XXXVII

 
Der Hund war der Erste, der Valerius vor dem Fremden warnte, der sich am Rand des Wäldchens versteckte. Anschließend, und etwas weniger dezent, reagierte auch das Krähenpferd auf den Mann.
Valerius glitt aus dem Sattel und knotete die Zügel am Knauf fest, damit das Pferd nicht darauf trat.
»Reite weiter«, sagte er zu Longinus, der angehalten hatte. »Reite weiter, bis du durch das Wäldchen hindurch bist. Wenn du am Rand ankommst und ich noch immer nicht wieder zu dir gestoßen bin, dann halt an und tu so, als ob du irgendwas fallen gelassen hättest. Aber rede unbedingt weiter. Und wenn du kannst, dann imitier auch meine Stimme.«
Longinus, der mittlerweile wieder kräftig genug war, um reiten zu können, führte die Lastpferde an. Den Karren, der ihn damals vom Schlachtfeld befördert hatte, hatten sie weit hinter sich gelassen, versteckt in einem Dickicht - in der optimistischen Annahme, dass Valerius und er, Longinus, auch weiterhin mit dem Leben davonkämen und eines Tages wieder zurückkehrten, den Wagen wieder hervorholten und ihn dann einfach weiterbenutzen könnten.
Während er neben dem Krähenpferd herwanderte, schüttelte Valerius sein Kettenhemd ab und hakte es gemeinsam mit seinem Helm an der Satteltasche fest. Dort hing auch bereits sein Umhang, nur mit einer losen Schlaufe befestigt, damit er ihn bei Bedarf rasch herunterziehen könnte. Sie reisten in der Uniform von römischen Kundschaftern, angetan mit den dazugehörigen Kettenhemden, den Helmen und den himmelblauen Schulterumhängen. Die Verkleidung war genauso plausibel wie jede andere Tarnung; und allemal sicherer, als in der Tracht von Kriegern zu reisen. Denn angesichts der chaotischen Zustände, mit denen die Kämpfe im Westen derzeit ihren Fortgang nahmen, hätten sie leicht zwei Soldaten sein können, die man in Richtung Osten nach Camulodunum geschickt hatte, um dem befehlshabenden Gouverneur, wer auch immer dies im Augenblick gerade sein mochte, Anweisungen zu übermitteln. Sie durften sich also in Sicherheit wiegen, solange sie die Legionspatrouillen mieden, aber von denen hatten sie ohnehin noch keine gesehen; die Schneeschmelze lag noch nicht lange genug zurück, als dass die Soldaten bereits wieder ungehindert von ihren Winterquartieren aus Streifzüge hätten unternehmen können.
Das Wäldchen war ziemlich klein, betrug im Durchmesser weniger als drei Speerwurfweiten und bestand aus Buchen, Birken und kleinen, verkümmerten Eichen. Die Bäume waren feucht, noch immer benetzt von Regen und überzogen von frischen Spinnweben. Auch schienen sie nur langsam wieder auszutreiben. Und obwohl sich in ihrem Geäst einige Vögel angesiedelt hatten, fehlten doch die Nester und die Jungtiere, die man üblicherweise ebenfalls dort hätte erwarten dürfen. Valerius suchte unterdessen nach einem Wildpfad, und er fand auch einen, der zudem breit genug war, dass er auf allen vieren darauf entlangkriechen konnte. Der Hund lief voraus, und Valerius folgte ihm leise.
Der Krieger, der am Rande des Dickichts wartete, hatte die Pferde natürlich gehört; er konnte sie unmöglich nicht wahrgenommen haben. Außerdem stellte Longinus sich bei seiner Aufgabe, die Unterhaltung mit zwei Stimmen und in gleich vier Sprachen weiterzuführen, so geschickt an, dass ein jeder, der ihn nun belauschte, sowohl die lateinische Sprache, als auch Thrakisch, Gallisch und einige Brocken Eceni hätte beherrschen müssen, um ihr noch folgen zu können.
Longinus’ Zuhörer war jung, braunhaarig und besaß eine dunkel getönte Haut. Bewaffnet war er mit einem Jagdmesser, dessen Länge weit über alles hinausging, was jemandem, der nicht unmittelbar den Legionen unterstand, noch zu tragen erlaubt war. Aus seinem hoch oben auf dem Kopf zusammengebundenen Haarknoten hingen schlaff die drei Federn des Roten Milan herab, die ihn als einen im Dienst der Legionen arbeitenden Späher und Kundschafter auswiesen, und seine Gürtelschließe war geschmückt mit jenem Medaillon, das nur denen verliehen wurde, die sich in der Ausübung ihrer Pflichten selbst übertroffen hatten; golden funkelte der Adler im schwachen Licht der Morgensonne.
Der junge Krieger schlich von dem Stein, hinter dem er sich versteckt hatte, zu einer Stelle am Rand des Dickichts hinüber, von wo aus er die Männer, die den Pfad entlanggeritten kamen, beobachten konnte, selbst jedoch nicht gesehen wurde.
Laut klirrend fiel ein Kettenhemd zu Boden und ließ einen Schwarm Spatzen unter lautem Gekreische aus den Bäumen emporflattern.
»Verdammt, Valerius! Es ist in den Dornenstrauch gefallen. Hast du gesehen, wo es gelandet ist?«
Longinus nörgelte und lallte ein wenig, ganz so, als ob er sich noch nicht vom vorabendlichen Weingenuss erholt habe. Betont schwerfällig stieg er von seinem Pferd und machte sich auf die Suche nach dem heruntergefallenen Stück, stocherte mit dem Schwert im Unterholz herum und fluchte dabei sowohl auf Thrakisch als auch in Eceni.
Der Späher schüttelte den Kopf angesichts der schwächlichen Konstitution des betrunkenen Eindringlings, schnaubte verächtlich durch geblähte Nasenflügel und nahm eine etwas entspanntere Haltung an.
Valerius packte den dicken Haarschopf des Kriegers, riss dessen Kopf nach hinten, hieb ihm mit dem Knie zwischen die Schulterblätter, drückte ihn mit dem Gesicht nach unten zu Boden und setzte sich anschließend auf seine Schultern, damit der Kundschafter nicht etwa noch das Messer, welches er in der Hand hielt, gegen ihn, Valerius, einsetzen konnte.
Es war viel zu einfach. Die Kundschafter, die mittlerweile für die Legionen arbeiteten, waren einfach zu jung, waren erst nach Beendigung des Krieges geboren worden. Valerius langte nach vorn und fuhr dem Jungen einmal mit der Spitze seiner Klinge über die Kehle, nur gerade tief genug, um zwar aus der Haut ein wenig Blut hervortreten zu lassen, nicht aber aus den Hauptadern, durch die noch immer das Leben des jungen Mannes pulsierte.
»Atme ganz vorsichtig«, befahl Valerius ihm, »wenn du überhaupt noch atmen willst.«
Dunkle Augen mit weißen Rändern, ganz wie bei einem gehetzten Reh, warfen Valerius einen raschen Seitenblick zu. In lateinischer Sprache entgegnete der Junge: »Ich bin ein Späher der Zwanzigsten Legion, stationiert in Camulodunum. Ich bin auf der Suche nach Corvus, dem Präfekten der Zwanzigsten...«
Valerius schüttelte den Kopf. »Falsch geraten«, entgegnete er mit sanfter Stimme und verstärkte den Druck auf seine Klinge noch ein wenig.
»...Bodicea...«
Der Name erklang nurmehr mit einem leisen Zischen, hervorgespien im Angesicht des Todes. Das Fleisch unter Valerius’ Hand begann zu zittern, und es war schwer, nun nicht bereits aus bloßem Instinkt zu töten. Dann aber stand plötzlich Longinus neben ihm und legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. »Warte.«
Doch weder der Name der Bodicea noch die Hand seines Freundes vermochten Valerius davon abzuhalten, den Späher zu töten. Was ihn letztlich doch daran hinderte, war der Anblick der Brosche, die am Umhang des Jungen steckte: eine silberne Brosche in der Form des Schlangenspeers mit drei schwarzen Wollsträngen, die vom unteren Bogen des Schmuckstücks herabbaumelten.
Valerius biss sich auf die Lippe und verringerte ein wenig den Druck auf das Messer. »Diese Brosche«, sagte er. »Wo hast du die her?«
»Die Tochter der... Bodicea.« Die Luftröhre des Spähers war bereits zu einem Teil durchtrennt. An der Schnittstelle trat schäumend Blut aus. »In meinen Händen... liegt das Leben des... Kindes der Bodicea.«
»Wie das?«
Die dunklen Augen schlossen sich, öffneten sich dann aber erneut. »Mein Leben für ihres. Deinen Eid darauf«, erklang sein Flüstern unter einem blutroten Sprühnebel.
Valerius lachte. Er ließ das Messer ein Stück weiter hinaufgleiten, bis es schließlich dicht an der Unterlippe des Fährtenlesers lag. Verzweifelt versuchte dieser, sich zu wehren, doch vergeblich, denn Valerius presste unterdessen bereits mit seiner freien Hand gegen den Hinterkopf des Jungen und zwang ihn damit langsam immer weiter nach unten, bis die Spitze seines Messers auf den festen Widerstand des Kieferknochens stieß. Durch zusammengebissene Zähne stöhnte der Späher auf, ganz so, wie auch die Ministranten Mithras’ stöhnten, wenn sie ihr erstes Brandmal empfingen.
