Moe Teratos
Die Rache
Ich habe sie entdeckt, diese Schweine! Sie können sich vor mir nicht verstecken. Lilly wird stolz auf mich sein.
„Lilly!“, rufe ich.
Sie kommt aus der Küche und stellt sich neben den Schreibtisch. „Was ist?“
„Ich habe sie gefunden. Hier“, ich zeige auf den Bildschirm, „bei Facebook. Siehst du?“
Lilly liest den ersten Namen vor. „Mark Paoli ...“ Sie sieht sich sein Bild genau an. „Bist du dir sicher, dass er einer von ihnen ist, Gina?“
Ich nicke aufgeregt. „Ja! Er und der hier.“ Ich wechsle zum nächsten Profil.
Lilly liest wieder vor. „Chris Hammler. Bist du dir hundertprozentig sicher, dass es die beiden waren?“
Ich stehe vom Drehstuhl auf, packe sie bei den Schultern und schaue ihr in die Augen. „Ich weiß, wie sie aussehen und wie sie heißen. Es besteht kein Zweifel, sie sind es und sie wollen sich mit dir treffen.“
Lilly stößt mich von sich weg. „Sie wollen was?“
„Ich kann sie nicht kontaktieren. Ich habe nur deinen Namen genommen, das Profilbild ist aus dem Internet.“ Ich öffne ihre angebliche Facebook-Seite. Eine blonde, hübsche Frau ersetzt Lillys Gesicht. „Ich kann mit ihnen keinen Kontakt aufnehmen, sie wissen, wer ich bin.“
Sie nickt zustimmend. „Wäre ein Wunder, wenn sie sich nicht an dich erinnern könnten, du hast recht.“ Sie streicht sich ihre schwarzen Haare aus der Stirn und seufzt. „Dann kann der Tanz ja losgehen. Wo wollen sie sich treffen und wann?“
„Morgen Mittag.“ Mit vor Aufregung zitternden Händen gebe ich ihr den Zettel, auf dem ich die Adresse notiert habe.
„Das ist ja um die Ecke!“, ruft sie erstaunt aus.
Ich nicke. „Wir haben sie überall gesucht und sie waren uns so nah.“
„Ist das ein Café oder Restaurant?“
„Nein, sie wollen sich mit dir bei Chris treffen“, sage ich.
„Das sind ja ganz schnelle ... okay, wir haben keine Zeit zu verlieren, Gina. Wir müssen alles vorbereiten, wie wir es besprochen haben.“
Ich erwidere nichts, sondern ziehe mir die Schuhe und eine dicke Jacke an. Es ist kalt draußen und Weihnachten steht vor der Tür. Was ihre Familien sagen werden, wenn sie, statt unter dem Tannenbaum zu sitzen, eine Beerdigung feiern müssen? Ob sie ahnen, was Mark und Chris für Menschen sind? Widerliche Geschöpfe, die aus den Schößen ihrer Mütter gekrochen sind, obwohl sie es verdient hätten, als Embryo auf den Scheiterhaufen geworfen zu werden.
Ich nehme den Wohnungsschlüssel und verlasse zusammen mit Lilly das Haus. Wir müssen einkaufen. Uns fehlt nicht mehr viel, das meiste haben wir schon. Lilly ist vor kurzem zu mir gezogen, meinem Vermieter habe ich davon nichts erzählt, es geht ihn nichts an. Von heute an ist der Weg nicht mehr weit. Unsere gemeinsame Reise dauert nun ein Jahr und die Suche ist jetzt fast vorbei. Wenn Mark und Chris aus dem Weg geräumt sind, kann ich endlich meinen Frieden finden und Lilly wieder ihr eigenes Leben führen. Sie ist wie eine große Schwester für mich. Ich traf sie in der Selbsthilfegruppe und wir verstanden uns auf Anhieb. Die anderen Frauen mit demselben Schicksal halten sich von uns fern. Als wenn sie ahnten, was wir planen. Ich glaube, alle wissen das. Wenn Lilly und ich über die Straße gehen, so wie jetzt, habe ich das Gefühl, dass alle Augen auf uns gerichtet sind. Fremde kleben an unseren Lippen, wenn wir miteinander sprechen. Lilly meint, ich leide an Verfolgungswahn. Nein! Ich gebe ihr in vielem Recht, aber dabei irrt sie sich gewaltig. Seit der Sache scheinen andere Menschen zu spüren, was mit mir geschehen ist und sie sehen mir an, was ich vorhabe.
Ich ziehe mir den Schal über den Mund. Es wird kälter, der erste Schnee lässt noch auf sich warten. Ob die Kinder Glück haben und weiße Weihnachten bekommen? Mir ist es scheißegal! Mich interessiert nur eins: Sie müssen sterben! Egal ob Lilly und ich mit draufgehen. Ihr Tod ist beschlossen, zu ihrem Pech wissen sie nichts davon. Sie ahnen nicht einmal, dass ich hinter ihnen her bin. Seit der Gerichtsverhandlung vor einem Jahr und ihrem Freispruch aus Mangel an Beweisen genießen sie ihr Leben und kosten es mit vollen Zügen aus. Jedenfalls glaube ich das.
Wir erreichen den Angelladen. Ich öffne die alte Holztür und trete ein. Ein seltsamer, aber wohliger Geruch umhüllt mich. Es riecht gemütlich, als wenn man nach Hause kommt. Ein uriger Laden in Duisburg-Rheinhausen. Hier gibt es alles, was das Anglerherz begehrt. Mich interessieren allerdings nur zwei Dinge.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragt der Mann hinter der Ladentheke.
Ich gehe zu ihm. „Ich brauche Angelschnur und Haken.“
Er wühlt unter der Theke. „Welche Größe?“, fragt er, ohne aufzusehen.
„Wie bitte?“
Sein Kopf kommt wieder hervor. „Die Angelhaken ... welche Größe?“
Er sieht mich komisch an. Ich hasse diesen Blick. Er glaubt ich sei ein dummes Mädchen, das keine Ahnung vom Leben hat. Da täuscht er sich gewaltig! Ich habe mit Sicherheit mehr ertragen müssen, als er während seines kümmerlichen Daseins.
Ich schaue mich Hilfe suchend nach Lilly um, sie steht in einer Ecke des Ladens und sieht sich Zubehör für Angler an. Wieder einmal muss ich alles alleine machen. Ich bin es ja nicht anders gewohnt...
„Also?“ Die Augenbrauen des Besitzers ziehen sich fragend nach oben.
Ich überlege kurz. „Die Kleinsten, die sie haben.“
„Damit fangen Sie aber keine großen Fische“, sagt er und verschwindet unter dem Tresen.
„Ich jage nur ganz kleine Fische.“ Ich lächle ihn an. Er versteht meinen Witz nicht, das muss er auch nicht. Mein Anliegen geht ihn nichts an.
„Gut“, sagt er, legt Schnur und Haken auf den Ladentisch und gibt die Preise in eine alte Kasse ein. „Das macht zusammen 2,89 Euro, brauchen Sie ein Tütchen?“
„Nein danke, das geht so.“ Ich lege ihm das Geld in die Hand und verstaue die Sachen in meiner Handtasche.
„Na dann Petri Heil und einen guten Fang.“ Er reicht mir den Kassenbon und nickt mir zu.
