***

 

Die kleine Wohnung von Jacky wird die nächsten Wochen unsere schützende Höhle. Die vielen Spielsachen von Baby Gregor begeistern Lisa - und sie mich. Ihr Lächeln lässt tatsächlich viel vergessen, und ich weiß spätestens jetzt, wieso Frauen nach einer derart blutig-wüsten Geburt doch noch hin und wieder ein zweites Kind bekommen wollen. Weil sie einfach unendlich süß und herzig sind, diese kleinen Monster. Auch wenn sie, wie Lisa in diesem Moment, eine volle Flasche Olivenöl vom Tisch schubsen! Die Flasche zersplittert in winzige Teile, das Öl ergießt sich über Jackys Küchenfußboden und Lisa patscht rein, winkt mit ihrer Rassel und lacht! Halleluja.

 

Die Höhle schützt nicht vor Daniel. Er dringt nach und nach in sie ein, nimmt mir mein Baby weg und bringt mich um den Verstand. Jedes Mal, wenn er Lisa abholt, bringt er mir neuerdings eine Aufmerksamkeit mit. Sei es eine eigens für mich gebackene Himbeertarte, eine wunderschöne Blume oder ein besonderer Stein. Jedes Mal erzählt er mir dazu eine inspirierende Geschichte und duftet gut.
„Lass uns zusammenziehen, Nora“, sagt er mit diesem Blick, als ich Lisa gerade das Mützchen aufsetze.
„Auf keinen Fall“, antworte ich sofort.
„Ihr bekommt ein eigenes Zimmer, in meiner Wohnung; sieh es als WG.“
Ich sehe ihn an und schüttle stumm den Kopf.
„Bitte, ich will jede Sekunde mit dir und mit Lisa verbringen. Das geht alles so rasend schnell, ich verpasse so viel.“
„Komm mir jetzt nicht mit: du hast ein Recht darauf.“ Meine Stimme wird harsch, ich verspüre Angst.
„Nein, Nora, ich bin nicht Tobias, dein Anwalt.“
Wir sehen uns an, und ich höre ein Flugzeug über mir.
„Ich muss Windeln kaufen“, flüstere ich, drücke ihm die Windeltasche und den Schnuller in die Hand, gebe Lisa noch einen zärtlichen Kuss und gehe rasch los.

 

Am Himmel haben sich dunkle Wolken gebildet und es fängt an zu regnen. In der Eile habe ich keinen Regenschirm eingesteckt und werde pitschnass. Mein T-Shirt klebt auf meinem BH und ich sehe aus, als hätte ich beim Miss Wet T-Shirt contest den 25. Platz gewonnen. Meine Haarsträhnen kleben mir platt im Gesicht und meine Wimperntusche von Alverde, die bio, aber nicht wasserfest ist, rinnt mir in Sturzbächen die Wangen herunter.
Just in dem Moment kommt mir Tobias mit seiner attraktiven, brünetten Anwaltskollegin, der „Dicken“ mit den „Stampferbeinen“, lachend entgegen. Sie hat natürlich eine um Welten bessere Figur als ich und makellose Beine. Keine Besenreiser, keine sportlichen Radlerwaden, wie Tobias meine Knubbelwaden immer liebevoll genannt hat.
„Nora, du hier?“ Tobias lächelt mich verkrampft an, und ich weiß nicht, ob er nur nett sein will oder ob er sich innerlich totlacht über mein Aussehen. „Darf ich vorstellen, das ist meine Kollegin, Patrizia von Bernstein.“
Patrizia von Bernstein?! Das klingt ja mindestens wie eine Kronprinzessin aus irgendeinem Märchen, schießt es mir durch den Kopf?!
„Und das ist …“ Tobias hält inne, da er offensichtlich nicht weiß, wie er mich betitulieren soll.
„Nora. Nora Blume“, helfe ich ihm schnell, eher um Schlimmeres zu verhindern.
Patrizia von und zu streckt mir mit einem charmanten Lächeln ihre grazile Hand hin, sieht dabei aber nicht mich, sondern Tobias an, wie ich gerade missmutig feststelle. Der lächelt charmant zurück, und ich koche vor Wut. Tobias wendet sich wieder an mich.
„Tut mir leid, Schneck … ich meine, Nora, wir sind etwas in Eile, wir haben einen Termin mit einem wichtigen Mandanten in der Kanzlei.“
„Klar, ich auch. Ich meine, ich bin auch in Eile. Ich muss noch … Windeln kaufen“, füge ich extra hinzu. Denn er hat keine Sekunde gefragt, wie es Lisa geht, und das hat mich wirklich verletzt.
„Wie geht es denn eigentlich …“
„Also dann“, unterbreche ich ihn grimmig, „du weißt ja, wie eilig das oft ist.“ Und weg bin ich. Ich spüre seinen Blick in meinem Rücken und einen tiefen Stich.

