütungsinstitut in Atlanta ein Hubschrauber in permanenter Startbereitschaft stand. Der Diensthabende konnte nach Auslösung eines Alarms innerhalb von sechs Stunden überall im Land sein, wurde mit einer Düsenmaschine hingeflogen, die man täglich vierundzwanzig Stunden aufgetankt auf dem Hartsfield-International-Flughafen bereithielt und laufender Wartung unterzog. In den fünf Jahren seit der Gründung der Sonderabteilung Brandwacht hatte es bis zum heutigen Tag nur zweimal Alarm gegeben: einmal einen Fehlalarm, und das zweite Mal hatte man die Ursache mühelos auf ein Leck in einem nur wenige Kilometer vom verseuchten Gebiet entfernten Chemikalientanklager zurückführen können. Falls aber die ersten Meldungen den Tatsachen entsprachen, mußte man davon ausgehen, daß sich hier in der Cambridge-Citypassage tatsächlich etwas ereignet hatte, das den ersten wirklich totalen Großalarm rechtfertigte. Die Entscheidung darüber würde Susan treffen müssen.

»Wie viele Menschen haben die Einkaufspassage nach dem Vorfall betreten?« fragte sie Sculley.

»Ich habe sie nicht gezählt. Die Cambridger Streifenbeamten, die als erste hier waren, und die rund neunzig Zeugen, die jetzt in den Bussen sitzen. Fast alle kamen aus dem Parkhaus, bevor wir es geschlossen haben.«

»Fast alle?«

»Einige sind durch den Haupteingang gekommen.«

Bei Sculleys Antwort lief es Susan kalt über den Rücken. »Dann standen die Türen also offen.«

»Nur für kurze Zeit.«

»Sind bei den Personen, die durch die Türen kamen, irgendwelche Symptome oder sonstige Auswirkungen beobachtet worden?«

»Sie haben sich gerade so lange drinnen aufgehalten, um zu sehen, was …«

»Beantworten Sie ganz einfach meine Frage, Captain.«

Sculleys Hals rötete sich. »Nicht, daß wir was bemerkt hätten, nein.«

»Und die Ausrüstung, die aus der Landesklinik von Massachusetts geliefert werden sollte?«

»Ist in dem Ambulanzfahrzeug.«

Sculley wies hinter sich, auf die im Charles-Park eingerichtete Befehlsstelle, die nicht mehr umfaßte als vier Streifenautos, die man im Viereck um einen Ambulanzwagen und ein kleines, im Blau und Weiß der Polizei lackiertes Kommandomobil geparkt hatte. Davor war ein Tisch aufgeklappt worden, an dem zwei Beamte saßen und hektisch Verstärkung zu den Abschnitten der Absperrung schickten, an denen die Menschenmenge durchzubrechen drohte. Verzerrte Stimmen erfüllten die Luft mit Lageberichten, vermischten sich krächzend mit dem Genuschel, das aus dem an Sculleys Gürtel gehakten Funksprechgerät drang. Schließlich schaltete er es ab.

»Ich muß wohl annehmen, Doktor, daß das in der Ambulanz etwas ist, was in der Klinik für den Fall bereitsteht, daß jemand wie Sie es braucht.«

»Ganz genau, Captain«, bestätigte Susan und überquerte die Straße.

Sculley blieb an ihrer Seite. »Wahrscheinlich heißt das, viele andere Krankenhäuser halten so was auch ständig bereit?«

»In jeder Großstadt.«

»Als ob Sie so etwas erwartet hätten.«

»Wir sind darauf vorbereitet, um genau zu sein.«

»Sie haben Ihre Probleme, ich habe meine. Wir standen verflucht dicht vor einer ausgewachsenen Panik. Mir fehlen die Leute, um so viele Menschen zurückzudrängen. Eine ganze Anzahl hat sich durchgemogelt. Einige sind ziemlich nah ans Einkaufszentrum rangekommen.«

Susan horchte auf. »Aber nicht hinein?«

»Nein«, antwortete Sculley, »hinein nicht.«

»Was ist denn mit der Nationalgarde?«

»Der Gouverneur hat sie angefordert. Aber das dauert seine Zeit.«

»Und die Medien?«

»Absolute Nachrichtensperre, so wie von Ihnen angeordnet. Natürlich sickert manches durch, es kursieren Gerüchte. Ein derartiges Vorkommnis kann man nicht völlig verheimlichen. Aber wenn Sie mich fragen …«

»Ich habe Sie nicht gefragt«, unterbrach Susan ihn. »Wir unternehmen nichts und wir sagen nichts, bevor wir nicht das Ausmaß der Kontamination ermittelt haben.«

Sculley wandte den Blick in die Richtung der Menschenansammlungen, die sich auf der anderen Seite des Parks und auf der First Street gegen die Absperrgitter preßten, als warteten sie auf eine Parade oder einen Umzug. »Wollen Sie denen das sagen, Doktor? Viele Leute haben Verwandte im Einkaufszentrum. Ich meine überwiegend Eltern. Sonntags ist die Passage immer voller Kinder und Jugendlicher. Verstehen Sie, worauf ich hinaus will?«

