Jahr Zwei, 01. Oktober. Morgen VI

Alv, Juri und drei seiner Leute liefen, stets Deckung suchend, die Rue de la Salasse hinunter zur Südspitze des Dorfes. In diesem Areal lagen sowohl die Tischlerei als auch die Schmiede. Hier hatte sich Sepp Falkner mit zwei Dutzend Männern verschanzt.

Als sie den Posten erreichten, wies Juri seine Leute an, mit in die Stellung zu gehen, während er sich mit Alv zu Sepps Position vorarbeitete. Die Russen wurden von den Verteidigern freundlich aufgenommen, denn hier konnte man jede helfende Hand gebrauchen.

Alv und Sepp begrüßten sich mit einem kurzen Nicken, Leutnant Paladin wurde kurz vorgestellt.

»Wie steht es?«, fragte Alv.

»Irgendwo unten im Hang stecken die. Halten sich bedeckt, aber ich wette, die rücken Stück für Stück vor.«

In diesem Moment konnte man die Schießerei an der Südwestecke vernehmen. Juri mischte sich ein.

»Dort hinten greifen Amerikaner an, Seals, Zwölfmannteam.«

»Das MG ist von uns«, erwiderte Sepp.

Kurz darauf wurde es wieder still im Westen. Der russische Offizier deutete auf das Gebiet südlich, wo der Hang von dichten Büschen bestanden war.

»Dort ist der Hubschrauber der Briten runtergegangen.«

»SAS?«, fragte Sepp.

»Ja, harte Burschen. Ebenfalls ein Dutzend. Die sind gefährlicher als die Amerikaner. Diese Cowboys sind zu wild und zu ungestüm. Schätze, meine Männer sind schon dran. Aber hier wird es schwieriger.«

Alv nickte zustimmend und erwiderte:

»Okay, dann werden wir die Ratten mal aus dem Busch treiben.«

Juri sah ihn fragend an.

»Na ja«, meinte Alv, »wenn du eine Ratte aus dem Busch jagen willst, schick eine Katze hinein.« Er nickte Sepp zu. Der gab zu beiden Seiten Handzeichen und seine Männer aktivierten drei Hydraulikpumpen.

Draußen, vor den längs zu einer Mauer verbauten Überseecontainern, standen drei Container auf Gerüsten, die mit einem Mechanismus verbunden waren, der sie in der Waage hielt.

Die Hydraulik drückte nun die äußeren Streben weg, während ferngezündete kleine Thermitladungen soeben die Scharniere der Türen durchbrannten. Scheppernd fielen die Stahltüren zu Boden. Gleichzeitig kippten die Container nun nach außen in eine starke Schieflage, die der Hangneigung entsprach, und fast zweihundert ausgehungerte Zombies purzelten aus den Eisenboxen heraus den Südhang hinunter.

Einige der lahmsten Zeds waren von ihren Artgenossen während des Verweilens in den Boxen an- und sogar aufgefressen worden, aber die meisten Walker und vor allem Hunter waren gierig und hungrig. Sie gebärdeten sich wie wild und kreischten nervös. Die Container entluden sich wie Mülltonnen auf dem Abfuhrwagen und entließen ihre stinkende Fracht in die Umgebung.

Die Jäger-Zeds fingen sich recht schnell und schnüffelten aufgeregt. Da sie wegen des T93 keine Witterung aufnehmen konnten, rannten sie ziellos umher auf der Suche nach Beute. Ihnen standen alle Sinne nach frischem, warmem Menschenfleisch. Die Walker purzelten völlig unkontrolliert den Hang hinunter und blieben irgendwann bei den Büschen unten liegen, wo sie sich unbeholfen aufrappelten und stöhnend umherzogen.

Nun kam Bewegung in die Szenerie dort unten. Die ersten Walker prallten mit zerplatzenden Köpfen zurück. Das machte es Sepp, Juri und ihren Leuten schon leichter, die Standorte der Soldaten zu bestimmen.

Wer konnte, schraubte einen Schalldämpfer auf, die anderen wurden instruiert, erst zu schießen, wenn die Mauer direkt verteidigt werden musste, um die Zeds nicht durch den Lärm anzulocken.

