Jahr Zwei, 28. September. Morgen II

»Du hast WAS genau vor?«

Selten blieb Eckhardt die Spucke weg, aber diesmal wurde ihm der Mund trocken. Er saß mit Alv Bulvey und Sepp Falkner bei Birte im Wohnwagen-Vorzelt und trank Kaffee. Der Morgen hatte sich eben erst von der Nacht gelöst, er zeigte sich ausgesprochen milde und überall duftete es nach Hopfen. Holger und Ralle hatten das ausgeheckt. Im Frühjahr hatten sie von irgendeiner Tour Hopfensamen mitgebracht und schlugen mit der Idee auf, man könne doch Bier brauen. Alvs Rezeptsammlung gab diesbezüglich einiges her, und mit gärenden Ingredienzen kannten die beiden Biogas-Produzenten sich ja mittlerweile aus. Alv und Eckhardt schüttelten ob dieser seltsamen Idee zwar bisweilen die Köpfe, aber so ein Projekt machte sich gut, verhinderte es doch, dass die beiden Tausendsassas auf dumme Gedanken kamen.

»Ich habe vor«, entgegnete Alv gelassen, »unsere Besucher mit ein paar Spezialitäten der Region zu empfangen, wenn sie sich schon die Mühe machen, hier einzufliegen. Ich dachte da an mort-vivant à la provence. Da freuen die sich bestimmt total drüber!«

»Im Ernst jetzt …«

»Also gut. Ich plane, eine Tour nach Carcassonne zu unternehmen und ein paar Zeds einzufangen. Vorzugsweise mindestens eine ganze Lkw-Ladung voll. Meine Idee ist, im Vorfeld des Angriffs dafür zu sorgen, dass die Spezialkräfte außerhalb des Dorfes abgesetzt werden. Das geht nur im Osten an der Zufahrt, da haben sie etwas Deckung. Also platzieren wir einen oder zwei Auflieger voll mit Zeds, am besten mit ein paar Huntern darunter, im Eingangsbereich und an der Ostseite. Und wenn die Party beginnt, lassen wir die Zeds frei, um etwas Verwirrung zu stiften.«

Eckhardt verzog ein wenig das Gesicht. Er nahm einen guten Schluck heißen Kaffee, was Birte dazu veranlasste, sich einzumischen.

»Aber mal ehrlich jetzt. Haben wir nicht schon Ärger genug? Nicht genug, dass hier in wenigen Tagen schwer bewaffnete Soldaten rumballern, um uns alle – na ja … fast alle – zu töten, nun sollen wir uns auch noch Zombies importieren? Bin ich eigentlich die Einzige hier, die das total bescheuert findet?«

Alv lachte. Eckhardt mittlerweile auch. Sepp wirkte nachdenklich und warf ein:

»Ganz so bescheuert ist die Idee vielleicht nicht. Wenn wir direkt im Anflug der Truppentransporter heftige Gegenwehr leisten, dann sind sie gezwungen, ihren ursprünglichen Plan zu ändern. Denn ich wette, sie haben vor, sich im Dorf abzuseilen. Wichtig wäre zuerst, aus Tarnnetzen, Drahtseilen und lauter solchem Klimbim in den hohen Baumkronen eine Art wirres Netz zu spinnen, damit die Helis nicht runterkommen können. Dann müssen sie ausweichen und die Männer außerhalb absetzen. Sie werden sich in breiter Front formieren, um uns von mehreren Seiten anzugreifen und das Dorf zu stürmen. Alvs Vermutung mit der Ostseite ist nicht abwegig. Wenn wir dann Zeds freisetzen, bringt das Unruhe in ihre Front und verschafft uns ein weiteres Überraschungsmoment. Das könnten wir nutzen, um einen eigenen Angriff auszuführen und aus der Deckung von erhöhten Positionen Vorteile herauszuarbeiten. Natürlich funktioniert das nur, wenn es uns gelingt, die Kampfhubschrauber zu eliminieren beziehungsweise ausgiebig zu beschäftigen. Wenn nicht, haben wir leider wenig Chancen.«

Birte sah ihn völlig entgeistert an. Ihre Kaffeetasse kippte langsam, im Zeitlupentempo, zur Seite, und hätte Alv diese nicht freundlich lächelnd gestützt, wäre ein Kaffeefleck von nicht voraussehbarer Größe zur Zierde von Birtes Hose geworden.