„Komm Lilly, ich bin fertig“, rufe ich und verabschiede mich von dem Mann. Seine Augen zeigen mir, was er von uns hält. Entweder glaubt er, wir seien Lesben oder verbohrte Feministinnen, die meinen, ohne Mann in ihrem Leben zurechtzukommen. Mir ist egal, was er denkt. Wenn es klappt, wie ich es mir vorstelle, werden wir uns nie wiedersehen. Ich spüre, wie sein kritischer Blick weiterhin auf mir ruht, während wir den Laden verlassen und den Weg nach Hause antreten.
„Hast du jetzt, was du brauchst?“, fragt Lilly, als ich meine Werkzeuge auf dem Küchentisch ausbreite.
Ich überfliege alles. Ein Skalpellset aus dem Modellbaugeschäft, ein Beil, ein Elektroschocker und natürlich Angelhaken und Schnur.
„Alles da“, bestätige ich.
„Gut“, sie nimmt mich in den Arm und streicht mir über den Rücken. „Wir sollten schlafen gehen, wir müssen morgen fit sein.“ Sie lässt mich los und geht zur Wohnzimmercouch, ihr Nachtquartier, seit sie bei mir wohnt.
Ich lege mich ins Bett, achte nicht darauf, dass ich Hunger habe und mein Körper nach einer Grundreinigung schreit. Das ist mir scheißegal. Ich wiege fünfzig Kilo, eigentlich viel zu wenig für meine Größe, aber in dem letzten Jahr gab es wichtigeres als Essen. Auch die Körperpflege kam regelmäßig zu kurz. Auf der Straße wurde ich schon als stinkende Schlampe bezeichnet, was soll ich sagen ... auch das ist mir egal. Mein Leben hat nur noch ein Ziel und das ist Rache! Rache an denjenigen, die mich gebrochen und ihre verfluchten Schwänze in mich gesteckt haben und ... Nein, stopp! Ich atmete tief durch. Nicht jetzt, noch nicht! Heb dir die Wut für morgen auf, wenn du sie in deiner Gewalt hast. Erst dann darfst du an die Sache von damals denken. Nicht früher und nicht später, es muss genau dann sein, bevor du sie tötest, einen nach dem anderen. Ich rolle mich wie ein Embryo zusammen und stelle mir vor, wie sie bluten, wie sie um ihr Leben flehen und ihren letzten Atem aushauchen. Es erregt mich, nicht sexuell, aber irgendwie ... Ich kann es nicht beschreiben, wozu auch? Es geht niemanden an, wie ich empfinde oder was die Vorstellung und die Ausführung eines Mordes in mir auslöst. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlafe ich ein und träume von ihnen. Mark, Chris, zieht euch warm an, ich komme...
Lilly und ich sitzen am Frühstückstisch. Ich bekomme kaum etwas herunter, aber sie treibt mich an, mehr zu essen.
„Du musst bei Kräften sein, Gina.“ Sie legt mir ein weiteres Stück Brot auf das Brettchen. „Du siehst zu alt aus für deine fünfundzwanzig Jahre. Schau dich mal im Spiegel an. Total eingefallen und faltig!“
Ich werfe ihr das Brot an den Kopf. „Glaubst du, du siehst besser aus? Scheißkuh!“, fluche ich, stoße den Stuhl um und gehe ins Bad.
Streitereien gehören bei uns zur Tagesordnung. Wir haben beinahe dasselbe erlebt und sind stets der Überzeugung, der anderen gehe es noch schlechter als einem selbst, nur damit man besser dasteht. Absolut nutzloses Unterfangen. Wir sind beide Opfer von selbstverliebten, geilen Böcken, wie kann es da einer besser und einer schlechter gehen? Wir teilen dieses Schicksal und müssen damit zurechtkommen.
Ich stelle mich unter die Dusche und gönne meinem mageren Körper Entspannung und Säuberung. Als ich über meine herausstehenden Rippen streiche, frage ich mich, ob ich die Kraft habe, zwei große Männer in meine Gewalt zu bringen. Glaube versetzt Berge. Wieso soll ich es nicht schaffen? Sobald die Wut in mir aufsteigt, erhält mein Körper Stärke, die ich nie für möglich gehalten habe.
Den Beweis dafür bekam ich vor einer Woche. Ich ging abends alleine in einem Park spazieren, da Lilly mich nervte und ich eine Auszeit von ihr brauchte.
Nach meiner dritten Runde sah ich zwei halbstarke Teenager. Vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Kaum, dass sie mich entdeckt hatten, riefen sie mir Schimpfwörter entgegen und rannten auf mich zu. Sie lachten, machten sich über mich lustig und bewarfen mich mit Dreck.
Lästige kleine Bälger! Kein Anstand und nicht die leiseste Ahnung vom Leben.
„Ey, Tony, zieh sie mal an den Haaren!“, rief einer der Jungen und lachte sich fast tot.
Sein Freund gehorchte wie ein Schoßhündchen, kam auf mich zu und zog mich kräftig an den Haaren. Der Arme! Er konnte ja nicht ahnen, dass sich das Messer längst in meiner Hand befand. Ich ging ohne es seit dem Vorfall vor einem Jahr nicht mehr aus dem Haus. Ich zog Tony an mich heran, hielt die Schneide in seine Richtung und spürte, dass sich die Klinge leicht, wie durch ein zartes Steak, den Weg in den Jungen bahnte. Meine kalten Finger wurden warm, als sein Blut darüber lief. Ein kolossales Gefühl! Ich zog es aus seinem Bauch und stieß noch einmal zu. Tony begann Blut zu spucken und röchelte etwas. Es mochte ein „Hilfe“ oder „Bitte nicht“ sein, mir war es einerlei. Er hatte es gewagt, mich anzugreifen, also musste er sterben, fertig! So einfach sah ich es heute. Männer genossen bei mir kein hohes Ansehen mehr.
Der andere Junge hörte auf zu lachen und rief verärgert: „Was machst du da, Tony? Lass die Schlampe los! Komm, wir hatten unseren Spaß!“
Sein Freund konnte nicht antworten. Sein Leben war vorbei. Keine Chance auf einen neuen Versuch. Kein Reset. Ich zog die Klinge aus dem leblosen Leib und ließ Tony achtlos auf den Boden fallen.
„Was zum ...?, setzte das andere Balg an, verstummte aber schnell, als es die lange Schneide sah. „Was hast du gemacht, du Irre?“, schrie er mich an. Was erlaubte er sich? Er schrie mich an? Mich? Wer hatte denn angefangen? Sie oder ich? Ihre Eltern schienen ihnen nicht beigebracht zu haben, was es hieß, mit Konsequenzen zu rechnen...
Ich ging geradewegs auf ihn zu. Er wandte sich um und rannte um Hilfe schreiend weg. Zwecklos, armes Ding! Er stolperte, fiel hin und schlug mit der Stirn auf einen Stein. In Windeseile gelangte ich zu ihm, bückte mich hinunter und zog seinen Kopf an den Haaren hin und her.
„Na? Wie ist das, wenn man an den Haaren gezogen wird? Na?“, meine Stimme klang ganz anders als sonst. Meine Wut hatte den Gipfel erreicht, ich platzte beinahe aus allen Nähten vor Hass auf sie und alle anderen Männer, die mich gerne mal am Arsch lecken konnten.