Alle schwiegen, und nur ein paar leichte Plopp!-Geräusche verrieten, dass hüben wie drüben geschossen wurde. Alv hatte seine HK417 von der Schulter gleiten lassen und zielte sorgfältig. Da! Ein Zed brach zusammen.

Anhand der Richtung, in die sein Kopf geworfen wurde, konnte Alv die wahrscheinliche Schussbahn extrapolieren. Sie führte zu einem Dornbusch, der auf einem kleinen Felsvorsprung wuchs.

Alv konzentrierte sich auf diesen Punkt, und einige Momente später bewegte sich dort etwas. Plopp! Sekunden darauf sackte ein britischer Soldat nach vorn. Treffer.

Unten im Gebüsch waren die Zeds den Soldaten inzwischen so nah gekommen, dass diese die Nerven verloren, und mit ihren Kampfmessern auf die Schädel der Zeds einstachen. Das kostete fünf SAS-Männer in den folgenden Minuten das Leben. Bewegung bedeutete Tod da draußen. Stillhalten ebenso. Die Anzahl der Angreifer an dieser Stelle war erheblich geschrumpft, allerdings wandten sich auch einige der Zeds nun in Richtung Dorf, weil von dort Geräusche zu vernehmen waren. Die Walker, die sich der Mauer näherten, beachteten die Verteidiger nicht. Sie würden es nicht schaffen, die Balustraden zu überwinden, zumal auf der Mauer noch immer die beweglichen Rollfässer angebracht waren, die ein Überklettern unmöglich machten. Aber die Hunter mussten am Wall eliminiert werden, denn sie besaßen eine wesentlich größere Agilität und konnten an den Containern emporklettern.

In den Schießscharten zwischen den riesigen Boxen standen nun einige von Sepps Männern mit langen spitzen Stangen, um jedem Zed, der sich näherte, einen solchen Stahldorn ins Gehirn zu stoßen.

»Da!«

Sepp deutete auf einen Bereich des Hangs, an dem vier SAS-Kämpfer über den Boden robbend versuchten, ihre Stellung weiter nach Osten zu verlagern. Ihre beiden Kameraden saßen hinter einem großen Felsblock und schossen auf die Zeds, die sich ihnen näherten. Alv erkannte die Chance und nickte. Sepp kroch einige Meter weiter und zog an einem großen Hebel, der einen Elektromotor in Gang setzte.

Was die robbenden SAS-Kämpfer nicht wussten, war, dass diese Schneise nicht ohne Grund gelichtet dalag. Es handelte sich nämlich um eine der Rollbahnen für die Zombieschredder, die Eckhardt mit den Dorfschraubern zusammen konstruiert hatte.

In diesem Moment klinkte Sepp eines der Fünfhundert-Kilo-Geräte aus und die mächtige, mit Klingen und Dornen versehene Walze rollte den Hang hinab. Eine halbe Minute später kündeten markerschütternde Schreie an, dass die Killerwalze ihr Ziel nicht verfehlt hatte.

Das Stahlmonster hatte die Soldaten völlig unvorbereitet erwischt und sie aufgespießt. Die Körper der Soldaten steckten auf den Dornen der Walze, die davon völlig unbeeindruckt weiter zu Tal rollte. Die Zombies rotteten sich zusammen und folgten der Walze zu Dutzenden, was wiederum deren Verderben bedeutete, denn Sepp startete in derselben Bahn den zweiten Zombieschredder.

Von den SAS-Kämpfern waren nur noch zwei übrig, diese jedoch hatten in der allgemeinen Verwirrung schnell ihre Stellung verlassen und sich aus dem Sichtbereich der Verfolger verabschiedet. Aber sie waren noch immer da, was die Verteidiger daran merkten, dass nach und nach acht Leute fielen.

Mindestens einer der beiden SAS-Kämpfer musste ein ausgezeichneter Scharfschütze sein und in einem der umliegenden Baumwipfel Position bezogen haben. Mit ihren Feldstechern suchten Alv und Sepp den östlichen Bereich ab, was sich jedoch als schwierig herausstellte, da die Angreifer die aufgehende Sonne im Rücken hatten.

Mit einem Mal ruckten die Köpfe nach rechts. Von der Kirche hallten Schüsse herüber. Alv hörte Eckhardt schreien.