Vierundvierzig

»Passt du bei den Orientierungsveranstaltungen in der Schule eigentlich nie auf?«, wollte Katherine wissen, während sie durch die Finsternis des Zeitlosen Raums trieben.

»Hä?«, sagte Jonas.

»Du weißt schon, wenn sie über Impulskontrolle reden und dass man nicht einfach tun oder sagen soll, was einem gerade einfällt, nur weil einem in dem Moment danach ist«, erklärte Katherine.

»Willst du das wirklich wissen?«, sagte Jonas. »Nein.«

Er wünschte, Katherine würde die Klappe halten, damit sie den Definator vielleicht fragen konnten, wohin sie unterwegs waren und was sie erwartete, wenn sie dort ankamen.

Aber wie sollte er das vorschlagen, ohne zuzugeben, dass es besser gewesen wäre, es vorher zu tun?

Er überlegte immer noch hin und her, als sich plötzlich alles beschleunigte. Lichter rasten auf sie zu und Jonas hatte das Gefühl, sein ganzer Körper werde in Stücke gerissen, weil die Schwerkraft, die Zeit und alle anderen Kräfte ihn gleichzeitig in verschiedene Richtungen zogen.

Dann hörte alles auf. Sie waren gelandet.

»Heiß«, stöhnte Katherine. »Viel zu heiß.«

Wahrscheinlich … neues Symptom der Zeitkrankheit, dachte Jonas irritiert. Er ärgerte sich mehr denn je über sein nur stockend arbeitendes zeitkrankes Hirn. Mach schon … mach schon … komm endlich in die Gänge!

Er versuchte die Finger auszustrecken und nach dem Definator zu tasten, doch sie funktionierten nicht besser als sein Gehirn.

Ja, richtig, fiel ihm ein. Katherine hat den Definator in der Hand gehalten, nicht ich. Und sie ist auch zeitkrank, denn sie hat gesagt, dass ihr zu heiß ist.

Jonas konnte sich vage daran erinnern, dass sie bei ihrer Landung auf Hudsons Schiff gefroren hatten und dass es sich dabei nicht um ein Symptom der Zeitkrankheit gehandelt hatte. Es war dort wirklich eiskalt gewesen.

Also war vielleicht auch die Hitze real?

O Mann. Als wir HK 1600 das letzte Mal gesehen haben, war es August, und zwar in einer Gegend, die später einmal North Carolina sein würde. Kein Wunder, dass uns heiß ist, falls das hier immer noch North Carolina im August ist. Oder wieder im August.

Eine halbe Ewigkeit biss er sich an der Vorstellung fest, dass dies ein anderer August sein könnte als der im Jahr 1600 und dass HK immer noch in der Nähe sein könnte. HK, Andrea, Brendan und Antonio könnten 1600 hinter sich gebracht haben und 1601 und 1602 und 

Wird es in North Carolina im Sommer wirklich so heiß?, fragte er sich. Das fühlt sich eher an wie, keine Ahnung … wie Feuer?

Sein ramponiertes Gehirn warf ein kleines Gedicht aus, das seine Englischlehrerin gern zitierte, wenn die Heizung oder die Klimaanlage im Klassenzimmer den Dienst versagten, was recht häufig vorkam: »So mancher sagt, die Welt vergeht in Feuer / So mancher sagt, in Eis …«

Sie hatte dabei immer gelacht, doch für Jonas war das Ende der Welt kein Anlass zum Scherzen mehr.

Auf Hudsons Schiff hat es sich wirklich angefühlt, als könnte die Welt in Eis vergehen, dachte er. Und jetzt, jetzt 

Er merkte, dass er die ganze Zeit über mit geschlossenen Augen dagelegen hatte, weil seine Lider sich so heiß und unangenehm anfühlten. So, als würde er wirklich neben einem prasselnden Feuer liegen.

Vielleicht sollte er sie öffnen und nachsehen, ob das stimmte?

Und sich dann vielleicht fortrollen?

Er schaffte es, seine geschwollenen Lider einen Spalt weit zu öffnen.

Es sah tatsächlich aus, als starre er direkt in Flammen. Er machte die Augen ein wenig weiter auf.

Noch mehr Flammen.

Er schlug die Augen ganz auf und sah immer noch nichts als Flammen. Er starrte auf eine gigantische Wand aus Feuer.

Das direkt auf ihn und Katherine zukam.