Ich ließ mich auf die Knie fallen und drehte den Jungen auf den Rücken. Seine Augen spiegelten die nackte Angst wieder und auf seiner Stirn prangte eine Platzwunde. Mir gefiel es. Ich hatte lange genug die Opferrolle innegehabt, jetzt war ich dran, Schrecken zu verbreiten.
Er winselte, versuchte sich aus meinem Griff zu befreien und spuckte mich an. „Friss das, du bekloppte Hure!“
Jetzt war das Maß voll! Ich schlug ihm ins Gesicht. Einmal, zweimal, dreimal, seine Nase begann zu bluten und ich rotzte ihn ebenfalls an.
„Widerlicher Mistkerl!“, schrie ich und setzte ihm das Messer auf die linke Brust. Er war kaum noch bei Bewusstsein, umklammerte aber mit seinen Händen die meinen und stemmte sich gegen den sicheren Tod.
„Wehr dich nicht“, flüsterte ich. „Es geht schnell, ich verspreche es. Lass dich einfach gehen, dann ist es gleich vorbei.“ Ich drückte mein ganzes Körpergewicht – was ja nicht viel war – auf das Messer und endlich, gab das Balg auf. Die Klinge fand ihren Weg durch das Fleisch, glitt an den jungen Rippen vorbei und erreichte sein Ziel. Mit einem letzten Ruck durchstach ich sein Herz. Er spuckte Blut und es spritzte mir ins Gesicht. So eine Schweinerei! Er zuckte noch ein paarmal und blieb still liegen.
Ich ließ mich nach hinten fallen. Langsam dämmerte mir, was ich getan hatte. Die Wut hatte die komplette Kontrolle übernommen und logisches Denken, oder rationale Entscheidungen mit einem Schutzschild ausgesperrt. Und diese vernichtende Wut brauchte ich für Mark und Chris. Nicht nur ein bisschen davon, sondern die ganze Packung.
An diesem Abend vor einer Woche ging es mir zum ersten Mal gut. Als ich es, ohne gesehen zu werden, nach Hause schaffte und Lilly davon berichtete, überwältigten mich wahre Glücksgefühle. Alles schien vergessen. Der Schmerz, die Pein, das Leid, fort und gut verstaut. Aber nur bis zum nächsten Tag. Die Rotzlöffel schafften es nicht, Mark und Chris länger zu verdrängen.
Die Jungen wurden am Morgen, nachdem ich sie getötet hatte, gefunden. Mir wurde angst und bange, als mir klar wurde, dass die Polizei mich fassen könnte. Hatte ich Spuren hinterlassen, die sie geradewegs zu mir führten? Lilly beruhigte mich und glaubte nicht daran. Ich hielt es trotzdem für möglich.
Aber jetzt, da heute der Tag ist, an dem ich meine Rache ausüben kann, ist es mir egal, ob die Polizei mir auf die Schliche kommt. Ich brauche nur noch diesen einen Kick, dann kann ich mit Würde abtreten. Soweit der Plan. Wie die Ausführung aussieht, werden wir in ein paar Stunden sehen...
Ich bin bereit und stehe vor der Haustür des Einfamilienhauses von Chris Hammler. Gestern bei Facebook schrieb er, dass seine Eltern nicht zu Hause seien und sie den ganzen Tag sturmfrei hätten. Armes Würstchen. Wohnt noch bei Mami und lässt sich den Arsch abwischen.
Ich umfasse den Elektroschocker in meiner Jackentasche. Der richtige Moment ist jetzt das Wichtigste. Ich darf es nicht vermasseln. Lilly steht hinter mir.
„Bereit?“, frage ich.
„Ja“, antwortet sie.
Ich betätige die Klingel. Lausche jedem verräterischen Geräusch. Die Umgebung ist zu laut, ich kann nicht hören, ob jemand hinter der Tür ist. Mein Herz rast, die Finger spielen mit der Überraschung in meiner Tasche. Wer aufmachen wird? Chris? Oder Mark? Eines darf nicht passieren, sie dürfen nicht zusammen an die Tür kommen. Plötzlich wird sie aufgerissen.
„Schön das es geklappt hat“, sagt Chris. Dann begreift er, wer da vor ihm steht. „Du? Was machst du hier? Verschwinde!“ Bevor er die Tür zuschmettern kann, mache ich einen Satz vorwärts und halte ihm den Schocker an den Bauch. Zuckend fällt er rücklings ins Haus. Das klappt wie am Schnürchen!
Ich ziehe ihn weiter hinein und schließe die Tür. Lilly ist nur im Weg und sieht nicht ein, sich die Finger schmutzig zu machen.
„Danke für deine Hilfe. Sehr freundlich.“
„Du brauchst nicht sarkastisch zu werden. Es ist deine Sache. Sie gehören dir, ich greife nur ein, wenn es nicht anders geht.“
Ich werfe ihr einen giftigen Blick zu und wundere mich, wieso ich mir gerade sie als Unterstützung ausgesucht habe. Auch zu Hause macht sie keinen Handschlag, der ganze Haushalt bleibt an mir hängen und Madame sitzt fast nur am Computer. Aber sie hilft mir auf eine andere Art. Lilly spricht mit mir und ist für mich da, wenn meine Vergangenheit mich einholt und versucht, mich zu erdrücken.
„Was ist denn hier los?“, ertönt es hinter mir. Mark!
Ich drehe mich zu ihm um. Seine Augenbrauen ziehen sich hoch und er erkennt mich.
„Du verrücktes Biest! Was willst du? Was hast du mit Chris gemacht?“
„Der macht ein Nickerchen“, sagt Lilly und wir lachen gemeinsam.
Sein Blick huscht zwischen uns hin und her. Dann schaut er sich suchend um und will nach einem Regenschirm greifen.
„Denk nicht mal daran!“, schreie ich und springe auf ihn zu. Der Elektroschocker verfehlt seine Wirkung nicht. Mark fällt zu Boden und zuckt auf dem Rücken liegend mit Chris um die Wette.
„Das wäre erledigt, auf zu Phase zwei ...“ Ich klatsche in die Hände, und ziehe Chris vom Flur aus ins Wohnzimmer.
Während ich sie ausziehe, auf Stühle setze und festbinde, kommen sie immer wieder zu Bewusstsein und müssen einen harten Schlag auf den Kopf ertragen. Ich brauche Zeit, um alles vorzubereiten und da nutzt es herzlich wenig, wenn die Herren meinen, zu zappeln wie Fische am Haken...
Eine halbe Stunde später sind sie vorbereitet. So habe ich es mir in meinen Träumen ausgemalt, sie so vor mir sitzen zu sehen. Nackt, gedemütigt und am wichtigsten: unter meiner Kontrolle.
Lilly sieht nur zu. Hier und da gibt sie mir einen Tipp, aber dabei bleibt es.
Jetzt sagt sie: „Ich bin stolz auf dich, Gina!“
„Davon kann ich mir nichts kaufen. Eine helfende Hand hätte mir mehr genutzt“, spotte ich.
