Mittwochnachmittag

Sjöberg hatte kaum seine Jacke über die Stuhllehne gehängt, als Sandén schon in sein Büro kam.

»Wie läuft es?«, fragte Sjöberg und setzte sich.

Sandén seufzte und nahm auf dem Besucherstuhl gegenüber Platz.

»Ich habe einen Übersetzer gefunden. Ein alter amerikanischer Offizier, Sverker Ivarsson.«

»Sverker Ivarsson?«

Sjöberg zog eine Augenbraue hoch.

»Ja, er ist in Schweden geboren, aber in den Dreißigerjahren in die USA ausgewandert. Er war während des Zweiten Weltkriegs auf einer amerikanischen Basis auf den Philippinen stationiert und hat dort anscheinend die Sprache gelernt. Nach dem Krieg ist er wieder zurück nach Schweden gezogen. Er sitzt gerade in meinem Büro und liest sich die Briefe durch, aber ihr Inhalt ist für uns bislang von keinem Interesse. Den Geschwistern geht es gut und diese oder jene Cousine hat geheiratet und das Dach ist runtergeweht worden und so fort. Das bringt uns nicht weiter.«

Hamad und Westman tauchten im Türrahmen auf. Sjöberg winkte sie herein.

»Catherine Larsson hatte keinen Handyvertrag«, sagte Hamad.

»Und die Gespräche, die sie geführt hat«, fuhr Westman fort, »waren fast ausschließlich mit dem Kindergarten und mit Vida Johansson. Vidas Festnetznummer und Vidas Handynummer. Eingehende Gespräche haben wir von der Kinderklinik, der Zahnklinik, dem Kindergarten, von Vida und natürlich von ein paar der Kunden, die sie uns aufgeschrieben hatte. Niemand von ihnen heißt Erik.«

»Ihr müsst diesen Gesprächen weiter nachgehen«, sagte Sjöberg. »Besonders den letzten. Wenn wir an Catherines sehr begrenzten Bekanntenkreis denken, ist es wahrscheinlich, dass wir diesen Erik trotzdem dort irgendwo finden. Vielleicht arbeitet er in der Kinderklinik oder der Zahnklinik.«

Sjöberg wandte sich an Sandén.

»Hast du die Kunden auf der Liste erreicht?«

Sandén schüttelte den Kopf.

»Es war nicht gerade leicht, einen Übersetzer zu finden. Aber ich werde mich gleich darum kümmern. Ich glaube, es ist besser, wenn ich sie persönlich aufsuche, es sind ja nicht so viele. Und wie du schon sagtest, dort irgendwo finden wir vielleicht unseren Mann. Ich möchte ihnen gerne in die Augen sehen, wenn ich mit ihnen spreche.«

»Das ist gut«, sagte Sjöberg. »Du kannst im Übrigen Petra mitnehmen. Du, Jamal, arbeitest alleine mit den Telefonanrufen weiter. Finde heraus, wer angerufen hat und worum es ging.«

»Und der Kommissar selbst hat schon genug zu tun, verstehe ich das richtig?«, bemerkte Sandén mit einem schelmischen Lächeln.

Sjöbergs Antwort, dass an der finanziellen Situation der Eheleute Göran und Vida Johansson oder der Malerfirma nichts auffällig sei, kam viel zu schnell. Sandéns Gesicht nahm automatisch einen neutralen Ausdruck an, aber eine Furche über der einen Augenbraue verriet eine gewisse Verwunderung.

»Ich werde Nachforschungen zu Christer Larssons erster Frau anstellen. Sonst noch etwas?«, fragte Sjöberg und erhob sich demonstrativ.

Hamad und Westman verließen den Raum, während Sandén zurückblieb.

»Du hast doch irgendetwas in der Mache ...?«, fragte er vorsichtig, ohne Anstalten zu machen, sich zu erheben.

Mit einem Seufzer ließ sich Sjöberg in seinen Stuhl zurückfallen. Er rollte ein Stückchen nach hinten, zog sich jedoch gleich wieder näher an den Schreibtisch heran und stützte sein Kinn in die Handflächen. Das Trommeln seiner Finger auf den Schläfen konnte Sandén unter Umständen verraten, dass etwas nicht stimmte. Aber er wollte ihm nichts von seinem Treiben in Einar Erikssons Wohnung erzählen. Jedenfalls jetzt noch nicht. Einar würde hoffentlich bald wieder auftauchen, und dann konnte man die ganze Angelegenheit schnell wieder vergessen. Wenn er allerdings in den nächsten Tagen nicht zurückkäme, würde er die Kollegen in seine Suche einbeziehen. Er beschloss, Einar noch bis Freitagvormittag Zeit zu geben.

