Jahr Zwei, 29. September. Morgen III

»Mitkommen.«

Sepp riss den Schwiegersohn von Alv Bulvey unsanft auf die Füße. Die Nacht hatte er mit gefesselten Händen in einer Abstellkammer verbracht und fast nicht geschlafen. Sein Drei-Tage-Bart machte einen stoppeligen Eindruck, und unter den Augen hatte er tiefe Ringe, denn an Schlaf war für ihn nicht zu denken gewesen. Er hatte Angst vor diesem Tag. Würde man ihn erschießen? Wenn Sie das wollten, hätten sie es wohl schon längst getan. Vielleicht würden sie ihn an die Zeds in den Containern verfüttern. Er konnte die Untoten, die Alv und Eckhardt in drei großen Eurocontainern verwahrten, randalieren hören. Ihre Schreie und das metallene Bollern der Wände dröhnten durch das noch ruhige Dorf. Beim Gedanken an die Bestien in den Metallbehältern wurde ihm noch mulmiger, als es ohnehin der Fall war.

Sepp sperrte die Handschellen auf, steckte sie weg und stieß Thorsten unsanft nach vorn. Er stolperte unbeholfen aus dem Raum in den Flur, der zur Grand Rue führte. Bis zum Haus von Alv Bulvey waren es nur einige Schritte, und sie hatten es schnell erreicht. In der Auffahrt standen Alv, Birte, Katharina und Eckhardt, außerdem Rhea und Thorstens Sohn Eliot, der direkt vor seiner Mutter stand und seinen Vater seltsam unverwandt ansah. Rhea hielt ihn vor sich in den Armen, an die der Junge sich klammerte. Wortlos blieb Thorsten vor der Gruppe stehen. Eckhardt drehte sich um und holte einen prall gefüllten Rucksack hervor, den er vor Thorsten hinstellte.

»Darin ist Proviant für mindestens eine Woche. Außerdem Karten, ein Medikit und Isodecke. Sepp wird dich nach Carcassonne fahren, dort erhältst du eine Pistole, Munition und ein Messer. Wir verbieten es dir auf Lebenszeit, dieses Dorf oder die Aude-Niederung wieder zu betreten. Solltest du es versuchen, wird nichts in der Welt mich davon abhalten, dich zu erledigen.«

Thorsten sah zu Alv, Rhea und Eliot hinüber. Sein Blick wurde flimmernd, denn das Wasser stand ihm in den Augen. Mit brechender Stimme stammelte er:

»Alv. Das … das kannst du nicht tun. Ich … ich bin doch sein Vater …«

Alv antwortete nicht. Er schaute zur Seite, zu Rhea und dem Jungen. Seine Tochter ergriff entschlossen das Wort: »Du hast uns alle verraten. Du hast in Kauf genommen, dass meine Familie getötet wird, weil du unseren Feinden verraten hast, was sie hier erwartet. Du hast nicht nur meinen Vater, meine Geschwister, mich und unsere Freunde verraten, sondern auch deinen Sohn. Du hast kein Recht mehr, hier zu sein. Geh doch zu deinen Soldatenfreunden, die nehmen dich bestimmt mit offenen Armen auf. Verschwinde von hier. Ich will dich nicht mehr sehen.«

Thorsten ging in die Knie und sah seinen Sohn an. Tränen rannen über seine Wangen, als er mit ihm sprach.

»Eliot, du musst das verstehen. Ich wollte doch nur, dass du und deine Mama in Sicherheit seid, weil ich euch lieb habe …«

Die Miene des Jungen versteinerte.

»Du bist böse. Geh weg.«

Dann drehte er sich um und vergrub sein Gesicht im Pullover seiner Mutter. Thorsten stand mühsam auf und wetterte:

»Was habt ihr ihm nur erzählt? Ihr seid doch alle miteinander nicht ganz dicht. Der Marschall wird seine Leute schicken und sie werden euch alle töten! Mensch, wacht doch auf! Er will nur diese Frau da und die Scheißformel!«

Dabei deutete er auf Birte.

