Außen hui, innen pfui! - Der schöne Schein der Verpackung

Im Supermarkt investiert ein Kunde nur Bruchteile von Sekunden in die Produktentscheidung. Die Verpackung bestimmt maßgeblich mit, ob das Lebensmittel gekauft wird. Durch Werbung ist der Kunde vorher schon beeinflusst worden. Um die Schlacht am Supermarktregal zu gewinnen, werden Produkte ansprechend gestaltet und mit Zusatznutzen beworben.

In letzter Zeit wird immer häufiger beobachtet, dass Lebensmittel als „frei von …“ beworben werden. Gummibärchen und Schaumzuckerwaren enthielten noch nie Fett und werden als fettfrei beworben. Schnittkäse enthielt noch nie Milchzucker (Laktose), geworben wird mit „laktosefrei“. „Frei von künstlichen Geschmacksverstärkern“ hindert kein Unternehmen daran, den Geschmacksverstärker in Form von Hefeextrakt, pflanzlicher Würze oder Sojasauce zuzusetzen. „Frei von künstlichen Aromastoffen“ ist ebenfalls ein beliebter Aufdruck. Heute verwenden Hersteller fast nur noch natürliche Aromastoffe, die jedoch auch aus einem Misthaufen stammen könnten.

Steht „Eiscreme Vanille“ auf der Packung, muss das Aroma aus der Vanilleschote stammen. Stattdessen kann der Hersteller auch „Vanillegeschmack“ schreiben oder ein minimal abgeändertes Kunstwort wie „Vanilla“ verwenden. In der Hektik des Einkaufs achtet kaum ein Verbraucher auf den veränderten Buchstaben und seine Bedeutung: Das Produkt enthält dann keine Vanille. Auf der Vorderseite wird mit vollmundigem Vokabular eine Scheinwelt erzeugt, die Verkehrsbezeichnung des Lebensmittels drucken die Hersteller klitzeklein auf die Rückseite der Verpackung, hier muss korrekt deklariert werden. Auch hier wird eine geschickte Formulierung gewählt, bei der man auf jedes Wort und jeden Buchstaben achten muss, möchte man wirklich wissen, was man in Händen hält. Bei einem Fetakäse machen die Formulierungen „mit Ziegenmilch“ und „aus Ziegenmilch“ einen großen Unterschied. Das Produkt mit Ziegenmilch besteht hauptsächlich aus Kuhmilch.

Die in der Verkehrsbezeichnung angegebenen Lebensmittel müssen mengenmäßig gekennzeichnet werden (Mengenkennzeichnungspflicht). Das gilt auch für Zutaten, die durch Worte oder Bilder auf der Verpackung angegeben werden. Durch den Zusatz „Serviervorschlag“ kann der Hersteller diese Pflicht umgehen und auch Lebensmittel abbilden, die nicht im Produkt enthalten sind.

Bitte lächeln! Lebensmittelfotografie

Echte Lebensmittel sehen nicht immer schön aus: Bier verliert schnell die hübsche Schaumkrone, Gekochtes hat oft blasse Farben, Gebackenes ist ungleichmäßig gebräunt. Deshalb werden für Werbeaufnahmen Lebensmittel gezielt in Szene gesetzt. Man benutzt Farben, Lacke, Glycerin, Holz, Gummi, Styropor, Wachs, Autopolitur und Sekundenkleber. Ein Brathähnchen wird mit Papier ausgestopft, bis es rund ist. Die Schenkel werden mit Sekundenkleber in die richtige Position gebracht. Die Haut wird festgezogen und mit Nadel und Faden befestigt. Es folgt ein Lack aus dunklem Gewürzöl, dann kommt das Hähnchen kurz in den Ofen. Mit einem Gasbrenner wird gezielt nachgebräunt. Suppe wird auf einen Spiegel aus Gelee gegossen, damit die Suppeneinlage nicht nach unten sinkt. Mayonnaise wird mit Pudding optisch aufgewertet, der Pizzaboden mit einer Farbspühpistole nachgebräunt. Food Stylisten haben viele Tricks auf Lager, die Frische suggerieren. Im Hintergrund werden zusätzlich appetitliche Dinge dekoriert. Die fertigen Bilder können mit Hilfe von Bildbearbeitungssoftware weiter verschönert werden, bis sie mit der Realität gar nichts mehr gemeinsam haben. Man aktiviert wichtige Schlüsselbilder im Kopf des Kunden, da muss alles perfekt sitzen.

Mit dem Inhalt der Verpackung gibt man sich oft weniger Mühe, so hat es jedenfalls den Anschein: Die Verbraucher haben sich daran gewöhnt, dass Inhalt und Foto optisch nichts miteinander gemeinsam haben, da Verpackungsoptimierung gängige Praxis ist. Vergleicht man Verpackung und Inhalt auf einem Foto direkt nebeneinander, muss man sich wundern, dass diese beschönigenden Darstellungen heute nach wie vor erlaubt sind. Hin und wieder kursieren Vergleichsfotos im Internet, wir schauen sie an, amüsieren uns und vergessen das Thema wieder.