»Das … das ist doch total irre, Mann! Ihr habt sie doch echt nicht alle!«, platzte sie heraus. Aber Alv wiegelte ab:

»In einem Kampf, der aussichtslos ist, kannst du nur einen Vorteil erringen, wenn du anders reagierst, als es der Gegner erwartet. Enttäusche ihn also!«

Eckhardt sah ihn amüsiert an.

»Sun Tzu?«

»Nein. Alv Bulvey. Aber ich habe General Suns Schriften und auch das Buch der fünf Ringe gelesen. Ist zwar schon eine Weile her, aber irgendwas ist wohl hängengeblieben.«

Eckhardt schlürfte an seiner Tasse. Sepp sah Alv fragend an.

»Wann soll es losgehen?«

»Sobald wie möglich«, entgegnete Alv. »Sag mal: Der Ladekran des Hulk, kann der Container auch hochkant bewegen?«

»Ja, der Ausleger ist lang genug.«

»Gut. Dann hätte ich folgenden Vorschlag …«

Die Männer diskutierten zu Birtes Entsetzen noch eine gute Stunde lang einen verwegenen Plan, der es ihnen ermöglichen sollte, binnen kürzester Zeit eine recht stattliche Anzahl Zeds einzufangen. Zwei Stunden später verließen drei Trucks die Hochebene und schlugen den Weg nach Carcassonne ein.

Alv, Eckhardt, Sepp und ein Dutzend französische Helfer bereiteten sich darauf vor, Zombies einzufangen. Katharina fuhr ebenfalls mit, denn sie hatte in letzter Zeit ihre Französischkenntnisse ausreichend aufgefrischt, um als Übersetzerin zu fungieren.

Sie näherten sich der Stadt über die südliche Autobahn und bogen dann auf die D104 ab, um ihr Glück erneut im Centre Hospitalier zu versuchen.

Hier hatten Eckhardt und Alv ziemlich genau sechs Monate zuvor einen der ihren verloren, als sie medizinisches Gerät requirierten. Constances Mann Rolf war dabei einem mächtigen Hunter-Zed zum Opfer gefallen, und genau diese Kategorie Zeds wollte Alv einfangen. Bei der ersten Tour hatte Alv die Konstruktion der Notaufnahme aus den Augenwinkeln wahrgenommen, sie lag zwei Stockwerke unter dem Bodenniveau und wurde über eine Rampe angesteuert. Dort wurde zur Zeit des Ausbruchs der Seuche gebaut, es gab also reichlich Drahtgitter-Bauzäune vor Ort, was für Alvs Plan wichtig war.

Als sie ankamen, deutete nichts darauf hin, dass in dem weitläufigen Gebäudekomplex Zeds hausten. Mit dem Motorengeräusch der Trucks erstarben alle Geräusche, bis auf das Gezirpe von ein paar vorwitzigen Grillen. Alle Beteiligten stiegen aus und Alv teilte die Gruppen ein, Katharina übersetzte das Nötigste.

»Sepp. Ganz unten am Ende der Rampe, da stellen wir die drei Container auf die Stirnseite hochkant und öffnen die Heckluken so, dass sie am oberen Rand der Rampe aufliegen, wie Klappbrücken. Aus den Absperrzaun-Elementen können wir einen Käfigtunnel zu diesem Eingang dort bauen. Wenn die Zeds da raus kommen, locken wir sie hierher und lassen sie einfach in die Boxen kippen. Wenn genug drin sind, Klappe zu und Affe tot. Kriegst du das hin, die drei da unten nebeneinander so hinzustellen, dass das funktionieren könnte?«

Sepp rieb sich das Kinn und nickte langsam.

»Ja, das kriegen wir schon hin. Aber wir müssen rundum noch absichern. Die Gitter reichen aus für einen Gittertunnel. Aber wir müssen beim Aufbau höllisch leise sein, um nicht nachher die Zeds von allen Seiten hier zu haben.«

Sepp drehte sich zur Seite und sah Alvs Partnerin an.

»Katharina, sag den Franzmännern mal, sie sollen mit dem Tunnel am Eingang anfangen. Bodenelement stellen, Gitter einsetzen, Gitter oben drauf und mit den Schraubschellen befestigen. Den Tunnel sollen die so bauen, dass wir nach jedem zweiten Segment eines quer einschieben können, um den Tunnel abschnittweise zu verschließen. Damit können wir den Zulauf der Zeds etwas steuern, nicht, dass die uns hier umrennen. Wir haben schließlich keine Ahnung, wie viele da rauskommen.«

Katharina tat, wie ihr geheißen, und erläuterte den Franzosen, was zu tun war. Eckhardt sprach Sepp an und deutete auf den Hulk-Truck.

