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Suliman schien sehr zufrieden. Als wir gingen, sang er leise vor sich hin, bis wir wieder bei Faarahs Laden angekommen waren. Ein- oder zweimal sah er mich aus dem Augenwinkel heraus an, daher wusste ich, dass wir etwas zu besprechen hatten, aber jetzt war offenbar noch nicht der richtige Zeitpunkt.

Wir holten Sahra und Maryan ab und fuhren nach Hause. Als ich ausstieg, neigte sich Suliman zu mir und sagte leise: »Komm heute Abend bei mir vorbei, wenn du Khadija zum Laden gebracht hast.«

Ich wusste zwar nicht, was er mir sagen wollte, aber ich spürte, wie sich mein Puls beschleunigte. Als der große Wagen abfuhr, dachte ich daran, wie Suliman das Treffen am Nachmittag geleitet hatte. Und an die Waffe unter seinem Autositz.

Es passierte etwas, wie ich es gehofft hatte. Ich spürte, wie ich über die enge kleine Nachbarschaft hinauswuchs, in der ich aufgewachsen war, hinaus in den Strom der großen, weiten Welt. Und ich wusste, wo ich hinwollte.

 

Als wir nach Hause kamen, räumte Maamo gerade ihr Nähzeug fort. »Warum hat das so lange gedauert?«, fragte sie Khadija, als wären wir nur einkaufen gewesen. »Wo wart ihr eigentlich?«

Sahra und Maryan erzählten ihr aufgeregt von Jaz’ Computer und ihrem Kopierer und den zehn verschiedenen Nagellackfarben, die sie in ihrem Aktenschrank aufbewahrte.

»Sieh mal! Jeder Nagel hat eine andere Farbe!«, kreischte Maryan und wedelte mit den Händen vor Maamos Gesicht. »Und sie hat gesagt …«

»Sie hat uns gezeigt, wie man auf dem Computer zeichnet!« Sahra war entschlossen, auch etwas beizutragen. »Und dann durften wir es ausdrucken! Sieh mal, Maamo!«

Wieder war ich ganz begeistert, wie Suliman das alles hingekriegt hatte. Maamo hatte gar keine Gelegenheit, Khadija und mich etwas zu fragen. Jedes Mal, wenn sie uns eine Frage stellte, unterbrach sie eines der Mädchen mit einem neuen Detail über Jaz und die Wunder ihres Büros.

Aber Maamo machte sich trotzdem Sorgen. Und es gefiel ihr überhaupt nicht, als ich ihr sagte, dass ich noch einmal zu Suliman gehen würde.

»Ich nehme an, dass du jetzt die ganze Zeit dort sein wirst«, vermutete sie. »Ich wusste, dass das passieren wird, wenn er anfängt, sich einzumischen.«

»Er mischt sich nicht ein«, erklärte ich. »Er versucht zu helfen. Ist dir Khadijas Bruder denn egal?«

»Natürlich nicht«, erwiderte Maamo ungeduldig. »Aber was kann Suliman Osman tun, um ihm zu helfen?«, fragte sie verächtlich.

Am liebsten hätte ich ihr alles gesagt, nur um zu sehen, wie sie erstaunt die Augen aufriss, wenn ich Worte wie Model, Mode und Fotos sagte. Ich hätte ihr gerne von all den geplanten Arrangements erzählt und wie viel Geld Khadija verdienen konnte. Aber alles, was ich tun konnte, war, mich in meinem Zimmer einzuschließen, bis es Zeit war zu gehen.

Selbst Khadija schien nicht zu sehen, wie viel Glück wir hatten. Als wir zum Laden gingen, fragte sie plötzlich: »Glaubst du, dass wir Suliman wirklich trauen können?«

»Wie meinst du das?«, fragte ich verdutzt. »Natürlich können wir das.«

»Warum hat er wohl diese Waffe?«

»Damit ihm die Leute nicht dumm kommen«, erklärte ich, »und das ist doch genau das, was wir brauchen, oder? Jemanden, der stark ist und es mit den Entführern aufnehmen kann.«

»Wenn er das kann«, meinte Khadija. »Ich habe nur gedacht … bevor er dir das Telefon wiedergegeben hat, glaubst du, dass er die Nachricht von Sandy abgehört hat?«

»Und wenn schon?«, fragte ich ungeduldig. »Es gibt viele Leute, die Sandy heißen. Das war noch kein Grund, die Nachricht mit Sandy Dexter in Verbindung zu bringen, oder? Nicht, bevor wir es ihm gesagt haben.«

»N…nein, ich glaube nicht«, meinte Khadija stirnrunzelnd.

Einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, sie würde noch etwas sagen, aber das wollte ich mir gar nicht erst anhören. Mittlerweile waren wir beim Laden angekommen und ich hatte es eilig, zu Suliman zu gehen.

»Mach dir keine Sorgen, ja?«, sagte ich. »Wir bekommen Mahmoud zurück – und dazu noch eine kostenlose Reise nach Somalia. Wir sehen uns!«

Damit ging ich.

 

Ich glaube, Suliman wartete bereits auf mich. Als ich klopfte, öffnete er augenblicklich die Tür mit einem Lächeln, bei dem ich das Gefühl bekam, plötzlich größer und erwachsener geworden zu sein.

»Und?«, fragte er. »Bist du bereit für ein wenig harte Arbeit?«

Fast hätte ich aufgehört zu atmen. »Du willst, dass ich für dich arbeite?«

»Diese Reise nach Somalia muss gut organisiert werden. Ich brauche einen Assistenten, der für mich telefoniert und alles im Auge behält. Jemanden, dem ich vertrauen kann.« Suliman sah mich scharf an. »Glaubst du, dass du das schaffst?«

»Natürlich kann ich das.« Was sollte so schwer daran sein, zu telefonieren und sich Notizen zu machen? »Werde ich …« Ich zögerte, fragte dann aber trotzdem: »Werde ich dafür bezahlt?«

»Noch besser«, lächelte Suliman und seine Nase wurde dabei so spitz wie ein Schnabel. »Wenn du hart arbeitest, sorge ich dafür, dass du mit uns kommst. Wäre das genug? Würde dir eine kostenlose Reise nach Somalia gefallen?«

Das war mehr, als ich mir erhofft hatte. »Glaubst du, du kannst das arrangieren?«, fragte ich.

Suliman lachte. »Natürlich kann ich das. Aber du musst sofort anfangen. Abgemacht?«

Ich holte tief Luft, um mich zu beruhigen. »Abgemacht«, antwortete ich. Dann ging ich ins Haus.

Schöne Khadija
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