Reichskommissar Terboven
Mai 1940
In Süd- und Mittelnorwegen sind die deutschen Truppen erfolgreicher als im Norden. Anfang Mai ist der militärische Widerstand der Norweger gegen die Deutschen zusammengebrochen. Jetzt soll Josef Terboven, ein alter Kämpfer, der schon 1923 als NSDAP-Mitglied beim Hitler-Ludendorff-Putsch in München dabei gewesen ist, die Norweger das Fürchten lehren. Und das tut der ehemalige Gauleiter von Essen auch, nachdem ihn Hitler am 24. April zum Reichskommissar für die besetzten Gebiete ernannt hat. Terbovens Aufgabe ist es, die deutsche Herrschaft in Norwegen zu sichern und auf die Bildung einer nationalsozialistischen Regierung hinzuwirken.
Seine Weisungen empfängt er nur von Hitler, dem er unmittelbar unterstellt ist. Terboven wohnt in Skaugum, der Residenz des norwegischen Kronprinzen, 20 Kilometer südlich von Oslo. Auch andere Orte von nationalem Symbolwert werden von den Deutschen übernommen, wie das Stortingsgebäude oder das Schloss. Jedem Norweger soll klar werden, dass das Land unter deutscher Kontrolle steht.
Nur in Nordnorwegen läuft noch nicht alles nach Plan, aber Hitler malt sich schon einmal ein Norwegen nach seinen Vorstellungen aus. Ende April spricht er von einer Autobahn nach Trondheim und dem Ausbau der Hafenstadt am Trondheim-Fjord, dass »Singapur ein Kinderspiel dagegen ist«26. Auf einem Stützpunkt sollen die größten Schiffe gebaut werden und, neben Trondheim, das »nördlichste Kulturzentrum des Großdeutschen Reiches entstehen«.
Lillehammer, Marstein, Åndalsness. Die deutschen Truppen stoßen unterdessen weiter in den Norden vor. Unter ihnen ist auch der Obergefreite Crott. Er ist in keiner guten Verfassung, körperlich wie seelisch, die Folgen der Torpedierung kommen erst jetzt zum Tragen, sie wirken nicht nur in den Nächten nach, sondern verstärken auch beim Vormarsch die Angst vor allem, was kommt. Wie vielen seiner Kameraden macht auch ihm der jähe Wechsel von der zivilen zur militärischen Existenz zu schaffen, vom Jemand zum Niemand …
Crott weiß natürlich, dass er Teil eines Feldzuges ist, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Er hat in seinem jungen Leben genug nationalsozialistische Ideologie an sich und seiner Familie erleben müssen, um sich keine Illusionen über den Sinn der Führerbefehle und die Moral ihrer Vollstrecker zu machen. Er sieht aber für sich keinen Ausweg. Jeden Gedanken an Flucht und Desertieren muss sich Crott ohnehin verbieten, denn die Eltern würden es daheim doppelt büßen müssen.