Blut strömte über Valerius’ Handrücken. »Du bist noch nicht allzu lange bei den Legionen, nicht wahr?«, fragte er. »Und übrigens, wer das Messer hält, der bekommt auch die Informationen. Ich denke also, du wirst uns auch antworten, ohne dass ich dir dafür als Gegenleistung einen Schwur leisten muss.«
»Niemals...« Die Pupillen des Jungen weiteten sich. Und seltsamerweise schien in seinen Augen ein Hauch von Belustigung zu liegen. »Wenn ich sterbe, stirbt auch sie. Aber ihr Tod... wird schlimmer sein.«
Allein wegen dieser Unverschämtheit hätte Valerius ihn jetzt am liebsten getötet, wäre nicht plötzlich der Hund erschienen und hätte dem Späher das Blut von der Lippe geleckt; der Junge zuckte zurück, deutlich energischer, als er vor dem Messer zurückgewichen war, und auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck blanken Entsetzens.
Leise murmelte Longinus: »Valerius, er kann deinen Hund sehen.«
»Das habe ich auch bemerkt.« Valerius zog seine Hand wieder zurück. Sein Messer schwebte jetzt auf einer Höhe mit den Augen des Jungen. Und genau wie das Messer des Spähers, so war auch dieses hier deutlich länger als erlaubt und besaß eine doppelt geschliffene Schneide, ganz ähnlich jenen Häutemessern, welche die Träumer benutzten, wenn sie aus jemandem die Wahrheit herauszukitzeln gedachten. Auch dies entging dem Jungen keineswegs, und es ängstigte ihn fast ebenso sehr wie der Hund.
»Ich merke es, wenn du mich anlügst«, sagte Valerius. »Glaubst du mir das?«
»Ja.«
Damit zerrten Valerius und Longinus den Jungen hoch und fesselten ihn an den Handgelenken und Füßen. Von seiner Kehle floss kein Blut mehr herab, seine Unterlippe jedoch war an jener Stelle, wo Valerius sie eingeritzt hatte und sich unter der Oberfläche das Blut gesammelt hatte, auf die Dicke eines Katapultsteins angeschwollen.
Dann kniete Valerius sich vor den Jungen und richtete das Messer auf ihn. »Und jetzt erzähl!«
 
Schnell wie Pfeile trieb eine aus Osten heraufziehende Brise die Reiherwolken über den Himmel.
Breaca konnte sie nicht sehen, sie konnte sie nur spüren, als ob diese, angefüllt von den mit dem Wind reisenden Erinnerungen, ihre Flügel nach ihr ausstreckten.
Aber es waren nur Erinnerungen; nichts Reales, nichts Sichtbares. Denn bereits seit langem hatte sie bloß noch das Eichenholz des Pfahls vor ihr wahrgenommen, zuletzt nicht einmal mehr dieses. Der Schweiß brannte ihr in den Augen, das Licht schmerzte sie sogar regelrecht, nicht einmal blinzelnd ertrug sie es mehr. Die Dunkelheit war eindeutig die bessere Alternative. Und dennoch war dies eine neue Art von Schmerz; zwar noch eine weitere Schicht auf den bereits zahlreichen Ebenen ihres Leids, aber immerhin eine, die sie zu lindern vermochte, wohingegen sie ihren anderen Qualen hilflos ausgeliefert war.
Denn nichts konnte den Schmerz in ihrem Rücken lindern, in ihren Schultern, ihren Armen. Auch das bloße Atmen schmerzte bereits, ebenso wie nicht zu atmen. Was sie noch nicht herausgefunden hatte, war, ob das Schreien irgendeinen Unterschied machte, doch schon bald würde sie auch dies in Erfahrung gebracht haben. Bereits ganz zu Anfang hatte ein kleiner Teil von ihr aufschreien wollen, sich wütend gegen das Entsetzen auflehnen, gegen die Erniedrigung, die Beraubung all ihres Stolzes; und doch hatte der Stolz damals noch den größeren Teil ihres Selbst ausgemacht und hatte es folglich nicht zugelassen, dass sie schrie. Nun aber verlangte es sie fast nur noch nach Erleichterung, und lediglich der winzige, noch nicht zerstörte und doch bereits im Schrumpfen begriffene Kern ihres Wesens ließ sie weiterhin stumm bleiben.
Schon bald würde sie endgültig zusammenbrechen, aber noch nicht sofort. Noch nicht jetzt. Noch nicht jetzt. Die Stimme in ihrem Kopf, die einst noch zumindest zum Teil ihre eigene Stimme gewesen war, war nun gänzlich zu der der Träumerin der Ahnen geworden. Und diese wiederholte immerfort die Litanei.
Noch nicht jetzt. Das hier ist erst der Anfang. Der Rest wird noch viel schlimmer werden; also beschwör ihn nicht schon vorzeitig auf dich herab.
Breaca konnte sich gar nichts Schlimmeres vorstellen. Das hier war doch bereits mehr, als sie noch ertragen konnte. Sie öffnete den Mund, atmete die heiße, von Schweiß erfüllte Luft ein und...
Noch nicht!
Breaca schloss den Mund wieder. Der Schweiß und der alte Speichel ließen sie würgen, und irgendwo lachte irgendjemand. Da erinnerte sie sich wieder daran, dass sie sie schließlich sehen konnten, und für einen Moment stützte sie ihr Gewicht auf ihre Beine, nicht ihre Arme, drückte die Stirn gegen das Eichenholz und ließ dieses Gefühl gegen den fast schon betäubenden, Übelkeit erregenden, sie mit Blindheit schlagenden endlosen, endlosen, endlosen Schmerz ankämpfen.
Ein Blitz schien durch ihre Arme zu schießen, explodierte über ihrem Kopf, und sogleich vergaß Breaca ihr Gewicht wieder und ließ sich kraftlos gegen den Pfahl sinken. Und wieder fuhr der Blitz in ihren Körper, diesmal in ihren Rücken, fügte dem unendlichen Schmerz nur noch weiteren Schmerz hinzu, und plötzlich schien das Eichenholz verschwunden, schien auch die letzte Illusion von Sicherheit sich aufzulösen, und Breaca öffnete den Mund, atmete einmal tief ein …
Noch nicht!
… und schloss den Mund wieder.
Noch nicht jetzt. Dazu hast du noch viel zu viel Stolz. Du solltest mir besser einmal zuhören.
»Ich habe dir ja zugehört. Und ich bin in den Osten gereist, um dort das Kriegsheer anzuführen, genauso, wie du es mir befohlen hattest. Genau deswegen stehe ich nun hier.«
Wie ein eiserner Schraubstock lag der Torques um Breacas Hals. Sie hatte gedacht, der Prokurator würde ihn an sich nehmen; denn zweifellos hatte er ihn betastet, hatte seinen Wert geschätzt, ebenso wie auch Breaca versucht hatte, den Wert des Halsreifs zu bemessen: Wieder zu reinem Gold eingeschmolzen würde man damit eine komplette Zenturie an Männern die gesamten Sommermonate über entlohnen können, oder aber eine halbe Zenturie für...
Doch auch dieses Gedankenspiel verschaffte ihr keine Erlösung mehr von der Qual. Die Blitzschläge, die ihren Rücken malträtierten, erlaubten es nicht. Die Träumerin der Ahnen stand gleich neben ihr und schaute zu.
»Warum hast du mich angelogen?«, fragte Breaca. »Du hattest mir ein Kriegsheer versprochen, und die Freiheit.«
Nein. Ich hatte dir lediglich versprochen, dass ich bei dir sein würde, und das bin ich jetzt ja auch, und dass ich dir den Tod schenken würde, wenn du mich darum bätest. Bittest du mich darum?
»Nein. Niemals.« Es tat gut, sich über etwas anderes erregen zu können als über den Schmerz, ganz gleich, wie unsinnig dieser andere Anlass auch sein mochte. »Du gibst doch nichts umsonst, und ich bin nicht bereit, deinen Preis zu zahlen.«
Noch nicht einmal, um damit deiner Tochter das Leben zu retten?
Es herrschte Dunkelheit. Ein Augenblick grellen Schmerzes. Peitschenhiebe wie Blitze. Doch plötzlich verlor sich all dies in der Erinnerung an die Stimme von Graine, und die Stille, die folgte, als Graines Schreie schließlich endeten. »Letzte Nacht, als ich dich darum gebeten hatte«, widersprach Breaca, »bist du nicht gekommen.«
Stattdessen komme ich ja nun zu dir.
»Was bietest du mir an?«
Das Leben deines Kindes.
»Und was verlangst du dafür?«
Was ich stets verlangt habe, dass du endlich einmal ohne diese arrogante Haltung auf mich zukommst, dass du endlich die Mauern hinter dir lässt, die du um dich herum errichtet hast, und dass du erkennst, was es hinter diesen Mauern zu entdecken gibt.