»Deine Maschine hätte ich ganz gern in erhöhter Position, wenn die Container stehen, Sepp. Mit der Gatling und den MG können wir Alv und den anderen Deckung geben. Wenn Zeds aus anderen Richtungen kommen, sollten wir vorbereitet sein.«

Sepp nickte und ging zurück zu seinem Truck. Startete die Zugmaschine und setzte rückwärts zurück, um den ersten der drei Zwanzig-Fuß-Container aufrecht hinzustellen.

Mit dem Kran meisterte er diese Aufgabe spielend und er setzte die Box punktgenau ab. Eckhardt und Alv wiesen ihn mit Handzeichen ein.

»Wie Tetris«, bemerkte Alv lächelnd. Eckhardt musste grinsen.

Sepp stellte die beiden anderen Container genau neben den ersten, Wand an Wand. Inzwischen begann das Tunnelteam, die Gittermodule zu stellen. Den Ein- beziehungsweise Ausgang, vor dem der Tunnel errichtet werden sollte, hatte Katharina mit einer Kette aus Sepps Werkzeugkasten verschlossen.

Die Zeds sollten nicht zu früh nach draußen strömen, wenn sie die Geräusche des Aufbaus vernahmen. Und dass Zeds kommen würden, war klar, denn kaum einer von denen, die hier arbeiteten, wurde durch das T93 geschützt, zumindest nicht die Franzosen. Der Geruch, den diese verströmten, musste auf die Zeds ausgesprochen verlockend wirken. Der Geruch von warmem, frischem Menschenfleisch kroch wahrscheinlich längst durch alle Ritzen in das Gebäude.

Hier und da konnte man im Innern bereits Geräusche vernehmen. Polternde, scheppernde Töne, als ob jemand Bleche zu Boden werfen würde. Die Geräusche wurden lauter und die Abstände des Schepperns kürzer. Die Zeds waren eindeutig auf dem Weg hierher.

Katharina legte die Kette so um die Türgriffe, dass es ihr möglich war, mit einem kräftigen Ruck die Türen von außerhalb des Gittertunnels freizugeben. Inzwischen hatten Alv, Eckhardt und Sepp die Container geöffnet.

Die Türen der Boxen waren aufgeklappt und lagen zu beiden Seiten der Rampe auf den Rändern auf. In der Mitte der Rampe klafften nun drei nahezu quadratische Löcher, die sechs Meter in die Tiefe führten. Das Team wollte die Zeds dazu bringen, an den Rand der Öffnungen zu kommen. Den Rest besorgten die Männer mit langen Gerüststangen, die sie hier vorgefunden hatten. Damit würden sie die Zeds, die nicht von allein in einen der Container fielen, einfach hineinstoßen.

Der mittlerweile aus fünf schleusenartigen Kammern bestehende Tunnel wurde nun erweitert und führte dicht am Rand der Öffnungen vorbei. Die letzten Gitter wurden oben auf dem Gittergang aufgeschraubt; nun gab es hier lediglich eine Richtung für die Zeds, die am anderen Ende bereits an der Tür rüttelten beziehungsweise sich wieder und wieder dagegen warfen. Doch sowohl die Türangeln als auch der Verschluss und das Glas hielten dem Ansturm stand.

Man konnte ihr Stöhnen und Schreien bereits deutlich vernehmen, und auch der typisch faulige Geruch drang langsam aus den Spalten, um welche die Türen nachgaben.

Widerliche, zerfressene Fratzen drückten sich an den Scheiben platt und hinterließen ekelhafte, schlierige Schleimspuren auf dem Glas. Braune Zähne, die in zahnfleischlosen Kiefern steckten, versuchten, in das Glas zu beißen, und Hände, die zum Teil nur noch aus mit labbrigen Fleischfetzen behängten Knochen bestanden, wollten durch die Spalte greifen.

Sepp und Eckhardt überprüften noch einmal die beiden schweren MG auf dem Dach des Hulk-Truck, die sie mit Fernsteuermodulen bedienen konnten. Sepp hatte auch die große Gatling-Kanone aus der Halterung im Motorraum hochgefahren; die gewaltige, sechsläufige Maschinenkanone würde ihnen hier jedoch nicht helfen, da sie in einem ungünstigen Winkel stand.