»Ihr werdet diesen Kampf verlieren! Ich hab doch nur versucht, das Schlimmste zu verhindern! Ihr werdet alle sterben!«

Alv trat einen Schritt vor und sah den jungen Mann mit festem Blick an. Dann sagte er mit dunkler Stimme:

»Kennst du die Geschichte vom Amtmann Pogwisch und dem Fischer Pidder Lüng?«

»Nein, ich weiß auch nicht, was das jetzt …«

»Nun«, unterbrach Alv ihn stimmgewaltig, »Pidder Lüng war ein Sylter Fischer, den der Amtmann zur Abgabe von Steuern erpressen wollte. Man sagte ihm auch, dass es doch vernünftig sei, zu kooperieren. Dann hat Pidder Lüng den Amtmann im Grünkohl ersäuft. Und weißt du, was Lüngs letzte Worte waren, als er von den Wachen getötet wurde?«

»Nein.«

»Lever duad as slav!«

»Hä?«

»Das bedeutet: Lieber tot, als Sklave. Und so halten wir es hier auch. Wir werden deine imperialen Freunde gebührend empfangen, das darfst du mir glauben. Und entweder dein Sohn stirbt hier mit uns, oder er wird ein Leben in Freiheit führen können.«

»Du hast nicht das Recht …«

»Ich!«, brüllte Alv ihn mit der Wucht eines ausbrechenden Vulkans an, »ich habe jedes Recht, das diese Gemeinschaft mir gibt! Und diese Gemeinschaft hat beschlossen, dass hier für Verräter wie dich kein Platz ist. Also, nimm dein Gepäck. Sepp fährt dich nach Norden. Geh zu deinen Freunden. Und komm nie wieder her.«

Thorsten nahm den Rucksack und folgte Sepp zum Eisenschwein, mit dem er den Verräter in die Verbannung transportieren sollte. Als er sich noch einmal zu seinem Sohn umdrehte, wandte dieser sich erneut ab. Die beiden Männer bestiegen das Fahrzeug, das langsam aus dem Dorf herausrollte. Die Gruppe um Alv Bulvey begab sich unmittelbar darauf in den Versammlungsraum, hier hatten die Mitglieder der Versorgungsgruppe ein Frühstücksbuffet eingerichtet. Wie in den Anfangszeiten wollten alle bei der Vollversammlung hören, was die Kampfgruppenleiter zur bevorstehenden Auseinandersetzung zu sagen hatten. Die Wachposten auf den Mauern wurden über ihre Funkgeräte zugeschaltet.

Nachdem alle Anwesenden sich mit Brot, Wurst, Salat und Konfitüren versorgt hatten und die Tee- und Kaffeekannen nicht länger herumgingen, kehrte Ruhe in der Versammlung ein. Alv und Eckhardt saßen am großen Quertisch in der Mitte, zu ihren Seiten Birte, Katharina, Gertrud und andere Mitglieder des inneren Kreises. Eckhardt erhob sich und schlug mit dem Teelöffel ein paar Mal gegen seine Tasse. Der Geräuschpegel senkte sich.

»Verehrte Freunde und Geschwister«, begann er, »wie ihr alle wisst, stehen uns harte Zeiten bevor. Ausgesprochen harte Zeiten.«

Birte übersetzte seine Worte ins Französische und Eckhardt fuhr fort.

»Auf Grund des Verrats eines Mitglieds unserer Gemeinschaft, haben sich unsere Aussichten auf Erfolg etwas verschlechtert. Wir arbeiten mit Nachdruck daran, unsere taktischen Überlegungen der veränderten Situation anzupassen. Unsere Stellungen werden heute Nachmittag zum Teil neu gruppiert, die jeweiligen Posteninhaber werden später noch eingehender informiert. Wir sind nicht gewillt, dem Feind auch nur einen Millimeter Boden zu überlassen und wir werden mit allen, wirklich allen Mitteln kämpfen. Ich gebe das Wort nun weiter an Alv Bulvey.«

Als Birte übersetzt hatte, stand Alv auf und sah in die Runde. Fast einhundert Gesichter schauten ihn an, zum Teil verängstigt, einige wild entschlossen, andere fragend. Er ließ einen Moment verstreichen und setzte dann zum Sprechen an.