»Aber was macht das noch für einen Sinn, wenn ich doch ohnehin sterbe?«
Willst du denn etwa vollkommen unwissend in das Land jenseits des Lebens eintreten, willst du nie erfahren, zu was du bestimmt warst, wer du hättest sein können? Willst du... Der Schmerz legte sich immer schwerer auf sie, trieb sie immer tiefer in die Dunkelheit hinein. Es war schwer, noch irgendetwas deutlich verstehen zu können, selbst die Stimme in ihrem Kopf verschwamm.
Das Schwarz wurde noch tiefer, schien wie trübe zu werden, während die Ahnin immer hartnäckiger drängte. Komm zu mir, Verkünderin des Sieges. Komm. Ich bin doch gar nicht mehr so weit weg.
Komm zu mir. Komm zu mir. Komm zu... Und atme. Einfach atmen. Jemand hatte einen Eimer Wasser über Breacas Kopf geleert, und die Kälte versetzte ihr einen Schock, ähnlich wie die Peitschenhiebe, die, Blitzen gleich, auf sie einschlugen. Alles, wozu sie jetzt noch im Stande war, war tief einzuatmen und...
Noch nicht jetzt. Komm zu mir. Folge der Dunkelheit.
Doch es gab keine Dunkelheit mehr. Nur die Blitze - und die waren plötzlich rot - sowie ein kurzes, schmerzhaftes Blinzeln.
Komm zu mir. Ich bin hier, um dich zu stützen. Folge einfach der Dunkelheit.
Etwas in ihr würde unter dem Druck zerbrechen; der kleine Kern ihres restlichen Stolzes war zu klein, um zu überleben. Gefangen im Strudel, gefangen im Zentrum des Blitzes, überwältigt von dem qualvollen Schmerz in ihren Armen, ließ Breaca von den Eceni, Trägerin des Schlangenspeers, von ihrem Stolz ab und folgte um ihrer Tochter willen jenem Hauch von einer Stimme - einer Stimme, der sie ganz und gar nicht vertraute - in die Dunkelheit hinab.
Sie befand sich in einer Höhle, und mit ihr in dieser Höhle befand sich auch die Träumerin der Ahnen, aber es war nicht jene Höhle aus Fels in den hohen Bergen östlich von Mona, durch die der Bach floss, sondern diese Höhle hier war ein wahrhaftig sicherer Ort, wo Breacas kleiner, noch verbliebener Wesenskern vielleicht geschützt wäre vor den Angriffen und nicht zerbrechen würde, oder zumindest noch nicht.
Willkommen. Die Ahnin war unfassbar alt. Die Schlange, ihr Traumsymbol, lebte in der Ahnin selbst. Und Breacas Vorfahrin war riesig, machte sich jedoch ganz klein, damit man sich ihr ohne Angst nähern möge. Willkommen. Wir hätten uns wohl beide wünschen dürfen, dass du schon eher zu mir gekommen wärst.
»Aber ich wusste doch nicht, wie. Außerdem bestand dazu für mich auch gar kein Anlass.«
Das Lachen wurde zu einem Teil ihrer selbst. Der Anlass hat für dich bestanden, seit du ein Kind warst, nur dein Stolz ließ dies einfach nicht zu.
Zu einer anderen Zeit hätte Breaca vielleicht widersprochen, doch ihr Stolz war ihr schon bei zu vielen Gelegenheiten im Wege gewesen, als dass sie diese noch alle hätte aufzählen können; und es war auch gar keine Zeit für eine Auflistung. Gefangen in der von Schweigen erfüllten Höhle, gefangen in einem Wunder der Schmerzlosigkeit, oder gefangen in einem Schmerz, der so allumfassend war, dass er sie schlichtweg ertränkte und sie bereits im Sterben begriffen war, streckte Breaca die Hand aus nach der uralten Vergangenheit.
»Was muss ich tun?«
Erkenne, wer du bist. Im Übrigen gilt das für jeden; denn was sollte es sonst zu erkennen geben?
Cunomar beobachtete, wie seine Mutter zum ersten Mal das Bewusstsein verlor, wie sie mithilfe eines Eimers Wasser dazu gezwungen wurde, wieder zu fühlen, und wie sie kurz darauf abermals ohnmächtig wurde.
Er dachte, sie würde sterben, betete, dass sie endlich stürbe, doch das unregelmäßige Heben und Senken ihres Brustkorbs verriet ihm, dass sie dem Zugriff der Männer nur für eine gewisse Zeit entflohen war und dass man sie mit ein wenig mehr Wasser auch wieder würde zurückholen können. Den gleichen Gedanken hatten offenbar auch die Söldner. Einer trug bereits wieder den Eimer zur Pferdetränke hinüber, füllte ihn erneut und hätte ihn, wie schon zuvor, abermals über Breaca ausgekippt, doch da trat plötzlich der Prokurator vor und hielt den Arm des Mannes fest.
»Halt. Genug. Wenn sie jetzt stirbt...« Er klopfte sich mit dem Zeigefinger gegen die Lippen, während er einen Augenblick überlegte, und fuhr anschließend fort: »Schneidet sie herunter. Und legt die Kreuze für die anderen auf den Boden. Wenn sie hört, wie wir die mit ihren Töchtern dran aufrichten, wird sie schon wieder aufwachen. Bringt sie...«
Ein Pferd kam den Karrenpfad heraufgaloppiert. Nein, zwei Pferde; dem ersten folgte noch ein zweites, gefolgt von wiederum drei weiteren, also fünf insgesamt. Es half, einfach irgendwelche Dinge zu zählen, es half, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken; so viel hatte Cunomar bereits gelernt.
Damit bog auch schon der Erste der Ankömmlinge in das Tor zur Siedlung ein. Er vollführte eine zu scharfe Kurve, als dass Pferd und Reiter diese normalerweise noch heil hätten überstehen dürfen; ein gewöhnliches Pferd, das so hart herumgerissen wurde, wäre womöglich gestürzt. Dieses hier aber schien sich noch mitten in der plötzlichen Kehrtwende bereits wieder zu fangen, verlangsamte, wo dies angeraten schien, von allein das Tempo, und blieb schließlich vor dem Eichenpfosten stehen, wobei es nur um eine Handbreit den Körper jener Frau verfehlte, die dort schlaff auf dem Boden lag.
Cunomar schnappte überrascht nach Luft, schloss die Augen, öffnete sie wieder und schaute abermals hin. Das Pferd hatte ein geschecktes Fell in den beiden Farben einer frostklaren Nacht. Der Reiter trug die lederne Rüstung und den blauen Umhang eines römischen Kuriers, unter dem Kinn zusammengesteckt mit dem in Gold gegossenen Eichenblatt, das besagte, dass der Kurier unmittelbar vom Gouverneur ausgesandt worden war. Er riss sich den Helm vom Kopf. Sein Haar war schwarz, und das Profil hätte das von Luain mac Calma sein können - wäre dieser noch jünger gewesen und hätte das Leben ihn bereits noch etwas stärker mitgenommen.
Cunomar schloss den Mund wieder und schluckte mit trockener Kehle. Schließlich hatte sein Verstand die aufsteigenden Erinnerungen verarbeitet. Mit rauer Stimme fragte er: »Valerius?«
»Was? Gütige Götter, er ist es!« Ardacos fuhr so heftig zusammen, dass seine Fesseln klirrten, und durch die Reihe der mit ihm aneinander geketteten Männer ging ein Ruck.
Nie ließ Ardacos sich seine Überraschung anmerken, oder seine Angst, oder seinen Zorn, oder seinen Stolz, oder auch seinen Hass; bis zu diesem Augenblick, als der in seiner Stimme zum Ausdruck kommende Abscheu einem Mann von weniger Format geradezu die Kleider vom Leib gerissen hätte. »Verräter! Er ist gekommen, um sich an unserer Niederlage zu weiden.« Laut brüllte er es hinaus. »Verräter!«
Die Bärinnenkrieger stimmten in seinen Schrei mit ein, ebenso wie Gunovar; obgleich keiner von ihnen wusste, wer der Fremde eigentlich war, sondern nur, dass ihrer aller Ende nahte, dass dieser Mann gekommen war, um sich dieses Schauspiel anzuschauen, und dass Ardacos, den sie verehrten, diesen Mann hasste.
Ein wenig verwirrt, als ob sie gerade erst aus einer Vision erwacht sei - oder als ob sie womöglich noch überhaupt nicht erwacht wäre -, musterte Airmid den Ankömmling. Sie sprach ein paar Worte an Gunovar gewandt, und beide schrien sie: »Verräter! Möge Nemain dich niederstrecken!« Ihre geschulten Stimmen übertönten die der Bärinnenkrieger und riefen bei den Männern, die sie bewachten, eine nur noch größere Belustigung hervor, was allerdings auch verständlich war; sie hatten ihren Fluch auf Lateinisch gebrüllt.
Der Kurier - Valerius - ignorierte sie jedoch, so wie er auch schon den blutüberströmten Körper der Bodicea ignoriert hatte, die bäuchlings vor den Hufen seines Pferdes lag. Ohne abzusteigen entbot er vorschriftsmäßig, in der angemessenen Art und Weise und lediglich ein wenig außer Atem dem Prokurator seine Ehrerbietung.
