Kapitel
39

»Mister, ich würde es wirklich begrüßen, wenn jemand mich endlich darüber aufklärte, was hier eigentlich vor sich geht!« schimpfte Turk Wills. Er saß in der Sicherheitszentrale des Magic Kingdom oberhalb einer Eisdiele aus der guten alten Zeit an der Main Street U. S. A. Der 4. Juli war angebrochen, Wills hatte noch nicht gefrühstückt und er mußte sich hier mit einem wortkargen Mann in einem tadellos sitzenden Anzug mit Bügelfalte herumärgern, der so aussah, als hätte er hier nicht das geringste verloren.

»Ich werde mit Colonel angeredet, wenn Ihnen das nichts ausmacht.«

»Und ob es mir etwas ausmacht! Es macht mir sogar eine ganze Menge aus, wenn Typen wie Sie von der Army daherkommen und mir sagen wollen, wie ich meinen Job zu tun habe, ohne daß ich auch nur ein Wort darüber erfahre, worum es hier eigentlich geht!«

Fuchs schabte mit dem Nacken am Kragen. Er fühlte sich in Zivil alles andere als wohl. »Sie haben alles erfahren, was Sie wissen müssen, Mr. Wills. Ich glaube, Washington hat sich in diesem Punkt sehr deutlich ausgedrückt. Haben Sie die Bilder schon verteilt?«

»Klar. Das von dem Jungen, und auch das von …«

»Konzentrieren Sie sich bitte zuerst auf ihn.«

»Alle meine Leute hier haben die Fotos bekommen. Es wäre sehr nett, wenn ich wenigstens erfahren würde, was an dem Bengel so wichtig ist.«

»Wichtig ist vor allem, daß Ihre Mitarbeiter den Jungen entdecken. Sie dürfen sich ihm aber auf gar keinen Fall nähern. Ist das klar?«

»Sonnenklar. Was hat es denn mit dem Mann auf dem anderen Bild auf sich, diesem Bartträger?«

»Auch in diesem Fall wissen Sie bereits alles, was für Sie von Belang ist.«

»Wenn er in irgendeiner Weise eine Gefahr für den Park darstellt, muß ich das erfahren.«

»Was er darstellt, ist für Sie ohne Bedeutung.«

Damit kehrte der Colonel ihm den Rücken zu und ließ den Blick durch die Sicherheitszentrale wandern, um sich mit der Einrichtung vertraut zu machen. Die gegenüberliegende Wand wurde fast zur Gänze von Fernsehbildschirmen eingenommen. Nur ein Techniker war erforderlich, sie zu bedienen. Dieser brauchte nur ein paar kurze Befehle auf der Konsole einzugeben, um das auf die Monitore zu holen, was die knapp einhundert im Park installierten Kameras zu sehen bekamen. Die um dreihundertsechzig Grad drehbaren Apparate waren auf Dächern, in Bäumen und sogar in den Attraktionen angebracht und vermittelten in ihrer Gesamtheit eine komplette Übersicht über das, was sich außerhalb dieser vier Wände tat.

»Jemand, der einen bedeutend höheren Rang als den eines Colonels hat, hat mich gestern angerufen und mir mitgeteilt, daß Sie und ein paar andere Wichtigtuer hierherkämen«, ließ Wills nicht locker. »Die meisten von ihnen treiben sich seit vergangener Nacht im Park herum, und selbst ein Bettler mit Krückstock würde erkennen, daß sie nach etwas auf der Suche sind. Und allem Anschein nach ist das bis jetzt noch nicht gefunden worden. Ich würde nun gern erfahren, worum es sich dabei handelt und was der Junge damit zu tun hat.«

Fuchs sah ihn lange und streng an. Dann erklärte er so gelassen, daß es schon fast höhnisch wirkte: »Mr. Wills …«

»Ich werde mit Chief angeredet, wenn Ihnen das nichts ausmacht.«

»Also gut, Chief Wills, laut Plan soll das Magic Kingdom in etwa drei Stunden seine Pforten öffnen. Soweit mir bekannt ist, rechnen Sie mit einem Besucherstrom von hunderttausend Menschen. Der beste Weg für Sie, all diese Leute vor Gefahren zu bewahren und bei Laune zu halten, damit sie mit vollgeknipsten Filmen, total erledigten Kindern und völlig leerer Brieftasche wieder nach Hause fahren können, ist der, einfach so zu verfahren, wie ich es Ihnen gesagt habe.«

