Geschmacksverstärker

Einer der wichtigen Gründe, warum Menschen mehr essen, sind die eingesetzten Geschmacksverstärker. Der Kinderarzt Prof. Michael Hermanussen bezeichnet den Geschmacksverstärker Glutamat aufgrund dieser Eigenschaft als „Gefräßig-Macher“. Mahlzeiten werden mit größerem Appetit eingenommen, sobald Glutamat enthalten ist. Glutamat erzeugt Fresslust: Menschen kauen weniger und schlucken schneller, sie schlingen, wenn sie glutamathaltige Speisen verzehren. Glutamat bewirkt, dass man insgesamt mehr isst. Schon allein dieser Fakt sollte Sie nachdenklich machen: Glutamat wird Industrienahrung zugesetzt, die reich an Kohlenhydraten und Fetten ist, genau die Bestandteile, die der Stoffwechselforscher Matthias Tschöp im Verdacht hat, die Leptinresistenz im Gehirn auszulösen. So fördert der Geschmacksverstärker, dass Sie mehr von dieser energiereichen Nahrung aufnehmen und folglich eine Leptinresistenz entwickeln. Leptinresistenz wiederum sorgt dafür, dass Sie mehr Hunger bekommen, das Gewicht steigt.

Die sich im Kern des Hypothalamus befindliche Hirnregion Nucleus arcuatus ist mit für die Regulation des Appetits zuständig. Dieser Kern enthält viele Rezeptoren für den Gewichtsregulator Leptin. In Tierexperimenten wurde gezeigt, dass diese Hirnregion durch Glutamat geschädigt wird. In dem Experiment wurde das Glutamat den Versuchstieren direkt unter die Haut gespritzt.

Auch Ratten fressen mehr, wenn sie Glutamat-haltige Nahrung bekommen. Jungtiere wachsen in Fütterungsexperimenten schneller, wenn sie Glutamat bekommen. Der Nucleus arcuatus ist neben der Regulation des Appetits auch in das Wachstum des Körpers involviert.

Warum lieben wir Glutamat?

Die Vorliebe für Glutamat ist dem Menschen angeboren, denn Glutamat ist das Salz der Glutaminsäure, der Aminosäure, die in fast allen Lebensmitteln enthalten ist. Der Anteil am Gesamteiweiß beträgt zwischen 13 und 40 Prozent. Man schmeckt die Glutaminsäure, sobald Eiweiß beginnt, sich aufzulösen. Glutaminsäure ist die häufigste Aminosäure, wenn sich das Protein zersetzt, werden winzige Mengen davon frei. Glutamat ist also ein Signal für leichtverfügbares Eiweiß, und das wiederum ist für den Körper von großem Wert. Früher haben die Menschen die Reste der Beute von Raubtieren mit List in ihren Besitz gebracht, das Fleisch war dann schon gereift und abgehangen. Eiweißreiche Hülsenfrüchte wurden schon vor Jahrtausenden fermentiert, so entstand die Sojasauce, die stark glutamathaltig ist. Die Asiaten nehmen deutlich mehr Glutamat auf als die Menschen in Europa und in den USA, Glutamat wird auch manchmal als „Salz des Ostens“ bezeichnet. Sogar Muttermilch enthält Glutamat, übrigens zehn mal mehr als Kuhmilch.

Glutamat ist eine wichtige Energiequelle für den Körper, er kann die Aminosäure verbrennen oder als Baustoff für die körpereigenen Eiweiße verwenden. Außerdem wird Glutaminsäure im Gehirn als Neurotransmitter eingesetzt, zusätzlich ist es Vorstufe für einen weiteren Neurotransmitter (GABA). Als Neurotransmitter ist Glutamat an Lern- und Gedächtnisprozessen beteiligt, im Hippocampus gibt es die größte Menge an Glutamatrezeptoren.

Zunächst passiert mit dem künstlich zugesetzten Geschmacksverstärker Glutamat genau das Gleiche wie mit dem Glutamat, das im Eiweiß gebunden ist: Es wird über den Dünndarm und das Blut in den Körper aufgenommen und dann den verschiedenen Aufgaben zugeführt. Wie schnell das Glutamat ins Blut gelangt, das hängt davon ab, was gegessen wurde und welche zusätzlichen Lebensmittel verzehrt wurden. Das gebundene Glutamat wird langsamer aufgenommen. Zusammen mit Kohlenhydraten verzehrt, steigt der Glutamatspiegel im Blut ebenfalls langsamer an. Für Glutamat gilt ein ähnliches Prinzip wie für den Zuckerspiegel: Auch Stärke wird langsamer verdaut und aufgenommen, wenn sie zusammen mit Eiweiß und Fett aufgenommen wird.

Seit Jahren macht man sich Sorgen um eine mögliche Gesundheitsschädlichkeit des Glutamats. Glutamat wird von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2016 neu bewertet. Man diskutiert, ob Glutamat bei einigen Menschen Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose auslösen könnte. Glutamat ist ja ein wichtiger Neurotransmitter im Gehirn. Die Tatsache, dass Glutamat zum Mehressen verführt, sollte eigentlich bereits Grund genug sein, Bedenken gegen diesen Zusatzstoff zu haben.

