Karneval der Früchte

Früchte sind unterschiedlich teuer, ein Schälchen Himbeeren ist wertvoller als die gleiche Menge Äpfel. Äpfel, Orangen und Cranberrys sind die günstigsten Fruchtrohstoffe, Himbeeren, Erdbeeren oder Heidelbeeren belasten das Budget der Einkäufer. Trotzdem werden viel mehr Erdbeerjoghurts als Apfeljoghurts verkauft. Um Kosten zu sparen, fruchten die Hersteller die Früchte um oder verwenden Formfrüchte. Formfrüchte werden aus Fruchtstücken und Fruchtmus mit Hilfe von Verdickungs- und Geliermitteln zusammengefügt, mit Pflanzenextrakten gefärbt und passend aromatisiert. Auf der Produktverpackung sind saftige Himbeeren abgebildet, das Lebensmittel enthält rot gefärbte, aromatisierte Apfelstückchen. Durch ein wenig zugesetzten Himbeersaft darf die Himbeere mit in die Zutatenliste. Gerstenflakes werden ebenfalls eingesetzt, um Fruchtstücke zu simulieren.

Beim Umfruchten stellt man aus einer kostengünstigen Frucht eine teure Frucht her. Cranberrys ersetzen teure Kirschen. Im Prozess des Umfruchtens wird der Cranberry-Geschmack entfernt, die Cranberry gezuckert und neuer Geschmack mit der passenden Farbe zugesetzt.

Trotz der Schummelei punkten die Hersteller mit einem hohen Fruchtanteil auf der Verpackungsvorderseite. Welche Frucht, das wird verschwiegen. Statt Mango und Maracuja verwenden Hersteller häufig Orangensaft, der mit den passenden Aromen verändert wird. In Fruchtsäften wird die teure, namensgebende Frucht mit günstigem Apfel- oder Orangensaft gestreckt. Die Verbraucherzentralen analysieren regelmäßig Produkte und vergleichen den Anschein mit den tatsächlichen Inhaltsstoffen.

Ein Joghurt, der sich als Fruchtjoghurt bezeichnet, muss mindestens sechs Prozent Fruchtanteil haben. Das bedeutet nicht, dass es sich bei Erdbeerjoghurt um Erdbeeren handeln muss, der Gesetzgeber erwartet nur irgendeine Frucht. Sind noch weniger Früchte enthalten, wird das Produkt deklariert als „mit Fruchtzubereitung“ (mindestens 3,5 Prozent Fruchtanteil). Steht „mit Fruchtgeschmack“ drauf, müssen gar keine Früchte enthalten sein.

Fruchtjoghurts haben einen Marktanteil von etwa 80 Prozent, nur jeder fünfte gekaufte Joghurt ist ein Naturjoghurt. Das ist unverständlich, denn es gibt kaum ein anderes Produkt, das man mit so einem großen Qualitätsgewinn und so geringem Zeitaufwand selbst zusammenrühren kann. Kaufen Sie doch lieber einen Naturjoghurt, und ergänzen Sie frisches Obst oder Früchte aus der Tiefkühltruhe, Honig, Zucker oder Schokoflocken selbst.

Meine persönliche Hypothese, weshalb Menschen sich den Joghurt nicht selbst zusammenstellen: Sie trauen sich nicht, die gleiche Menge Zucker hinein zu löffeln wie die Industrie. Ein handelsüblicher Fruchtjoghurt enthält etwa einen Esslöffel voll Zucker pro 100 Gramm Joghurt, das sind 15 Gramm. Würden Sie in einen 250-Gramm-Becher Joghurt ohne schlechtes Gewissen zweieinhalb Esslöffel Zucker rühren? Die meisten Verbraucher nehmen vielleicht zwei Teelöffel. So ist das selbst gemachte Produkt weniger süß und verliert im Vergleich zum Industrieprodukt. Zucker hat zahlreiche negative Auswirkungen auf den Körper, trotzdem wäre es ein gesundheitlicher Vorteil, wenn mehr Menschen den selbst gemachten Fruchtjoghurt mutig süßen würden, statt das Kunstprodukt der Industrie zu kaufen. Bei gleichem Zuckergehalt wäre dies immer noch das hochwertigere Produkt. Nach und nach kann man dann immer noch die Zuckermenge reduzieren und sich an ein weniger stark gesüßtes Produkt gewöhnen.