Stefanie Maucher

Haut

 

Im Moment ist die Kälte das Schlimmste. Meine Decke ist mir heruntergerutscht. Ich konnte spüren, wie sie nach unten gezogen wurde, durch das Gewicht des eigenen, herabhängenden Endes. Langsam rutschte sie immer tiefer und glitt zu Boden. Zwar griff ich noch danach, doch ich konnte ihren Sturz nicht mehr aufhalten. Nun lässt mich die niedrige Raumtemperatur frösteln. Ich weiß, ich müsste nur hinuntergreifen, neben das Bett, um die Decke zu greifen und sie hochzuziehen um mich wieder damit zuzudecken. Nachdem der Versuch, ihren Sturz aufzuhalten, misslang, lasse ich die greifende Hand wieder sinken, versuche zu entspannen, mich nicht zu verkrampfen und die Kälte nicht an mich ranzulassen. Ich kann spüren, wie sich die feinen Härchen meines Körpers aufstellen, wie er von einer Gänsehaut überzogen wird und wie er, obwohl ich mich darauf konzentriere, nicht zu frieren, leicht zu zittern beginnt.

Es ist dunkel im Raum. Ich sehe nur schwarz. Kein rötliches Tanzen meines Blutes hinter den geschlossenen Lidern. Kein Veitstanz des Lebens, den ich beobachten kann, wenn das Deckenlicht an ist. Ich muss die Augen gar nicht öffnen, um zu wissen, dass es aus ist. Dafür höre ich mein Blut rauschen, ohrenbetäubend pulsierend. Sie ist überlaut, die heranflutende Brandung meines inneren Ozeans. Sonst höre ich nichts. Einen irrationalen Moment lang glaube ich, dass ich nicht allein bin, sondern noch jemand mit mir im Raum ist und mir die Decke mit Absicht weggezogen hat. Mein Puls beschleunigt sich hörbar. Ich zwinge mich, tief durchzuatmen, mich zu beruhigen. „Sei nicht albern! Das Licht ist aus, hier ist niemand!“, beruhige ich mich selbst. Mein Atem wird wieder ruhiger. Mich nicht zu verkrampfen, weil es so kalt ist, wird immer schwerer. Ich spüre, wie meine Eier versuchen, sich in der wärmenden Leiste zu verkriechen. Kein angenehmes Gefühl! Auch sie sind von einer Gänsehaut überzogen, ich weiß es! Jeden Quadratzentimeter meiner Haut kann ich spüren, wenn ich so im Dunkeln liege.

Ich glaube, es stimmt, was man über Menschen sagt, die erblinden: dass ihre übrigen Sinne stärker werden, um den nun fehlenden zu ersetzen. Irgendwann, irgendwo, las ich, sie fangen an, besser zu hören, zu riechen… Ein Luftzug streicht über meinen nackten Bauch, über meine Beine. Bestimmt ist es heute windig und es zieht einfach nur rein, durch irgendeinen Spalt im Fenster oder in der Tür, aber unwillkürlich steigt wieder das Gefühl in mir auf, nicht allein zu sein. Als wäre es der Atem einer fremden Person, den ich auf meiner empfindlichen Haut spüre. Ich bekomme leichte Panik. Versuche, dagegen anzukämpfen. Diesmal dauert es länger, bis ich wieder ruhig werde. Kann ich ein leises Lachen hören? Ein Kichern aus dem Dunkel? Ich lausche angestrengt, aber wieder höre ich nur mich selbst, die Geräusche meines eigenen Atems, der viel zu schnell geht, mein inneres Blutmeer. Dann spüre ich etwas an meiner Seite. Federleicht erklimmt es meinen Bauch. Es bewegt sich rasch, auf 8 leicht behaarten Beinen, verharrt auf meiner Brust. Ich denke an die dicken Spinnen, die in vielen Kellern hausen und meine Gänsehaut verstärkt sich noch, vor lauter Ekel. Ich keuche auf und nun suggeriert mir mein überreizter Haut-Sinn, dass es überall auf mir wuselt. Dann spüre ich noch etwas anderes und beginne, vor Entsetzen zu schreien!

Es ist ein lauter, gellender Schrei, der das überlaute Rauschen übertönt. Als er verstummt, hallt er in meinem Kopf nach.