 

Daniel ist mit Lisa im Volkspark spazieren, und ich habe Sehnsucht nach meiner Kleinen. Ich ziehe mir schnell in Jackys Wohnung die nassen Sachen aus und gehe zu ihr. Von weitem sehe ich Daniel, wie er Lisa wie Karlsson vom Dach fliegen lässt und lustige Geräusche dazu macht. Lisa hat Spaß und wedelt mit ihren Händchen, und als sie dann mich erblickt, quietscht sie los. Daniel sieht mich und strahlt.
„Du hast uns vermisst“, sagt er glücklich und küsst sein Kind. „Guck mal die Enten, Lisa, da ist der Enten-Papa, das da ist das Enten-Baby, und da … die Enten-Mama.“ Lisa gluckst.
„Ich wollte doch nur …“, aber ich breche ab. Was wollte ich denn? Wieso um Himmels Willen bin ich hierher gekommen, und das vor der verabredeten Abholzeit?!
„Du bist da, weil du weißt, dass wir deine Familie sind“, vervollständigt Daniel meinen Gedanken. „Lass uns morgen einen Ausflug machen. Mit Lisa, ein bisschen Boot fahren, das gefällt ihr bestimmt.“
Ich sehe ihn zögerlich an und weiß genau, was er will.
„Ich hole euch um zehn Uhr ab. Mit Proviant. Lisa liebt Wasser und du doch auch.“
„Ja, sie liebt Wasser“, höre ich mich sagen und lächle Lisa an, die sich an ihren Papi kuschelt. Hauptsache, ihr geht es gut.

 

Am nächsten Morgen fährt Daniel fröhlich hupend in seinem VW-Bus vor, einen Picknickkorb voller Köstlichkeiten dabei.
Ich fühle mich in seiner Nähe wohl und Lisa auch. Lang war sie nicht so ausgeglichen, lang hat sie nicht so selten geweint. Das Radio dudelt „Always on my Mind“, von Elvis Presley, gefolgt von Rosenstolz, “Liebe ist Alles”.

 

Wir paddeln auf einem Ruderboot auf dem Wannsee herum, essen Feigen-Johannisbeer-Quiche, und die Sonne scheint.
Ganz zufällig rudert Daniel genau an der Stelle vorbei, an der wir das erste Mal so leidenschaftlich miteinander geschlafen haben. Die so perfekt weggedrückten Gefühle sprießen wieder hervor, wie ein lila Krokus im Frühling, und ich frage mich, wo überhaupt mein Problem ist. Ich habe das hübscheste, tollste Kind der Welt, sein Vater liebt mich über alles, ist dazu noch jung und gut aussehend und will unbedingt mit mir, trotz Knubbelwaden, Bauch- und sonstigen Falten, zusammenziehen. Und ich fürchte, ich liebe ihn auch. Wo also, bitteschön, ist mein Problem? Und plötzlich ist es, was auch immer es war, wie durch eine angenehme Brise weggeweht.
„Du hast also wirklich ein Zimmer für uns frei?“, frage ich das, was ich nie gedacht hätte, jemals einen Mann zu fragen.
Daniel nickt und strahlt, und ich mache Nägel mit Köpfen. Denn ich weiß, dass es zwischen Jacky und Werner nicht wirklich optimal läuft. Werner hatte sich doch ziemlich überfahren gefühlt, da nur Jacky über das Zusammenziehen nachgedacht hatte und nicht er. Jetzt fühlt er sich wohl etwas „eingeengt“, wie mir Jacky bei unserem letzten Mittwochslunch verraten hat. Sie will weiter bei ihm wohnen, da sie der Meinung ist, wenn das nicht klappt, dann hat es auch keinen Sinn. Ich bin aber eher der Meinung, wenn es Männern zu schnell zu eng wird, tritt ihr Fluchtinstinkt zutage. Das ist normal, und soweit muss man es ja nicht kommen lassen.
„Also gut“, höre ich mich sagen. „Dann ziehe ich aber ganz zu dir. Mit all meinen Schuhen.“ Ich sehe Daniel ganz genau an.
„Perfekt“, sagt er strahlend und glücklich und küsst meine Hand. „Und wann?“
Ich lächle. „Wie wär’s mit morgen?“ Soviel zum Thema: Männer darf man auf keinen Fall überrumpeln.
Lisa ist im schaukelnden Boot eingeschlafen, und wir stoßen gerade an Land. Daniel gibt ihr einen sanften Kuss auf das Näschen, macht das Boot mit einem Seil an einem Ast fest, nimmt mich lächelnd bei der Hand und führt mich ans Ufer. Dort tanzt er freudig mit mir umher, und ich lasse mich führen. Ein paar Fußgänger sehen herüber, lächeln sich an, und ein älteres, weißhaariges Paar, gibt sich nach bestimmt 20 Jahren wieder mal einen innigen Kuss.

