Warum überessen Menschen sich?

Industrienahrung täuscht dem Gehirn die Anwesenheit von Inhaltsstoffen vor, die nicht im Essen enthalten sind. Das über viele zehntausend Jahre eingespielte System wird so ständig unterwandert. Immer mehr Menschen haben mit der Nahrung ein Problem, es stellt sich die Frage nach möglichen Ursachen. Ist es lediglich die Menge des vorhandenen Essens oder spielt auch die Zusammensetzung eine Rolle? Zahlreiche Hinweise deuten darauf, dass die Industrieprodukte einen nicht unerheblichen Anteil an der bedenklichen Entwicklung haben.

Der Wissenschaftler Anthony Scriffano hat im Jahr 1974 Ratten mit Essen aus dem Supermarkt statt mit Rattenfutter gefüttert. Ratten bevorzugen genau wie der Mensch kalorienreiche Nahrung, um ihr Leben in Phasen der Nahrungsknappheit zu schützen. Scriffanos Supermarkt-Ratten nahmen an Gewicht zu und waren deutlich schwerer als die Ratten im Nachbarkäfig.

Zum Jahreswechsel 2012/2013 machte Tim Mälzer mit dem ARD-Dreiteiler Ernährungs-Check auf sich aufmerksam. In der von der ARD medial begleiteten Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg wurden 45 männlichen Studenten in drei Gruppen eingeteilt: eine Gruppe bekam mediterrane Kost, die zweite Gruppe eine deftige Hausmannskost und die dritte Gruppe Fast Food.

Alle Mahlzeiten wurden nach einem grammgenauen Plan der Universität Heidelberg frisch in Tim Mälzers Testküche hergestellt, auch die Fast Food-Gruppe hat ihre Pommes und Burger in hochwertiger Zubereitung erhalten, also frei von industriellen Zusätzen. Produkte wie Würstchen in der Hausmannskost-Gruppe könnten natürlich die üblichen Zusatzstoffe enthalten haben.

Vor und nach dem Experiment wurden die Blutwerte der Probanden untersucht. Man rechnete damit, dass die Fast Food-Gruppe hinterher andere Blutwerte aufweisen würde als die Gruppe, die viel Gemüse erhalten hatte. Erstaunlicherweise konnte man keine Unterschiede zwischen den Gruppen messen, nur der Vitamin C-Wert der Burger-Gruppe war etwas niedriger, jedoch hätte bereits ein wenig Orangensaft ausgereicht, um auch diesen Wert nach oben zu korrigieren.

Die täglich aufgenommenen Kalorien waren genau festgelegt, alle drei Gruppen erhielten die gleiche Menge Energie. Wenn also die Kalorienmenge von außen beschränkt ist, dann macht es für die menschliche Gesundheit zumindest über einen Zeitraum von drei Wochen keinerlei Unterschied, welche Art von Nahrung man aufnimmt.

Der wesentlich spannendere Teil spielte sich gegen Ende des Experiments ab: Die Burger-Gruppe rebellierte wenige Tage vor Ende der dreiwöchigen Untersuchung: Sie waren so hungrig, dass sie entschlossen waren, die Teilnahme vorzeitig zu beenden! Bei gleicher Kalorienmenge wurden die Teilnehmer der Fast Food-Gruppe nie richtig satt. Schließlich wurde in Absprache mit der wissenschaftlichen Studienleitung die Kalorienmenge in allen drei Gruppen erhöht. Dies wiederum stellte die Gruppe mit der mediterranen Kost vor eine Herausforderung. Deren Portionen wurden so groß, dass sie jetzt Mühe hatten, das ganze Essen zu verzehren.

Man kann aus dem Experiment den Schluss ziehen, dass energiedichte Nahrung wie Fast Food, die Fette, Zucker und Kohlenhydrate auf engstem Raum kombiniert, es dem Menschen sehr schwer macht, mit der gleichen Menge an Kalorien zufrieden zu sein wie bei einer anderen Kost. Frisch hergestelltes Fast Food zeigt keine messbare Beeinträchtigung der Blutwerte, erhöht jedoch das Verlangen nach mehr Kalorien.

Tim Mälzers Fazit: „Wer dabei (beim Essen) einigermaßen maßhält, frisch kocht und auf allzu viel Industriekost verzichtet, ernährt sich grundsätzlich richtig“.