Turk starrte auf eines der Schwarzweiß-Fotos, mit denen jeder Diensttuende im Magic Kingdom versorgt worden war und das auch die Männer und Frauen der nächsten Schicht ausgehändigt bekommen würden. »Ich habe einen Enkel, der in seinem Alter sein dürfte.«

»Wie schön für Sie«, sagte Fuchs und wandte seine Aufmerksamkeit dann dem zu, was sich auf den vielen Bildschirmen tat. »Erledigen Sie bitte nur Ihre Arbeit, Mr. … äh, Chief Wills, und …« Er verstummte von einem Moment auf den anderen, als sein Blick auf den Monitor im Zentrum fiel. Seine Augen wurden groß. »Sind das … sind das wirklich Dinosaurier?«

»Klar«, grinste Turk. »Hier in Disney World haben wir halt immer ein oder zwei Überraschungen auf Lager.«

»Sieht gut aus, Stacy«, lobte einer ihrer Mitarbeiter, als sie gerade einen weiteren Testdurchlauf der Programmierung des Tyrannosaurus Rex abgeschlossen hatte.

Außer Stacy Eagers arbeiteten hier in diesem Raum, den sie Mission Control nannten, noch vier weitere Techniker. Das Zentrum befand sich unterhalb des Magic Kingdom in einem der vielen Gänge. Stacy Eagers und ihre Truppe hatten den Raum so getauft, weil er wie eine verkleinerte Version des NASA-Kontrollzentrums wirkte.

Bildschirme bedeckten die Wände ringsum, und das Licht, das sie ausstrahlten, reichte als Beleuchtung völlig aus, während sie die endlosen Befehle durchführten, die nötig waren, um die Bestien der Urzeit lebendig werden zu lassen.

Und das waren für sie Stacy mittlerweile auch: lebendige Wesen und keine Roboter – Kreaturen aus der Zeit, als es noch keine Menschen gab. Und warum auch nicht? Die Bewegungen, Gesten und überhaupt das ganze Gehabe dieser Tiere war so exakt nachgebildet worden, daß man sie durchaus für lebendig halten konnte.

Stacy Eagers war jetzt dreißig Jahre alt und hatte im zarten Alter von zwölf ihre Karriere als Computerhackerin begonnen, bis sie zu einer der begabtesten Programmiererinnen des Landes herangewachsen war. Sie hatte noch nie eine Beziehung gehabt und konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie zum letzten Mal mit einem Mann ausgegangen war. Und deswegen war es ihr auch nie in den Sinn gekommen, ihre Brille mit Gläsern so dick wie Colaflaschenböden gegen Kontaktlinsen zu tauschen.

Disney World hatte sich an sie gewandt, nachdem ihre drei Vorgänger darin gescheitert waren, Programme zu schreiben, mit denen die Dinosauriermaschinen zu einem halbwegs realistischen Leben erweckt werden konnten. Hier ging es nicht um Zeichentrick, Disneys Spezialität, sondern um lebensgroße Dinosaurierapparate. Keine Puppen aus Plastik oder Pappe, sondern Wesen mit Stahlskeletten, deren Streben zum Teil einen Durchmesser von zwölf Zentimetern hatten. Hinzu kam modernste Hydrauliktechnik, um Glieder, Augen, Kiefer und Lippen lebensecht bewegen zu können.

Disney wollte mehr kreieren als bloße Animatronik, mit dem vergleichbare Ungeheuer in einem ähnlichen Themenpark im japanischen Osaka und bald auch in der Anlage der konkurrierenden Universal Studios in Kalifornien und in Orlando angetrieben wurden.

Das Problem bestand aber nicht in der Hardware, sondern darin, eine Software zu entwickeln, die mehr aus diesen faszinierenden Maschinen machen sollte.

Und dies war Stacys Aufgabe. Die Techniker von Disney World hatten die Kreaturen so gebaut, daß sie sich nahezu lebensecht bewegen konnten. Stacys Arbeit bestand darin, sie auch dazu zu bringen.

Die Ungeheuer konnten nur laufen, brüllen, sich sonstwie bewegen und aufeinander reagieren, wenn ein Computerprogramm ihnen die entsprechenden Befehle dazu gab. Aber jede einzelne Aktion, sei es nur, den Fuß zu heben oder ein Auge zu öffnen, erforderte Tausende Bits an Information und weitere Hunderte an Befehlen, die alle binnen Millisekunden durchgeführt werden mußten.