 

Ich mache Nägel mit Köpfen. Ich lasse Lisa bei Daniel, fahre in unser Häuschen, um meine restlichen Sachen zu holen. Tobias ist nicht da, aber ich habe ihm eine SMS geschickt, er wird vermutlich bald kommen.
Erschüttert sehe ich mich in unserem Traum vom Haus um. Wie schnell sich Träume ändern können. Mache ich auch wirklich das Richtige?! Oder macht Daniel etwas mit mir? Haben mir seine jugendlich-leichten Komplimente mal wieder den allzu romantischen Kopf verdreht?
Zitternd packe ich Kiste um Kiste, noch chaotischer als sonst. T-Shirts, Nagellack, Lisas Kuschelkissen, noch ein paar Strampler, meine rot-weiß gepunkteten Ballerinas. Tobias müsste jede Minute da sein, und ich habe riesige Angst, ihn zu sehen. Aber ich weiß, ich muss mich ihm stellen. Da höre ich seinen Schlüssel im Schloss.
Ich stehe auf, sehe mich im Spiegel an, sehe eine innerlich strahlende Frau und glückliche Mutter und bin beruhigt. Ich atme hörbar ein und aus und gehe, mit einem offenen Umzugskarton in der Hand, zu ihm, die Treppe hinunter.
Tobias sieht mich traurig an, und meine rot-weiß gepunkteten Ballerinas, die ich getragen habe, als ich ihm gesagt hatte, dass ich schwanger bin, rutschen aus dem Karton.
„Du willst also wirklich zu ihm ziehen?“ Tobias starrt auf die Schuhe, als habe er es insgeheim schon lange gewusst.
„Ja … es ist … er liebt Lisa, weißt du. Und … du kannst es ja leider nicht … so gut.“
Tobias nickt, geht wie ein geprügelter Hund mit hängenden Schultern zum Sofa und lässt sich langsam darauf nieder.
„Es tut mir leid, ich wollte das nicht … so sagen, Tobias, … wirklich.“
„Schon gut. Ich weiß, was du durchmachst, Schnecki.“ Er sieht mich traurig an.
Und plötzlich fühlt sich mein Magen an, als wäre er zugenäht.
Dann blickt er ernst auf. „Wir müssen das alles noch regeln, demnächst. Wegen des Kredites und so. Ich würde es lieber erst mal nicht verkaufen, das Haus. Wegen der Wertsteigerung.“
„Ich auch nicht.“ Meine Stimme wird brüchig.
„Kann ich denn dann, der Einfachheit halber, erstmal hier wohnen bleiben? Oder wollt ihr hier einziehen, als Familie?“ Tobias versucht, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, aber sie zittert.
„Was, nein, natürlich kannst du hier bleiben. Ich fände das sogar sehr schön.“
Er nickt, nimmt ein Plüsch-Schaf von Lisa in die Hand, klammert sich daran fest. „Weißt du, ich liebe sie schon, natürlich, sie ist ja so süß, aber eben nicht … genug vielleicht.“
„Ich weiß, Schatz, ich meine, ich weiß.“ Wir sehen uns an und sind beide unendlich traurig. Dann steht er schnell auf, legt das Schaf ordentlich aufs Sofa, nimmt seine Joggingschuhe in die Hand und geht.
Ich fröstle, packe rasch die restlichen Sachen zusammen, telefoniere mit ausgebuchten Umzugsfirmen und finde endlich eine, die schon morgen kann.
„Is ja janz schön spontan. Sind Se uff der Flucht?“, sagt die Dame am anderen Ende der Leitung.
„Vielleicht.“
Sie kichert. „Vor `nem Typen oder vor sich selbst?“
„Gute Frage“, antworte ich und werde unsicher. „Aber was geht Sie das überhaupt an?!“
„Nischte, sorry. Is ihr Leben. Was glauben Sie, was wir schon alles erlebt ham. Einzug, Auszug, Wegzug.“ Sie lacht.
Morgen ziehe ich mit Lisa zu Daniel, und ich habe Angst, dass das vielleicht nicht die glorreichste Idee meines Lebens sein wird.