„Ich habe dir gesagt, das ist dein Ding. Meine Baustelle wartet noch auf mich und die werde ich auch alleine bearbeiten.“
„Wenn du meinst ...“ Ich zucke mit den Achseln und räume die Reste der Angelschnur und die Haken zur Seite. Ich brauche Platz, für das, was bald kommt. Aber zuerst muss ich mich in dieselbe Wut reinsteigern, die ich bei den Rotzlöffeln verspürt habe. Ich setze mich auf die Couch und schaue Mark und Chris an. Wie sie da auf ihren Stühlen nebeneinandersitzen. Herrlich!
Ich schließe die Augen und versetze mich zurück an den Tag, der mein Leben veränderte. Ich weiß noch, wie sehr ich mich auf die Feier freute. Meine beste Freundin hatte mich zu ihrem Geburtstag eingeladen. Sie versprach, dass es ein Riesenfest werden würde und unter der Menge an Gästen für mich vielleicht der Mann fürs Leben sein würde. Sie feierte in einer großen Scheune, die der Bauer zu einem Partysaal umfunktioniert hatte. Die Atmosphäre der Lokalität sei wunderschön, berichtete sie. Ich kannte den alten Geflügelhof bis dahin nur vom Hörensagen. Entsprechend aufgeregt war ich, als ich mit dem Bus von Rheinhausen nach Rumeln-Kaldenhausen fuhr. Manche mögen Duisburg als stinkende, triste Industriestadt bezeichnen, mir gefällt es.
Von der Busstation aus musste ich fünf Minuten laufen, bis ich den Bauernhof erreichte. Laute Musik dröhnte auf die Straße, Menschen standen vor der Scheune und unterhielten sich, während sie eine nach der anderen rauchten.
Als ich auf die Leute zuging, beäugten sie mich von oben bis unten, wandten sich wieder einander zu und beachteten mich nicht weiter. Das war ich gewohnt. Niemand achtete auf mich unscheinbare Maus. Meine beste Freundin hingegen war der Inbegriff von Schönheit. Mein Vater schimpfte über sie, bevor er vor Jahren starb. Er war der Auffassung, Andrea gebe sich nur mit mir ab, um neben mir noch hübscher auszusehen. Seine Bemerkung verletzte mich, hieß es doch, dass er mich hässlich und missraten fand.
Jedenfalls ging ich in die Scheune und erblickte Andrea auf Anhieb, sie war auch kaum zu übersehen in ihrem knappen Outfit. Sie überstrahlte jeden, der sich in ihrer Nähe befand. Mich störte das nicht, ich mochte sie, wie sie war und sie empfand genauso. Sie ignorierte die Hänseleien anderer Leute, warum sie sich mit mir abgab.
Sie entdeckte mich und kam auf mich zugerannt. „Schön, dass du kommen konntest, Gina! Ich freu mich.“ Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und zog mich mit sich. „Warte hier auf mich.“
Sie stellte mich zu einer Reihe Gäste, die ich nicht kannte. Eine peinliche Stille entstand. Ich hasste solche Situationen, nichts war unangenehmer als eisiges Schweigen, wenn man zu einer Gruppe hinzustieß. Andrea kehrte Gott sei Dank schnell zurück und gab mir ein Glas Cola.
„Ohne Eis und Zitrone, wie du es magst.“ Sie zwinkerte mir zu.
Der Rest der Feier ist kaum erwähnenswert. Es wurde getanzt, gelacht und getrunken, alle fühlten sich wohl und hatten ihren Spaß. Bei mir hielt es sich zwar in Grenzen, aber Andrea zuliebe machte ich gute Miene zum bösen Spiel.
Das eigentlich Wichtige geschah erst, als alles vorbei war. Andrea und ich waren die letzten, die sich noch in der Scheune aufhielten, die anderen Gäste waren betrunken nach Hause getaumelt oder ließen sich von einem Taxi kutschieren. Andrea schloss das Tor ab – Übergabe mit dem Besitzer war am nächsten Tag – und wir gingen gemeinsam zu ihrem Auto. Sie wollte mich heimfahren, damit ich mich nicht spätabends auf den Straßen rumtreiben musste. Sehr umsichtig von ihr, leider völlig nutzlos.
Wir liefen zu ihrem Wagen, als uns zwei Männer entgegenkamen. Andrea begrüßte sie, sie schien sie zu kennen und nannte sie beim Namen. Die beiden fragten, wo wir hin wollten und bettelten darum, dass wir sie mitnahmen. Was soll ich sagen? Als Andrea zustimmte, besiegelte sie unser Schicksal, das ahnten wir zu dem Zeitpunkt natürlich nicht. Die Fahrt war ausgelassen, die Männer saßen im Fond, Andrea drehte das Radio auf und wich der einen oder anderen weißen Maus aus. Für meinen Geschmack hatte sie zu viel getrunken, um noch fahrtüchtig zu sein, aber sie ließ sich nicht überreden, das Auto stehen zu lassen.
Ich hoffte, dass uns keine Streifenpolizisten ertappten, Andreas Führerschein wäre Geschichte gewesen. Nur Sekunden später wünschte ich mir, ein blau-silbernes Auto mit der Aufschrift „Polizei“ zu sehen. Die Stimmung im Wagen schlug urplötzlich um. Die Männer wurden ausfallend, vulgär und aufdringlich.
„Wenn ihr nicht sofort aufhört, halte ich an“, hatte Andrea gedroht.
Sie lachten bloß. Andrea drosselte die Geschwindigkeit und setzte an, den Wagen in eine Parkbucht zu manövrieren. Dann ging alles sehr schnell. Erst zogen sie meiner Freundin eins über den Schädel, danach mir. Was passierte, bevor ich wieder aufwachte, weiß ich nicht.
Ich öffnete die Augen. Mein Kopf lag zur Seite gedreht und Nadeln stachen mir in die Wange. Unzählige Baumstämme versperrten mir das Sichtfeld, war das der Wald am Toeppersee in Rheinhausen?
Etwas rüttelte mich durch, und da unten, an meiner intimen Stelle ... es brannte und drückte. Ich drehte den Kopf und sah die schemenhaften Umrisse eines Gesichts. Es war einer der Männer. Er bewegte sich auf und ab, stöhnte und keuchte. Sein Atem stank nach Bier und Zigaretten. Widerlich! Ich versuchte, mich aufzurichten. Sofort stieß er mich zurück auf den Boden.
„Hey! Chris! Die Fotze ist aufgewacht.“
„Hast du es gut, Mark“, kam es von links. „Die hier hat den Geist aufgegeben. Lass mich mal.“
Ich sah einen Schatten auf uns zukommen. Der andere Mann! Er stieß seinen Kumpel zur Seite und der Druck in meinem Intimbereich verschwand.
„Mach die nicht auch noch kaputt, Chris!“, warnte der Schatten, der sich Mark nannte.
„Keine Angst, ich bin ganz vorsichtig ...“
Der Druck kam wieder. Chris legte sich auf mich und bewegte sich ruckartig vor und zurück. Mein vernebelter Verstand schien klarer zu werden. Ich begriff, was im Gange war. Sie vergewaltigen mich! Himmel! Was war mit Andrea? Was hatte er gesagt ... Sie ist kaputt? Was meinte er damit?
Ich begann, mich zu winden wie ein Wurm am Haken.