»Du bist fast den ganzen Vormittag weg gewesen«, bemerkte Sandén, jetzt allerdings mit mehr Anteilnahme als Neugier in der Stimme.

Sjöberg gefiel sein Tonfall nicht, denn ihm wurde plötzlich bewusst, dass Sandén vielleicht persönliche Gründe hinter seiner Abwesenheit vermutete. Dass es mit Margit zu tun haben könnte. Daher ließ er alle polizeilichen Instinkte fahren und befreite sich stattdessen lieber von allen eventuellen Verdächtigungen, die in diese Richtung gehen konnten.

»Das hier bleibt unter uns«, sagte Sjöberg und streckte einen Finger in die Höhe, um den Ernst seiner Aussage zu unterstreichen.

»Selbstverständlich«, sagte Sandén verwundert, »aber du musst nichts sagen, wenn du nicht ...«

»Du wirst absolut dichthalten«, ermahnte ihn Sjöberg noch einmal.

Sandén nickte ernst mit dem Kopf.

»Ich war zu Hause bei Einar«, sagte Sjöberg mit gesenkter Stimme und warf gleichzeitig einen Blick auf die geöffnete Tür zum Flur.

Er ging auf Nummer sicher, lief hinüber und schloss sie. Sandén folgte ihm mit dem Blick und sah inzwischen eher amüsiert aus.

»Da gibt es nichts zu lachen«, sagte Sjöberg ernst. »Der Mann ist seit drei Tagen verschwunden, ohne von sich hören zu lassen. Er ist weder krankgeschrieben, noch hat er Urlaub beantragt.«

»Und welche Erklärung hatte er dafür?«, fragte Sandén.

»Er war gar nicht zu Hause! Ich weiß immer noch nicht, wo er steckt. Ich habe mich mit einem Nachbarn unterhalten, der erzählen konnte, dass er jeden Samstagmorgen mit dem Auto losfährt und spätabends wieder nach Hause kommt. So auch am vergangenen Samstag, obwohl der Nachbar nicht gesehen hat, ob er tatsächlich am Samstagabend wieder zurückgekommen ist. Das Auto stand jedenfalls wieder da, also wird es wohl so gewesen sein. Einen Verkehrsunfall können wir also immerhin ausschließen.«

»Aber er ist doch bestimmt zu Hause gewesen«, warf Sandén ein. »Er wollte wohl nur nicht mit dir sprechen.«

»Warte, ich bin noch nicht fertig«, fuhr Sjöberg fort. »Ich habe den Nachbarn gefragt, ob er seine Frau auf diese Ausflüge mitnimmt, aber er hat nur gelacht und gesagt, dass Einar Eriksson gar keine Frau habe. Bist du nicht auch immer davon ausgegangen, dass Einar verheiratet ist?«

Sandén überlegte einen Augenblick, bevor er antwortete.

»Tja, hm, er hat ein paarmal eine Frau erwähnt, aber er hat nie direkt über sie gesprochen. Oder überhaupt über irgendetwas Privates. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er einen Ehering trägt.«

»Ich bin in seine Wohnung eingedrungen, Jens.«

Sandén formte ein unhörbares »oh« mit den Lippen.

»Ich habe das Schloss geknackt und bin eingestiegen.«

»Na, so was darf man aber nicht tun. Da kommt die Polizei.«

»Ja, was sollte ich denn machen, verdammt noch mal? Ich kenne niemanden aus seinem Bekanntenkreis, und Familie hat er auch nicht.«

»Also hat er gar keine Frau?«

»Doch, er hat eine Frau. Aber sie ist in irgendeinem verdammten Pflegeheim in Fellingsbro untergebracht, wo auch immer das liegen mag. Und da ist sie schon eine ganze Weile. Ich habe zehn Jahre alte Rechnungen gefunden. Zehn Jahre! Kein Wunder, dass er so griesgrämig ist.«

»Du hast also die Wohnung durchsucht. Oh, oh, Conny.«

»Ich hatte das Gefühl, dass ich es tun sollte. In Einars eigenem Interesse. Wir können ihn doch nicht einfach verschwinden lassen; wir sind doch die Polizei, verflucht noch mal! Irgendetwas ist mit ihm passiert, und wer soll ihm helfen, wenn nicht wir?«

»Aber ist es nicht trotzdem ein bisschen früh ...?«, wandte Sandén ein.