Jeder hier im Team hatte eine AK107 geschultert und einige Ersatzmagazine in den Taschen, außerdem lagen Handgranaten für den Notfall bereit. Nur Alv blieb bei seiner favorisierten HK417, die er quasi vom verstorbenen Oberst Berger geerbt hatte.

»Okay, Katharina«, rief Alv zur Gebäudetür hinüber, »es kann losgehen!«

Katharina rüttelte an der Kette, und nach einigen Schlenkern fiel diese zu Boden. Sofort gaben die beiden Flügeltüren nach und die ersten Zombies strömten ins Freie. Schnell merkten die jämmerlichen Gestalten, dass sie die Menschen an den Seiten nicht erreichen konnten, so sehr sie ihre verfaulten Arme auch nach ihnen ausstreckten.

Als etwa zehn Zeds bis in den zweiten Abschnitt des Tunnels vorgedrungen waren, schoben zwei der Franzosen das Trenngitter zwischen Segment eins und zwei durch, dann öffneten sie das Gitter zwischen Segment drei und vier.

Vom Eingang her rückten bereits Zeds nach, und so wurden die Monster in Kontingenten von fünf bis zehn Stück langsam durch den Tunnel geschleust. Viele von ihnen trugen Pyjamas, OP-Kittel oder zerrissene Bademäntel. Einigen hingen sogar noch Infusionsschläuche an den Armen, aus denen immer wieder bräunliche Flüssigkeiten austraten. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um Abbauprodukte des Blutes, das nach ihrer Infektion aufgehört hatte, in ihren Adern zu zirkulieren.

Die Verschraubungen der Gitter hielten dem Ansturm der Walker stand, und selbst als die ersten beiden Hunter ungestüm in die Gitterkonstruktion vordrangen, hielten die Gestänge. Alv betrachtete die Szene mit einiger Genugtuung; er liebte es, wenn ein Plan funktionierte. Nach und nach füllten sich die Abteile in dem Gittertunnel, und die ersten Zeds erreichten den Rand der Container. Zu sechst standen die Männer des Teams nun um den Bereich herum, bewaffnet mit zwei Meter langen Gerüststangen.

»Jetzt!«, rief Alv, als die Walker in Reichweite kamen. Die Männer stießen mit aller Kraft die Stangen durch die Gitter und stießen die Zeds in die Container. Dumpfe Geräusche kündeten vom Aufschlag der Körper in zwanzig Fuß Tiefe, auch ein hohles Knacken und Krachen war zu vernehmen.

»Was war das?«, fragte Sepp. Alv antwortete ihm gelassen.

»Knochen. Brechende Knochen.«

»Die zerbrechen da drin?«

»Wahrscheinlich nur Arme und Beine, Rippen vielleicht. Die nächsten fallen weicher.«

»Bitter.«

Alv sah ihn fragend an.

»Wieso? Ist doch egal. Das sind seelenlose Viecher, Mann. Wenn die Boxen einigermaßen voll sind, reicht es mir, wenn übermorgen noch die Hälfte lebt.«

Damit drehte er sich um und half einem der Franzosen, das Gitter Nummer fünf herauszuziehen. Mehr als zehn sabbernde, kreischende Zeds klammerten sich an das Gitter und mussten erst einmal abgeschüttelt werden, bevor die Männer den Tunnel freigeben konnten.

»Alle Trenngitter auf!«, rief Alv über den Platz. Die Männer zogen alle Quergitter heraus und ließen die Zeds in Richtung der Löcher strömen. Dutzende Walker und auch einige Hunter strebten nach vorn, um sich am Menschenfleisch, das so gut roch, zu laben. Sie geiferten und schmatzten, kreischten und knurrten und versuchten, sich gegenseitig wegzudrängen. Unbeholfen und staksig torkelten sie voran, die Hinteren drängten nach vorn und schubsten viele ihrer Artgenossen in die Löcher. Es polterte und dröhnte in den Stahlcontainern, als immer mehr Zeds hineinfielen. Es dauerte nur eine knappe halbe Stunde, bis die Behälter gut zur Hälfte mit zappelnden und stinkenden Untoten gefüllt waren.

Katharina instruierte einen der Franzosen, die Tür am Krankenhaus mit zwei Gerüststangen zu blockieren, um den weiteren Zustrom von Zeds zum Erliegen zu bringen.