Die Stelle, an der sich der Finger in die Haut bohrte, unsanft piekend hineingetrieben, schmerzt. Ich hatte doch Recht! Die Hand hat sich in den Raum geschlichen, um ihre grausamen Spielchen zu spielen, um mich in den Wahnsinn zu treiben, um dafür zu sorgen, dass ich mich vor Angst einscheiße. Hat fast geklappt. Es ist ihr beinahe gelungen. Ein paar Tropfen Pipi habe ich wohl verloren. Zuerst warm, fast tröstlich, fühlt es sich zwischen meinen Beinen nun unangenehm kalt und feucht an. Die Pisse kühlt schnell ab. Jetzt geht das Licht an. Ich weiß es, denn durch meine geschlossenen Lider kann ich nun mein Blut wabern sehen und ich spüre die Spinne, die sich vor dem Licht flüchtet und zu meiner Seite hin davon huscht.

Ich weiß auch, dass der Finger, der sich in meine Seite bohrte, ein kleines Stück oberhalb der Hüfte, nicht echt ist. Ich wünschte, er wäre ebenfalls nicht real. Er fühlt sich unecht an, wie die Plastikbrüste, die ich meiner Frau zu Weihnachten geschenkt hatte, nur anders. Unecht eben. Zu glatt-klebrig, als er nun sanft über die Haut meiner Brust gleitet. Am liebsten würde ich nach der Hand schlagen, denn ich habe Angst vor ihr. Doch was würde mir der Versuch bringen? Die Fesseln würden mich ja doch davon abhalten. Ein weiterer Finger kommt dazu. Ohne hinzusehen, weiß ich, es muss der Daumen sein. Nur unter seiner Zuhilfenahme kann die Hand an meinem Brusthaar zupfen, schmerzhaft meine Brustwarzen zwirbeln, bevor sie mir hart ins Gesicht schlägt. Ich wimmere.

Meine Decke liegt immer noch am Boden. Ich fühle mich nackt, nicht nur, weil ich es bin, sondern weil ich spüre, wie die Hand mein Geschlecht belächelt; sich lautlos darüber amüsiert. Ich merke, wie mein Schwanz versucht, noch etwas weiter zu schrumpfen. Ich spüre, wie ein schwerer Blick auf ihm liegt und habe Angst, sein Gewicht wird meine Hoden zerquetschen. Eine Sekunde später spüre ich dort, an dieser intimen Stelle, die Berührung der Hand. Sie katapultiert einen ihrer unechten Finger gegen meine Eier, als wären sie Popel, die sie wegschnipsen möchte. Der Schmerz schießt mir bis ins Gehirn. Warum macht sie das?

„Was willst du?“, schreie ich fragend in die Stille, die mich umgibt. Ich rechne nicht damit, eine Antwort zu bekommen. Seit ich hier bin, blieb sie mir Antworten schuldig. Die Hand redet nicht mit mir. Sie quält mich stumm. Doch plötzlich, mit einem leisen „Plopp“, hört das Blutrauschen auf. Ich spüre ihren Atem, der über meine Ohrmuschel streicht, was sich fast noch schrecklicher anfühlt, als ihre Berührung. Der Atem fühlt sich heiß an, auf meiner empfindlichen Haut, scheint mich zu verbrennen. Dann höre ich sie. Die Hand, sie spricht zum allerersten Mal zu mir. Sie raunt mir zu, ganz leise, ein kaum hörbares Flüstern an meinem rechten Ohr: „Du sollst bereuen!“

Es sind so leise gewisperte Worte, dass man sie kaum hören kann, doch nach all der Stille explodieren sie förmlich in meinem Schädel.

„Was soll ich bereuen?“, kreische ich. „Was?“

Eine weitere Antwort bleibt aus, dafür beginnt das Rauschen in den Ohren erneut. Ich kann die Drehung der Ohrstöpsel auf der Haut in meinem Ohr spüren. Sie winden sich hinein, wie Würmer, die vorhaben sich in mein Gehirn zu fressen.