Das Glutamat aus der Nahrung gelangt vom Blut nicht ohne Weiteres ins Gehirn, die sogenannte Blut-Hirn-Schranke lässt nur die Dinge zu den Nervenzellen, die dort auch gebraucht werden. Trotzdem gibt es Diskussionen, ob Glutamat in bestimmte Gehirnbereiche eindringen könnte, an Stellen, wo die Blut-Hirn-Schranke weniger dicht ist. Bei Patienten mit Alzheimer, Parkinson und multipler Sklerose findet man eine erhöhte Glutamatkonzentration im Gehirn. Daher stellt man sich die Frage, ob dies mit der Aufnahme von Glutamat über die Nahrung in einem Zusammenhang stehen könnte. Für Gesunde sieht man derzeit kein Risiko, dass der Glutaminspiegel im Blut einen Einfluss den Glutaminspiegel im Gehirn nehmen könnte. Es besteht Forschungsbedarf, ob es Risikogruppen gibt, die besser auf Glutamat verzichten. Beispielsweise könnten Personen mit einer Leber- oder Darmerkrankung nach dem Verzehr höhere Glutaminspiegel aufweisen, dies könnte ein Risiko darstellen. Weiterhin hat man Glutamat im Verdacht, möglicherweise Asthma und Migräne auszulösen.

Wenn man bedenkt, dass Glutamat eine so wichtige Rolle im Gehirn spielt und dass die Blut-Hirn-Schranke möglicherweise nicht in allen Gehirnregionen gleich dicht ist, so stellt sich die Frage, ob Übergewichtige nicht genauer auf den Glutaminspiegel im Blut achten sollten. Bei den Mäusen, die das Glutamat unter die Haut gespritzt bekamen, wurde eine Hirnschädigung ja nachgewiesen. Aktuell liegt die eiweißreiche Ernährung im Trend, viele Übergewichtige setzen auf einen höheren Eiweißkonsum. Damit halten sie den Blutzuckerspiegel niedrig, dies jedoch auf Kosten eines hohen Glutaminsäurespiegels nach dem Essen. Es stellt sich fast zwangsläufig die Frage, ob nicht auch das Beachten eines maßvollen Eiweißkonsums zur Behandlung des Übergewichts hilfreich sein könnte. Immerhin sind Vegetarier nachgewiesenermaßen seltener von Übergewicht betroffen. Menschen, die gerne und viel Fleisch essen, sind häufig etwas kräftiger gebaut. In einer TV-Dokumentation über Menschen mit extremem Übergewicht von mehr als 200 Kilogramm briet sich einer der Teilnehmer zum Frühstück eine ganze Pfanne voll Koteletts, dies machte mich nachdenklich. Das viele Eiweiß in Kombination mit Fett konnte diese Person offensichtlich nicht sehr lange sättigen.

Während ich bei anderen Themen die vorhandenen Studien genau beschrieben habe, kann ich diesen Gedankengang in keiner Weise wissenschaftlich untermauern, es handelt sich lediglich um eine Argumentationskette aus den vorhandenen Indizien. Mein persönliches Fazit aus diesen Überlegungen sowie aus eigenen Erfahrungen mit einer eiweißreichen Diät ist es, dass ich selbst auf eine bekömmliche Mischkost aus frischen Zutaten setze. Diese variiere ich nach meinem Appetit und meinen Bedürfnissen, Extreme versuche ich zu vermeiden. Das Wort Mischkost bedeutet nicht, den Fokus auf die Kohlenhydrate zu legen. Alle drei Nahrungsbestandteile werden etwa gleich oft verzehrt, möglichst immer in Kombination.

Eine Mischkost hat zwei Vorteile:

1) Die Verdauung dauert länger, wenn Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett gemeinsam verzehrt werden. Damit steigen sowohl der Blutzucker als auch der Glutaminsäurespiegel langsamer an.

2) Verteilt man die Energieaufnahme auf drei Nahrungsbestandteile, so ist die pro Bestandteil aufgenommene Menge kleiner, damit sinkt die Last für den Körper bei der Verarbeitung.

Zahlreiche Studien zeigen, dass der Neurotransmitter Glutaminsäure im Gehirn in die Regulation der Nahrungsaufnahme involviert ist. Deshalb kam man auf die Idee, dass Substanzen, die bei diesem Neurotransmitter eingreifen, bei Übergewicht hilfreich sein könnten. Der Arzneistoff Acamprosat wird zur Unterstützung der Behandlung der Alkoholkrankheit eingesetzt, da Alkoholkranke einen höheren Glutamatspiegel im Gehirn aufweisen (die Ursache ist unklar). Acamprosat soll die Lust auf Alkohol dämpfen, wirkt jedoch nicht bei allen Alkoholikern gleichermaßen gut. Dieser Wirkstoff sowie weitere Substanzen werden gegenwärtig dahingehend überprüft, ob sie bei Essucht und Binge Eating ebenfalls eine Wirkung zeigen.

Weitere Geschmacksverstärker

Die beiden Geschmacksverstärker Inosinmonophosphat (IMP) und Guanosinmonophosphat (GMP) verstärken den Effekt des Glutamats. 95% Glutamat mit 5% Guanylat oder Inosinat ergeben den stärksten Effekt. Als Bestandteil der RNA kommt Guanylat in allen Zellen bei Mensch und Tier, und somit in allen Lebensmitteln vor. Inosinat ist ein zentraler Bestandteil des Purinstoffwechsels in allen Lebewesen. Guanylat und Inosinat sind also natürliche Bestandteile der Nahrung, die normalerweise im Lebensmittel gebunden sind. Sind sie frei im Lebensmittel enthalten, suggerieren sie unserem Geschmackssinn, dass das Lebensmittel bereits anverdaut wurde und somit leichter bekömmlich ist.