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Hinter die Hecke geduckt schlichen sie das letzte Stück bis an das hässliche Entlein heran. Das Vorhängeschloss war an der Pforte angebracht, aber diese war alt und hing nur noch an einem Scharnier.

»Idiot«, flüsterte Ivan. »Wozu soll denn das Vorhängeschloss gut sein? Jeder Zwerg kann doch über diese kleine Pforte klettern. Oder sie kaputttreten«, fügte er hinzu, während er Anstalten machte, dies sofort in die Tat umzusetzen.

Aber Johan hielt ihn am Arm zurück.

»Was machst du denn?«, fauchte er. »Willst du, dass wir entdeckt werden, bevor wir überhaupt angefangen haben?«

»Findest du, dass hier zu viele Leute sind, oder was?«, erwiderte Ivan unbekümmert.

»Das kannst du doch gar nicht wissen. Vielleicht ist er da drin?«, antwortete Johan und deutete mit einem Nicken zum Schuppen.

»Siehst du das Vorhängeschloss an der Tür? Es ist abgeschlossen, und das bedeutet, dass er nicht da ist«, antwortete Ivan mit einem verächtlichen Schnauben. »Und im Haus brennt kein Licht. Also komm jetzt.«

Er stellte den Fuß auf eine Querstrebe, schwang sich über die Pforte und landete auf der anderen Seite im Schnee. Johan blieb noch einen Augenblick stehen und lauschte auf irgendwelche Geräusche, aber er hörte nichts und kletterte ebenfalls hinüber. Ivan schlich zur Tür des Geräteschuppens, zog das Bündel heraus, das er unter der Jacke getragen hatte, und ließ es laut auf den Weg plumpsen. Johan lauschte erneut und schaute sich nervös um, aber nirgendwo rührte sich etwas und hören konnte man nur das entfernte Brausen des Straßenverkehrs. Während Ivan den Bolzenschneider aus dem Handtuch wickelte, legte Johan das Ohr an die Tür, konnte aber keinen Laut hören.

Ivan begann an dem Schloss zu arbeiten, das nicht leicht zu knacken war, obwohl das Werkzeug für diese Zwecke wie geschaffen war. Man brauchte eine gewisse Kraft in den Armen, und als Johan ebenfalls mit anpacken wollte, erinnerte er sich plötzlich, wie der Garten ausgesehen hatte, als sie gekommen waren. Er hielt mitten in der Bewegung inne und richtete seinen Blick auf den Schnee. Fußspuren, so wie er es befürchtet hatte. Wie dumm konnte man sein? Mit den Augen folgte er ein paar deutlichen Fußabdrücken größeren Modells die vom Schuppen zum eigentlichen Haus führten und nur in eine Richtung zeigten. Jemand war also zum Schuppen gegangen, bevor es zu schneien begonnen hatte – was schon ein paar Stunden her sein musste –, und war dann während des Schneefalls wieder zurückgegangen. Und diese Person befand sich in diesem Augenblick zweifellos im Haus. Er warf einen Blick auf die Tür und bemerkte, dass sie aufgebrochen aussah. Sein Herz begann jetzt sehr schnell zu schlagen.

»Du musst aufhören, Ivan! Er ist im Haus. Guck dir die Fußspuren an.«

Ivan hielt inne und schaute zum Haus hinüber.

»Verdammt! Glaubst du, dass er uns bemerkt hat?«

»Vielleicht noch nicht, aber wir müssen weg von hier. Schnell!«

Johan schnellte hoch und begann auf die Pforte zuzulaufen. In diesem Moment öffnete sich die Tür, und der Gitarrenmann stürmte die Treppe hinunter und rannte direkt auf ihn zu. Johan packte die Pforte mit beiden Händen, warf sich hinauf und blieb auf eine alles andere als angenehme Weise mit einem Bein auf jeder Seite auf ihr sitzen. Weiter kam er nicht, bevor der Mann seinen Arm packte, ihn von der Pforte herunterzog und mit zum Geräteschuppen hinüberschleifte. Währenddessen war Ivan wie angewurzelt stehen geblieben und hatte mit dem Bolzenschneider in der Hand das Drama beobachtet, das sich vor seinen Augen abspielte. Jetzt ließ er das Werkzeug los und hob die Hände mit gespreizten Fingern bis auf Ohrenhöhe.

»Keine Sorge«, jammerte er, und das war das Einzige, was während des ganzen überraschenden Angriffs gesagt wurde.

Erschrocken entdeckte Johan ein angsteinflößendes Paar tätowierter Oberarmmuskeln, die das T-Shirt des Gitarrenmannes zu sprengen drohten, als er die beiden Jungen die Treppe hinauf zu sich ins Haus schleppte.

»Was meint ihr?«, sagte er schließlich, nachdem er sie in einer staubigen Ecke in dem einzigen Zimmer der Hütte abgeladen hatte. »Wen soll ich mir zuerst vom Hals schaffen, euch oder den dahinten?«

»Wir werden niemandem etwas sagen«, antwortete Ivan und versuchte, so überzeugend wie möglich zu klingen. »Dieses verdammte Schwein ist uns doch vollkommen egal.«

»Genau richtig. Ihr seid bestimmt hier, um den Wasserschlauch zu klauen, oder?«

»Wir versprechen Ihnen, dass wir nichts sagen werden«, wiederholte Johan, der den Tränen nahe war. »Bitte, lassen Sie uns laufen, dann kommen wir auch nie mehr wieder.«

»Das würde ich gern glauben. Aber hier ist Platz genug für euch drei.«

Er lächelte seltsam, ohne auch nur im Geringsten fröhlich auszusehen. Und dann begann er zu treten.