Prolog

Knirschend drangen die Fänge in das Fleisch und zermalmten den Kehlkopf des Opfers. Ein gurgelndes Würgen entrann der malträtierten Kehle und zeigte das Vergehen des Lebens an, die Zuckungen der Extremitäten ließen langsam nach. Schmatzend saugte der Zombie an der offenen Halswunde, um das frische Blut aus den Adern zu saugen. Stoßweise presste das sterbende Herz den heißen Saft in die Mundhöhle des Zombies, der sich gierig daran labte und freudiges Glucksen von sich gab.

Kzu’ul tankte neue Kraft. Mit jedem Schluck des warmen, roten Saftes ging es ihm besser. Kraft und Energie – Lebensenergie – versprach die Atzung. Ein solch frischer, lebendiger Körper brachte so viel Gutes mit sich. Viel besser, als totes Fleisch oder gar lahme Artgenossen zu verzehren.

Das Opfer hörte nun auf zu zappeln und der Strom des roten Saftes versiegte langsam. Kzu’ul begann, Teile von der Leiche zu reißen. Dieses Fleisch würde nicht wieder auferstehen. Kzu’ul hatte schon lange nichts gefressen, er würde dieses Fleisch vollständig in sich aufnehmen.

Er musste sich beeilen, bevor die Kälte es steif werden ließ. Gierig grub er seine scharfkantigen Zähne in das Fleisch, riss Brocken um Brocken heraus und schlang es hinunter. Seine Klauen rissen die Leibeshöhle auf und zerrten die Innereien heraus, Fleischfetzen und Blut färbten den Schnee ringsum.

In blutigen Schlingen rutschten die Gedärme aus der Leibeshöhle und klatschten auf die Eisfläche. Kzu’ul schüttelte den Körper durch, als er sich an ihm weidete, wieder und wieder riss er kindskopfgroße Fleischbrocken aus der Leiche heraus.

Sein eigener Leib füllte sich zusehends mit der Atzung, wie er es nannte. Bei den Warmen hatte er diese Bezeichnung aufgeschnappt. Sie hatten die Dinge, die sie fraßen, so genannt und dann diese glucksenden Geräusche aus dem Bauch heraus abgegeben.

Der Leib des Zombies schien eine ungeheure Dehnkraft zu besitzen, denn sein Umfang hatte sich binnen Minuten verdoppelt. Ein normaler Mensch wäre bei einer solch immensen Nahrungsaufnahme längst geplatzt oder wegen des Überfressens gestorben, nicht so jedoch Kzu’ul. Er war ein Kämpfer, ein Struggler, eine Biomaschine, die nur aus Kämpfen, Töten und Fressen bestand.

Das Virus V1Z33 hatte ihn völlig verändert. Während die Vorgängervarianten lediglich die Toten wieder auferweckt hatten und sie in sabbernde, gierige Zombiefratzen verwandelte, vollbrachte die neue Variante ganz andere Dinge. Die Mutation, mit der Kzu’uls Körper herumlief, unterwarf ihn grundsätzlichen Veränderungen. Das Erlöschen der biologischen Funktionen humanoider Art hatte eine Daseinsform hervorgebracht, bei der man von menschlichem Leben nicht mehr sprechen konnte. Das Virus hatte die Körperzellen binnen kürzester Zeit gekapert und ein völlig neuartiges System installiert. Ein Zusammenspiel aus den modifizierten Zellen der Leiche mit verschiedenen Bakterienstämmen und komplett veränderte biochemische Abläufe sorgten dafür, dass der Struggler nicht nur über eine enorm gesteigerte Körperkraft verfügte, sondern sich sogar regenerieren konnte. Jede Zelle, jedes Körperteil konnte binnen kürzester Zeit von der Hochleistungsmaschine aus Fleisch und Blut ersetzt oder repariert werden. Dieser Vorgang machte den Struggler zum wohl gefährlichsten aller Zombies. Er war quasi unverwüstlich. So wie bei Walkern und Huntern musste man auch bei ihm das Gehirn zerstören, um ihn endgültig auszuschalten, doch die lahmen Walker und die etwas flinkeren Hunter konnte man auch beschädigen, kampfunfähig machen, wenn man zum Beispiel ihre Beine zertrümmerte. Das funktionierte bei den Strugglern nicht. Gebrochene Knochen heilten, Fleischwunden schlossen sich, und fehlendes Gewebe, ja, sogar abgetrennte Gliedmaßen wuchsen einfach nach. Wie bei Seesternen.

Allerdings war der Energiebedarf des Strugglers auch deutlich höher als bei den niederen Arten der lebenden Toten. Die Struggler fraßen, wo und wann es ging, sie machten selbst vor anderen Zombies nicht halt.

Doch in diesem Falle musste Kzu’ul sich nicht mit minderwertigem Zed-Fleisch begnügen. Der von ihm erlegte Körper bot frisches Fleisch und Blut in Hülle und Fülle. In einer abstrusen Unmäßigkeit stopfte dieses Vieh das Fleisch des Opfers in sich hinein. Alles, was es kriegen konnte, wurde verzehrt, selbst Gedärme, Sehnen und Haut. Die mächtigen Pranken der Bestie ließen den Schädelknochen des Opfers bersten und in höchster Verzückung saugte der von schwülstigen Lippen gesäumte Mund schlürfend das Gehirn seiner Beute aus der einst schützenden Knochenschale.

Der große Kzu’ul, dem es gelungen war, den Kriegern der Warmen zu entkommen, brauchte dringend Energie. Seit langer Zeit wanderte er nun durch die kalte, weiße Welt in Richtung der aufgehenden Sonne, um seinesgleichen zu finden. Er hatte in der Zeit seiner Gefangenschaft die Warmen studiert, von ihnen gelernt, sogar ihre Lautäußerungen konnte er inzwischen nachahmen und zum Teil sogar verstehen. Während sie ihn immer wieder aufs Neue gefoltert, geschnitten, verbrannt, vergiftet und anders beschädigt hatten, konnte er aus ihren Lauten eine Sprache identifizieren. Die Laute machten Sinn und beschrieben stets konkrete Dinge. Inzwischen konnte er die Laute und den Sinn zusammenbringen und sie sogar selber zusammenfügen, um etwas auszudrücken. Er spürte, dass ihm diese Fähigkeit eines Tages nützlich sein könnte.

Nicht nur, dass er sich selbst einen Namen geben und die Sprache der Warmen nachahmen konnte, es gab auch andere Dinge, die er übernehmen wollte. Die Organisation der Warmen beeindruckte ihn. Ihre Führung übernahmen diejenigen von ihnen, die klüger waren als die meisten anderen. Es waren nicht einmal die Stärksten, die führten, sondern diejenigen, die am besten mit Lauten umgehen konnten. Und da gab es etwas, das Kzu’ul besonders faszinierte. Die Warmen organisierten sich in Stämmen. Starke, in eine Richtung operierende Schwarmstrukturen, die ihren Führern bedingungslos folgten. Ihm schwebte vor, so etwas auch für die Zeds zu errichten. Eine starke Nation, die gegen die Waffen der Warmen bestehen konnte.

Weiter drängte es ihn, sein groteskes Mahl zu beenden und einen Ort der Ruhe aufzusuchen, um all das köstliche warme Fleisch in pure Energie umzuwandeln, damit es ihn stark und ausdauernd machte. Sein Weg war noch weit, er würde noch viele Schritte tun müssen, um die Seinen zu erreichen. Kzu’ul wusste, er würde den Lahmen und Flinken seiner Art noch vieles mitteilen müssen, bevor der Tag der Entscheidung käme. Er sehnte diesen Tag herbei.