„Hässlich wie die Nacht, aber ein absoluter Wildfang“, sagte Chris und lachte. „Mit dir werden wir noch viel Spaß haben!“
Und er hatte recht. Wie lange genau sie mich vergewaltigten, kann ich nur erahnen. Mir kam es vor wie Stunden. Als beide das Beste aus ihren Schwänzen herausgeholt und völlig am Ende waren, stellten sie sich über mich und urinierten mir ins Gesicht. Konnte es eine schlimmere Demütigung geben? Nackt, von zwei Männern missbraucht und misshandelt und zur Krönung „pissten sie der Schlampe in die Fresse“, wie sie es so schön ausdrückten.
Ich rollte mich zusammen und weinte. „Verschwindet ... verschwindet ... verschwindet ...“, flüsterte ich.
„Was willst du? Sprich lauter!“ Einer von ihnen trat mich.
„Verschwindet!“, schrie ich mit letzter Kraft. Ob mich jemand hörte? Vielleicht unternahm jemand einen Nachtspaziergang mit seinem Hund? Hoffentlich mit seinem tollwütigen Rottweiler, der ihnen die Schwänze abbeißen konnte ...
„Wir können nicht gehen“, sagte Mark, ich glaubte zumindest, dass er es war. Er beugte sich über mich. „Wir wollen doch nicht, dass du uns verpfeifst. Deine Freundin haben wir schon zum Schweigen gebracht. Dir geht es gleich genauso.“ Er rollte mich zurück auf den Rücken. „Halt still, du Schlampe, dann geht´s schneller.“
Ich versuchte, mich zu wehren. Keine Chance, er war zu stark und ich zu geschwächt vom Martyrium der letzten Stunden.
„Halt sie fest, Mann!“, motzte Chris. „Okay, so ist gut. Auf drei! Eins - zwei - drei.“
Es wurde schlagartig dunkel.
Als ich die Augen öffnete, brannten sie wie Feuer. Vor Schock atmete ich tief ein. Was zum Teufel ...? Ich verschluckte mich und glaubte, in der Luft zu schweben. Sie hatten mich in den See geworfen! Mir wurde schwindlig. Ich wusste nicht, wo oben oder unten war. Du hast nur eine Chance! Ich entschied mich für eine Richtung und schwamm los. Bitte lass es richtig sein! Bitte! Bitte! Kurze Zeit später stieß ich durch die Wasseroberfläche. Ich wollte atmen, die saubere Luft in meine Lungen pressen und das Leben begrüßen. Ich schaffte es nicht. Stoßweise hustete ich Wasser aus, mit jedem Milliliter, der aus mir spritzte, gelangte Luft in mich hinein. Mit schwachen Bewegungen erreichte ich das Ufer, legte mich flach auf den Rücken und sog scheinbar alle Luft der Welt ein. Ich hatte es geschafft! Aber ... sollte ich mich darüber freuen? Wer hatte mich wohl in den See geworfen, damit ich ertrank? Komm schon, Gina, so schwer ist es nicht. Vielleicht die beiden, die dich stundenlang vergewaltigt hatten? War das eine gute Voraussetzung für dein Leben? Eher nicht ... Ich war kurz davor, zurück in den See zu kriechen, und das zu Ende zu bringen, was die Bastarde nicht vollbracht hatten. Dann aber zeigte mir der Mondschein, dass es doch noch einen Grund gab, mein elendes Dasein fortzusetzen. Andrea trieb mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser.
Ich schrie nach ihr: „Andrea! Ich komme! Halt durch!“
Ich sprang ins kalte Nass, schwamm so schnell ich konnte zu ihr und brachte sie ans Land. Ihr Körper war steif und sie bewegte sich nicht.
„Andrea!“ Ich schüttelte sie. „Nein! Nein! Das darf nicht wahr sein!“
Ich gab es auf. Sie war tot. Auf ihrer Stirn klaffte eine Platzwunde. Hatten sie ihr den Schädel eingeschlagen und dasselbe bei mir versucht? Ich tastete vorsichtig meinen Kopf ab. Als ich meine linke Schläfe berührte, zuckte ich zusammen. Ich hielt mir die Hand vor Augen. Blut! Ich stieß ein verzweifeltes Lachen aus.
„Habt es nicht geschafft, ihr Schwanzlutscher! Ich lebe noch!“ Ich lachte weiter und legte mich neben Andrea. „Was für Weicheier, oder?“ Ich sah zu ihr. Ihr blasser Leib schien im Mondlicht zu leuchten. Ich verstummte und bemerkte erst jetzt, dass ich am ganzen Körper zitterte. War es der Schock oder die Kälte? Wie viel Grad es wohl waren? Zwei? Drei? Wie lange würde ich überleben, durchnässt und aus dem Kopf blutend? Sollte ich liegen bleiben und neben meiner Freundin sterben? Nein! Die Kerle mussten ihre gerechte Strafe bekommen.
Ich rappelte mich auf und sah mich um. Ich erkannte die Stelle, an der ich an Land gegangen war. Hier hatte ich mich als Teenager oft versteckt, um den Hänseleien anderer aus dem Weg zu gehen.
Ich sah noch einmal auf den toten Leib zu meinen Füßen und stolperte los. Schritt für Schritt und unter großer Anstrengung schleppte ich mich über einen Pfad durch den Wald. Nicht mehr weit ... halt durch, es ist nicht mehr weit! Die Bäume wurden weniger und ich erreichte die Hauptstraße. Wie spät mochte es sein? Fuhren um die Uhrzeit überhaupt noch Autos? Ich setzte mich auf den Bürgersteig und atmete durch. Ich schlotterte und die nasse Kleidung klebte an meinem Körper. Ich sah an mir herab und sah, dass ich vom Nabel abwärts nackt war. Es war mir scheißegal. Was nutzte mir eine Hose, wenn ich am Straßenrand erfror? Ich raffte mich auf und taumelte weiter.
„Links, rechts, links, rechts“, befahl ich meinen Füßen. „Immer einen nach dem anderen.“
Ich bog in eine Nebenstraße ein und drückte bei dem erstbesten Einfamilienhaus auf die Klingel. Einmal lang, einmal kurz ... ich klingelte Sturm, bis endlich die Lichter im Haus angingen. Ich vernahm wutentbrannte Stimmen hinter der Tür.
„Verdammt noch mal!“, rief ein Mann. „Was soll das? Wer ist da? Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?“
„Hilfe“, flüsterte ich.
„Sprechen Sie lauter“, forderte eine Frau.
„Ich brauche Hilfe!“, sagte ich.
Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit und ich sah in das Gesicht eines ergrauten Mannes.
„Um Gottes willen! Was ist denn mit Ihnen passiert? Jesus!“ Er schlug sich die Hände vor den Mund. Die Frau, die hinter ihm stand, starrte mich ungläubig an.
„Meine Freundin ... tot ... sie haben ... vergewaltigt“, stotterte ich.
„Du meine Güte!“ Sie drängte ihren Mann: „Nun hol sie schon rein, Georg! Ich ruf die Polizei.“
Georg kam zu mir, legte mir behutsam den Arm um die Schultern und führte mich ins Wohnzimmer.
Seine Frau sprach aufgeregt ins Telefon. „Kommen sie schnell! Ja, sie ist bei uns im Haus. Wie? Ja, sie ist verletzt. Mhm, ja, machen wir.“
Georg bettete mich auf die Couch und deckte mich mit einer Wolldecke zu. „Ich versaue Ihr Sofa“, wollte ich sagen, es gelang mir nicht. Meine Lider wurden schwer und ich schlief ein.
