Die Ernährungsberater

Ernährungsberater wollen den Menschen im Kampf gegen das Übergewicht helfen. Lebensmittel sollten bekömmlich sein. Kein Tier käme auf die Idee, etwas zu essen, das es nicht mag oder nicht verträgt. Der Appetit ist uns gegeben, damit wir ihn verwenden. Die Industrie manipuliert und stimuliert den menschlichen Appetit. Auch Ernährungsberater und Diätanbieter wollen den Appetit manipulieren, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Die Vielfalt der Ratschläge, mit denen wir alle buchstäblich erschlagen werden, ist enorm.

Viele Menschen reagieren auf diese Problematik, indem sie nicht mehr das essen, worauf sie Appetit haben, sondern etwas anderes. Darf ich Pommes essen? Nein, ich nehme besser einen Salat. Ein fettes Steak? Nein, ich wähle besser das magere Hähnchenfilet. Der Körper wünscht sich eisenhaltiges Rindfleisch und bekommt weißes Hühnerfleisch. Er möchte einen Apfel und bekommt eine Gurke. Er will Pommes Frites und bekommt eine Kartoffel mit Magerquark. So entsteht ein Konflikt im Inneren des Menschen, der meist mit Schuldgefühlen aufgeladen ist. Oft pendeln Übergewichtige zwischen zwei Zuständen hin und her: Entweder sind sie gerade auf Diät und versagen sich jeden Genuss, oder sie vergessen alle Ratschläge und verspeisen einkaufskörbeweise Industrienahrung. So entstehen Krankheitsbilder wie Binge Eating und Bulimie.

Ernährungswissenschaft

Ärzte, Wissenschaftler und Ernährungsexperten versuchen, über Forschung und Studien nachzuweisen, wie man am leichtesten abnimmt, welche Lebensmittel gesund sind und wo die molekularen Ursachen des Übergewichts liegen. (Oder sie werden von der Industrie bezahlt, um nachzuweisen, dass Joghurt die Abwehrkräfte stärkt.) Viele Mythen von gesunden Lebensmitteln wurden in den letzten Jahren wieder entzaubert. Kaffee ist kein Wasserräuber, Spinat ist nicht besonders eisenhaltig, Fruchtzucker ist schädlich, Vitamine verkürzen teilweise die Lebenserwartung. Die Liste ist endlos.

Die wissenschaftliche Forschung benötigt Jahre bis Jahrzehnte, um Wissen zu erringen, dass dann z.B. in Form von Medikamenten oder sinnvollen Ratschlägen an die Bevölkerung weitergegeben werden kann. Die Diätratschläge wechseln wie die Mode, immer sind die Begründungen logisch und nachvollziehbar, die Konzepte widersprechen sich. In Band 2 dieser Serie kann der interessierte Leser dies nachlesen (Die verrückte Geschichte der Diät).

Über Essen und Nahrung wird viel behauptet. Haben Sie sich einmal überlegt, wie schwierig es ist, zum Thema Ernährung gute und aussagekräftige Informationen zu gewinnen?

Da hat es die Pharmaindustrie vergleichsweise einfach, und auch deren Studien sind teuer und aufwändig in der Durchführung. Möchte man ein Arzneimittel auf seine Wirkung hin prüfen, so werden Probanden rekrutiert und in zwei Gruppen eingeteilt. Die beste Qualitätstufe hat die randomisierte Doppelblindstudie, in der weder Patient noch Arzt wissen, zu welcher der beiden Gruppen der Patient gehört. Die Zugehörigkeit zu den beiden Gruppen wird ausgelost. Man muss die Arzneimittelstudie sehr sorgfältig planen, damit man nachher auch sinnvolle Ergebnisse erhält. Das Anmelden der Studie verhindert, dass man die gestellte Frage im Nachhinein verändert, dies wäre nämlich eine einfache Möglichkeit der Ergebnisfälschung.

Bei Nahrungsmitteln ist es viel schwieriger, gute Studieninformationen zu gewinnen. Man kann z.B. den Gesundheitszustand ganzer Nationen mit den Konsumgewohnheiten vergleichen. Dies hat man in den Sechziger-Jahren gemacht und herausgefunden, dass die Menschen in den Mittelmeerländern weniger häufig unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten. Dies hätte am Wetter, an der guten Luft, am Sonnenschein oder an den Lebensgewohnheiten der Menschen liegen können. Man beschloss, dass es die Ernährung sein musste, die den Effekt auf die Gesundheit bewirkt hat. Das wichtigste Argument der mediterranen Ernährung war gefunden. Heute kämpfen die Menschen in den Mittelmeerländern mit den gleichen gesundheitlichen Problemen wie die anderen Europäer. Warum? Damals wurden viele körperlich hart arbeitende Menschen untersucht, diese gehen heute anderen Tätigkeiten nach und nehmen an Gewicht zu. Findet man also besonders gesunde Menschen in einer Region oder einem Land, kann das Essen dafür verantwortlich sein - oder die Luft, die Lebens- und Arbeitsgewohnheiten, die medizinische Versorgung, ... die Liste ist schier endlos. Auch der Zufall könnte verantwortlich sein!

Die Empfehlungen für den täglichen Vitamin- und Mineralstoffbedarf werden von Experten am runden Tisch getroffen. Wie soll man die optimale Menge herausfinden? In einem Menschenexperiment? Aus ethischen Gründen unmöglich.

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass in diesem Buch oft Ergebnisse mit Ratten oder Mäusen zitiert wurden. Studienergebnisse zur menschlichen Ernährung sind praktisch immer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit fehlerbehaftet. Man kann die Ernährung einer Ratte kontrollieren, die des Menschen nicht oder nur mit hohem Aufwand. Selbst das Ausfüllen eines Ernährungstagebuchs bringt die Wissenschaftler nur begrenzt weiter: Beim Aufschreiben mogeln die meisten Menschen! Man will ja nicht als eine verfressene Person dastehen, da wird die Portion im Tagebuch verkleinert, bis der Eintrag akzeptabel aussieht. Aus der Flasche Rotwein vom Vorabend werden zwei Gläser, nicht dass man noch als Alkoholiker dargestellt wird! Das Kaffeestückchen hat der Studienteilnehmer vorsorglich vergessen. Beim Gewicht schummeln die Menschen ebenfalls, je nach Ausgangssituation wiegen sie bei der Befragung zwei bis fünf Kilogramm weniger als noch am Morgen. Menschen neigen dazu, in Erhebungen ihre Antworten in die Richtung zu biegen, von der sie glauben, dass sie der gesellschaftlichen Erwartung entspricht.