 

Die Möbelpacker, eine Horde sympathischer Ex-Knastis, packen fleißig mit an.
„Ach det ham wer oft, so’n Umzug aus`m Reihenhäuschen. Welche Ehe hält denn heutzutage noch länger als vier Jahre? Nach `n paar Jahren hat man seine Olle doch satt. Und den Ollen würde man am liebsten uff`n Mond schießen.“ Er lacht.
Ich sehe den Kerl an, der aussieht, als habe er mindestens seine Schwiegermutter ermordet und frage mich, ob er recht hat.
Nein, ich habe Tobias nicht satt. Ich kann ihn immer noch gut riechen, mag sogar den Geruch seiner Füße, nachdem er sie aus den dampfenden Joggingschuhen geschält hat, verzeihe ihm, wenn er seine Espressotasse in die Spüle stellt, statt in die Spülmaschine oder, wenn er nach dem Duschen das nasse Handtuch einfach auf den Boden fallen lässt, als wäre er in einem Hotel und das Zimmermädchen, also sprich ich, räumt es dann ja eh irgendwann weg.
Ja, mich hat das alles oft aufgeregt, aber nein, das war wirklich kein Grund, alles einfach hinzuwerfen. Das, was unsere schöne Beziehung getötet hat, das war meine Panik, 40 zu werden und irgendetwas im Leben zu verpassen. Und ich hatte ja recht. Zumindest für mich persönlich. Ein Leben ohne Kind kann und will ich mir einfach nicht mehr vorstellen. Sicher hätte ich dann weniger Augenringe und bessere Nerven, würde weniger hysterisch rumkeifen und wäre ausgeglichener. Aber Lisa würde mir einfach unendlich fehlen.
„Soll die olle Yucca-Palme och mit?“, ruft ein Ex-Knacki gerade. Ich stehe vor dem Laster und überlege.
Plötzlich tritt Magda zu mir, mit einer Schale roter Tomaten in der Hand und einem unendlich traurigen Gesicht.
„Du ziehst also wirklich weg von uns? Weg aus deiner Himbeersiedlung?“
„Ich … ja, ich fürchte ja.“
„Hab ich mir fast schon gedacht.“ Sie lächelt mich an, aber ihr Lächeln ist nicht wie sonst.
„Alles klar bei dir?“ Ich sehe sie forschend an.
Und sie schüttelt den Kopf. „Ich hab einen Tumor, in der rechten Brust“, flüstert sie leise. „Und sie wissen noch nicht, ob gut- oder bösartig. Sie wollen operieren, und mir die Brust abnehmen!“
Schockiert und fassungslos starre ich sie an.
„Was?!“, hauche ich, „das ist ja schrecklich!“
Magda nickt und überspielt mit einem Scherz. „Wie sieht denn das aus, nur eine Brust. Und das bei meinem Vorbau, hab ich gesagt!“
„Komm, lass uns einen Kaffee trinken und reden.“ Ich hake sie unter, doch sie macht sich los.
„Schon gut, die Kerle warten auf dich. Wir können uns ja nach der OP mal treffen, in der Stadt. Die OP ist nämlich schon übermorgen.“
„Übermorgen?!“
„Also wat is nu? Yucca-Palme sieht scheiße aus, die kommt auf’n Müll“, entscheidet der Ex-Knasti. Der Möbelwagen ist voll.
Magda nickt mir, die ich immer noch unter Schock stehe, aufmunternd zu, und ich biete ihr an, bei der OP dabei zu sein, wie sie bei mir, bei Lisas Geburt.
„Das ist total lieb, Nora, aber das will ich nicht. Ines ist da und hält mein Händchen, und sie ist ja zum Glück kein Mann, für den Brüste das Allerwichtigste sind an einer Frau. Also viel Glück, Nora, mit Daniel, ich wünsche dir wirklich, dass er der Richtige ist, für dich und Lisa.“
Sie drückt mir noch die Tomaten in die Hand, umarmt mich und geht rüber auf ihre Veranda.
Wie in Trance starre ich den voll bepackten Wagen an und wundere mich, wie viel unwichtiges Zeug ich in meinem ganzen Leben gesammelt habe. Dann quetsche ich mich zu den Jungs in die Fahrerkabine, denn ein eigenes Auto habe ich ja jetzt nicht mehr - und denke die ganze Zeit an die arme Magda.