»Der Gouverneur entsendet Grüße und eine Nachricht.« Die Dokumententasche an seiner Schulter war mit etwas Wachs und dem Elefantensiegel von Britannien verschlossen, dessen unberechtigtes Erbrechen die Todesstrafe zur Folge hatte. »Wenn Ihr die Nachricht bitte in der Abgeschiedenheit Eurer Gemächer lesen würdet?«
»Danke.« Ganz eindeutig beabsichtigte der Prokurator nichts dergleichen, da es den Ablauf seines morgendlichen Planes unterbrechen würde, doch andererseits durfte er dies nun auch nicht öffentlich erwidern. Er zögerte also zunächst, während der Reisegefährte des Kuriers, der drei Lastpferde mit sich führte, durch das Tor galoppiert kam. Dann riss auch der neu Hinzugekommene sich den Helm vom Kopf und enthüllte damit eine wahre Masse von ganz außergewöhnlich leuchtend rotem Haar.
Überrascht über die plötzliche Abwechslung machten die Veteranen dem Ankömmling Platz, und für einen kurzen Augenblick herrschte Chaos, als sich mit einem Mal zu viele Pferde auf zu engem Raum drängten und Valerius’ Tier, das am härtesten geritten worden war, unruhig den Kopf hochwarf und an den Zügeln riss, dann einen Satz zur Seite machte und dabei unsanft den Prokurator anrempelte.
Der kaiserliche Steuereintreiber war es nicht gewohnt, dass man ihn anrempelte. Außerdem hatte er große Angst vor dem temperamentvollen Schecken. Fluchend und in gebückter Haltung wich er aus. »Vorsicht, Mann! Könnt Ihr das Biest denn nicht...«
Doch schon drückte eine sorgfältig polierte und scharf geschliffene Schwertklinge gegen die Kehle des Prokurators und hatte seine Haut bereits aufgeritzt. Der schwarzäugige Mann, der über dieser Klinge aufragte, war der Inbegriff der boshaften, tödlichen Arroganz. Es war ebenjener Mann in Kuriertracht, der gerade eben noch so höflich gewesen war und nun mit eisiger Unmissverständlichkeit verkündete: »Mein Pferd ist ein ausgebildetes Schlachtross. Wenn Ihr Euch bewegt, dann werde ich Euch von ihm töten lassen. Es würde recht eindrucksvoll werden und zudem schneller, als Ihr es eigentlich verdient habt, aber... eigentlich ist mir gar nicht danach. Driscus, ruf deine Männer zur Ordnung. Sollten sie uns angreifen, bist du der Erste, der stirbt. Danke, Longinus...«
Mit diesem letzten Satz ließ Valerius seine Stimme über den Prokurator hinweg erschallen und wandte sich nunmehr an die Söldnerveteranen, die sich hinter dem Eichenpfahl versammelt hatten. Sie hatten die Gefahr für ihren Gönner zwar erst einen kleinen Augenblick zu spät erkannt, wären ihm aber dennoch zu Hilfe geeilt, hätte nicht auch ihr Anführer, Driscus, etwas verzögert reagiert, wäre er nicht durch eine einzige, rasche Bewegung des Kavalleristen mit dem roten Haar seines Schwertes entledigt worden und würde er nicht in genau diesem Moment mit einem leichten Schielen auf ebendiese Schwertspitze starren. Blut tröpfelte aus einer horizontal über Driscus’ Stirn verlaufenden Wunde. Unentschlossen und voller Unbehagen verlagerten seine Männer ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und warteten auf einen Befehl.
»Schon besser.« Valerius nickte freundlich. Als ob der Prokurator gar nicht existierte, blickte er an dem nackten Eichenpfahl vorbei und zu dem seines Schwertes beraubten Söldner hinüber. »Driscus, ich hab mir ja vielleicht ein wenig das Haar wachsen lassen, seit du mich das letzte Mal gesehen hast, weshalb ich es dir auch nicht übel nehmen will, dass du ausgerechnet jenen Mann nicht wieder erkennst, der dich ganze drei Mal in einem einzigen Winter dafür hat auspeitschen lassen, dass er dich bei der Ausübung deines Dienstes in betrunkenem Zustand angetroffen hat. Ich bin allerdings geradezu verstört darüber, dass du dich auch nicht mehr an jenes Pferd erinnerst, das dir damals fast den halben Schwertarm wegbiss und dich damit einen ganzen Monat der Fürsorge von Theophilus überantwortete.«
Driscus starrte Valerius an, runzelte verwirrt die Stirn, und schließlich fragte er: »Valerius? Das kann nicht sein. Du bist doch tot. Du bist in Gallien gestorben. Corvus hat es uns doch erzählt. Und ich habe zwei Sesterzen für dein Ehrenmal beigesteuert.«
»Du schmeichelst meinem Andenken.« Valerius deutete einen knappen Gruß an. »Und trotzdem, ich bin nicht tot, wie du ja selbst sehen kannst. Und jeder, der es gerne riskieren möchte, seinen Arm an das Krähenpferd zu verlieren, ist nun aufgefordert, vorzutreten und sich von seiner Lebendigkeit einfach einmal selbst zu überzeugen. Ihr könnt die Zeit aber auch etwas sinnvoller verwenden, indem ihr sämtliches Gold, das ihr bis jetzt zusammengetragen habt, einpackt und wieder zurück nach Camulodunum verschwindet.«
»Warum?«
»Weil sich der Präfekt der Ala Quinta Gallorum, Corvus, auf dem Weg hierher befindet, und zwar mitsamt seinen drei Kohorten. Und der Präfekt ist ganz und gar nicht darüber erfreut, seine Reise in den Westen unterbrechen zu müssen, nur um sich nun mit einem Steuereintreiber zu beschäftigen, der in eklatanter Weise seine Befugnisse überschritten hat. Das hier... Valerius beschrieb mit seiner Klinge einen weiten Bogen. Und ein Dutzend Söldner duckten sich ganz unwillkürlich und zogen den Kopf ein. »...ist die Familie eines Königs. Und diese Menschen haben nichts anderes getan, als in angemessener Art und Weise den Tod jenes Mannes zu betrauern, der sie regiert hat.«
»Sie haben den Prokurator angegrif...«
»Sie wurden dazu angestachelt. Wir haben einen Zeugen, der dies bei seinem Leben beschwören wird.«
»Sie haben Waffen. Wir haben...«
»Ja, das habe ich bereits gesehen. Sie haben Eisenstangen, Driscus. Jede Siedlung von hier bis an die entlegenste südliche Küste hinab besitzt ein Lager an Eisenstangen. Sie handeln damit, sie stellen Hacken und Trensen daraus her, sowie jene lächerlichen kleinen Käsemesser, mit denen wir sie auf die Jagd schicken. Wenn du also jeden einzelnen Schmied, der ein Depot an Eisenstangen sein Eigen nennt, als Verräter bezeichnen willst, werden wir in diesem Frühjahr außerordentlich gut beschäftigt sein. Und ich glaube, ehrlich gesagt, den Gouverneur beschäftigen bereits wichtigere Dinge.«
Gekränkt entgegnete Driscus: »Aber sie haben Strignus getötet. Und Titus Castellius.«
Valerius lachte. »Und ist das etwa irgendjemandes Verlust? Selbst ein Kind mit einem gebogenen Zweig hätte Strignus töten können - und das selbst zu seinen besseren Zeiten. Castellius wiederum hat vielleicht gar die Kinder der Eingeborenen vergewaltigt. In dem Fall ergeht es ihm tot sogar noch deutlich besser, als wenn ich mit ihm abgerechnet hätte.«
Es entstand eine geradezu schmerzhafte, zermürbende Pause, als mehrere Dutzend Söldner sich nun nur allzu deutlich daran erinnerten, wie genau Valerius mit jenen Männern verfahren war, die die Kinder der Eingeborenen vergewaltigt hatten. Ein jeder von ihnen hielt den Atem an und betete zu sämtlichen Göttern, dass sein Nachbar in diesem Augenblick nicht irgendetwas Dummes von sich geben würde.
»Ja. Richtig.« Driscus räusperte sich. »Was also sollen wir...«
»Er lügt! Seid ihr von Sinnen? Er lügt, und er hat keinerlei Macht, auch nur irgendeine seiner Drohungen in die Tat umzusetzen. Im Namen des Kaisers, ich befehle euch, ihn auf der Stelle zu entwaffnen! Der Mann ist ganz offensichtlich...« Der Prokurator hatte also seine Stimme wiedergefunden. Und er verlor sie auch gleich wieder, als er auf die Spitze von Valerius’ Schwert starrte und dann in die hart blickenden schwarzen Augen darüber.
»Hinlegen«, befahl Valerius. »Mit dem Gesicht nach unten und nicht bewegen.«
Nur sehr wenige Männer besaßen den Schneid, diese Stimme einfach zu ignorieren, und der Prokurator war gewiss keiner von ihnen. Und selbst wenn er es gewesen wäre, wurde dieser Befehl nun untermalt von dem unverkennbaren Geräusch einer im Galopp reitenden Truppe, die den Karrenpfad heraufkam und sich rasch näherte.
