Jahr Zwei, 01. Oktober. Mittag

»Wie es scheint, bin ich nur von unfähigen Nichtskönnern umgeben. Drei Dutzend Männer. Sieben Hubschrauber. Maschinenkanonen und Raketen! Die schaffen es nicht einmal, ein kleines Dorf voller Hippies auszuräuchern! Verdammt noch mal. Muss man denn hier alles alleine machen?«

Marschall Gärtner tobte bereits seit einer halben Stunde ununterbrochen. Niemand in der Kommandozentrale wagte ein Wort dagegen zu sagen oder gar Kritik an dem von Gärtner befohlenen Einsatz zu äußern, der ein ausgesprochen desaströses Ende gefunden hatte. Der Marschall stampfte durch die Zentrale und fuchtelte wild mit den Armen, während er herumschrie. Die Operatoren und zahlreiche weitere Funktionsträger drängten sich in die Ecken, beugten sich scheinbar höchst angestrengt konzentriert über ihre Computerphalanxen und Tastaturen, während der Chef Amok lief. Doch nun verlangte es Gärtner nach konkreteren Zielen für seine Wutausbrüche. Den Schweizer erwischte es zuerst.

»Sagen Sie mal, Ruetli, was sind das für Piloten, die Sie da beschäftigen? Was haben die vorher geflogen? Verzauberte Kaffeemühlen? Lassen sich von ein paar wild gewordenen Kleingärtnern vom Himmel blasen wie gottverdammte Anfänger? Feuerwerk! Mit simplen Silvesterböllern hat Bulvey ihre Piloten erschreckt!«

Ruetli machte einen Fehler, als er antwortete. Sein Fehler war nicht, was er sagte, sondern, dass er überhaupt etwas sagte.

»Verzeihen Sie, Marschall, aber auf die, nun ja, technischen Fertigkeiten dieser Leute waren unsere Piloten nicht vorbereitet, es …«

»Nicht was? Vorbereitet

Gärtner brüllte den kleinen, untersetzten Alpenbewohner in einer Art zusammen, dass man meinen konnte, ihm würde es gleich die Frisur verwehen.

»Sagen Sie mal, wofür tragen Sie Vollversager eigentlich diese Sterne auf Ihren Schulterstücken? Arbeiten Sie beim Zirkus Roncalli? Sie sind der General und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, und Ihre Piloten haben auf jede Eventualität vorbereitet zu sein, selbst wenn der Gegner mit Katzendreck werfen sollte! Ihre Piloten haben im Einsatz vollkommen versagt.«

Er wandte sich abrupt zu Admiral Hershew um.

»Und Sie brauchen gar nicht so dämlich zu grinsen, Hershew. Ihre Marineflieger haben sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Piloten haben es nicht einmal für nötig gehalten, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sie haben sich vom Himmel holen lassen wie dumme Schuljungen.«

Hershew wollte eben ansetzen, als Gärtner ihn mit einer herrischen Geste zum Schweigen brachte.

»Erzählen Sie mir bitte nicht, dass Sie das mit den Raketen nicht wissen konnten. Ihre Piloten haben sich aufgeführt, als wären sie auf einem Sonntagsausflug des Schullandheims und nicht in einem Kriegseinsatz. Womit ich bei der nächsten Truppe wäre …«

Nun wandte Gärtner sich an General Pjotrew, der am Tisch saß und die vorhandenen Einsatzdaten auf einem Tablet-PC durchsah. Er hob langsam den Kopf, saß kerzengerade und sah seinem Vorgesetzten direkt in die Augen.

»Sie, Mikail, haben mich eigentlich am meisten enttäuscht. Ich hatte große Erwartungen in ihre drei Bodenteams gesetzt, und selbst unter der Einschränkung durch den Pfusch, den Ihre Kameraden abgeliefert haben, wäre es möglich gewesen, die Operation durchzuführen. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?«

Pjotrew ließ eine Sekunde verstreichen, dann erwiderte er ruhig und gelassen:

»Zu meiner Verteidigung habe ich nichts zu sagen, Herr Marschall. Die Einsatzteams wurden von Gegnern besiegt, die ihnen auf eine Weise überlegen waren, die ich noch nicht erklären kann. Da die Bilder zum Kernkampf fehlen, kann ich mir dazu keine abschließende Meinung bilden. Sollten Sie mit meiner Leistung nicht zufrieden sein, erwarte ich meine Ablösung.«

Gärtner holte tief Luft und schnaufte.

»Ach, Mikail, was würde ich nur ohne Sie tun. Sie sind wenigstens bereit, die Verantwortung für Ihr Handeln zu übernehmen und schieben nicht die Schuld auf andere. Das nenne ich Soldatenehre. Aber treiben Sie es mir nicht zu weit damit. Das Scheitern der Mission ist und bleibt ein grandioses Versagen von Ihnen dreien. Mikail, wie schnell können Sie neue Teams zusammenstellen?«

Ruetli mischte sich ein.

»Sie wollen da noch mal runter?«

»Aber selbstverständlich, was dachten Sie denn?«

»Herr Marschall, wir können für eine neue Operation dieser Art keine Helikopter mehr entbehren. Die meisten Waffenträger haben wir an der Ostgrenze im Einsatz. Wir können dort nicht eine Maschine entbehren, denn wir haben deutliche Hinweise, dass sich im Osten große Zombieherden zusammenrotten. Und unsere Meteorologen haben vorausgesagt, dass die Großwetterlage sich bald ändern wird, was bedeutet, dass mehr von den jetzt noch durch Frost gebundenen Zed-Potenzialen freigesetzt werden. Wenn wir nun unsere Luftwaffe weiter zweckentfremden, dann …«

Das Weiße in Gärtners Augen füllte sich zusehends mit Rot. Pjotrew mutmaßte, der Schweizer würde den Tag nicht überleben, ginge das jetzt so weiter. Gärtner polterte weiter:

»Weiter zweckentfremden? Sagen Sie, geht es Ihnen womöglich nicht gut? Ich erteile Befehle, und Sie nennen es zweckentfremden? Was bilden Sie sich eigentlich ein, Ruetli? Ich will mal zu Ihren Gunsten annehmen, dass Sie sich der Wichtigkeit dieser Mission nicht bewusst sind, und dass Ihr Gehirn eine Lochstruktur aufweist, die einem Schweizer Käse zur Ehre gereichen würde. Von dieser Mission hängt die Zukunft der gesamten Menschheit ab. Wenn wir das T93-Anti-Gen nicht bald in Händen halten, dann können wir in absehbarer Zeit als Seniorenclub mit gepanzerten Rollatoren gegen die Zeds antreten. Ich will Ihnen mal zugutehalten, dass Sie eventuell nicht richtig nachgedacht haben, als Sie das eben vom Stapel gelassen haben.«

Der Schweizer sackte in sich zusammen.

»Natürlich, Herr Marschall, ich habe wohl vorschnell gesprochen. Bitte, mir das nachzusehen. Ich wollte nicht ungebührlich erscheinen.«

Speichellecker, dachte Pjotrew und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu. Die Besprechung würde sicherlich noch einige Zeit andauern, denn es sah nicht danach aus, als habe der Marschall sein cholerisches Pulver bereits zur Gänze verschossen.