Eine Weile liege ich einfach nur da, warte darauf, dass die Nässe zwischen meinen Beinen trocknet und frage mich ängstlich was als nächstes passieren wird. Dann spüre ich, wie sich etwas zwischen meine Lippen zwängt. Ein Plastiklöffel, der mir ekligen Brei in den Mund schiebt. Hastig schlucke ich ihn runter, sperre den Mund dann schnell wieder weit auf. Ich möchte die Lippen zusammenkneifen, will nicht noch mehr von dem widerlichen Zeug haben, doch was bleibt mir anderes übrig? Schließlich muss ich atmen. Schon kommt die nächste Ladung. Bei jedem Bissen habe ich die furchtbare Angst, nicht schnell genug schlucken zu können, mich zu verschlucken, zu ersticken. Dicke Tränen quellen unter den Klebebändern hervor, mit denen meine Lider zugeklebt sind, rinnen vorbei an meiner zugeklebten Nase und fallen geräuschlos zu Boden.

Danach passiert lange Zeit gar nichts. Die Worte der Hand springen in meinem Kopf hin und her, wecken Assoziationen und schlafende Monster. Bereuen soll ich. Aber was? Klar, ich war nicht immer nur nett in meinem Leben. In der Schule zum Beispiel, da hatten wir einen Stotterer, über den ich mich manchmal lustig gemacht hab. Das war nicht nett von mir. Aber hey, Kinder sind manchmal grausam, stimmt‘s? Vor ein paar Wochen – oder waren es Jahrhunderte? – habe ich den Stotterer in der Stadt getroffen. Hätte ihn fast nicht wiedererkannt. Er ist jetzt einer dieser Muskelprotze, ein Kerl, der vor lauter Kraft kaum laufen kann. Aber wegen ein bisschen Stottern tut einem wohl kaum jemand so etwas an, oder? Okay… also was richtig Schlimmes. Ich hab mal einem Typen so aufs Maul gehauen, dass er danach ein paar Zähne weniger hatte. Ein paar Bier zu viel hatte ich intus und sah einfach rot, als er sich an meine Alte rangemacht hat. Manchmal bin ich ziemlich impulsiv. Und hey, seine Hand hatte auf ihrem Arsch einfach nichts verloren, klar!? Ich hab‘ sie ihm gebrochen. Aber dass der Typ zu so einer Nummer wie der hier fähig wäre, das kann ich eigentlich auch nicht glauben. War ein ziemliches Weichei. Hat sich kein bisschen gewehrt.

Ich muss husten, weil noch ein wenig von dem ekligen Brei an meinem Gaumen klebte und mir nun in den Rachen fällt. Fast hätte ich die Scheiße eingeatmet. Das mit dem Ersticken ist gar nicht so abwegig. Der Nachgeschmack ist übel, ein wenig gallig. Ich kann es schmecken, obwohl meine Geschmacksknospen nicht mehr viel hergeben, weil meine Nase dicht ist. In diesem Moment vermisse ich meine Frau, das Essen, das sie mir immer gekocht hat. Sie kann gut kochen und es stand immer pünktlich auf dem Tisch, wenn ich heimkam. Streit, weil sie ihre Pflichten nicht erfüllte, gab‘s nur selten. Was sie wohl macht, seit ich nicht mehr da bin? Vielleicht war sie bei der Polizei, hat eine Suchmeldung aufgegeben. Einen Moment male ich mir aus, dass die Kripo meinem Entführer schon dicht auf der Spur ist, hier jeden Moment mit einem Krachen die Tür auffliegt und ein Sondereinsatzkommando hereinstürmt. Doch wenn die Bullen eine Ahnung hätten, wo sie suchen sollen, dann wären sie wohl schon lang hier, oder? Auch der Gedanke an meine Frau geht mit einem schlechten Gewissen einher. Sicher, ich hätte ihr mal Blumen mitbringen können und ihr öfter mal sagen, dass ich sie liebe. Oder weniger oft mit den Jungs um die Häuser ziehen, dafür mal mit ihr, wie sie es sich oft gewünscht hat, schön Essen und dann ins Theater gehen. Jetzt wäre ich gern bei ihr. Vielleicht hätte ich auch nicht immer so schnell ausflipp…