»Warum warten wir nicht ab, bis wir ihnen etwas Aussagekräftiges mitteilen können? Warum lassen wir uns nicht Zeit, bis wir uns die Passage von innen angesehen haben?«

Der Racal-II-Weltraumanzug paßte Susan schlecht, er hatte mittlere Größe, aber sie hätte eine kleine gebraucht. Der Schutzanzug verfügte über eine batteriebetriebene Luftversorgung und konnte daher auch unter den vermuteten Bedingungen eines Bio-Störfalls benutzt werden. Mit Ausnahme des Helms und des Sauerstoffsystems war der Schutzanzug biologisch abbaubar – eine Notwendigkeit bei Ereignissen, in deren Verlauf schnelles Handeln den Verzicht auf komplizierte Dekontaminationsprozeduren erforderte. Die ursprünglichen Racal-Anzüge waren leuchtend orange gewesen, die neuen jedoch waren weiß, damit die Anwesenheit von Krisenbewältigungspersonal in potentiell verseuchten Zonen weniger Aufmerksamkeit erregte.

Im Polizei-Kommandomobil hatte Susan den Schutzanzug über Hose und Bluse gezogen und dann die unmittelbar über die Sichtscheibe in den Helm integrierte Miniaturkamera gecheckt. Die Kamerabedienung erfolgte durch eine transistorisierte, ans Handgelenk schnallbare Fernsteuerung. Susan befestigte sie am linken Ärmel und überzeugte sich von ihrer Funktionstüchtigkeit, bevor sie aus dem Kommandomobil stieg. Draußen wartete Sculley auf sie; durch den Park begleitete er sie zum Ring der vor dem Haupteingang der Cambridge-Citypassage aufgestellten Wachtposten.

»Kann ich irgendwas erledigen, während Sie drinnen sind?« fragte Sculley.

»Ich habe im Kommandomobil ein Funksprechgerät hinterlegt, damit Sie mithören können, was ich nach Atlanta durchgebe. Sollte mir etwas … zustoßen, wird Ihre Entscheidungsfähigkeit auf die Probe gestellt.«

»Wir schaffen das schon, Doktor.«

Susan nickte und ließ die Helmscheibe einrasten. Die Reihe der auf dem Cambridger Platz vor dem Haupteingang postierten Polizisten teilte sich und ließ ihr eine Lücke. Sie stapfte zwischen zwei hinter der Postenkette aufgestellten Sägeböcken hindurch und näherte sich dem vakuumversiegelten Verschluß, den man unter dem großen Glitzerschriftzug CITYPASSAGE vor den Glastüren angebracht hatte.

Das dicke, luftdichte Plastik der vorgefertigten Verschlußvorrichtungen bewegte sich leicht im Wind. Auch die beiden anderen Außenzugänge der Einkaufspassage waren durch solche Verschlüsse versiegelt worden und standen unter starker Bewachung. Als Einstieg diente nichts anderes als ein Reißverschluß im Plastik. Susan öffnete ihn, trat hindurch und schloß ihn hinter sich, ehe sie den Weg durch die Glastüren der Cambridge-Citypassage fortsetzte.

Sie schaltete die ans Handgelenk geschnallte Kamerafernsteuerung ein und achtete darauf, den Helm nicht nur nach links und rechts, sondern auch nach oben und unten zu bewegen, damit möglichst ein Gesamteindruck der jetzigen Verhältnisse im Einkaufszentrum auf Band aufgezeichnet wurde. Später konnte man per computerisierter Bildbearbeitung und Vergrößerung gewisse Einzelheiten oder Bereiche eingehender untersuchen, die sie bei der gegenwärtigen Ortsbesichtigung vielleicht übersah. Das Helmfunkgerät übermittelte ihre mündlichen Kommentare – wegen der Verschlüsselung mit geringer Verzögerung – direkt an die Leitung der Abteilung Brandwacht, wo man eine Bewertung ihrer Analyse vornahm; sollte die Funkverbindung plötzlich abbrechen, fielen dort die weiteren Entscheidungen.

Fast augenblicklich sah Susan die ersten Toten. Sie lagen der Länge nach auf dem Boden, als hätten sie mit letzter Kraft die Arme nach den Türen ausgestreckt. Draußen hatte Susan innere Distanz bewahrt, als Sculley sich über die Opfer und ihre Verwandten äußerte; da waren sie noch nichts als eine Abstraktion gewesen. Jetzt aber hatte sie diese Opfer – oder was von ihnen übrig war – real vor Augen. Sie spürte, daß sich ihr die Kehle zuschnürte und ihre Atmung sich beschleunigte.