Stacy schätzte, daß für dieses Vorhaben sechs Programmierer, die vier Jahre lang rund um die Uhr arbeiten mußten, und drei der millionenschweren Supercomputer erforderlich sein würden.

Nicht gerade das, was die Gewaltigen von Disney World hören wollten. – Bis Stacy ihnen einen Alternativ-Vorschlag unterbreitete:

Künstliche Intelligenz.

Man mußte den Sauriern nur eine Reihe von rudimentären Grundbefehlen eingeben, aus denen sie selbst dann in einer fortschreitenden Evolutionsaktivität eigene weitere entwickelten.

Warum nicht den Maschinen beibringen, wie sie lernen konnten, selbständig etwas zu tun – natürlich nur im Rahmen festgesetzter Parameter? Es war sogar möglich, ihnen ein Gedächtnis einzugeben, damit sie die Sequenzen wiederholten, die beim Publikum am besten ankamen. Vor allem letzteres gefiel der Geschäftsleitung von Disney World ausgezeichnet.

Dafür war zwar immer noch ein Supercomputer erforderlich, aber angesichts der Überlegung, daß er eines Tages in der Lage sein würde, die gesamte geplante dreißigköpfige ›Population‹ von Dinoworld zu steuern, erschien diese Investition als durchaus lohnend.

Stacy war nicht gerade begeistert davon, daß die beiden ersten dieser Wesen schon so früh der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollten, vor allem nicht in dem begrenzten Gelände des Magic Kingdoms. Der Park verfügte nicht über eine ausreichend große offene Fläche, um den Tyrannosaurus und den Stegosaurus effektiv agieren zu lassen. Man mußte sich darauf beschränken, sie nur ein bißchen herumlaufen, brüllen und mit den tückischen kleinen Augen den Zuschauern ins Gesicht blicken zu lassen.

Das Gelände, auf dem die Kreaturen ausgestellt werden sollten, bestand aus einem Grasstreifen am Lagunenufer links von Cinderella's Castle. Zum Zuschauen war dort wenig Platz, aber die Wesen würden ja ohnehin nicht mehr tun, als dort den lieben langen Tag kleine Kunststückchen vorführen. Stacy hatte vor, in regelmäßigen Abständen ein paar einfache Programme ablaufen zu lassen. Mehr war im gegenwärtigen Stadium nicht drin.

Die Monitorreihe direkt über ihrem Kopf erlaubte ihr, jede programmierte Bewegung der Saurier zu verfolgen und entsprechende Regulierungen durchzuführen.

Ein weiteres Paar Bildschirme zeigte die Umgebung aus Sicht der Ungeheuer; hinter ihren Augen waren Minikameras installiert.

»Okay«, sagte Stacy und zoomte auf den T. Rex. »Noch einen Probelauf, dann darf die Welt endlich staunen.«

Der bärtige Mann schob die Frau im Rollstuhl näher an die Absperrung heran, als der Tyrannosaurus das Maul weit öffnete und einen Urzeitschrei ausstieß.

»Haben diese Biester wirklich so ausgesehen?« fragte McCracken.

»Dinosaurier sind zwar nicht mein Fachgebiet, aber ja, ich glaube, sie sind hier ziemlich echt wiedergegeben worden.«

Der Tyrannosaurus ging in die Hocke, reckte den Hals, drehte langsam den Kopf und ließ den Blick über die Zuschauer wandern. Ein paar Kinder fuhren ängstlich zurück, und die umstehenden Erwachsenen lachten. Fünfzehn Meter weiter blickte auf der anderen Seite der Lagune der Stegosaurus von seiner Mahlzeit auf. Täuschend echt hatte er bislang Gras gefressen.

»Wir sollten uns besser den Rest des Parks ansehen«, schlug Blaine vor und rollte Susan von der Absperrung fort. Die freigewordenen Plätze in der ersten Reihe waren binnen Sekunden besetzt.

Offiziell öffnete das Magic Kingdom erst um neun Uhr. Aber die Gäste aus den Disney-Hotels durften schon eine Stunde früher hinein – und ebenso die Behinderten.

McCracken hoffte, der Rollstuhl würde es ihm und Susan ermöglichen, zusammen durch die Anlage zu streifen, ohne Aufsehen zu erregen. Darüber hinaus hatten beide sich getarnt: Susan mit einer Sonnenbrille und einem breiten Hut, den sie sich tief in die Stirn gezogen hatte. Außerdem hatte sie vorhin im Motel, das nur dreißig Autominuten vom Park entfernt lag, ihre Haare gefärbt.