Jäh wird dieser Gedanke unterbrochen, durch ein neues Gefühl auf meiner Haut. Die Hand steckt jetzt in einem Waschhandschuh, der mit lauwarmem Wasser befeuchtet ist. Grob beginnt sie damit, mich von den Füssen aufwärts abzuschrubben, einzuseifen, rücksichtslos, ohne meine Schamgrenzen zu beachten. Als sie sich zurückzieht dauert es einen kurzen Moment, dann ergießt sich ein Schwall Wasser über meinen ganzen Körper, spült den Schaum weg, den ich auf meiner Haut zerplatzen spürte. Ich zittere nun unkontrolliert. Die Waschung kühlt mich noch mehr aus und das Zittern wird so stark, dass meine Zähne, durch die ich keuchend den Atem einsauge, klappernd aufeinander schlagen. Nun spüre ich das kalte Schaben von Metall. Mit einer Rasierklinge entfernt die Hand akribisch meine Körperbehaarung. Überall. Endlos lange braucht sie dafür, während ich vor mich hin zittere. Ich horche in mich hinein, glaube zu hören, wie meine Körperkerntemperatur absinkt. Doch dann folgt die Erlösung. Das flauschige Gefühl von Frottee auf meiner Haut, der sie zuerst trocken und dann warm reibt. Der Stoff kitzelt meine Nase, während er auch mein Gesicht trocknet und ich wünsche mir zu niesen, um den schnelltrocknenden Bauschaum hinaus zu befördern, mit dem mir die Hand die Atemlöcher zugeschmiert hat. Ich habe das Zeug am Geruch erkannt. Schließlich habe ich lange genug auf dem Bau gearbeitet, um den sofort zu erkennen. Davor konnte ich noch riechen, dass ich mich irgendwo in einem Erdloch oder Keller befinden muss. Es roch erdig, feucht und muffig. Leicht verwest. Wie in einem kalten Grab. Dieser Gedanke und die Erinnerung an den Geruch lassen mir einen Schauer über den Rücken laufen. Haben wir nicht alle unsere Leichen im Keller? Doch welche meiner Sünden hat mich in diese Lage gebracht?

Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, landet abermals etwas Kaltes auf meiner Haut, regnet in kleinen Tropfen auf sie herab und durchtränkt sie. Zügig reibt die Hand die Lotion ein. Ihre Berührung ekelt mich an. Fühlt sich an, als ob ein toter Fisch über meine Haut schwimmt. Sie cremt mich sorgfältig ein, fürsorglich, aber ohne sexuelle Komponente. Dann werde ich wieder zugedeckt und mit meinen Gedanken alleine gelassen. Das Licht geht aus. Das blutige Rot hinter meinen Augenlidern wird schwarz.

Die Stimme der Hand habe ich nicht erkannt. Sie war zu leise, nur ein Raunen, könnte ebenso gut zu einem Mann, wie auch zu einer Frau gehören. Aber die Weiber, die ich kenne, die kann ich wohl ausschließen. Mal davon abgesehen, dass wohl keine von ihnen mich überwältigen könnte, glaube ich auch nicht, dass sich eine davon so was trauen würde. Oder die Kraft hätte, mich an diesen verschissenen Ort hier zu verfrachten. Mir gehen die Geschichten über grenzdebile Rednecks durch den Kopf, die in den Wäldern hausen und campende Touristen verschleppen. Aber das ist absurd. So etwas passiert nur in Filmen. Außerdem passt dieser Scheiß mit dem Bereuen nicht dazu. Das Letzte, woran ich mich deutlich erinnern kann, ist zwar, wie ich abends mit meinem alten Kumpel Jens an einem Feuer draußen am See saß, aber dass in unseren Wäldern so eine Art degeneriertes Untergrundvolk lebt, kann ich trotzdem nicht glauben. Ich frage mich, was mit Jens passiert ist. Hat die Hand ihn ebenfalls erwischt? Liegt er auch hier, in diesem nasskalten Loch? Oder ist er schon tot? Wie bin ich überhaupt hier her gekommen? Und wie lange liege ich bereits hier, mit offenem Mund die Innenlider meiner Augen anstarrend?