Als er das erledigt hatte, schoben sie die Trenngitter zwischen die Tunnelsegmente, von der Tür angefangen. Ein Abteil nach dem anderen wurde verriegelt, so dass die Zeds nur noch in eine Richtung konnten, nämlich in die Container. Alle im Team konzentrierten sich auf das Geschehen an den Containern, und niemand bemerkte, dass sich vom Ende der Rampe her, wo die Laster standen, einige Zeds der Gruppe näherten. Katharinas Schrei ließ alle aufhorchen.

»Pierre! Gare à toi! Attention!«

Doch es war bereits zu spät. Ein Walker war vorgeprescht und hatte den jungen Franzosen mit dem Lockenkopf bereits erreicht.

Pierre konnte seine Schusswaffe nicht mehr einsetzen, er tastete nach seinem Messer, doch da hallte sein gellender Schrei bereits über den Platz. Die Bestie hatte ihn in die Schulter gebissen und ein Stück Fleisch aus ihm herausgerissen.

Schüsse fielen, sie galten den anderen Zeds, die sich näherten. Eine Sekunde später war Sepp bei dem jungen Mann und rammte dem Zed eine Eisenstange in den Schädel. Pierre stand völlig unter Schock. Er zitterte am ganzen Leib wie Espenlaub, kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und Tränen rannen über seine Wangen. Er blutete stark aus der Schulterwunde. Alle sahen sich an. Keiner sagte ein Wort.

Jeder wusste, was als Nächstes zu tun war. Pierre hob hilfesuchend mit weit aufgerissenen Augen die Arme. Im nächsten Moment explodierte sein Kopf und er sackte zur Seite weg. Hinter ihm stand Raphael, ein großer schlaksiger Kerl, der sich im Sommer von der Bretagne aus bis nach Rennes durchgeschlagen hatte. Er hielt eine rauchende Pistole in der Hand.

»Merde!«, war alles, was er sagte. Dann drehte er sich um und machte sich an den Gittern zu schaffen. Jetzt musste es schnell gehen, denn man durfte annehmen, dass diese Zeds nicht die einzigen bleiben würden, die sich an der Geräuschquelle orientierten und hierher fanden. Alle fassten mit an.

Die Schlussgitter wurden demontiert und die Klappen der Container zugeschlagen. Dies erwies sich als Schwerstarbeit, denn die Klappen wogen so einiges, und es brauchte jeweils drei Mann, um eine der Klappen zuzuwerfen.

Eckhardt und Alv standen auf den hoch aufgerichteten Containern und verriegelten die schweren Stahltüren über den Köpfen der tobenden Zeds, die sich irgendwie um ihre Mahlzeit gebracht fühlten. Fast vier Meter hoch stapelten sich in jedem der Container die Zombies, unten liegen machte hier wohl auch den Bestien keinen Spaß.

Sepp startete den Hulk-Truck und nahm den ersten Container auf den Haken. Diesmal erwies es sich als weitaus schwieriger, die Container mit dem Kran zu manövrieren, denn durch die tobenden Zeds im Inneren schwankten die Boxen beträchtlich.

Eckhardt übernahm wieder die Fernsteuerung der beiden Dach-MG des Hulk-Trucks, um dem Team weiter Deckung zu geben. Die anderen hatten ihre Waffen durchgeladen und entsichert. Am Ende der Rampe standen die beiden anderen Lkw nebeneinander, so dass Sepp mit jeweils einem Container am Haken die Rampe hochfuhr und den Behälter auf der Ladefläche absetzte.

Die Fahrer saßen bereits in den Kabinen und die Motoren liefen, je ein bewaffneter Beifahrer lehnte sich aus dem rechten Fenster. Die erste Box sank auf den Auflieger hinab und die Halterungen rasteten automatisch ein.

Von vorn näherten sich einige Walker, die der Beifahrer mit der Kalaschnikow ausschalten konnte. Er rief auf Französisch, dass mehr Zeds im Anmarsch waren, und Alv ließ durch Katharina das Zeichen zur Abfahrt geben. Julien, der Fahrer des DAF-Lasters, trat das Gaspedal durch und fuhr mitten durch eine Gruppe Zeds, die sich auf der Zufahrt zusammenrotteten. Die Bestien hatten keine Chance gegen den Sattelschlepper, die schweren Reifen zermalmten sie.

Einer der Zeds rutschte unter die Maschine und klammerte sich an den seitlichen Unterfahrschutz des Aufliegers, der Laster schleifte ihn gut fünfzig Meter mit, eine dunkle, feuchte Spur hinterlassend. Dann ließ der Zed los und die Reifen der hinteren Doppelachse verwandelten seinen Körper in Matsch.