»Das finde ich nicht. Im Flur lagen noch die Zeitungen vom Sonntagmorgen. Er ist also seit vier Tagen verschwunden, und wenn es jemanden gäbe, den es kümmern würde, wäre er schon längst als vermisst gemeldet worden.«

»Wenn er nicht so verdammt ungenießbar wäre, hätte er vielleicht sogar jemanden, den es kümmern würde«, bemerkte Sandén.

Er schaute niedergeschlagen aus dem Fenster, hinter dem dichter Schneefall die graue Spätwinterluft füllte. Eine Weile sprach keiner von ihnen ein Wort.

»Wusstest du, dass er Golf spielt?«, fragte Sjöberg schließlich.

Sandén schüttelte den Kopf.

»Oder zumindest gespielt hat. Die Golftasche sah alt aus.«

»Wo wohnt er überhaupt?«, fragte Sandén.

»Hier in der Ecke«, antwortete Sjöberg und nickte vage in eine Richtung. »Eriksdalsgatan. Eine kleine Einzimmerwohnung. Hübsch und ordentlich. Ganz allein. Ohne Frau. Einzelbett und ein Stuhl am Esstisch. Und an der Wand hing das Hochzeitsfoto. Ein sehr schönes und glückliches Paar, würde ich sagen.«

»Unglaublich«, sagte Sandén.

»Und du schweigst wie ein Grab. Mach das, was du zu tun hast, dann werde ich mich nebenher ein bisschen um diese Angelegenheit kümmern.«

Sandén nickte und stand auf.

»Und auch keine versteckten Andeutungen bitte«, fügte Sjöberg hinzu.

Sandén nickte gehorsam und verließ den Raum.

Christer Larssons erste Frau hatte nicht wieder geheiratet. Nach der Scheidung hatte sie ihren Mädchennamen wieder angenommen und hieß jetzt Ingegärd Rydin. Es stellte sich heraus, dass sie ausgerechnet in Arboga gemeldet war. Als Sjöberg dies erfuhr, war sein erster Impuls, dorthin zu fahren und sie persönlich zu befragen. Doch dann ließ er den Gedanken wieder fallen. Er sah ein, dass es nur ein Vorwand gewesen wäre, um dieser seltsamen Grundstücksgeschichte auf den Grund gehen zu können, die ihm unter den Nägeln brannte. Dabei hatte er mit der hingerichteten Familie und einem Kollegen, der sich in Rauch aufgelöst hatte, auch so schon genug zu tun.

Er griff nach dem Hörer und wählte die Nummer von Ingegärd Rydin, aber es meldete sich niemand. Er stand auf und verließ sein Büro. Als er an Eriksson Tür vorbeikam, schaute er hinein, wie schon so oft in den vergangenen Tagen, aber auch jetzt saß der Kollege nicht an seinem Schreibtisch. Er schaute sich hastig im Korridor um. Niemand, der ihn sehen konnte. Zögernd betrat er den verdunkelten Raum und zog dann entschlossen die Tür hinter sich zu. Er schaltete die Leuchtröhre unter der Decke an, die ein paarmal aufblinkte, bevor sie das Büro in ein kaltes weißes Licht tauchte. Sjöberg tat, was er in seinem eigenen Büro auch immer machte, er knipste die Schreibtischlampe an und ging zurück zur Tür, um die Deckenbeleuchtung wieder auszuschalten. Anschließend trat er vor die Bücherregale, die den Schreibtisch einrahmten, und ließ seinen Blick über die Rücken der Bücher und Ordner wandern. Er sah nichts, was nicht außerordentlich gewöhnlich aussah. Eriksson Schreibtischstuhl war ordentlich an den Tisch herangeschoben worden, und als Sjöberg ihn herauszog, entdeckte er, dass er zwar Rollen hatte wie seiner auch, dass ihm aber die Armlehnen fehlten. Er fragte sich, ob dies etwas mit dem niedrigeren Dienstgrad seines Kollegen zu tun hatte oder ob Eriksson schlicht und ergreifend einen Stuhl ohne Armlehnen vorzog. Mit einer gewissen Vorsicht setzte er sich in den Stuhl, um nicht unabsichtlich irgendeine Einstellung zu verändern, vor allem aber, weil ihm die ganze Situation unbehaglich war. Erneut drang er in Einar Erikssons Revier ein, und auch dieses Mal hatte er ein ungutes Gefühl im Bauch.