»Liebe Freunde, Geschwister, Kinder, Kindeskinder. Wir werden einen harten, einen sehr harten Kampf zu fechten haben. In spätestens achtundvierzig Stunden rechnen wir mit dem Angriff der New-World-Einheiten. Sie werden uns wahrscheinlich mit Hubschraubern angreifen und Bodentruppen absetzen. Es werden professionelle, gut trainierte Kämpfer sein, denen wir entgegen stehen. Ich will die Situation nicht schön reden. Wir werden hart attackiert werden, einige werden sterben, viele werden verwundet werden. Für unsere Freiheit, die Freiheit, nach unserem Willen zu leben, werden wir Opfer bringen müssen. Dies wird uns nicht leicht fallen. Aber ich bin mir sicher, dass jeder Einzelne hier in der Gesellschaft des Willens bereit ist, seine Kraft und sogar sein Leben für die Freiheit zu opfern, wenn es nötig ist. Ich weiß nicht, wer aus meiner Familie noch lebt, wenn diese Schlacht vorüber ist, ob überhaupt noch jemand lebt. Aber selbst wenn nicht, wünsche ich mir, dass diejenigen, die dieses Gefecht überleben, stets im Sinne unserer Gemeinschaft weiterleben und handeln werden.«

Birte übersetzte die Rede in den Sprechpausen und es wurde zusehends stiller im Raum. Kein Geräusch war zu vernehmen, als Alv Bulveys Stimme die Stille erneut unterbrach.

»Und doch, liebe Freunde, bin ich zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, den Feind zu schlagen! Wir werden unerwartet reagieren, scheinbar unsinnige Züge führen, und wir werden mit einer Entschlossenheit kämpfen, die kein einziger der New-World-Soldaten kennt. Dies ist unsere Heimat, Freunde! Dies ist unsere Zukunft! Und wir werden sie uns nicht nehmen lassen. Wenn sie kommen, dann werden wir sie in der Luft, an den Mauern und in unseren Straßen bekämpfen. Wir werden nicht zurückweichen! Wir werden sie schlagen! Und wir werden siegen!«

Applaus und »Hoch!«-Rufe erklangen, die sich noch verstärkten, als Birte mit der Übersetzung fertig war. Alle klopften auf die Tische, bis Eckhardt wieder aufstand und mit einer ausladenden Armbewegung die Ruhe wiederherstellte.

»Wir werden«, fügte er Alvs Rede hinzu, »in diesem Kampf möglicherweise in den Reihen der Feinde Verbündete haben. Ihr erkennt sie daran, dass sie am Arm eine solche Binde tragen.«

Er hielt ein orange-schwarz gestreiftes Band in die Höhe.

»Dieses Band, bekannt als Sankt-Georgs-Band, werden auch wir tragen, damit sie uns erkennen. Tragt es am Arm, an euren Waffen oder so, dass man es gut sehen kann. Hinten am Buffet stellen wir gleich einen Korb auf, in dem genug Bänder für alle liegen. Sie sind etwas improvisiert, sollten aber für unsere Zwecke reichen. Wenn ihr einen fremden Soldaten mit diesem Band am Arm seht, schießt nicht auf ihn, sondern zeigt ihm euer Band. Wer jedoch ein solches Band nicht trägt, den solltet ihr rückhaltlos bekämpfen. Das war dann für jetzt erst einmal alles. Nehmt euch nachher, wenn ihr geht, alle ein Band mit, bitte. Und nun: Guten Appetit miteinander.«

Wieder klopften alle einige Momente lang auf die Tische, dann begann das gemeinsame Frühstück. Zwischendrin wurden noch einige tagesaktuelle Dinge angesprochen, denn trotz der Lage, in der sich das Dorf befand, musste natürlich der übliche Betrieb weitergeführt werden.

*

»Warum tut ihr das? Ich dachte immer, ihr seid gute Leute?«

Thorsten kauerte auf der Beifahrersitzbank wie ein geprügelter Hund. Den Rucksack hatte er zwischen sich und Sepp Falkner gestellt. Der schaute ihn kurz an, konzentrierte sich dann jedoch auf die Straße.

Die Frontscheibe war schlierig, denn es nieselte und die Scheibenwischer des uralten russischen Militärtransporters verschlimmerten die Sicht eher, als dass sie sie verbessern würden. »Die Guten? Mann, du hast uns nach Strich und Faden verarscht, Junge. Glaubst du, damit kommst du durch? Und, wo wir grade dabei sind: Mal ehrlich. Hast du wirklich geglaubt, dass Gärtners Leute dich am Leben lassen? Mann, alle lieben den Verrat, aber keiner liebt den Verräter. Die hätten dich und deine Familie da niemals rausgeholt, vergiss es. Der einzige, der deinen Sohn jetzt noch beschützen kann, ist Alv Bulvey.«

Einen Moment lang blieb Thorsten still. Der Regen nahm zu und prasselte gegen die Scheiben und auf das Dach der Fahrerkabine. Das Trommeln auf dem Blech vereinigte sich mit dem sonoren Brüllen des Motors zu einer seltsamen Kakophonie, die durch Sepps Ausruf unterbrochen wurde:

»Fuck! Was ist das??«

Den Bruchteil einer Sekunde später rumste und schepperte es vorn am Räumschild und diverse Körper flogen nach links und rechts weg, einige purzelten über die Motorhaube. Der Transporter fuhr mitten in eine Horde Zeds hinein, die sich auf der Straße nach Süden bewegte. Durch den Regen und die verdreckten Scheiben hatte Sepp die Wand aus Fleisch und Knochen nicht gesehen, als er um eine Kurve fuhr. Der schwere Wagen schlingerte und bockte beim Bremsen wie ein junger Hengst. Sepp versuchte, gegenzulenken, doch das Heck des Fahrzeugs schlug nur noch wilder aus. Der Bronjetransporter schlitterte quer zur Fahrbahn und begrub Dutzende von Zeds unter sich, die durchdrehenden Zwillingsräder der hinteren Doppelachsen zerquetschten ihre Körper mühelos. Knochen brachen wie dürres Geäst, Fleisch und Haut wurden auf dem Asphalt zerrieben. Dann hatte sich das Gefährt einmal um die eigene Achse gedreht, und Sepp trat das Gaspedal voll durch. Der Motor heulte auf und die Räder rutschten durchdrehend über die Fahrbahn.

Wenn das Gummi auf eine Stelle traf, die nicht mit Matsch, Wasser oder Resten zermahlener Körper bedeckt war, griffen die Reifen und katapultierten das Fahrgestell ruckartig nach vorn. Mehr und mehr Zeds kamen unter die Räder und immer schmieriger wurde die Straße, so dass Sepp sich entschloss, auszuweichen. Linker Hand gab es einen Acker, ein Feld, auf dem wohl ehemals Mais angebaut worden war.

Mittlerweile hatte sich zwischen den verrottenden Maisstängeln eine dichte Gras- und Unkrautdecke ausgebreitet, von der Sepp hoffte, sie würde das Gewicht des Fahrzeugs tragen. Mit der Gewalt eines Artilleriepanzers drang der schwere Transporter in das Feld ein und die Reifen gruben sich tief in den Boden. Dieser war schwer und im Grunde tragfähig, doch der Regen hatte ihn aufgeweicht. Bis zur Achse grub sich der Wagen ein, und trotz eingeschalteten Allradantriebs sank der Wagen mit jedem Meter, den er fuhr, tiefer ein und verlangsamte den Vortrieb.

»Tu doch was, Mann!«, schrie Thorsten.

»Halt den Rand, verdammt noch mal!«, herrschte Sepp ihn an.

Es wurde zusehends schwerer, das Fahrzeug unter Kontrolle zu halten und es voranzubringen. Im Außenspiegel konnte Sepp erkennen, dass ein gutes Dutzend Zeds ihnen in den Acker folgte. Nach etwa zwanzig Metern war Schluss. Der Untergrund gab nach und der Laster lag mit der schweren Hinterachse auf einem Feldstein auf, die Räder drehten durch. Sepp stellte den Motor ab.

»Was machst du? Die verfolgen uns!«, rief Thorsten panisch.

»Ich weiß! Aussteigen!«

»Aber … aber …«

»Raus!«

Thorsten gehorchte zitternd. Er nahm den Rucksack und stieg auf der Beifahrerseite aus. Sepp klappte die Sitzbank hoch, nahm drei Munitionskassetten heraus und klappte die Bank wieder zu. Dann stieg er auf die Sitzbank, klappte die Dachluke auf und machte das MG schussbereit.

»Warum nimmst du nicht die große Kanone?«, rief Thorsten von draußen durch die geöffnete Tür.

»Dauert zu lange!«

Dann setzte er die Kassette seitlich am MG an, entsicherte und zog den Ladeschlitten durch. Im nächsten Moment tackerte das MG los und spie den anrückenden Zeds einen Geschosshagel entgegen. Die ersten fünf Walker, die das Fahrzeug schon fast erreicht hatten, wurden buchstäblich zerfetzt, eine Wolke aus Fleisch und Blut färbte den Regen ein. Weitere Zeds rückten nach, inzwischen konnte Sepp auch erste Hunter ausmachen, die sich flink und geschickt bewegten. Sie scherten aus dem Pulk der Walker aus, um den Schützen einzukreisen.

»Steig wieder ein, los, Mann!«, brüllte Sepp in einer kurzen Feuerpause, als er nachlud.