Nur wenige Minuten später verließ der zweite Truck, ein MAN, die Rampe und folgte dem ersten. Der Container auf der Ladefläche schwankte nicht unerheblich. Dieser Container beinhaltete die meisten Zeds und diese gebärdeten sich wie toll in der finsteren Stahlbox. Als der dritte Container zu guter Letzt auf den Auflieger des Hulk-Trucks gestellt wurde und einrastete, begannen Katharina, Alv und die restlichen Franzosen wie wild in Richtung der Notaufnahme unten in der Bucht am Ende der Rampe zu schießen.

Die Zeds brachen durch die dünnen Glastüren dort unten und versuchten, ihrer vermeintlichen Beute Herr zu werden. Doch zunächst bekamen sie Projektile zu fressen.

Alv stand in etwas erhöhter Position, er hatte sein HK417-Sturmgewehr mit Sprengmantelgeschossen geladen und ließ mit jedem Schuss einen Zed-Kopf explodieren. Mit einem Mal erklang über ihnen das synchrone, harte Hämmern der beiden MG auf dem Dach des Hulk-Trucks. Sepp hatte angekuppelt und der Hulk stand nun abfahrbereit quer zu der Rampe. Eckhardt baute sich vor der Beifahrertür auf und bediente die beiden MG mit der Fernbedienung. Die Projektile kamen in einer Menge von zweimal sechshundert Schuss pro Minute von dort oben herunter gerauscht und mähten die Zeds in einem Regen aus schmutzig-brauner Jauche nieder. Überall regnete es Patronenhülsen, das Klingeln der niedergehenden Metallhülsen, untermalt vom Kreischen wild gewordener Zombies, war für Alv bereits zu einem gewohnten Geräusch geworden. Die Kakophonie des endgültigen Todes gewissermaßen.

Alle rannten nun zum Truck und beeilten sich, die Leiter zur Kabine zu erklimmen. Die Wohnkabine des Trucks erwies sich als geräumig genug für alle, Eckhardt und Alv nahmen auf der breiten Beifahrersitzbank Platz. Diese vertrug sogar zwei Exemplare der robusten Bauart der beiden wackeren Recken.

Sepp startete nun auch den zweiten der beiden Motoren des Trucks und trat das Gaspedal voll durch. Meterhohe, schwarze Rußfontänen stoben aus den Sidepipes gen Himmel und der Laster beschleunigte merklich. Die Last auf dem Auflieger war ja vergleichsweise gering im Gegensatz zu sonstigen Touren, und so stob der Truck wie ein zorniges Rhinozeros voran.

Inzwischen hatten sich größere Gruppen von Walkern und Huntern auf den asphaltierten Wegen des Klinikgeländes versammelt und strebten in Richtung der Rampe, von wo aus der Truck soeben startete.

Sepp ließ die umlaufende Sägekette am Fahrzeug und an der Ladefläche anlaufen und senkte den Räumschild. Als der Schild auf die Horde der Zeds traf, flogen reihenweise Untote zur Seite. Diejenigen, die Pech hatten, kamen unter die Räder der mächtigen Zugmaschine oder wurden von der Sägekette erfasst. Das Ergebnis blieb in jedem Fall das gleiche, nämlich übel stinkender Fleisch- und Knochenmatsch auf der Straße.

Die Zeds, die sich dem Truck entgegenwarfen, bedeuteten keine Gefahr, im Inneren der Maschine befanden sich alle Mitfahrer in Sicherheit. Bereits wenige Minuten später holte Sepp die beiden anderen Trucks ein und setzte sich an die Spitze des Konvois. Für den Fall, dass sie auf Hindernisse oder weitere Zombiehorden stoßen sollten, erwies sich der Räumschild als außerordentlich probates Mittel, um für freie Fahrt zu sorgen.

Als sie die Autobahn erreichten, deaktivierte Eckhardt die Gatling-Kanone und die MG. Alle an Bord entspannten sich etwas und Katharina verteilte Flaschen mit Mineralwasser. Auch einige zwar schon überalterte, aber dennoch schmackhafte Schokoriegel wurden von den Männern gern angenommen.

»Was meinst du, Alv, wie viele haben wir?«, fragte Eckhardt kauend.

»Schätze, so zweihundert vielleicht. Plus/minus zehn Prozent.«

»Und wie viele werden davon in zwei Tagen noch leben?«

»Keine Ahnung.«

»Hm.«

Eckhardt nickte und aß weiter. Die Trucks rollten in Richtung Süden, zurück nach Rennes-le-Château.