Der Schreibtisch war genauso aufgeräumt wie sein eigener. Ein paar Papierstapel lagen fein säuberlich aufgereiht in der rechten Ecke, und als er die obersten Papiere der jeweiligen Stapel anhob, stellte er schnell fest, dass sie mit den Fällen zu tun hatten, an denen Eriksson arbeitete oder bis vor Kurzem gearbeitet hatte. Er zog die oberste Schublade aus dem Rollcontainer rechts unter dem Schreibtisch und fand nichts außer Büromaterial: Stifte, Radiergummis, Heftgerät, Tesa, Schere, Locher, eine Dose mit bunten Plastikbüroklammern und ein paar Notizblöcke in unterschiedlichen Größen. Die beiden untersten Blöcke waren leer, der oberste enthielt Aufzeichnungen von einigen Besprechungen, die Sjöberg selbst geleitet hatte. Die nächste Schublade enthielt diverse andere Dinge wie ein Handy-Ladegerät, ein paar Stapel CD-Rohlinge, eine Schachtel mit Büroklammern aus Metall und eine Taschenlampe. Die unterste Schublade war abgeschlossen, aber Sjöberg brauchte weniger als eine Minute, um die einfache Schlosskonstruktion mithilfe einer Büroklammer zu knacken.

Was zuerst seine Aufmerksamkeit auf sich zog, war die kleine TAN-Liste der Nordea-Bank, die in der Schublade unter einer Plastikmappe hervorschaute. Er zog sie heraus und studierte sie eine Weile, während seine Gedanken arbeiteten. Saß Eriksson im Büro und bezahlte seine Rechnungen? Aber Sjöberg sah schnell ein, dass es gar nicht anders sein konnte. Einar Eriksson war ein Computermensch, und als solcher bezahlte er seine Rechnungen natürlich online. Einen Computer hatte Sjöberg in Erikssons Wohnung nicht gesehen, sodass er seine Geschäfte wohl von hier aus abwickeln musste. Er warf einen verstohlenen Blick zum Rechner hinüber, dann noch einen auf die kreditkartengroße Liste in seiner Hand. Zwei vierstellige Codes hatte Eriksson bereits verwendet, sodass es noch viele gab, die man freikratzen konnte.

Er fasste einen Entschluss. Mit seiner freien Hand packte er die Schreibtischkante und zog seinen rollbaren Stuhl bis vor Einar Erikssons Computer. Die grüne Leuchtdiode am Bildschirm zeigte an, dass er eingeschaltet war, und das Brummen, das von irgendwo unter dem Schreibtisch kam, deutete darauf hin, dass es der Computer ebenfalls war. Er ruckte ein bisschen an der Maus, um den dunklen Bildschirm aufzuwecken, und ein virtuelles Anmeldefenster mit dem Text »Einar« erschien vor einem himmelblauen Hintergrund. Ohne sich große Hoffnungen zu machen, klickte er auf den Knopf, nur um aufgefordert zu werden, das Passwort einzugeben. Sjöberg seufzte tief und ließ sich auf dem Stuhl in eine halb liegende Position rutschen. Natürlich war Eriksson nicht in seinen Rechner eingeloggt, man wurde hinausgeworfen, wenn man seinem Computer eine halbe Stunde oder so nicht das erforderliche Interesse entgegengebracht hatte.

Er legte die Hände in den Nacken und schaute sich im Büro um. Unpersönlich, wie alles, was mit Eriksson zu tun hatte. Der Raum war bedeutend kleiner als sein eigener, und weil eine Wand von der Tür und einem Bücherregal eingenommen wurde, die nächste von einem Bücherregal und die dritte von einem Fenster, blieb nur eine Wand übrig, an der man etwas aufhängen konnte. Dort hing nichts, außer einem Pullover, der den traditionellen behördlichen Haken besetzte.

Er wandte sich wieder dem Rollcontainer zu und grub weiter in der untersten Schublade. Unter einem Papierstoß mit alten Kursunterlagen fand er einen kleinen Pokal aus Leichtmetall mit der Inschrift »PISS, Meister VI. Liga 1976«. Bei der Sportart handelte es sich offensichtlich um Fußball, denn neben der gravierten Plakette am Fuß des Pokals stand ein kleiner Mann mit stolz vor der Brust verschränkten Armen und einem Ball unter dem rechten Fuß. Sjöberg dachte, dass sie ja so bepisst gar nicht gespielt haben konnten, wenn sie die Liga gewonnen hatten. Er zog die Schlussfolgerung, dass PISS vor langer Zeit so etwas wie »Polizeiinitiative Sport und Spiel« bedeutet haben musste. Er hatte tatsächlich keine Ahnung, wo Eriksson seine vermutlich erste Stelle angetreten haben könnte, als er Mitte der Siebzigerjahre in den Polizeidienst gegangen war. Jedenfalls war Eriksson in früheren Jahren ganz offensichtlich ein sportlicher Typ gewesen, der sowohl Golf als auch Fußball gespielt hatte, was Sjöberg sich allerdings schwer vorstellen konnte. Eriksson war nicht übergewichtig wie viele andere in ihrem Alter, aber auf den ersten Blick machte er mit seinem blassen Teint, der schlechten Haltung und den tiefliegenden Augen, die auf zu wenig Schlaf hindeuteten, einen ziemlich ungesunden Eindruck.

