Vitamine und Mineralstoffe in Lebensmitteln

Die Vitamine wurden zwischen 1909 und 1941 nach und nach isoliert. Im Zweiten Weltkrieg verteilten die Nazis in sogenannten Vitamin-Aktionen Vitamine an Schwerstarbeiter, Mütter und Kinder. Seitdem ist der Glaube an die Kraft der Vitamine ungebrochen. Jugend, Fitness, Gesundheit, starkes Immunsystem, Krebsvorsorge - all diese wunderbaren Wirkungen sprechen die Menschen den Vitaminen und Mineralstoffen zu. Je mehr, desto besser. Dieses „Wissen“ ist tief verankert in der Gesellschaft und mit Argumenten kaum noch zu knacken.

Fehlt ein Vitamin vollständig, kommt es zu einer Vitaminmangelkrankheit. Wie viele Menschen kennen Sie, die darunter leiden oder gelitten haben? Niemanden. Neben der Angst vor dem Mangel treibt die Menschen die Hoffnung auf Optimierung der eigenen Gesundheit. Die Tagesdosis für Vitamine wird von den lebensmittelchemischen Gesellschaften und deren Experten am runden Tisch festgesetzt. Wie sollte man die optimale Menge auch experimentell herausfinden? Dazu müsste man Menschen gezielt unter- und überversorgen, aus praktischen und aus ethischen Gründen wäre eine solche Untersuchung niemals durchführbar. Vom Tierversuch kann man nur teilweise auf den Menschen schließen. Beispielsweise stellen die meisten Lebewesen ihr Vitamin C selbst her, nur der Mensch, der Affe und das Meerschweinchen haben diese Fähigkeit im Laufe der Evolution verloren.

Die Nationale Verzehrsstudie II aus dem Jahr 2007 hat zum Thema Vitamine und Mineralstoffe interessante Ergebnisse zutage gefördert. Wie die Auswertung des Max-Rubner-Instituts ergab, nehmen 30 Prozent der Frauen und 19 Prozent der Männer regelmäßig Nahrungsergänzungspräparate ein. Hinzu kommen weitere Personen, die phasenweise (z.B. während einer Erkältung) auf Supplemente zurückgreifen, aber an den zwei Tagen der Befragung gerade keine Präparate verwendeten. Am häufigsten nehmen die Deutschen die Vitamine C und E, sowie die Mineralstoffe Kalzium und Magnesium ein. Die Studie ergab ebenfalls, dass gerade die Menschen Pillen schlucken, die bereits aufgrund ihrer Ernährung eine gute Nährstoffversorgung aufweisen. Wer Pillen nimmt, der hat sie nicht nötig.

Das gute Image der Vitamine nutzt die Industrie und poliert ungesunde Lebensmittel mit den passenden Zusätzen auf. Vitamine bauen sich durch Luft, Licht oder Feuchtigkeit im Laufe der Zeit ab. Deshalb setzen viele Hersteller deutlich höhere Mengen zu als deklariert, damit auf jeden Fall zum Ende des Haltbarkeitsdatums die angegebene Menge noch enthalten ist. Da der Trend zur Vitaminisierung ungebrochen ist, ist bei unglücklicher Auswahl der Lebensmittel heute schon eine Überdosierung möglich. Selbst vor den Kleinsten macht die Industrie nicht halt: Schon in Kinderkakao, Babybrei und Kindermilch sind künstlich zugesetzte Vitamine enthalten. Eltern wollen für ihre Kinder das Beste und werden so zu willigen Opfern der Nahrungsmittelindustrie. Sogar die Verbraucherzentralen warnen bereits vor der Einnahme von Vitaminen.

Der Journalist und Ernährungsexperte Hans-Ulrich Grimm hat die verfügbaren Daten zur krankmachenden Wirkung der Vitamine einmal auf Deutschland hochgerechnet und kam zu der Schlussfolgerung, dass es in Deutschland mehr Vitamintote als Verkehrstote gibt. Er verwendete Zahlen zum erhöhten Sterblichkeitsrisiko durch bestimmte Vitamine und rechnete diese Werte auf Basis amtlicher Zahlen über Verzehr von Vitaminen hoch. Ob diese theoretische Kalkulation wirklich genau so aufgeht, kann man nicht nachweisen, aber die Vorstellung ist erschreckend und nicht unrealistisch.

Einige der heute bekannten Hinweise auf schädliche Wirkungen von Vitaminen und Mineralstoffen sind:

- Ein Zuviel an Kalzium kann Verkalkung und Herzinfarkt fördern

- Vitamin D kann zu Fehlbildungen in der Schwangerschaft führen, man weiß noch nicht, ab welcher Dosis

- Vitamin C ist bei Erkältungen wirkungslos, kann aber die Magenschleimhaut schädigen

- Vitamin E erhöhte in einer Studie das Prostatakrebsrisiko

- Selen bewirkte in einer Studie einen Anstieg der Diabeteserkrankungen

- Vitamin D kann bei einigen Menschen Rheuma und Allergien verschlimmern

Die Auswertung zahlreicher Vitaminstudien durch die anerkannte Cochrane Collaboration ergab, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass gesunde Menschen irgendeinen Vorteil von der Einnahme antioxidativer Vitamine haben.

Einen Überschuss an Vitaminen behandelt der Körper wie jeden x-beliebigen Giftstoff: Er tut sein Möglichstes, ihn auszuscheiden. Dies funktioniert je nach Substanz unterschiedlich gut. Deshalb sind die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K besonders kritisch zu sehen, sie können nicht so leicht aus dem Körper entfernt werden wie die wasserlöslichen Vitamine. Beta-Carotin ist als Provitamin A ebenfalls fettlöslich. Früher haben viele Menschen für die Körperbräune Beta-Carotin eingenommen. Dieses lagerte sich in Haut und Hornhaut ab, weil der Körper es nicht schnell genug entsorgen konnte. Vielleicht haben Sie in den Achtziger- und Neunziger-Jahren auch Personen gekannt, deren Bräune gelblich wirkte und deren Hornhaut eine gelblich-braune, ungesunde Farbe hatte? Beta-Carotin lagert sich neben der Haut auch im Auge ab.

Wer kann das gute Image der künstlich zugesetzten Vitamine und Mineralstoffe erschüttern? Der Glaube wird durch die Werbung weiter gefördert. Das Geschäft mit dem Vitaminen will sich niemand kaputtmachen lassen, erst recht nicht die Hersteller der Produkte. Solche Substanzen gehören nicht in Lebensmittel, erst recht nicht in Kinderlebensmittel. Wenn überhaupt, sollte man künstliche Vitamine und Mineralstoffe nur kontrolliert über Pillen einnehmen: So bleibt die Einnahme wenigstens eine bewusste und persönliche Entscheidung. Alltag ist jedoch, dass die Menschen lieber würfeln.