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Als Sandy Dexter kam, glaubte ich, dass jetzt alles geregelt sei. Schließlich waren wir nur da, weil sie uns eingeladen hatte. Und sie wollte Khadija. Bei unserer Rückkehr ins Büro war ich davon überzeugt, dass sich diese Fox entschuldigen müsste.

Aber so war es nicht. Anstatt uns zu begrüßen und darüber zu sprechen, was Khadija machen sollte, ließ Sandy sie auf und ab spazieren, während ihr alle zusahen. Sie standen in einer Reihe, Sandy, Freya und diese Fox, und starrten sie an.

Wer war die Wichtigste? Die, die Khadija überzeugen musste?

Nun, bestimmt nicht Freya, auch wenn sie Sandy Dexters Tochter war. Sie war fast so jung wie Khadija und ich. Und sie redete wie ein Loser.

Und diese Meredith Fox? Sie war die Älteste und sah am ehesten so aus, wie ich mir eine Geschäftsfrau vorstellte. Schicke Frisur. Ringe an den Fingern. Teures Kostüm. Und sie benahm sich auch wie eine Geschäftsfrau, schürzte die Lippen und kniff die Augen zusammen, als Khadija auf und ab ging – wie jemand, der einen Handel abschließen will.

Aber sie sah immer wieder zu Sandy Dexter und wartete ab, was sie sagen würde. Schließlich war sie die Designerin. Bestimmt war sie diejenige, die die Befehle gab.

Ich wünschte, ich wüsste, was Sandy Dexter dachte. Wenn sie Khadija nun auf der Stelle einen Job anbot? Was war, wenn sie hier und jetzt sofort eine definitive Antwort erwartete? Was sollten wir sagen?

Doch nichts davon geschah. Nach ungefähr zehn Minuten hob Sandy die Hand und ließ Khadija aufhören. Dann steckten sie und diese Fox die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander.

»Sie ist unglaublich«, hörte ich Meredith Fox sagen, »Wenn Belinda nur …«

Aber Sandy Dexter schüttelte heftig den Kopf. Ich verstand nicht viel von dem, was sie sagte, aber ich hörte die Worte unsicher und Ärger machen. Ich rückte ein wenig von Khadija ab, um besser zu hören.

Doch die Fox wollte nicht nachgeben. »Ich brauche nur ein paar Bilder.«

»Du verschwendest deine Zeit«, entgegnete Sandy Dexter und richtete sich auf. »Ich spüre es, Merry. Sie ist eine Primadonna, wie Veronica. Du kannst sie unter Vertrag nehmen, wenn du willst, aber glaube mir, du wirst es bereuen. Ich werde sie sicher nicht buchen.«

Die Fox murmelte etwas von Zeitverschwendung und ich sah, dass sie wütend war. Aber sie widersprach nicht mehr. Sie wollte aufstehen, aber Sandy legte ihr die Hand auf die Schulter.

»Mach dir keine Mühe«, sagte sie. »Ich setze die beiden in ein Taxi.« Sie nickte Khadija und mir zu. »Kommt. Und du auch, Freya.«

Sie schob uns aus dem Büro, vorbei an Beth und in den Aufzug. Khadija schien verwirrt, aber ich kochte vor Wut. Sie haben uns herkommen lassen, wollte ich sagen. Und wir haben unser ganzes Geld ausgegeben – für nichts! Aber der Lift war unten angekommen, noch bevor ich etwas sagen konnte, und Sandy lief gleich auf die Straße, um ein Taxi herbeizuwinken.

Als das Auto am Straßenrand anhielt, winkte sie uns, einzusteigen. Ich rührte mich nicht.

»Wir können uns kein Taxi leisten.«

»Seid nicht albern«, zischte Sandy. »Steigt ein. Ich komme mit und Freya auch. Wir müssen uns unterhalten – aber nicht hier.«

Über was sollten wir noch reden? Sie schien zu erwarten, dass wir alles taten, was sie sagte  – ohne Fragen zu stellen. Ich sah Khadija stirnrunzelnd an, um ihr klarzumachen, dass sie sich nicht rühren sollte.

»Wir kommen nicht mit«, erklärte ich laut. »Nicht, bevor Sie uns nicht sagen, was hier los ist.«

Sandy seufzte. »Warum könnt ihr mir nicht mal eine Minute vertrauen?«

Ich hasse es, wenn man mich drängt, und antwortete heftig: »Wir haben Ihnen vertraut. Wir haben Ihnen genug vertraut, um die Schule zu schwänzen und unser ganzes Geld für die Bustickets auszugeben. Und was haben wir bis jetzt dafür bekommen? Nichts. Sie haben bereits gesagt, dass Sie Khadija nicht brauchen, warum wollen Sie also mit uns noch reden? Geben Sie uns einfach das Geld für den Heimweg, dann sind wir weg.«

»Ihr versteht das nicht«, erklärte Sandy Dexter. »Dort oben im Büro hatte ich eine fantastische Idee, für die ich Khadija brauchen kann. Das wird der Schlüssel zu meiner ganzen Kollektion.«

Ich glaubte ihr kein Wort. »Warum haben Sie dann gesagt, dass Sie sie nicht engagieren würden?«

»Weil meine Idee nur funktioniert, wenn sie ein Geheimnis bleibt«, antwortete Sandy Dexter ungeduldig. »Und ich kann mich nicht darauf verlassen, dass Merry Fox es nicht verrät. Also müssen wir sie außen vor lassen und einander vertrauen. Ist das so schwierig?«

»Vielleicht solltest du ihnen erst einmal vertrauen«, warf Freya ein. »Wenn du ein Risiko eingehst …«

Der Taxifahrer ließ das Fenster herunter, lehnte sich herüber und rief: »He, Lady, wollen Sie jetzt ein Taxi oder nicht? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«

Freya machte die Taxitür auf und sah ihre Mutter an. »Lass uns zum Atelier fahren«, schlug sie vor. »Dann kannst du ihnen zeigen, was du für die neue Kollektion geplant hast.«

Sandy Dexter wurde leichenblass. Noch blasser als zuvor. »Du weißt, dass ich das nicht kann.«

»Warum nicht?«, fragte Freya. »Vertraust du ihnen nicht?«

Sie stieg ins Taxi und winkte uns, ihr zu folgen. Khadija sah mich an. Sollten wir gehen oder nicht? Wie trifft man eine solche Entscheidung? Schließlich siegte die Neugier und ich stieg zusammen mit Khadija ein.

Sandy Dexter beugte sich zum Fenster des Fahrers und nannte ihm die Adresse, setzte sich dann auf den ausklappbaren Sitz und schloss die Augen. Das Taxi fädelte sich in den fließenden Verkehr ein.

Ich sah zu dem Gebäude hinauf, das wir soeben verlassen hatten. Hinter einem Fenster im ersten Stock sah ich ein Gesicht. Ein scharfkantiges, gepflegtes Gesicht.

Diese Fox stand dort und sah auf die Straße.

Hatte sie gesehen, wie ich mit Sandy gestritten hatte? Hatte sie gesehen, dass wir alle im selben Taxi davonfuhren? Und wenn ja – machte das etwas aus?

Fast hätte ich Sandy Dexter gefragt. Doch dann hielt ich lieber den Mund.

Die Sache war auch so schon kompliziert genug.

Schöne Khadija
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