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Ich war mit Freya wieder in Nhurs Haus und versteckte mich vor Tony Morales. Es war die Stille, die uns heraustrieb. In einem Moment hatten wir noch die Gespräche der Leute und das Sägen und Hämmern der Zimmermänner gehört, und im nächsten Augenblick war es totenstill geworden. Als ich aufstand, sah mich Freya besorgt an.

»Wir sollten vorsichtig sein. Vielleicht sind das wieder diese Männer.«

»Deshalb gehe ich ja«, erklärte ich. »Wenn sie das sind, muss ich es wissen.«

Sie hielt mich am Rocksaum zurück. »Nun, du wirst nicht allein da rausgehen. Warte auf mich.« Sie erhob sich ungelenk und zerrte ungeduldig an ihrem Tuch, um es über den Kopf zu ziehen. »Wir stecken da beide drin.«

Als wir in der Dorfmitte ankamen, gingen Sandy und Abdi bereits auf den Jeep zu. Freya sah sie, schnappte nach Luft und wollte hinter ihnen her.

Aber ihr Vater hatte sie gesehen und nach zwei Schritten war er bei ihr und nahm sie am Arm. »Bleib hier!«, befahl er leise. »Wenn wir sie aufscheuchen, fangen sie möglicherweise an zu schießen.«

»Wie konntest du sie nur gehen lassen?«, warf Freya ihrem Vater vor. »Was hast du dir dabei gedacht?«

David verzog das Gesicht. »Ich habe nicht geahnt, was sie vorhat – bis es zu spät war. Zumindest hatte sie so viel Verstand, Abdi mitzunehmen.«

Ich sah ihn neben Sandy hergehen, gerade und hoch aufgerichtet, und ich war gleichzeitig stolz auf ihn und hatte Angst. Als wäre er wirklich mein Bruder.

Aber ich hatte nicht so viel Angst um ihn wie um Mahmoud. Ich hielt die Luft an, solange Sandy und Abdi bei der alten Frau waren. Doch sobald sie wieder im Jeep saß und dieser davonfuhr, rannte ich los, so schnell ich konnte.

Wir liefen alle – Freya, ihr Vater und ich –, aber ich war schneller und war den beiden anderen ein Stück voraus. Ich wollte unbedingt wissen, was eben geschehen war.

»Was haben sie gewollt?«, rief ich, sobald ich nahe genug war. »Gibt es noch eine Nachricht?«

»Es ist eine weitere Lösegeldforderung«, sagte Sandy. Ihre Stimme klang kalt und starr. »Sie sagen, dass sie das Geld morgen haben wollen, aber sie haben uns keine Instruktionen gegeben, wie wir zahlen sollen. Oder wo.« Sie faltete die Nachricht zusammen und steckte sie in die Tasche. »Wir müssen einfach abwarten, was passiert. Und mit der Show weitermachen.«

»Bist du sicher?«, fragte David. »Hast du daran gedacht …?«

Sandy hob den Kopf höher. »Wir machen weiter«, erklärte sie bestimmt. »Vielleicht kommen sie ja sogar erst, wenn die Show vorbei ist.«

»Sei nicht albern«, erklärte Freya. »Sie müssen die Show doch als Druckmittel gegen dich einsetzen. Sie wissen doch sicher, warum wir hier sind.«

»Mich interessiert vor allem, wer es ihnen gesagt hat!«, fuhr Sandy auf. Sie ging auf das Dorf zu, ohne auf uns zu warten, und Freya und ihr Vater folgten ihr.

Ich sah Abdi an. »Keine weitere Nachricht über Mahmoud?«, fragte ich.

Er zögerte einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf. »Nur die Geldforderung. Aber Sandy hat mir gesagt …« Er hielt inne.

»Los doch«, forderte ich ihn auf. »Was hat sie dir gesagt?«

Nach kurzem Zögern stieß er hervor: »Sie kann das Geld bezahlen, wenn sie will. Sie hat so viel Geld, dass es ihr nicht sehr wehtun würde. Aber sie weiß nicht, ob es das Richtige ist.«

»Nicht richtig? Mahmouds Leben zu retten?« Ich wandte mich um und wollte ihr schon nachlaufen, um mit ihr zu reden.

»Nein!«, rief Abdi heftig. »Wenn du mit ihr sprichst, dann merkt sie, wie viel dir daran liegt. Und sie vermutet vielleicht, dass die Kidnapper wissen, wer du bist. Wir müssen Suliman vertrauen und ihn die Angelegenheit regeln lassen.«

Dann ging auch er weg, zu Zoë und den Make-up-Frauen. Zoë winkte mir zu, auch zu ihr zu kommen. Ich setzte mich auf einen der Stühle und versuchte, nicht an Mahmoud zu denken.

»Ich muss an deinen Augen üben«, erklärte Zoë. »Es wird ein bisschen schwierig mit dem Schleier, aber ich werde Sandy nicht überreden können, dass du ihn abnimmst.«

Was ging mich das an? Ich hatte das Gefühl, in einem Traum zu schweben, wo die realen Dinge irrelevant sind und kleine Dinge die Welt erschüttern. Mein Bruder war von gewalttätigen, rücksichtslosen Männern entführt worden, aber scheinbar war es allen egal, ob er überlebte oder nicht. Das Einzige, was zählte, war, wie meine Augen geschminkt wurden. Die Frauen drängten sich um mich, um Zoë zuzusehen, und ich saß da wie eine Statue, während sie erklärte, was sie tat. Abdi übersetzte ihre Worte in holperiges Somali.

»Im Grunde genommen ist es dasselbe Make-up wie bei den anderen … ich muss vorsichtig sein, wegen des Schleiers. Und ich muss den Look übertreiben, damit er gut wirkt … besonders das Gold.« So viel Geld wurde für banale, alberne Dinge ausgegeben. Was dachten sich diese Leute eigentlich?

»… das Gold lege ich so dick wie möglich auf«, erklärte Zoë und neigte sich mit ihrem kleinen Pinsel über mich. »Wir brauchen nur noch ein wenig Gold hier … und da …«

Dieses Gold war das Einzige, was sie interessierte.

Schöne Khadija
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