Die ganze Zeit durch den Mund zu atmen trocknet ihn aus. Auch die Haut im Hals kann ich inzwischen fühlen. Pergamentartig trocken fühlt sie sich an. Früher war ich mir meiner Haut nicht bewusst. Ich steckte in ihr, trug sie mit mir herum, verkündete meiner Frau manchmal schreiend, sie wisse ja gar nicht, wie es ist, in meiner Haut zu stecken – heute ist sie mein wichtigstes Sinnesorgan. Und erst jetzt werde ich mir bewusst, wie es sich wirklich in ihr anfühlt. Ich fühle jeden Millimeter ihrer Fläche. Die juckende Haut zwischen den Zehen, ausgespart von der Lotion und trocken, an denen ich mich gerne kratzen würde. Mit den Fingernägeln würde ich darüber schaben, bis dieses fürchterliche Jucken, das stärker wird, je länger ich daran denke, endlich aufhört. Ich spüre die schwitzende Haut, zwischen meinen Schenkeln, die Hautfalte am Arsch, an der eine kleine Schweißperle entlang rinnt. Inzwischen ist es warm unter der Decke. Fast schon zu warm. Ich spüre die Haut meines Bauches, wie sie sich dehnt, weil ich untätig daliege und dank der widerwärtigen Fütterungen immer fetter werde. Ich versuche, die verletzte Haut an meinen Handgelenken und Knöcheln nicht zu spüren, doch es gelingt mir nicht. Die Stellen, an denen die Fesseln reiben schmerzen. An den Schlimmsten kann ich die Abwesenheit der Haut spüren, das blanke Fleisch. Obwohl ich meine Arme und Beine nicht mehr bewege, darauf achte, keine Reibung zu provozieren, tut es weh. Von Stunde zu Tag zu Jahrhundert fühlen sich die Lederriemen, die mich festhalten, strammer an. Als würden sie sich selbst Millimeter für Millimeter zusammenziehen. Dabei bin ich es, der sich weitet.

Ich frage mich kurz, ob sich die Brüste meiner Frau auch so angefühlt haben, ihre samtige Haut, als die Silikonkissen hineingestopft wurden. Noch Wochen später hat sie gejammert, wenn ich ihre Titten berührte. Erst als ich sie einmal ordentlich durchgeknetete, ihr zeigte, wann das Gejammer gerechtfertigt ist, riss sie sich beim nächsten Mal ein bisschen mehr zusammen. Sah doch gut aus. Mein Schwanz schwillt ein wenig an, beim Gedanken an ihre Brüste. Auch da dehnt sich die Haut nun, weitet sich pulsierend. Dauert nicht lang, und ich habe einen ordentlichen Ständer. Ich wünschte, ich könnte mir einen runterholen.

Einige Zeit später steht mein Schwanz noch immer. Fuck. Das anfangs angenehme Gefühl, das mir die Erektion verschaffte, verwandelt sich, sie wird langsam lästig. Obwohl ich krampfhaft versuche, an etwas zu denken, das mich ablenkt, steht das Ding wie eine Eins. Kurz kommt mir der Gedanke, ob die Hand mir was in den Brei gemischt hat. Viagra? Egal, irgendwas muss ich dagegen tun. Also versuche ich an was zu denken, was mich scharf macht. An die Kleine, die ich mal nach einer Kneipentour durchnahm. Sie war rotzbesoffen, ich auch, aber geil war’s trotzdem. Sie hat sich ein bisschen gewehrt, als ich‘s ihr hinten im Hof besorgt hab‘, aber nicht sehr. Der Gedanke an ihren prallen Arsch geilt mich noch mehr auf. Dann denke ich an den meiner Frau. Sie mochte es nie, wenn ich sie in den Arsch fickte, aber ab und zu bestand ich trotzdem drauf. Dann ist die Pornosammlung auf meinem Rechner dran. Ich rufe mir meine Lieblingsszenen ins Gedächtnis, versuche mich zum Höhepunkt zu denken, aber es klappt nicht. Fuck! Inzwischen ist die Erektion regelrecht schmerzhaft. Die Haut meines Geschlechts fühlt sich an als würde sie aufplatzen, wie die Pelle eines zu lange gekochten Würstchens.

Auch mein Darm fühlt sich an, als würde er bersten. Ich kann meinen Liegeplatz nicht verlassen um mich zu erleichtern und ich hasse das Gefühl, wenn der warme, breiige Kot zwischen meinen Arschbacken hervorquillt. Doch noch mehr hasse ich das Gefühl, wenn die Hand sich danach zwischen meine Beine zwängt, um mich sauberzumachen. Ihre Gummifinger wischen mich notdürftig sauber. Manchmal bohrt sich einer dabei schmerzhaft in meinen Anus, um mich noch mehr zu demütigen als ohnehin schon. Ich kapituliere und verschaffe mir zumindest diesbezüglich Erleichterung. Zum Glück kann ich nichts riechen.