»Das wird Corvus sein«, meinte Valerius erfreut. »Und seine persönliche Kavallerieeinheit. Natürlich könnt Ihr auch ihn der Lüge bezichtigen. Es wird mir eine Freude sein, dies später bei Eurem Prozess bezeugen zu dürfen. In der Zwischenzeit werdet Ihr Euch hinlegen und kein Wort von Euch geben, sondern nur dann sprechen, wenn man Euch etwas fragt.«
Der Prokurator legte sich auf den Boden.
Fast unmittelbar darauf kam an der Spitze seiner persönlichen Kavallerieeinheit Corvus durch das Tor geritten und war quasi der lebende Beweis dafür, dass Valerius nicht gelogen hatte. In seiner Begleitung war der Kundschafter mit den Falkenaugen aus dem Stamme der Coritani, der einen Wickel aus blutdurchtränkter Wolle um den Hals geschlungen trug und an dessen Lippe sich eine schwärzliche Schwellung abzeichnete; er wagte es nicht, den Blick zu Valerius zu heben. Und eigentlich hätte Cunomar darüber frohlocken sollen, doch dazu hatte er nicht mehr die Kraft und auch nicht mehr den Atem, denn den brauchte er für seine Gebete.
Der Präfekt hatte sein Pferd mindestens genauso hart angetrieben wie vor ihm Valerius das seine. Corvus führte seine kleine Gruppe von zwanzig handverlesenen Reitern mitten auf jenen Platz, auf dem sich die gerade aufs Neue verunsicherten Söldner drängten sowie ihre stummen, doch wachsamen Gefangenen. Im Übrigen hatten Corvus’ Männer ihre Handlungsanweisungen offenbar bereits erhalten. In zwei parallel zueinander verlaufenden Reihen kamen sie durch die Tore geritten, teilten sich gleich nach ihrem Eindringen in die Siedlung in zwei Gruppen auf, wobei die eine nach links herumschwenkte, die andere nach rechts, und sie somit einen mit Eisen gepanzerten Halbkreis bildeten, der jegliches Ausbrechen aus dem Dorf verhinderte. Dann schwang sich jeder Zweite von ihnen von seinem Pferd und reichte die Zügel an den Reiter zu seiner Rechten weiter.
Corvus’ Aufmerksamkeit war unterdessen ganz auf Valerius konzentriert; hatte ihm bereits gegolten, seit er in die Siedlung hereingeritten war. Sie sahen einander an, maßen sich gegenseitig mit Blicken; ähnlich wie zwei Damhirsche gegen Ende der Brunftzeit; oder auch wie zwei Feinde auf einem Schlachtfeld, die jahrelang gekämpft hatten, ohne einander zu entdecken, und die den anderen nun, da sie sich endlich begegneten, in einer ganz anderen Verfassung vorfanden, als sie erwartet hatten.
Ohne den Blick von Valerius abzuwenden, sprach Corvus an seine Männer gewandt: »Findet ihre Tornister und durchsucht sie.«
Den ehemaligen Söldnern von Camulodunum waren unermessliche Reichtümer versprochen worden, wenn sie zur Unterstützung mit dem Prokurator marschieren würden. Nur dass sich die Siedlung des letzten Königs der Eceni nicht als so reich erwiesen hatte, wie sie womöglich erwartet hatten; und doch hatten die Männer, wie es im Übrigen auch auf jedem Feldzug üblich war, von dem Vorhandenen zunächst einmal einen ordentlichen Anteil für sich selbst abgezweigt, ehe sie den Rest in der offiziellen Bestandsaufnahme auflisteten.
Die Tornister der Männer erwiesen sich, als sie auf die festgetretene Erde des kleinen Platzes entleert wurden, als wahre Elsternnester, angefüllt mit Gold und Silber, mit emaillierten Armreifen, die auf den Märkten von Rom einen guten Preis erzielt hätten, mit Broschen, Ketten und Gaben, die eigentlich für die Götter gedacht waren. Und in einem der Säcke befand sich sogar eine für ein Kind gefertigte Brosche in der Form eines Zaunkönigs, die man zur besseren Aufbewahrung in etwas Wolle eingewickelt hatte.
Zudem förderte die Durchsuchung jener wenigen Gebäude, die noch standen, auch die beiden Töchter des Königs zutage, die dringend ärztlicher Behandlung bedurften - das heißt, sofern man diese nun nicht doch als Verräterinnen erachtete. In letzterem Fall nämlich könnte man auch einfach beenden, was an ihnen offenbar schon begonnen worden war.
Dies berichtete auch der Rittmeister der Kavallerie seinem Präfekten, der daraufhin nickte, sich in die Nasenwurzel kniff, den Blick noch immer auf Valerius gerichtet, und schließlich verkündete: »Driscus, du warst bereits ein schlechter Waffenmeister und gibst nun einen noch schlechteren Zenturio ab, doch leider gilt das noch nicht als Kapitalverbrechen, im Gegensatz zu Diebstahl am Eigentum des Kaisers, welches nun eindeutig ein solch gravierendes Vergehen ist. Du darfst dich also außerordentlich glücklich schätzen, dass ich gerade einen Krieg habe, dem ich mich widmen muss, und darum nicht die Zeit erübrigen kann, dich und deinen Pöbel persönlich aufzuhängen. Du hast noch so lange Zeit, um deine Männer aufzustellen und wieder zu verschwinden, bis die Nachhut meiner Kohorte ankommt. Und ich schlage vor, dass du das mit etwas mehr Professionalität angehst, als du bei deiner Abreise aus Camulodunum bewiesen hast.«
Als Valerius sich an die Söldner wandte, hatte er im Jargon der Soldaten gesprochen, in der ungeschliffenen und nur knapp akzentuierten Mundart der Legionen, ergänzt von einigen gallischen und thrakischen Ausdrücken und vorgetragen in dem kehligen Batavisch der sprachlich ohnehin ein wenig ungehobelten Kavallerieeinheiten. Corvus dagegen sprach in dem Latein des römischen Senats, das alles unterhalb seines eigenen Niveaus zu in der Gosse angesiedeltem Abschaum degradierte. Der bloße Tonfall seiner Rede schmerzte die Veteranen also bereits ebenso wie seine Worte. Noch lange, ehe der Präfekt mit seiner Ansprache geendet hatte, hatte Driscus’ Gesicht schon eine tiefrote Farbe angenommen, und gegen Ende zwirbelte er das lederne Ende seines Gürtels in der Hand.
Nachdem der Anführer der drei Veteranenzenturien des Prokurators die Erlaubnis erhalten hatte, sich wieder zu rühren, galt es für ihn natürlich, sich zu beweisen, und er gab in der Tat sein Bestes. Die Aufstellung, in der seine Männer nun wieder aus der Ecenisiedlung hinausmarschierten, entsprach zwar nicht den höchsten militärischen Ansprüchen, doch sie war immerhin deutlich strukturierter, als sie es zum Zeitpunkt ihres Einmarsches gewesen war.
Nachdem schließlich auch der Letzte von ihnen wieder abgezogen war, ereigneten sich eine ganze Reihe von Dingen. Als Erstes wurde der Kundschafter vom Stamme der Coritani ausgeschickt, um Wasser zu holen und den Töchtern des Königs so gut behilflich zu sein, wie er nur irgend konnte. Unterdessen bestieg der Rittmeister der Kavallerie des Präfekten, der bei Cygfa und Graine gewartet hatte, sein Pferd und befahl seinen Männern, es ihm nachzutun. Zwanzig erfahrene Kavalleristen versammelten sich auf bereits unruhig tänzelnden Pferden; anschließend ritten sie geschlossen zum Tor hinaus, um auf der anderen Seite des Zauns zu warten. Damit war auch Corvus gezwungen, wieder zu handeln. Geradezu gewaltsam riss er seinen Blick von Valerius los und schaute stattdessen auf jene Frau hinab, um die herum er bereits bei seiner Ankunft schützend sein Pferd die Hufe hatte platzieren lassen.
»Breaca?«
Sie war tot; Cunomar war sich dessen ganz sicher. Von dem Augenblick an, als der Präfekt in die Siedlung geritten kam, hatte sie sich nicht mehr bewegt. Selbst das Heben und Senken ihres Brustkorbs war - ganz gleich, wie schwach dies auch zuvor bereits gewesen sein mochte - nicht mehr zu erkennen.
»Breaca?« Hastig schwang Corvus sich vom Rücken seines Tieres, kniete neben ihr nieder und presste die Finger an die Seite ihres Halses. Dann erhob er sich, zerrte seinen am Sattel befestigten Wassersack herunter und tröpfelte ein wenig von der Flüssigkeit in Breacas Mundwinkel. »Breaca?«
Breaca hustete, sie lebte also.