Blaine hatte bei seiner Verkleidung darauf geachtet, so wie die vielen tausend anderen Besucher auszusehen. Deswegen hatte er sich einen Sonnenhut aufgesetzt. Darüber hinaus hatte er jedoch auch seine Körperform verändert. Ein Kopfkissen aus dem Motel verhalf ihm zu einem sichtbaren Bauch, der über den Gürtel hing. Mit Puder und Cremes hatte er seinen Bart grau gefärbt und sich dann von Susan das dichte Haar kurz genug schneiden lassen, um es zurückzukämmen. Zum Schluß hatte er sich eine Sonnenbrille aufgesetzt, deren Besonderheit in einem getönten und einem klaren Glas bestand – so daß jeder, der ihn sah, auf einen Augenfehler schließen würde. Und das dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach für seine Feinde ausreichen, keinen zweiten Blick an ihn zu verschwenden.

»Wohin wollen wir jetzt?« fragte Susan, nachdem sie die dichte Menge rings um Dinoworld hinter sich gelassen hatten.

»Wir drehen einfach eine Runde durch den Park. Kann nicht schaden, wenn wir uns mit allem hier vertraut machen.«

McCracken schob sie über die Straße, die links von Cinderella's Castle zum Frontierland führte. Blaine war noch nie im Magic Kingdom gewesen und konnte sich nur ungefähr vorstellen, wie es hier bald zugehen würde, wenn Zehntausende sich auf dem Gelände drängten.

Im Moment wollte er sich darüber jedoch noch nicht den Kopf zerbrechen und konzentrierte sich lieber darauf, sich die Struktur der Anlage einzuprägen.

Das Magic Kingdom war in sieben verschiedene Themenparks aufgeteilt. Sal Belamos Gebiete waren im Norden und Osten, dort, wo Mickey's Starland und Tomorrowland untergebracht waren, während Blaine die übrigen Anlagen im Süden und Westen übernahm. Im Lauf des Tages würden sie tauschen und sich über die Suche nach Joshua Wolfe verständigen.

Auch Johnny Wareagle war mit von der Partie; seine Aufgabe war es, durch die Tunnel und Gänge unterhalb des Magic Kingdoms zu streifen, bis seine Anwesenheit an der Oberfläche erforderlich werden würde. Der Indianer war schon allein durch seine Körpergröße zu auffällig. Keine Verkleidung hätte ihn vor den Blicken von Fuchs' Truppen verbergen können.

Von dem Moment an, in dem McCracken Susan samt Rollstuhl aus der Monorail hob und sie auf die Rampe setzte, über die man Main Street U.S.A. erreichte, konnte er nur noch staunen. Von diesem erhöhten Standpunkt aus überblickte man die gesamte Anlage und die zahllosen Straßen, die das Gelände in alle Richtungen durchzogen.

Auf der einen Seite war dieser Anblick beruhigend, denn selbst die Armee des Colonels würde Mühe haben, ihn hier zu entdecken. Auf der anderen Seite war es für ihn damit natürlich genauso schwer, Joshua Wolfe zu finden.

Ein Barbershop-Quartett begrüßte die Neuankömmlinge, und aus der Ferne marschierte eine Kapelle heran.

»Glauben Sie, er ist schon hier?« fragte Susan Blaine, der den Blick hin und her wandern ließ.

»Ich an seiner Stelle würde damit noch warten. Die Menschenmenge ist noch nicht groß genug, um untertauchen zu können.«

»Und wann würden Sie dann kommen?«

»Später am Nachmittag, wenn die Massen hier sind. Vielleicht auch erst am Abend, wenn es schon dunkel ist.«

»Trotzdem wollten Sie aber so früh wie möglich hierher, nicht wahr?«

»Weil der Junge eben nicht ich ist und ich nicht weiß, was in seinem Kopf vorgeht. Außerdem wollte ich mich mit dem Terrain vertraut machen.«

Susan spürte, wie McCrackens Hände sich fester um die Griffe an ihrem Rollstuhl schlossen, als er sie langsam über die gepflegte, saubere Straße schob.

Zwei Männer kamen ihnen entgegen, offensichtlich auf der Suche nach etwas. Sie warfen einen kurzen Blick auf Blaine und Susan, hielten aber keinen Moment inne und liefen weiter.