 

Als wir mit dem Möbelwagen vor dem Bistro von Daniel ankommen, habe ich sofort ein ungutes Gefühl. Denn Florence, seine Angestellte, eine Anfang 20-jährige, hübsche, braungelockte Französin, kommt mir mit der schreienden Lisa auf dem Arm entgegen. Ich bin sofort bei meiner Süßen, nehme sie in den Arm und wiege sie sanft.
„Pscht, Mama ist ja wieder da. Wo ist denn Daniel?“
Florence zuckt genervt die Schultern und plappert los, in ihrem französischen Akzent. „Zum Großmarkt, und er hat vergessen sein Handy. Isch hatte noch nischt mal Flasche für Bébé.“
„Was?!“ Ich sehe sie wütend an.
„Isch habe ihr so Wasser gegeben. Aus einer Boule.“ Florence zuckt gleichgültig die Schultern, sie hat ganz offensichtlich kein gesteigertes Interesse an Kleinkindern, was ich in ihrem Alter auch nicht hatte und sehr gut verstehen kann.
„Isch muss in Bistro.“
„Verstehe. Aber, ach Florence, können Sie mir bitte den Schlüssel für die Wohnung oben geben?“
Florence schüttelt bedauernd den Kopf. „Haben wir nischt im Bistro.“
„Na prima, und wann wollte Daniel wieder hier sein?“ Ich spüre die Blicke der Ex-Knastis in meinem Rücken.
„Eigentlich schon vor einer halben Stunde. Aber so ist er halt.“
Florence lächelt den Jungs zu, die ihr nachschauen und geht ins Bistro.
Ich stehe da und der Satz „So ist er halt“ hallt in meinem Kopf wider. Was habe ich getan? Ich kenne diesen Menschen überhaupt nicht.
„Wat`n nu, wohin mit dem Pröddel, junge Frau?“
Junge Frau werden normalerweise ältere, runzlige Damen genannt, um ihnen etwas zu schmeicheln. Ich bin sofort auf 180.
„Nennt mich nie wieder junge Frau und ladet einfach alles aus, lasst es hier stehen und haut ab!“, schreie ich ihn an, und Lisa schreit mit. Ich fange plötzlich an zu schwitzen, als wäre ich mitten in den Wechseljahren. Und statt bunter Schmetterlinge habe ich eine Stinkwut im Bauch.
Der Kerl guckt mich mitleidig an. „Hey, hey, hey, janz schöne Scheiße, wa. Wir könnten auch alles wieder in det Reihenhäuschen kutschiern. Sind wer jewohnt.“
Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich versucht zu nicken. Doch genau in dem Moment biegt Daniels VW-Bus um die Ecke. Daniel springt raus, rennt auf mich zu, fällt vor mir auf die Knie und entschuldigt sich tausendmal mit ziemlich glaubwürdigen Erklärungen. Und er schafft es, mit seiner charmanten, lockeren Art, nicht nur meinen flammenden Zorn zu besänftigen, sondern auch die Ex-Knastis dazu zu bringen, ihn zu mögen.
Und nachdem alle Kisten ausgepackt sind, sitzen wir in der untergehenden, glutroten Abendsonne, essen französischen Käse und trinken zusammen einen köstlichen Bordeaux.

 

Himbeersommer
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