Meine nächste Erinnerung fängt erst im Krankenhaus an. Sie hatten mir die Platzwunde genäht, die Kratzer und Prellungen versorgt. Man behütete mich wie ein rohes Ei. Ich fühlte mich gut aufgehoben, aber nur, bis die Polizisten kamen. Sie vernahmen mich, hörten sich meine Version des Geschehenen an und notierten alles. Ihr größtes Interesse galt den Namen meiner Peiniger. Sie waren enttäuscht, als ich ihnen nur die Vornamen nennen konnte.
„Können Sie sie identifizieren? Konnten Sie ihre Gesichter sehen?“, fragte einer von ihnen.
Ich nickte vorsichtig. Mein Kopf brummte. „Ich würde sie unter tausend Männern wiedererkennen.“
„Gut“, sagte der Polizist. „Ich bin ehrlich zu Ihnen. Ihre Vergewaltiger ...“, bei dem Wort zuckte ich zusammen, er bemerkte es und räusperte sich. „Verzeihung. Die Männer haben keine Spuren hinterlassen. Weder am Tatort noch an Ihnen oder Ihrer Freundin haben wir Anzeichen gefunden. Das Wasser hat alles abgewaschen. Wir gehen davon aus, dass sie zudem ein Kondom benutzt haben. Können Sie uns das bestätigen?“ Er sah mich an.
„Nein, leider nicht.“ Gedemütigt spielte ich an meinen Händen.
Der Polizist stand auf und berührte meine Schulter. „Sie müssen sich für das, was geschehen ist, nicht schämen. Es ist nicht ihre Schuld. Sie werden es überstehen.“
„Danke“, sagte ich und dachte im selben Moment: „Du kannst dir dein Mitleid in den Arsch schieben! Meine Freundin ist tot und mein Leben ist verwirkt. Was weißt du denn schon?“
Er schien es zu spüren und trat von mir weg. „Wir melden uns bei Ihnen, sobald wir Verdächtige haben oder weitere Infos von Ihnen brauchen.“ Er streckte mir eine Hand entgegen. „Ich wünsche Ihnen gute Besserung und suchen Sie sich Hilfe, wenn Sie hier raus sind.“
Ich tat ihm den Gefallen und schüttelte ihm die Hand. „Werde ich machen, auf Wiedersehen.“
Sie verließen das Zimmer. Sein Kollege hielt es nicht für nötig, sich bei mir zu verabschieden, es war mir egal.
Die Polizei meldete sich zwei Wochen später. Ich war mittlerweile wieder zu Hause, verkroch mich vor der Gesellschaft und leckte meine Wunden. Niemand interessierte es, was mit mir geschehen war. Wen auch? Meine Eltern lagen schon unter der Erde, sonstige Verwandte mied ich seit meiner Kindheit und meine Freundin lag entweder noch in der Autopsie oder wurde bereits ohne mein Wissen beerdigt.
„Sie haben sie?“, schrie ich die Beamten an, die vorbeigekommen waren.
„Wir glauben, dass sie es sind. Sie müssen sie identifizieren.“
„Jetzt?“, fragte ich.
„Wenn es Ihnen passt, würden wir Sie mit...“
Ich unterbrach den Polizisten. „Natürlich passt es mir!“
Ich fuhr mit ihnen zum Revier. Bei der Gegenüberstellung brach ich beinahe zusammen. Sie waren es! Zweifelsfrei!
Es nutzte nichts. Die Anklage stand von Anfang an auf wackeligen Beinen. Es gab keine stichhaltigen Beweise, dass Mark und Chris versucht hatten, mich zu töten und bei Andrea erfolgreich gewesen waren. Auch für die Vergewaltigung gab es keine Hinweise. Das Einzige, was den Ermittlern weitergeholfen hätte, wäre Andreas Auto gewesen, doch das war unauffindbar. Zumindest hätten sie dann belegen können, das sie im Wagen gesessen hatten. So aber leugneten die Schweine alles. Nein, sie kennen mich nicht. Ja, sie kennen Andrea flüchtig. Nein, sie haben uns an dem Abend nicht getroffen. Ja, sie haben ein Alibi. So ging es die ganze Verhandlung. Mark und Chris erreichten, dass das Gericht ihnen mehr Glauben schenkte als mir und sie aus Mangel an Beweisen freisprach. Ich war erst sprachlos, als der Richter das Urteil verkündete. Dann sprang ich auf und schrie: „Und wer, meinen sie, hat mir das angetan?“ Ich zeigte auf meinen Körper. „Es waren die Bastarde! Es gibt keinen Zweifel!“
Mein Anwalt zog mich aus dem Gerichtssaal. „Wir können nicht nachweisen, dass sie es waren“, sagte er und sah mir in die Augen. „Verstehen Sie das?“
Nach diesem Satz war für mich klar: Ich werde sie finden und die Gerechtigkeit selbst in die Hand nehmen. Wenn mir das Gesetz nicht half, musste ich es eben alleine machen.
„Ja, ich verstehe“, log ich meinen Anwalt an. „Was passiert jetzt?“
„Sie werden eine Therapie machen und versuchen, so gut es geht, ihr altes Leben wieder aufzunehmen.“
Ich nickte und dafür war die Sache für ihn gegessen. Er überließ mich meinem Schicksal und ging wahrscheinlich die Frustration über den verlorenen Fall im Alkohol ertränken. Mir sollte es recht sein. Ich hatte Wichtigeres zu tun.
Und das ist jetzt. Ich öffne die Augen und starre auf Chris und Mark.
Sie starren mit hassverzerrten Gesichtern zurück.
„Ihr seid ja wach. Schön, schön.“ Ich gehe zum Wohnzimmertisch.
„Du bist geistesgestört!“ Ich drehe mich um. Mark brüllt weiter: „Was hast du vor? Mach uns los!“ Speichel fliegt aus seinem Mund.
„Euch losmachen? Kommt nicht infrage ...“ Gedankenverloren sehe ich mir die Sachen auf dem Tisch an. Ich spüre, wie ich innerlich koche und die Wut kurz vor dem Ausbruch steht. „Ich habe ein paar Überraschungen für euch, die wollt ihr doch nicht verpassen?“ Ich nehme mir ein Skalpell und gehe zu ihnen. Sie versuchen, sich aus ihren Fesseln zu befreien. Es wird ihnen nicht gelingen. Ich habe viel Zeit damit verbracht, die beste Möglichkeit zu finden, jemanden bewegungsunfähig zu machen.
Chris spuckt mich an und wirft mir wüste Schimpfwörter entgegen. Ich ignoriere ihn. Sie haben mir schon Schlimmeres angetan, da kann mich ein schimpfender Mistkerl nicht mehr aus dem Konzept bringen. Ich stelle mich vor Chris, nehme seine rechte Brustwarze zwischen zwei Finger und setze das Skalpell an.
