Dort sitzt und webt sie Tag und Nacht
ein Zaubertuch von bunter Pracht.
Einst hört’ sie eine Flüsterstimme, verflucht sei sie, hält je sie inne,
um hinabzuschaun nach Camelot.
Der Sinn des Fluchs ist ihr verborgen,
so webt sie gestern, heute, morgen
und kaum beschwert von anderen Sorgen,
die Lady von Shalott.
In einem Spiegel rein und klar,
der vor ihr hängt das ganze Jahr
und der sie mit der Welt verbindet,
sieht sie die Straße, die sich windet
hinab zur Burg von Camelot.
Im Herzen scheint sie froh zu sein,
sie webt ins Tuch die Welt hinein.
Und oft durch nächtlich stillen Hain
ein Trauerzug im Fackelschein
zog hin zur Burg von Camelot.
Und in so mancher Vollmondnacht
hat sie der Liebenden gewacht -
ein Schatten, der sie traurig macht -
die Lady von Shalott.
Und auf des Flusses dunklem Grund
ward schließlich ihr die Wahrheit kund.
Wenn wie in Trance, mit starrem Blick,
erkennend all ihr Missgeschick,
schaut sie hinab nach Camelot.
Die Dämmerung sank schon herab,
ab sie vom Ufer legte ab
und sich der Strömung übergab,
die Lady von Shalott.
Aus »Die Lady von Shalott« von
Alfred Lord Tennyson (1809-1892).