Als sehr viel später das Licht wieder angeht, meine Decke ruckartig weggezogen wird, steht mein Teil noch immer. Daran ändert sich auch nichts, als die Hand damit beginnt mich zu säubern. Dann schließt sie sich um meinen Schwanz und bewegt die empfindliche Vorhaut auf und ab. Zum ersten Mal wünsche ich mir nicht, dass ihre Berührung aufhört. Genauso wie ich es mag stimuliert sie mich. Wohlig seufze ich auf, atme schneller. Als meine Lust am Größten ist und ich kurz davor bin Erlösung zu finden, reißt sie meinen Schwanz kraftvoll nach unten, verbiegt ihn, in einem augenblicklich unmöglich erscheinenden Winkel, und eine Schmerzwelle ungekannten Ausmaßes schießt direkt in mein Gehirn. Das knackende Geräusch beim Einreißen der Schwellkörperhülle zerreißt mir fast das Trommelfell. Wie alle Geräusche im Inneren meines Körpers klingt es überlaut. Ich stoße einen animalischen, langanhaltenden Schrei aus, schreie wie am Spieß, bis mir die Luft ausgeht. Die Angst vorm Ersticken besiegt den Schmerz und ich kann wieder atmen.

„Plopp“, macht es in meinem Ohr. Ich erstarre.

Sanft, als wolle sie mich beruhigen, streichelt die Hand nun mein Gesicht, bevor sie mir in den Schritt greift und nochmals schmerzhaft meine Hoden quetscht. Ich versuche den Schrei, der sich aus meiner Kehle drängt, zurück zu halten, spüre wie er an der trockenen Haut meiner Kehle kratzt und hinaus will. Ich verschlucke ihn hastig, damit er die leisen Worte nicht übertönt, die mir die Hand ins Ohr wispert: „Bereust du es endlich?“

Ich weiß nicht, was ich bereuen soll, stammle aber dennoch unzusammenhängende Entschuldigungen. Ja, es tut mir leid, ich werde mich ändern, werde es nie wieder tun, wenn sie mich nur hier raus lässt und mein Martyrium endlich beendet.

„Shhhhhh“, ein warmer Latexfinger legt sich auf meine aufgerissenen Lippen und bringt mich zum Schweigen. Dann flüstert die Hand mir etwas ins Ohr: „Nicht mehr lang, dann werde ich wissen wie es ist, in deiner Haut zu stecken!“ Ich verharre in verwirrtem, gepeinigtem Schweigen. Was meint sie damit? Dann wird es mir schlagartig klar. Abermals beginne ich zu schreien, als ich das kalte Metall des Skalpells spüre, mit dem sie mich aufschneidet und meine Haut von meinem Fleisch löst.

 

***

 

Extrablatt: Am Nachmittag nahm die Polizei die 36jährige Verwaltungsfachangestellte Veronika P. fest. Sie steht unter dringendem Tatverdacht, ihren seit dem Sommer 2012 vermissten Ehemann Patrick P. ermordet zu haben. Laut dem Sprecher der Polizei führte ihr ehemaliger Liebhaber Jens L., der an der Entführung des Opfers maßgeblich beteiligt war, die ermittelnden Beamten auf die entscheidende Spur. Nach der Trennung von Veronika P. wendete er sich an die Polizei und gab an, er hätte große Angst, ebenfalls zum Opfer zu werden. Seinen Angaben zu Folge häutete Veronika P. ihren gewalttätigen Ehemann, der sie jahrelang misshandelt hatte. Anschließend gerbte sie seine Haut und nähte sich aus dem Leder einen Minirock. Ein entsprechendes Kleidungsstück konnte sichergestellt werden, allerdings muss ein DNA-Abgleich erst noch bestätigen, dass es tatsächlich aus Patrick P. gefertigt wurde. Jens L. gab weiterhin an, die Leiche hätten sie in einem naheliegenden See versenkt. Taucher suchen bereits nach dem Leichnam. Die Ermittlungen dauern im Augenblick noch an.