Cunomar schwankte in den Ketten, mit denen er gefesselt war. Neben ihm stieß Ardacos zuerst einen Fluch aus, schließlich weinte er. Airmid war unterdessen dicht an Breaca herangetreten, nur drei Schritte trennten sie noch von ihr - und nachdem sie auch den letzten gewagt hatte, fiel sie neben Breacas Kopf auf die Knie. Dann nahm sie den Wassersack entgegen, den man ihr anbot, und goss Breaca behutsam, so dass sie es diesmal auch trinken konnte, ein wenig davon in den Mund. Leise sprach sie auf ihre Freundin ein, und Breaca antwortete ihr sogar, allerdings in einem viel zu heiseren Flüstern, als dass man es auch auf dem Platz noch hätte hören können - allein das Wort »Graine?« war klar zu verstehen gewesen. Airmids Antwort jedoch verlor sich bereits wieder in dem gleich darauf einsetzenden Hustenanfall.
»Valerius?« Corvus trat einen Schritt zurück und schwang sich wieder auf sein Pferd.
Der Ausdruck in Valerius’ schwarzen Augen war nicht zu deuten. »Danke«, entgegnete er schlicht. »Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest. Dass du nun doch erschienen bist, ist ein größeres Geschenk, als ich dir jemals zurückzahlen könnte.«
»Ich bin Breacas wegen gekommen«, widersprach Corvus. »Und ihrer Töchter wegen. In den Köpfen der Legionen bist du tot. Und es wäre am besten, wenn du das auch bleiben würdest.«
»Dann warst du eben einem Geist dabei behilflich, endlich Erlösung zu finden. Und dafür ist dir dieser Geist unendlich dankbar.« Sehr langsam beugte Valerius sich nun vor und streckte Corvus in dem Gruße der Soldaten seinen Arm hin, jenem Gruß, der den Abschied bedeutet und zugleich auch eine Aufforderung zum Kampf. »Es tut mir Leid, dass ich dir all dies eingebrockt habe.«
Nach einem kurzen Moment des Innehaltens ergriff Corvus mit steifer Geste den ihm angebotenen Arm. »Echte Erlösung?«, fragte er.
»So echt, wie die Erlösung, die die Götter uns schenken, überhaupt nur sein kann. Ich habe dich vermisst. Und werde dich auch weiterhin vermissen.«
»Und ich dich.«
Sie würden nun nicht in Tränen ausbrechen, keiner von ihnen, und doch schien die Luft von ihrer beider Bedürfnis zu weinen geradezu zu knistern. Doch an ihrer statt weinte Cunomar, durch den hämmernden Schmerz in seinem Kopf hindurch und trotz des wunden Gefühls in seiner Kehle; obwohl er auch nicht wusste, warum genau er nun eigentlich Tränen vergoss.
Eine Krähe schrie, und wie auf einen Befehl hin rissen Valerius und Corvus sich voneinander los. Der Präfekt ließ sein Pferd auf der Hinterhand herumwirbeln. An den Toren der Siedlung hielt er noch einmal kurz an, salutierte dem Kavalleristen mit dem roten Haar und sagte: »Longinus, dein Grabstein steht bei mir zu Hause. Solltest du jemals den Wunsch verspüren, ihn einmal selbst in Augenschein zu nehmen, brauchst du dich nur deinem Quartiermeister vorzustellen und ihm zu zeigen, dass du noch lebst.«
Der Kavallerist salutierte ebenfalls. »Sollte ich jemals der Gesellschaft dieses Geistes überdrüssig werden, so werde ich das sicherlich tun. Danke.«
Zu keinem Zeitpunkt erwähnte Corvus den Prokurator oder sprach zu ihm oder nahm ihn auch nur zur Kenntnis, während dieser stocksteif vor Angst zwischen den Vorderhufen des Krähenpferdes lag.
 
Niemand bewegte sich, niemand sprach. Langsam verhallte das Hufgetrappel der Kavalleriepferde in der Ferne.
Cunomar stand ganz still da, so still und reglos, dass nicht ein einziges Glied jener Ketten, die ihn noch immer gefangen hielten, klirrend gegen ein anderes schlug.
Dennoch warteten sie ab, bis das Geräusch der Krähe, die aus dem zerstörten Dach von Airmids Hütte noch immer ihre Reethalme zupfte, lauter war als das Stakkato der mittlerweile weit entfernten Pferde. Und dann warteten sie noch einen Augenblick länger, bis Valerius schließlich etwas in einer Sprache sagte, die weder Eceni war noch Latein oder Gallisch, und der Kavallerist mit dem roten Haar nickte und zu Gunovar ging, um sie zu befreien.
Sie war bloß eine Schmiedin und darum nicht allzu übel misshandelt worden. Mithilfe des Kavalleristen begann sie nun, sich an der Reihe der Bärinnenkrieger entlangzuarbeiten und die schweren Hand- und Fußfesseln zu zerschlagen, die die Krieger gefangen hielten.
Benommen und noch immer etwas ungläubig legte Cunomar seine Handgelenke aneinander und schlurfte ein Stückchen vorwärts. Er lehnte die Stirn an Ardacos’ Schulter, in dem befreienden Bewusstsein, dass er dies durfte, in dem Bewusstsein, dass er Ardacos liebte, und überhaupt war er einfach zu erschöpft, um noch länger ohne Halt aufrecht stehen zu können. So war Cunomar auch gänzlich unvorbereitet auf jenen Ausbruch von Gewalt, der sich plötzlich jenseits des Pfostens ereignete.
»Nein!« Der Schrei des Prokurators war noch höher als der eines Kindes und genauso wirkungslos.
Doch seine flehentliche Bitte galt keiner menschlichen Instanz, die vielleicht noch ein Herz und eine Seele besaß, welche der Prokurator hätte erweichen können. Stattdessen hatte Valerius’ Schecke die Vorderbeine bereits vom Boden hochgehoben, bäumte sich auf der Hinterhand auf und blieb einen Augenblick so stehen, größer als jeder Mensch; und das Tier war die Verkörperung der Rache selbst und wurde nur noch stärker angetrieben von jenem Krieger, der kerzengerade auf seinem Rücken saß und mit einem leise gesprochenen Befehl und einem leichten Druck seiner Fersen das Pferd wieder hart auf die Vorderhufe fallen ließ, mitten auf jenen Römer hinab, der gerade noch versuchte, kriechend diesen Hufen zu entkommen.
Mit Valerius’ leisem Befehl endete alle Stille, mit dem ruhigen, sicheren Aufbäumen des Tieres endete jegliches Gleichgewicht. Die tödlichen Hufe des Tieres trommelten auf den Prokurator ein, der Mann schrie auf, und dieser gellende Schrei und das Erleben des Schmerzes lösten eine Explosion von Brutalität aus, die in ihrer wilden, rasenden, blinden Ungezügeltheit noch weit über alles an diesem Morgen bereits Gesehene hinausging.
Getrieben von einem Hass, der jenseits alles Menschlichen angesiedelt war, bäumte sich der Schecke abermals auf und ließ sich dann wieder auf den blutenden Körper hinabfallen, um ihn unter seinen Hufen zu zerquetschen, wieder und wieder und wieder, und gellend schrie das Tier seine Leidenschaft heraus, so dass sich die Stimme des Prokurators schließlich in dem schrillen Wiehern verlor, wie auch sein Körper sich langsam verlor in dem Durcheinander von Knochen und Fleisch und Zähnen, bis letztlich gar nichts mehr übrig war von jenem Mann, der das Auspeitschen der Bodicea befohlen hatte und die Vergewaltigung ihrer Töchter; nichts, bis auf jenen aus blutigen Eingeweiden bestehenden Brei und die darin verstreuten kleinen, weißen Überbleibsel von seinem Schädel.
»Valerius, hör auf. Hör auf! Es ist vorbei. Du kannst aufhören.«
Der rothaarige Kavallerist hatte mehr Mut als Cunomar. Er trat dicht neben das wütende Pferd, langte hinauf nach dessen Reiter und packte in jenem kurzen Moment, als das Tier gerade mit allen vier Hufen den Boden berührte und sich noch nicht wieder aufgebäumt hatte, Valerius’ Arm.
»Hör auf! Deine Schwester braucht deine Hilfe. Die Kinder brauchen deine Hilfe. Das hier hilft keinem.«
Da wurde das Pferd ganz ruhig und stand endlich schweißüberströmt und zitternd, als ob es gerade ein Rennen bestritten und gewonnen hätte, einfach nur da. Valerius dagegen schwitzte weder, noch zitterte er, doch auch er war mit einem Mal wieder ganz ruhig, wie er da im Sattel saß und mit fahlem Gesicht zu dem Späher mit den habichtähnlichen Augen hinüberblickte, der gerade aus jener Hütte herausgetreten kam, die die Töchter der Bodicea beherbergte. Schließlich sah Valerius auf Airmid hinab, die noch immer neben Breaca kniete.
Und in ihrem Gesicht schien er etwas zu lesen, das ihn im Innersten berührte. Denn er stieg ab und kniete neben seiner Schwester nieder, die nur eine Speerlänge von jenem Pferd entfernt lag, das auch sie mühelos hätte töten können. Er legte Breaca prüfend eine Hand auf den Kopf, dann auf ihr Herz und beugte sich schließlich hinab, um sein Ohr gegen ihren Brustkorb zu drücken.