„Das wagst du nicht ...“, beginnt er, verstummt aber, als ich mit einem sauberen Schnitt seine Warze abtrenne. Blut läuft über seine Rippen. Er schreit vor Schmerz und Mark brüllt mich an: „Lass ihn in Ruhe!“
Ich gehe zu ihm und halte ihm das Skalpell an den Hals. „Iss!“, sage ich und halte ihm Chris´ Brustwarze vor den Mund. Er schüttelt den Kopf. „Iss!“, wiederhole ich und ritze ihn. „Das nächste Mal rutscht mir vielleicht die Hand aus und ich schneide deine Hauptschlagader durch. Würde dir das gefallen?“ Er schüttelt erneut den Kopf. „Dann iss!“
Er öffnet den Mund und ich lege ihm das Stück seines Freundes auf die Zunge. Dicke Tränen kullern über seine Wangen. Wie rührend.
„Und jetzt schön kauen.“
Mark gehorcht, angewidert verspeist er die Brustwarze. Er beginnt zu würgen, schafft es aber mit sichtlicher Anstrengung, seinen Mageninhalt bei sich zu behalten. Ich nehme das Skalpell von seinem Hals. Aus dem kleinen Schnitt tröpfelt ein wenig Blut. Er wird es überleben ... vorerst.
„Hat es geschmeckt?“, frage ich.
„Mach mich los, dann zeig ich´s dir!“ Seine Muskeln spannen sich an, als er wiederholt erfolglos versucht, sich aus den Fesseln zu befreien. „Was willst du von uns?“
Ich schlage ihm ins Gesicht. „Was ich von euch will? Rache! Ihr bekommt eure gerechte Strafe dafür, was ihr Andrea und mir angetan habt.“
Sie fangen an zu lachen. Ist das zu glauben? Sie lachen mich aus! Jetzt, wo ich doch eigentlich die Kontrolle haben sollte. Verzweifelt blicke ich zu Lilly, sie sitzt in einem Sessel und blättert eine Zeitung durch. Sie sieht mich an und nickt mir aufmunternd zu.
„Du schaffst das“, ermutigt sie mich. „Lass dich nicht unterkriegen! Konzentrier dich auf deine Aufgabe und bündel deine Wut.“
Sie schafft es, mir neuen Mut zu geben. Was wäre ich nur ohne sie? Ein Opfer, das sich ihrem Schicksal ergibt? Nicht mit mir!
Ich lege das Skalpell zur Seite und nehme mir zwei Angelhaken, an denen ich jeweils ein Stück Schnur befestigt habe. Darauf freue ich mich die ganze Zeit. Wen zuerst? Ich entscheide mich für Mark, Chris weint noch seiner Brustwarze hinterher.
Als sie die Haken sehen, fragen sie durcheinander: „Was willst du damit?“ „Was soll das?“
„Immer mit der Ruhe, ihr werdet es merken.“ Ich hocke mich vor Mark, nehme seinen Penis in die linke Hand und schiebe die Vorhaut zurück. Er beginnt zu schreien, dabei habe ich noch gar nicht angefangen ... Mit dem Angelhaken in meiner rechten Hand peile ich die Eichel seines widerlichen Schwanzes an und stoße ihn mit einem Ruck hinein. Jetzt hat er einen Grund zum Schreien und das macht er mit Hingabe. Ich gehe zu Chris.
„Hau ab, du Geisteskranke!“, flucht er.
Ich antworte ihm nicht. Sondern nehme seine Eichel ebenso an den Haken wie die von Mark. Mit einer Schnur in jeder Hand setze ich mich vor sie auf den Boden.
„Wollen wir mal sehen, wer von euch den Härteren hat.“ Ich kichere wie ein kleines Mädchen und beginne, leicht und gleichmäßig an den Bändern zu ziehen. Die Gesichter der beiden verzerren sich. Sie kneifen ihre Augen zusammen und beißen sich auf die Unterlippen. Ihre Schwänze ziehen sich lang und das Loch, in dem der Angelhaken sitzt, vergrößert sich. Sie schreien, stöhnen, fluchen und sabbern. Es beeindruckt mich, wie zäh so eine Eichel ist, bevor sie reißt. Kaum habe ich es zu Ende gedacht, reißt die von Mark. Der Haken landet vor meinen Füßen, Reste hängen keine daran. Ich höre auf an der anderen Schnur zu ziehen und sehe mir an, was ich angerichtet habe. Marks Vorhaut schafft es nicht, sich über die zerfetzte Eichel zu stülpen. Blut tropft herunter und ich glaube fast, beobachten zu können, wie die Verletzung anschwillt. Ich kichere erneut. Kein Wunder bei einem Schwellkörper. Ich breche in schallendes Gelächter aus. Lilly steht auf und tritt mich.
„Was soll das?“, meckere ich.
„Du solltest zusehen, dass du fertig wirst, oder glaubst du etwa, ihre Schreie bleiben lange ungehört? Jemand wird es mitbekommen und die Polizei rufen, bis dahin musst du es erledigt haben.“
„Du hast recht!“, stimme ich ihr zu und bin betrübt, dass ich nicht mehr Zeit habe, sie zu quälen, ich hätte noch so viele Ideen...
Ich lasse den Angelhaken in Chris Eichel hängen und gehe zum Wohnzimmertisch. Das letzte Utensil des heutigen Tages: Das Beil. Erfahrung habe ich mit diesem Werkzeug nicht, was kann schon schwer daran sein? Lilly wollte, dass ich eine Axt nehme, aber die war mir zu unhandlich. Mit dem Beil brauche ich vielleicht ein paar Schläge mehr, aber das Endergebnis ist das gleiche.
„Wer will zuerst?“, frage ich.
„Stopp! Stopp!“, ruft Chris. „Bitte hör auf damit. Es tut uns leid, was passiert ist. Wir wollten nicht, dass es so weit kommt, wir waren zugedröhnt mit Bier und Hasch ...“
Ich unterbreche ihn. „Und das soll rechtfertigen, was ihr getan habt?“
Chris schüttelt den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Wir können doch darüber reden, nicht wahr? Wir ... wir machen alles, was du willst!“
Dieses arme Würstchen, er versucht seinen Arsch zu retten. Zwecklos, ich lasse mich nicht beirren.
Ich tippe mit dem Zeigefinger auf meine Lippe. „Weiß du, was du machen kannst?“
Chris Augen weiten sich hoffnungsvoll. „Was?“
„Neig den Kopf nach links.“ Er macht es, dieser Dummkopf!
Ich hol mit dem Beil aus und schlage das erste Mal zu. Blut spritzt an meine Hände. Der zweite Hieb lässt es in dicken Tropfen auf mein Gesicht platschen. Bis zum Knochen komme ich gut voran. Seine Schreie ebben endlich ab, das ist ja kaum auszuhalten. Bis sein Haupt von den Schultern kullert, bedarf es noch einiger Schläge, wann genau Chris von uns gegangen ist, kann ich nicht sagen. Der Blutrausch lässt mich alles um mich herum vergessen. Ich nehme seinen Schädel und lege ihn in Marks Schoß. Er ist nicht bei Bewusstsein. Ist er nach dem schmerzvollen Verlust einer intakten Eichel in Ohnmacht gefallen? Ich hebe seinen Kopf an und gebe ihm eine Ohrfeige.
„Wie? Was?“ Seine Augen drehen sich in den Höhlen.
„Du liebe Güte! Du sollst doch nicht jetzt schon schlappmachen“, sage ich und zeige auf seinen Schoß.
Bis er begreift, was da auf seinen Beinen liegt, vergehen ein paar Sekunden.
„Mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott ...“, jammert er.
Ich hocke mich vor ihn. „Was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe, als ich Andreas geschändete Leiche aus dem See gefischt habe? Na? Was meinst du?“
Er weint wie ein Baby. „Es tut mir leid!“
Ich stehe auf, trete ihm gegen das Schienbein und brülle: „Das nehme ich dir nicht ab, du Bastard! Ihr habt es genossen, nicht wahr? Ihr fandet euch ganz toll, als ihr uns vergewaltigt habt, oder etwa nicht?“
Ich umfasse das Beil mit beiden Händen und setze zum Schlag an, als es an der Tür hämmert.
„Aufmachen! Polizei!“, ertönt es von draußen.
„Ich habe es dir gesagt, Gina. Du musst dich beeilen“, spottet Lilly.
„Halt‘s Maul“, ranze ich sie an. Werfe das Beil zu Boden und hole mir ein Skalpell. Sie hämmern fester gegen die Tür. Keine Zeit! Ich hab keine Zeit mehr! Ich renne zurück zu Mark und schneide ihm ohne Vorwarnung die Kehle durch. Das Blut fließt in Strömen über seine Brust, er beginnt zu röcheln und zu japsen wie ein Fisch an Land. Schade, dass die Eichel vorhin gerissen ist, sonst hätte ich jetzt wahrlich einen kleinen Fisch am Haken. Ich wende mich von ihm ab und lasse ihn allein und unbeachtet sterben. Ich stelle mich vor einen Spiegel und setze mir das Skalpell an den Hals.
„Einen Moment“, ruft Lilly.
Ich halte inne. Die Polizisten vor der Tür machen mächtig Druck, sie versuchen die Tür aufzubrechen und brüllen.
„Was ist?“, frage ich.
Sie stellt sich neben mich und streicht mir über das Haar. „Schön, dich kennengelernt zu haben. Es ist Zeit für uns, zu gehen.“
Ich schaue sie durch den Spiegel hindurch an. „Dann verschwinde doch und erledige die Typen, die dich vergewaltigt haben. So war unser Plan, oder nicht? Ich bringe mich um und du haust ab.“
„Du verstehst es nicht, oder?“
„Was meinst du?“
„Gina, Liebes, mich gibt es doch gar nicht.“ Sie lächelt.
Was schwatzt sie da? Natürlich gibt es sie, sie steht doch direkt neben mir.
„Denk mal stark nach“, sagt sie. „Geh durch, was wir erlebt haben.“
Sie verwirrt mich und ich versuche, mich an Situationen zu erinnern, die wir zusammen erlebt haben. Die Treffen der Selbsthilfegruppe ... da hatte ich sie zum ersten Mal gesehen. Ich berichtete dort von meinem Erlebnis und hörte mir die Geschichten der anderen Frauen an. Lilly sagte damals nichts, erst nach dem Treffen sprach sie mich an. Bei den Folgenden, mieden uns die anderen, weil ... weil sie dachten ich sei verrückt? Was sahen sie? Mich, wie ich mit mir selbst einen Plausch hielt, mir Witze erzählte und lachte? Mir lief ein Schauer über den Rücken.
Und sonst, wenn wir gemeinsam auf der Straße liefen? Schauten andere Passanten uns dann nicht verstohlen hinterher und beäugten uns kritisch, wenn wir miteinander redeten? Was sahen sie? Mich, wie ich mich im Monolog übte?
Und der Mann in dem Angelladen. Er hatte Lilly nicht beachtet und mich komisch angesehen, als ich ihr etwas zurief. Was hatte er gesehen? Eine verrückte, spindeldürre Frau, die Selbstgespräche führte?
Und was ist mit Mark und Chris? Ich sehe zu ihnen hin. Chris kopfloser Körper sitzt steif auf dem Stuhl. Marks Kopf ist nach hinten gesackt und der Blutstrom ist abgeklungen. Sie sind beide tot. Ich habe mein Ziel erreicht. Was sahen sie, bevor ich sie tötete? Sie hatten nicht gefragt, wer Lilly war. Sie konzentrierten sich nur auf das, was ich machte und schauten nicht zu ihr. Und vorhin, an der Tür? Da hatte Mark doch zu ihr gesehen, als er bemerkte, was im Hausflur vor sich ging, oder etwa nicht? Nein, er hatte mich angegafft und die Tür, er hatte eine Fluchtmöglichkeit gesucht und nicht Lilly angesehen. Ich schlucke schwer.
„Du existierst nicht?“, frage ich. Mein Mund fühlt sich schrecklich trocken an.
„Nein“, sagt sie.
„Aber ... aber ...“
„Kein Aber“, liebevoll streicht sie mir über das Haar. Ich spüre es nicht. Sie ist nicht real. Glückwunsch, Gina, das attestiert dich als durchgeknallte Psychobraut.
Ich schaue in den Spiegel. Lilly sieht seltsam aus. Ihr linkes Auge hängt tiefer als normal.
„Du brauchst mich jetzt nicht mehr, leb wohl.“
„Lilly! Nein! Ich brauche dich!“, schreie ich.
Von draußen hämmert die Polizei immer noch gegen die Tür. Die Schläge sind jetzt fester und nur noch vereinzelt. Ein Rammbock?
Sie zerfällt. Ihr Auge rutscht zu ihrem Mund, die Haut löst sich vom Fleisch. Platschend fällt ein Stück nach dem anderen von ihr auf den Boden. Ihre Knochen zerfallen zu Staub und plötzlich ist sie einfach weg, als wäre sie nie da gewesen.
Verrückt oder nicht, gespaltene Persönlichkeit oder nicht, ich muss handeln, bevor sie mich fassen! Ich stecke eine Hand in die Hosentasche und suche den Zettel, den ich zu Hause geschrieben habe, er ist noch da. Ich lese, was darauf steht: „Ich habe die beiden Rotzlöffel im Park umgebracht.“
Wenn ich von der Welt abtrete, möchte ich alle Schuld beglichen haben. Ich stecke den Zettel zurück und setze mir wieder das Skalpell an die Kehle. Einen kurzen Moment herrscht Totenstille. Chris und Mark sind verstummt, Lilly kann nicht mehr sprechen und die Polizei scheint einen anderen Weg zu suchen. Ich atme tief ein, schließe die Augen und ziehe das Skalpell über meinen Hals. Ich habe es mir schlimmer vorgestellt. Der Schmerz ist zu ertragen. Ich setze mich auf den Boden und spüre, wie das Blut meine Kleidung durchnässt. Gleich hast du es geschafft, Gina. All die Pein wird verschwinden. Eine Tür wird aufgestoßen. Schritte eilen über den Boden. Männer und Frauen schreien durcheinander. Jemand packt mich an der Schulter und schüttelt mich. Mir ist es egal. Ich habe, was ich wollte. Sie haben ihre gerechte Strafe erhalten und ich werde sie in der Hölle wiedersehen. Sie hätten sich nicht mit mir anlegen dürfen. Auch Frauen können weit über sich hinauswachsen, solange jemand die richtigen Knöpfe drückt. Mir ist schwindelig, mein Herz rast und mein Denken verlangsamt sich. Ich genieße meinen letzten Atemzug und begebe mich mit Freuden in die Hände des Todes.