»Zwei weitere von Fuchs' Männern«, sagte Blaine, als die beiden außer Hörweite waren.

»Wie viele haben Sie bis jetzt gezählt?«

»Zu viele. Unsere Chance, Josh vor ihnen zu finden, ist bestenfalls noch mickrig.«

»Hast du gleich Dienst?«

Wareagle sah den Mann im Cowboykostüm verdutzt an.

»Du bist Indianer-Joe, nicht wahr?« fuhr der Cowboy fort. »Drüben, auf Tom Sawyer's Island. Heute sind wohl lebendige Darsteller angesagt.«

»Ach so«, antwortete Johnny leise. »Ja, klar.«

»Wird bestimmt ein Riesenspaß.«

Der Indianer war an einer Kreuzung der langen und zahlreichen Gänge, die unter dem Magic Kingdom verliefen, auf den Cowboy gestoßen.

In dem Labyrinth von Gängen, das unterhalb der Menschenmengen und der Attraktionen verlief, waren Büros, Vorratsräume und das elektronische Nervenzentrum der Anlage untergebracht. Außerdem konnte man von hier aus rasch zu den beweglichen Teilen aller Geräte und Darbietungen gelangen. Kein Besucher bekam je irgendeine Schaltung oder gar Schmierfett zu sehen, weil die Apparaturen samt und sonders in den Tunneln untergebracht waren. Falls eine Reparatur erforderlich wurde, erledigte man sie sofort und ohne daß oben jemand darauf aufmerksam wurde. Nichts sollte den Strom der Menschen aufhalten, die hierher gekommen waren, um einen wunderbaren Tag zu erleben.

Aus demselben Grund sah man oben auch nur selten Sicherheitspersonal. Wenn Sicherheitskräfte doch einmal schnell zu einem bestimmten Punkt mußten, erreichten sie ihn durch die unterirdische Welt und tauchten wie durch Zauberhand immer rechtzeitig dort auf, wo Ärger zu entstehen drohte.

Im gesamten Park gab es keinen Ort, den man nicht binnen kurzem über das Tunnelsystem erreichen konnte. Oft benutzten ihn auch die Darsteller von Disney-Figuren, um unvermutet vor Kindern aufzutauchen und sie zum Jauchzen zu bringen.

Wareagle hatte in einer dunklen Ecke auf Blaine gewartet, um neue Instruktionen zu erhalten, als eine High-School-Kapelle vorbeikam, die durch die Gänge geführt wurde. Johnny mußte sich ein neues Versteck suchen. Hier unten konnte er sich leicht unsichtbar machen, beispielsweise in Vorrats-, Umkleide-, oder Aufenthaltsräumen oder auch in Besenschränken.

Jeder Gang war genau ausgeschildert, so daß man hier immer wußte, wo man sich gerade befand und wo man hinkam – sowohl über- als auch unterirdisch. Doch Wareagle hatte nicht darauf geachtet, weil er nur von der Kapelle fortkommen wollte. Und so war er unvermittelt gegen den Cowboy geprallt.

»Tja, ich bin für die erste Stunt-Show im Frontierland eingeteilt«, meinte der Mann. »Ich wünsche dir viel Glück.«

»Dir auch«, sagte der Indianer.

Der Cowboy setzte sich in Bewegung, aber dann schien ihm etwas einzufallen. »Eben bin ich schon mit so einem Riesenkerl zusammengestoßen.«

Johnny lief es kalt den Rücken hinunter, und er mußte unwillkürlich an die monströse Kreatur denken, der Blaine in der New Yorker Stadt-Bibliothek begegnet war – und später noch einmal bei Gruppe Sechs.

»Bei dem hat die Maske wirklich tolle Arbeit geleistet, das kann ich dir sagen. Ich nehme an, er war unterwegs zum Spukhaus. Allerdings wußte ich gar nicht, daß dort auch echte Darsteller auftreten …« Der Mann schien über etwas nachzudenken. »Wenn ich es mir recht überlege … er war eigentlich in der falschen Richtung unterwegs.«

»Wohin ist er denn gelaufen?« wollte Wareagle wissen.

Der Cowboy streckte einen Arm aus. »Da runter, und dann nach rechts. Sag mal, kennst du den vielleicht?«

»Könnte man so sagen.«

Der Mann tippte an seinen Hut. »Dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag, Kumpel. Und erschreck mir in deiner Höhle bloß nicht zu viele Kinder.«

»Bestimmt nicht.«

»Einen schönen Vierten Juli.«