Er legte den Pokal zurück in die Schublade und zog eine Plastikmappe heraus. Darin waren Rechnungen, die Eriksson noch nicht bezahlt oder erst vor Kurzem bezahlt hatte, nahm Sjöberg an. Er legte die Mappe vor sich auf den Schreibtisch und zog den Inhalt heraus. Eine Mietrechnung der HSB über die Wohnung in der Eriksdalsgatan, eine Zahlkarte der ICA-Bank, eine minimale Telefonrechnung und die wohlbekannte und deutlich höhere Rechnung des Pflegeheims Solberga – das war alles. Ihm fiel etwas ein, und er kehrte zum Computer zurück, dessen Bildschirm ihn immer noch aufforderte, ein Passwort einzugeben. »Solveig« tippte er in die Tastatur, und schwupps war er drin.

Mit steigendem Puls klickte er auf das Symbol für den Internet Explorer, begab sich auf Nordeas Homepage und weiter auf die Seite für Privatkunden, wo er aufgefordert wurde, seine Sozialversicherungsnummer und ein Passwort einzugeben. Er tippte die Sozialversicherungsnummer ein, die er von der Frau in der Personalabteilung bekommen hatte, und versuchte es wieder mit »Solveig«, bevor er schließlich eine der vierziffrigen TANs auf Erikssons kleiner Karte freirubbelte. Erneut hatte er das Glück auf seiner Seite und befand sich plötzlich mitten in Einar Erikssons persönlichen Finanzen. Ein Schauer durchfuhr seinen Körper, und er begann systematisch, die Transaktionen seines Kollegen während des vergangenen Jahres durchzugehen – so weit konnte man sie zurückverfolgen.

Jeden Monat wurde eine Summe von gut 5500 Kronen – Sjöberg nahm an, dass es sich um die Frührente seiner Frau handelte – von der Rentenkasse auf Erikssons Konto überwiesen. Darüber hinaus bezog er ein Gehalt von ungefähr 20 000 Kronen. Von diesem Geld gingen 11 500 Kronen an das Pflegeheim für Erikssons Frau, die Miete betrug 4500 Kronen, und die übrigen festen Ausgaben beliefen sich auf 2500 Kronen. Die restlichen 7000 Kronen hob er am Geldautomaten ab, woraus Sjöberg schloss, dass er damit die laufenden Ausgaben bestritt. Eine Kreditkarte, die an das Girokonto bei der Nordea gekoppelt war, besaß Eriksson nicht, ebenso wenig schien er Kredite aufgenommen zu haben. Einar Erikssons finanzielle Situation war, gelinde gesagt, überschaubar, und Sjöberg konnte feststellen, dass er seine gesamten Einnahmen verbrauchte und nichts für zukünftige Bedürfnisse zur Seite legte.

Er vergewisserte sich, dass Eriksson den Drucker, den auch er selbst benutzte, als seinen Standarddrucker festgelegt hatte und dass die Druckerschlange leer war. Daraufhin druckte er sämtliche Informationen von Erikssons Nordea-Konto aus und loggte sich anschließend aus der Homepage der Bank und dem Computer aus. Er legte die Karte und die Mappe mit den Rechnungen zurück in die unterste Schublade, schloss sie mithilfe der Büroklammer wieder ab und schob den Stuhl unter den Tisch. Nachdem er die Schreibtischlampe ausgeschaltet hatte, tastete er sich im Halbdunkel zur Tür, öffnete sie und schlich ungesehen wieder auf den Flur hinaus.

Er eilte zum Drucker, der neben der kleinen Küche mit dem Kaffeeautomaten stand. Statt zu warten, bis alle Papiere ausgedruckt waren, nahm er jedes fertige Blatt sofort an sich, damit kein Vorübergehender sehen konnte, worum es sich dabei handelte. Als er alle Blätter eingesammelt hatte, faltete er sie zwei Mal zusammen und schob sie sich hastig in die Gesäßtasche.