••• 03 : 57 ••• CAROLIN •••

… onesi … ahl … onesi … ahl, rezitierte Carolin in Gedanken, während sie auf die dunkle Straße hinausstarrte. Die unverständlichen Silben hatten etwas seltsam Rhythmisches, als läge ihre Bedeutung ganz nahe. Eine zündende Idee wollte sich trotzdem nicht einstellen. Was hatte Tia nur gemeint? Was wollte sie ihnen mitteilen?

«In zweihundert Metern links abbiegen», empfahl die glatte Stimme des Navigationsgerätes.

Carolin seufzte, trat auf die Bremse und brachte den Wagen zum Stehen.

«Das hat keinen Zweck», sagte sie kopfschüttelnd. «Wir haben uns völlig verfahren.»

«Wie ist das möglich?», fragte Jürgen Traveen. «Ich dachte, es wären gerade mal zwei Kilometer bis zu diesem Campingplatz.»

«Ja, aber er liegt mitten im Naturschutzgebiet. Zu Fuß wären wir in einer halben Stunde da gewesen, aber der Navigator berücksichtigt das Fahrverbot und lenkt uns auf alle möglichen Umwege. Verflixt, ich hätte die Schilder ignorieren und vorhin auf diesen Forstweg einbiegen sollen.»

«Wissen Sie denn, wo wir jetzt sind?»

«Nicht genau, fürchte ich. Irgendwo zwischen dem Berg und der Autobahn.»

Carolin blickte nach draußen, sah jedoch nur die immer gleichen schwarzen Umrisse der Bäume, die die einsame Straße säumten. Keine Wegmarke bot Orientierung in der nächtlichen Landschaft. Selbst der flache Kegel des Bergs war in keiner Richtung auszumachen.

«Ach, zum Teufel mit der Technik!» Carolin schaltete das Navigationsgerät ab, legte den Rückwärtsgang ein und wendete. «Ich sollte mich einfach auf meine Nase verlassen.»

Traveen lachte. «Das sagt Tieken auch immer.»

«Mit dem Geruchssinn Ihrer Tochter kann ich leider nicht konkurrieren», schränkte Carolin ein. «Aber ich werde mein Möglichstes tun.»

Sie fuhr die Straße zurück und blieb nahezu im Schritttempo, um den Waldsaum zu beobachten und nach Abzweigungen Ausschau zu halten.

«Seltsam ist es schon, dass diese beiden Männer einfach so verschwunden sind», meinte Traveen nachdenklich. «Glauben Sie wirklich, dass sie den Nebenstollen suchen gegangen sind?»

Carolin zuckte die Achseln. «Ich kann es mir anders nicht erklären. Was glauben Sie denn?»

Traveen schwieg eine Weile. «Ich weiß nicht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass an der Sache etwas faul ist.»

«Inwiefern?»

«Nun ja … auch ich habe nicht die feine Nase meiner Tochter, aber dafür Augen im Kopf. Ich habe die beiden Kerle beobachtet. Ist Ihnen aufgefallen, wie nervös der Ingenieur war?»

«Na ja – sein Sohn ist dort unten in der Höhle, und als Aufseher des Bergwerks fühlt er sich für das Unglück verantwortlich», meinte Carolin.

«Aber dieser Böttcher war keine Spur nervös! Im Gegenteil: Er hat die meiste Zeit geschwiegen, aber den Ingenieur ständig im Auge gehabt. Es war fast … wie soll ich sagen … als würde er ihn bewachen. Merkwürdiger Mensch.»

«Sie mögen ihn nicht?»

«Irgendwie war mir der Mann unheimlich. Dieser kalte Blick … und überhaupt: Was hat er mit der ganzen Sache zu schaffen? Warum war er überhaupt dort?»

«Sagte er nicht, er sei ein Freund der Familie?»

«Auf mich wirkte er nicht so, als ob er irgendjemandes Freund wäre.»

Carolin stoppte, denn eben glaubte sie den Forstweg zu erkennen, an dem sie bereits auf der Herfahrt vorbeigekommen war. Im Licht der Scheinwerfer blitzte ein verwittertes Schild auf: «Wanderweg Duwengrund».

«Na bitte!», triumphierte sie und bog auf den Weg ein, der kaum mehr als eine Schneise zwischen dichten Bäumen war.

«Vorsicht! Das wird eng!», warnte Traveen.

Er hatte völlig recht: Der Weg war eindeutig nicht für motorisierte Fahrzeuge geschlagen, und so holperten sie eine Weile dahin, während Buschwerk und tiefhängende Zweige über die Seitenfester streiften. Die Pistenpartie endete abrupt, als sie einen offenen Platz erreichten. Carolin stoppte gerade noch rechtzeitig, als im Scheinwerferlicht ein hölzerner Tisch mit Sitzbänken erschien, der den Ort als Rastplatz auswies.

«Wir sind da.»

Traveen seufzte erlöst. «Jetzt hätte ich nichts dagegen, ein paar Schritte zu Fuß zu gehen.»

«Wunderbar.» Carolin griff ins Handschuhfach und förderte die Taschenlampe zutage, die sie seit einer nächtlichen Reifenpanne stets im Wagen mitführte. Als sie ausstieg und die Lampe anknipste, musste sie allerdings feststellen, dass die Batterie bereits sehr schwach war und der schmale Lichtkegel kaum mehr zwei Meter weit reichte.

«Herr Bringshaus? Hallo?»

«Scheint niemand hier zu sein», meinte Traveen, der sich auf dem dunklen Platz umblickte. «Wo geht’s lang?»

«Irgendwo da drüben muss ein Fußweg sein.» Carolin tastete sich zum Rand der Lichtung und fand einen schmalen Trampelpfad, dem sie vorsichtig folgten. Er führte auf eine grasbewachsene Ebene hinaus, die in einiger Entfernung von einer meterhohen Felswand begrenzt wurde.

«Hallo?», rief Carolin erneut.

Niemand antwortete.

«Und jetzt?» Traveen kratzte sich am Kopf. «Die beiden sind offenbar nicht hier – und den Stolleneingang finden wir mit dem bisschen Licht niemals.»

«Lassen Sie es uns wenigstens versuchen!», bat Carolin und pirschte durch das hohe Gras zur Felswand.