Als er sich wieder erhob, sagte er: »Longinus, hol Wasser. Falke, hol alle herbei, die bereits von ihren Fesseln befreit sind und noch laufen können, und dann lass sie die Tore verriegeln und die Kreuze runterreißen, um aus ihnen eine Barrikade zu errichten. Sollte Driscus es sich nämlich noch einmal anders überlegen und von Camulodunum aus wieder hier heraufmarschiert kommen, hätte ich doch wenigstens gern den Hauch einer Gegenwehr.«
Dann kniete er sich wieder in den Schmutz neben jene Frau, gegen die er so lange Zeit gekämpft hatte, hob sie mit der Behutsamkeit eines Liebhabers auf seine Arme, stand auf und blickte um sich, auf der Suche nach einem Gebäude, das noch nicht zerstört worden war. Er trug sie schließlich in Airmids Kate am westlichen Ende der Lichtung, denn wenn es dort auch sonst nichts mehr gab, so doch zumindest noch das Wasser des Baches, und selbst das halb heruntergerissene Reetdach bot noch ein wenig Schutz.
 
»Ist Breaca wach?«
»Ich hoffe nicht.«
Doch.
Sie wollte sprechen, aber sie konnte ihre Zunge nicht bewegen.
Airmid war ganz in der Nähe, war die ganze Zeit über bei ihr geblieben, seit Breaca unter dem Marterpfahl das erste Mal die Hände ihrer Gefährtin auf ihrem Körper gespürt und deren Stimme gehört hatte, die ihr alles verkündete, was wichtig war: »Graine lebt. Corvus ist hier. Alles wird wieder gut«, so dass Breaca nicht wieder herauszuklettern brauchte aus jenem Quell des Friedens, den sie endlich gefunden hatte.
Die Dunkelheit kam und ging wieder. Hände schlangen sich um Breacas Hände und reinigten jeden ihrer Finger von jenem Schmutz und Blut, die sich bereits in ihre Haut eingegraben zu haben schienen. Später breitete jemand etwas Kaltes und Nasses über das zerfetzte Fleisch ihres Rückens. Sie zuckte heftig zusammen und stöhnte laut auf, fand keine Worte, suchte sie jedoch auch gar nicht, und schließlich wich die Kälte wieder, nicht jedoch das Gefühl der Nässe. Ganz im Gegenteil tropfte sogar noch mehr auf sie hinab, ganz langsam, so dass jeder Tropfen sich erst erwärmte und beruhigend ausbreitete, ehe der nächste folgte, und mit der Zeit wurde dieses gleichmäßige Muster aus Tropfen sogar erträglich.
Noch eindringlicher als die Tropfen aber nahm sie die Stimmen wahr, deren Klang einer Woge gleich langsam auf sie zurollte und dann wieder zurückwich. Breaca lauschte auf den Tonfall, nicht eigentlich auf die Worte, bis sie erkannte, dass Airmid eine Frage gestellt hatte, nicht jedoch, wer ihr auf diese Frage geantwortet hatte; außer dass es ein Mann war und dieser Mann sich um Breaca sorgte.
Etwas später, als die Sonne weitergewandert war und es in ihrem Rücken weniger heiß brannte, sagte derselbe Mann: »Sie muss sich bewegen, so wie auch Cunomar und die anderen, die gemeinsam mit ihm ausgepeitscht wurden, sich bewegen.«
»Aber dazu ist sie noch nicht in der Lage«, entgegnete Airmid.
Geduldig erwiderte die Stimme: »Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie dazu in der Lage ist. Wenn sie so liegen bleibt, wird ihr Rücken zwar heilen, sich unterdessen aber auch versteifen, und das wird sie in ihrer Aufgabe als Kriegerin behindern.«
Eine andere, schroffe männliche Stimme ertönte: »Aber ob sie das dann überhaupt noch interessieren wird?«
»Ich denke schon, dass sie das noch interessieren wird. Aber du kannst sie ja jederzeit selbst danach fragen.«
»Das geht mich nichts an. Ich bin nur gekommen, um zu sehen, wie es dir geht. Du findest mich draußen, ich helfe dort den anderen. Komm zu mir, wenn du fertig bist.«
In Breaca stieg eine Erinnerung auf, eine Erinnerung an einen Kavallerieoffizier mit rostrotem Haar, der die ganze Zeit über, als die Gefahr noch nicht gebannt gewesen war, neben ihr gestanden und Wache gehalten hatte. Er war ein guter Mann, und er hegte tiefe Gefühle, wenn auch nicht für sie.
Nachdem er gegangen war, nahm das Gewebe aus Stimmen eine andere Struktur an, und eine von ihnen flüsterte Breaca ins Ohr: »Breaca? Wenn du wach bist, dann nick einfach mit dem Kopf. Du brauchst nicht zu sprechen.«
Sie nickte.
»Ich muss dich etwas umlagern. Ist das in Ordnung?«
Abermals nickte Breaca, und behutsame Hände drehten ihren Kopf, und irgendjemand tröpfelte ihr etwas Wasser in den Mundwinkel. Breaca schluckte es, ohne zu husten. Anschließend dachte sie, dass sie nun lange genug wie ein hilfloser Säugling dagelegen hätte, dass sie sich nun auch wieder selbst bewegen könnte, und sie bewegte sich auch tatsächlich ein wenig; dann hielt sie jäh inne.
Als sie wieder atmen konnte, fragte sie: »Warum muss ich mich überhaupt bewegen?« Ihre Stimme klang schwach und bebte ein wenig.
»Weil dein Rücken sich unter der Heilung ansonsten versteifen wird, fest wird wie Holz, und dann kannst du nie wieder ein Schwert schwingen und auch keinen Katapultstein mehr schleudern, noch nicht einmal mehr einen Speer werfen. Wenn du jetzt aber fortfährst, dich zu bewegen, wird er heilen und zugleich beweglich bleiben, und du wirst davon nur einige weitere Narben zurückbehalten, nicht aber einen Körper, der deinem Willen nicht mehr gehorcht.«
Vor langer Zeit, in ihrer Kindheit, hatte ihr Vater ihr einmal einen Knochensplitter aus der Hand gezogen. Dieser Schmerz war ihr damals als so schlimm erschienen, wie sie sich Schmerz als solchen überhaupt nur hatte vorstellen können. Der Mann, der jetzt an ihrem Lager saß, hörte sich genauso an, wie damals Eburovic geklungen hatte; oder wie Luain mac Calma, zu anderen Zeiten und bei der Behandlung anderer Wunden: gütig und beschwichtigend und wohlwollend vernünftig im Angesicht des zu erwartenden Schmerzes, gegen den doch niemand etwas würde ausrichten können.
Breaca drehte den Kopf, um sich diesen Mann einmal genauer anzuschauen. Er saß neben ihrer Schulter und hielt ihre Hand. Er war es, der ihre Finger gesäubert hatte, mac Calma, der Vorsitzende des Ältestenrats von Mona, und er war erschöpfter, als sie ihn jemals gesehen hatte. Er trug einen ganz neuen Zug von Ironie an sich, die sich gegen ihn selbst zu richten schien, und an seiner Seite war ein Hund, der Hail sehr ähnlich sah.
Heiser murmelte sie: »Ich dachte, du wärst auf Mona?«
Überrascht hob er eine Augenbraue. »Das war ich auch.«
»Und was hat dich dann hierher geführt?«
»Luain mac Calma hat mich geschickt. Er meinte, man solle dich ermutigen, die Stämme zum Kampf aufzurufen, solange der Gouverneur noch im Westen beschäftigt ist. Das ist zumindest das, was er damals gesagt hat. Ich vermute aber, dass seine wahren Hintergründe wohl andere waren.«
Luain mac Calma hat mich geschickt. Das ergab keinen Sinn. Breaca schloss die Augen, um besser nachdenken zu können. Der Hund stand ganz dicht bei ihm, so wie auch Stone neben ihr stehen würde, mit der Ausnahme, dass Stone, im Gegensatz zu diesem Tier hier, ein Hund aus Fleisch und Blut war.
Luain mac Calmas Traumsymbol war der Reiher. Er besaß keinen Hund, der aus dem Tode wieder ins Leben zurückkehren würde, nur um an seine Seite zu eilen; auch hatte mac Calma keinen rothaarigen Kavallerieoffizier mit schroffer Stimme zum Freund, einen Mann, der sich entschlossen um ihn sorgte; und, wenn sie es sich recht überlegte, hatte mac Calma auch nie ein Pferd geritten, das auf Befehl einen Menschen töten könnte, geschweige denn, dass er überhaupt ein solches gebraucht hätte.
Breaca öffnete die Augen.
»Bán?«
Doch das war der falsche Name. Ihr Bruder zuckte zusammen, als ob man ihn geschlagen hätte, und der ungewohnte, trockene Humor in seinem Blick wich einem Ausdruck der Freudlosigkeit. Und ohne diesen Humor zeigte sich deutlich seine Erschöpfung und die unermesslich tiefe Quelle seines Schmerzes, dem sein Pferd am Morgen seine geradezu ohrenbetäubende Stimme verliehen hatte. Plötzlich wirkte er wieder ganz so, wie er damals auf dem aus Gallien heimkehrenden Schiff ausgesehen hatte; fast zerstört von den Geistern seiner eigenen Verzweiflung. Auch damals schon hatte er einen anderen Namen verwendet; und dies vielleicht nicht bloß, um sie zu verspotten.