Thorsten stand da wie angegossen und starrte in den Regen.

»Steig endlich ein!«

Doch es war zu spät. Ein geifernder Hunter stürzte sich von der Seite auf Thorsten und riss ihn zu Boden. Schreiend wurde Thorsten unter dem Angreifer begraben, der sofort begann, sich in sein Opfer zu verbeißen. In einer hohen Fontäne spritzte das Blut aus der zerrissenen Halsschlagader des Mannes in den Regen hoch. Sepp arretierte das nächste Magazin, lud durch und schwenkte herum zu der Stelle, wo Thorsten von dem Zombie zerbissen wurde. Eine gehörige Salve in diese Richtung beendete das Trauerspiel für beide Kontrahenten. Sepp schoss weiter, bis keiner der Zombies aus der Horde mehr aufrecht stand. Einige Zeds, die nur Körpertreffer erhalten hatten, lagen röchelnd und kreischend im Morast. Seelenruhig stieg Sepp aus dem Fahrzeug, warf sich einen Poncho über, löste die Sperre der hinteren Seilwinde und hakte das dünne Stahlseil in seinen Gürtel ein. Dann entsicherte er sein Sturmgewehr, das er von der Ladefläche nahm, und begann, in Richtung Straße zu marschieren. Das Kabel zog er hinter sich her. Im Vorbeigehen setzte er noch eine Reihe Kopfschüsse, die das Elend der noch umher kriechenden Zeds beendeten.

Einige Minuten später hatte er das Seil an der Leitplanke, die der Einfahrt zum Feld gegenüber lag, befestigt, und er stapfte durch den Regen im Matsch zurück zum Wagen. Einen Zed, der aus der Hecke an der Einfahrt brach, um ihn anzugreifen, erledigte er ohne hinzusehen quasi im Vorbeigehen. Der Schädel des Zeds explodierte und flog nach hinten weg, der Rest der Kreatur brach auf der Stelle zusammen. Als Sepp das Heck des gewaltigen Transporters erreichte, klinkte er den Seilwindenantrieb ein und setzte sich hinter das Steuer. Er griff nach rechts auf das Armaturenbrett, wo die Hebel für die Niveauregulierung angebracht waren und ließ etwa zwei Drittel der Luft aus den Reifen ab, um die Aufstandsfläche zu vergrößern. Dann startete er die Maschine, legte einen der kleineren, untersetzten Rückwärtsgänge ein, betätigte die Differenzialsperre und ließ die Seilwinde am Heck anlaufen. Ohne den Differenzialausgleich liefen die Antriebsräder absolut synchron, egal ob sie griffen oder nicht. Der Dreck flog zu allen Seiten in hohen Bögen davon. Er gab stoßweise Gas und das gespannte Seil am Heck gab metallische Geräusche von sich, die klangen, als ob jemand einen riesigen Kontrabass zupfte. Langsam, Zentimeter um Zentimeter, grub sich der Transporter aus dem Matsch und ruckelte dabei heftig. Mit einem Mal griffen die Reifen und trieben das Gefährt rückwärts aus der Einfahrt. Sepp stoppte auf der Fahrbahn und aktivierte den Kompressor, der die Reifen wieder auf das voreingestellte Maß von etwas über 10 Bar befüllte. Derweil stieg er aus, holte das Stahlseil ein und hakte es an der Winde ein. Mit dem Bedienungshebel an der Winde sorgte er dafür, dass das Restseil aufgewickelt wurde. Dann sicherte er das MG, verschloss die Dachluke und machte sich auf den Heimweg.

Gegen Mittag erreichte er im Regen das Dorf, und als er den Transporter abgestellt hatte, suchte er Alv in dessen Küche auf, wo ihn eine heiße Mahlzeit erwartete. Gierig und hungrig stürzte Sepp einen Teller Fischsuppe in sich hinein, den Rhea ihm hinstellte.

»Und«, fragte Bulvey, »wie sieht es aus? Hast du unser Päckchen gut abgeliefert?«

»Hat nicht wie geplant geklappt. Kurz vor der Stadt wurden wir von Zeds angegriffen und ich musste auf einen Acker ausweichen. Konnte die Situation klären und das Fahrzeug zum Glück wieder flott machen.«

»Und …?«

Sepp sah zu Rhea hinüber, dann zu Alv, bevor er kaum merklich und wortlos den Kopf schüttelte. In einer Ecke der Küche spielte Eliot mit seinen Plastiktraktoren.