Sie stellte sich vor, wie es in diesem Einkaufszentrum normalerweise aussah, wie massenhaft Kunden durch die Gänge schlenderten und in den Händen pralle Einkaufstüten trugen. Wahrscheinlich erklang gedämpfte Hintergrundmusik, klickten Absätze auf dem Fliesenboden. Die Kunden waren noch da, aber vermutlich alle in demselben Zustand wie das Grüppchen, vor dem Susan jetzt stand. Unheimliche Stille herrschte und schuf eine bedrückende Atmosphäre; kein Geräusch war zu hören außer einem mechanischen Surren – einer Art bizarrer Kontrapunktierung des Schweigens –, das nur von den immer noch funktionierenden Aufzügen stammen konnte.

Susan zwang sich, weiter in die Passage vorzudringen, gelangte in die aufwendig mit Stahlträgern und Glas als Innenhof angelegte Mitte des Gebäudes. In drei spiralförmig emporgebauten Stockwerken gab es über hundert Geschäfte. Ein bekannter Firmenname reihte sich an den anderen, aber Susan nahm sie nicht richtig zur Kenntnis. Zwei Verkaufsstände waren von den Fliehenden umgestoßen worden. Plüschtiere und die Scherben von Glasbläserartikeln bedeckten die Fliesen. Die Sonne schien durch das Dach, brach sich in der Glasarchitektur und warf ein gespenstisches Leuchten auf die Szenerie. Auf Susan wirkte es wie ein Expreß-Aufzug ins große Nichts, der wegen Überlastung den Dienst versagte.

Beim Gehen hörte sie jeden ihrer Atemzüge im Helm rauschen. Der Takt ihres Herzschlags verwandelte sich in ihrem Kopf in einen dunklen, schnellen Paukenrhythmus, schien mit jedem Pochen die Begrenzung des Schutzhelms auszudehnen. Das Schlimmste kam, als sie die Lebensmittelabteilung am hinteren Ende des Erdgeschosses erreichte. Wirr übereinander liegend stapelten sich die Leichen zu wahren Hindernissen. Susan wollte nicht weitergehen. Ein ungeschickter Fehltritt konnte einen Sturz verursachen und eventuell den Racal-II-Schutzanzug beschädigen; ein Riß brächte sie in die sehr ernstzunehmende Gefahr, sich mit dem zu infizieren, was dieses Unheil ausgelöst hatte. Susans durchaus vorsichtige Anfangsschätzung, die sich auf das stützte, was sie gesehen hatte, als sie sich zum Weitergehen entschloß, bezifferte die Zahl der Opfer auf ungefähr siebzehnhundert Tote.

»Beschriebener Zustand der Opfer kann bestätigt werden«, erklärte sie in das dicht unter der inzwischen leicht beschlagenen Helmscheibe installierte Mikrofon. »Ebenso die Angaben zum Unglücksort. Tödliche Auswirkung im Erdgeschoß … einhundert Prozent. Gehe nun ins erste Stockwerk.«

Vorsichtig ging Susan auf dem Weg, den sie zuvor genommen hatte, zu den Rolltreppen zurück. Am Boden der nach unten kommenden bemerkte Susan, als sie nach oben fuhr, ein ganzes Knäuel von Leichen; jedesmal, wenn die Stufen mit einem der Toten kollidierten, gab es ein dumpfes halblautes Wummern. Als Susan das erste Stockwerk betreten hatte, beugte sie sich über einen Leichnam, um Atlanta Nahaufnahmen zu zeigen.

»Alle Anzeichen deuten auf das Vorhandensein eines überaus virulenten biologischen Typ-Vier-Agens hin«, gab sie durch. »Das Agens hat eine Vermehrung geradezu beispiellosen Ausmaßes vollzogen.«

Sie schritt langsam einen Gang entlang, der in Richtung des Haupteingangs verlief, und ging auf eine gläserne Liftkabine zu, an deren Scheiben sich reglose Gliedmaßen preßten. Hände schienen nach dem Sonnenschein zu haschen, der durch das Innenhof-Glasdach des Einkaufszentrums strömte.

»Höchste Alarmstufe«, sprach Susan weiter. »Sämtliche …« Sie unterbrach sich mitten im Satz und blieb stehen. Ein Geräusch ließ sie aufhorchen. Etwas bewegte sich, raschelte.

Etwas, das lebte.

»Einen Moment«, sagte sie ins Mikrofon. »Ich glaube, ich habe etwas gehört …« Vorsichtig schlich sie in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und wandte sich, als sie es ein zweites Mal hörte, nach rechts. Mit ihr schwang die Miniaturkamera herum, erfaßte einen Laden. »Aus dem Geschäft da, glaube ich …«

Eine Gestalt schleuderte sich ihr entgegen, schien ihr geradewegs an die Helmscheibe zu springen. Erschrocken hob Susan die vom Handschuh umhüllte Faust vors Gesicht, aber zu spät, um den Stoß abwehren zu können, der sie rücklings auf den Fußboden schleuderte.

In Atlanta trafen verzerrte Fernsehaufnahmen ein, ehe die Bildübertragung ganz endete. Ein Krachen erscholl, danach ersticktes Geschrei; dann verstummte beides, als die Funkübertragung schlagartig abbrach.