Breaca riet, versuchte es noch einmal: »Dann eben Valerius. Wenn das besser passt.«
Valerius senkte den Blick, schien nach Worten zu suchen. Als er wieder aufschaute, hatte er wieder zu seinem Humor zurückgefunden, egal, wie schwach dieser auch sein mochte.
»Ja, ich denke, das passt besser. Ich hatte gehofft, dass es das nicht täte, habe sogar darum gebetet, doch die Götter sind klüger. Bán starb bereits vor langer Zeit und kann auch nicht wieder zum Leben erweckt werden. An seiner Stelle siehst du nun Valerius von Nemain und Mithras, einen Träumer, der auch als Krieger einiges Geschick besitzt und dir nun seine Dienste anbietet, sofern du dies wünschen solltest.«
Das war zu viel, um alles auf einmal begreifen zu können. »Von Nemain und Mithras?«, fragte Breaca. »Kannst du denn beiden dienen?«
»So scheint es zumindest. Ich dachte auch, man könne nur einen Gott in sich tragen, aber offenbar ist dem nicht so. Wir haben eine Art... Übereinkunft erzielt. Und die kommt uns allen zugute und könnte auch dir dienen, sofern du dies wünschen solltest.«
Das Gleiche, genau das Gleiche hatte er nur einen kurzen Augenblick zuvor schon einmal gesagt. Breaca hielt den Atem an, wappnete sich damit gegen den Schmerz, und setzte sich auf. »Warum sollte ich das nicht wünschen?«
Valerius sah sie an, schaute durch sie hindurch und blickte auf all das, was sich hinter ihrem Gesicht verbarg. »Als wir uns das letzte Mal begegnet waren, auf einem Schiff, musste mac Calma dich noch davon abhalten, mich umzubringen. Doch er sagte ebenfalls, dass du mich noch brauchen würdest. Was er damals nicht sagte, war, dass er mein Vater ist; dass er folglich auch darum mein Leben schützte.«
Der Bruder, den sie einst gekannt hatte, hätte diese Neuigkeiten wohl ein wenig knapper formuliert vorgetragen. Der Mann, der nun an ihrem Bett saß, konnte dies jedoch nicht mehr; er hatte vergessen, was es bedeutete, ein wenig Nachsicht mit sich selbst zu üben.
Valerius, der ihr Schweigen missdeutete, fuhr fort: »Mac Calma ist aber nicht hier. Ich vermute, das ist kein Zufall, sondern er hatte es so geplant.«
»Damit ich dich nun endlich töten kann, falls mir danach sein sollte?« Sie lachte, und das Lachen schmerzte sie beide. »Ich befinde mich im Augenblick aber wohl kaum in der Verfassung, um noch irgendjemanden zu töten.«
»Darum geht es auch gar nicht.«
Er lächelte nicht; selbst der Sarkasmus, der ihm doch bereits zur zweiten Natur geworden zu sein schien, war nun verschwunden. Stattdessen verschlangen seine Augen sie geradezu, und seine Seele lag offen vor ihr, so dass sie die dunklen Seiten seines Wesens ebenso klar erkennen konnte, wie die Ahnin ihr auch die Dunkelheit in ihrem eigenen Herzen gezeigt hatte. Früher wäre sie darüber entsetzt gewesen, und womöglich hätte sie ihn tatsächlich von sich gestoßen. Nun aber, da sie sich selbst kannte, wie sie sich noch niemals zuvor gekannt hatte, blickte sie durch die Dunkelheit hindurch auf jenen Ort in seinem Herzen, in dem die Götter lebten, und sie sah die Leidenschaft, die diesen Ort mit ihrem Feuer erfüllte und die Valerius die Kraft verlieh, zwei Göttern zugleich zu dienen und dennoch nicht daran zu zerbrechen.
Dann senkte er den Blick, verbarg sein Innerstes wieder. Flach ausgestreckt lagen seine Hände auf ihrem Lager, von Narben überzogen und von der Sonne verbrannt, mit kurz geschnittenen Nägeln und Sehnen, die sich vom jahrelangen Schwertschwingen wie Kordeln über den Handrücken zogen. Seine Hände zitterten leicht und würden auch nicht mehr aufhören zu zittern.
Das Schweigen dehnte sich aus, und Valerius wollte nicht derjenige sein, der es als Erster wieder brach. Er bot ihr seine Seele, und ihre Antwort darauf bedeutete ihm viel, so viel, wie einem nur irgendetwas bedeuten konnte, so viel, vielleicht, wie sein Abschied von Corvus.
Breaca hatte gehört, wie die beiden voneinander Abschied nahmen, und sie hatte auch jene Worte gehört, die keiner von ihnen ausgesprochen hatte, am Morgen, als sie noch unter dem Marterpfahl gelegen hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte sie aber noch nicht gewusst, wer er war, sondern nur die emotionalen Unterströmungen gespürt, die den beiden Männern zu schaffen gemacht hatten. Und sie war sich sicher, wenn sie auch sonst im Augenblick nur wenig mit Gewissheit behaupten konnte, dass man den explosionsartigen Ausbruch von Valerius’ Schmerz, der auf den Abschied gefolgt war und der schließlich den Prokurator getötet hatte, nicht allein als Vergeltungsmaßnahme für das Leid ihrer Kinder verstehen durfte.
Er war ihr Bruder, doch in ihrer beider Adern floss nicht das gleiche Blut, wenn man einmal davon absah, dass ihre Mütter Schwestern gewesen waren. Ganz ohne ihr bewusstes Erleben war Breaca damals erwachsen geworden, noch über das Erwachsensein hinausgewachsen, war die ranghöchste Kriegerin von Mona geworden und schließlich die Bodicea, und bei jedem einzelnen Kampf, jeder einzelnen Schlacht hatte sie diesen Mann in ihrem Herzen getragen, hatte ihn für ihren Bruder gehalten, hatte gedacht, er wäre tot, hatte sich gewünscht, dass er wüsste, dass sie ihn liebte.
Und noch immer wusste er all das nicht.
Sie rückte ein Stückchen an ihn heran, langsam, vorsichtig, bis sie seine beiden Hände mit den ihren umfassen konnte, bis sie das Zittern spürte und es schließlich dazu bringen konnte, aufzuhören. »Vor langer Zeit«, erklärte sie, »habe ich vor der Schlangenträumerin der Ahnen einen Eid geleistet, dass ich alles tun würde, ganz gleich, was dies auch bedeuten mochte, um meine Familie zu schützen. Und diesen Schwur habe ich heute an dem Marterpfahl erneuert, in einem tieferen Verständnis dessen, was mein Eid eigentlich bedeutete. Unabhängig davon, welches Blut nun also in deinen Adern fließen mag, so bist du doch Teil meiner Familie. Auf dem Schiff, das aus Gallien zurückkehrte, hatte ich das vergessen. Das war ein Fehler. Kannst du mir dafür vergeben?«
Er weinte, weinte schon seit einiger Zeit. Sie hielt seine Hand und wartete, und Valerius zwang sich, dieses Mal nicht vor ihr zurückzuzucken, sondern hielt ihrem prüfenden Blick stand, so lange sie es beide nur irgend ertrugen. Dann unterbrach er den Blickkontakt und schaute wieder auf ihre Hände, die die seinen noch immer umfangen hielten.
»Es ist doch nicht an mir, zu vergeben«, widersprach er. »So vieles von dem, was ich getan habe, kann man gar nicht verzeihen, und ich kann auch nichts davon wieder rückgängig machen. Aber wir können vorwärts schreiten und, vielleicht, die gleichen Fehler nicht noch einmal machen. Airmid sagt, du suchst nach Kriegern, mit denen du die Legionen wieder zurück ins Meer jagen kannst. Ich bin zwar nicht der geeignete Krieger, um die endgültige Niederlage Roms zu erringen, sondern vielmehr ein Träumer, der die letzten zwanzig Jahre als Soldat gelebt hat, aber wenn es sein muss, kann ich noch immer kämpfen. Wenn ich dir nun also anböte, für dich zu kämpfen, würdest du dieses Angebot dann annehmen?«
Die ganze Welt schien den Atem anzuhalten, ebenso wie die Ahnin, die nun in Breacas Innerem lebte.
Breaca kostete den Moment zwischen ihnen beiden aus, denn es war ein guter Augenblick, und nur wenige Dinge in der jüngsten Vergangenheit waren so gut gewesen. Dann zog sie Valerius’ Hände an ihre Lippen und küsste sie, anschließend hob sie die Hand und küsste auch seine Wange; er war ihr Bruder, ganz gleich, welches Blut in seinen Adern floss. Das musste sie ihm einfach begreiflich machen.
»Ja, natürlich«, sagte sie. »Ich nehme dein Angebot mit großer Dankbarkeit an und erwidere es; mein Leben für deines, bis in alle Ewigkeit.«
Die Seherin der Kelten
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