- Beyer Anja Saskia
- Himbeersommer
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Jacky weiß, was Frauen brauchen. Was
Frauen, die von Männern zutiefst enttäuscht wurden, brauchen.
Marshmallows, in die man Zahnstocher pieken kann, Cola (auf gar
keinen Fall light oder gar zero), Kleenex-Tücher, im Zweifel tun es
auch Popo-Feuchttücher von Baby Gregor, und eine große Packung
Paprika-Chili-Tacos mit extra fettigem Käse
überbacken.
Jacky wurde von einem „große Liebe
schwörenden“ griechischen Tauchlehrer in Australien geschwängert
und schnöde sitzen gelassen. Er hatte ihr gesagt, dass sie die
erste Frau seit fünf Jahren ist, in die er sich richtig verliebt
hat, dass er sie seiner Familie in Athen vorstellen möchte, dass er
gerade dabei ist, einen Flug für sie beide nach Athen zu buchen –
dummerweise hat er seine Mastercard auf einem Tauchgang verloren,
ob sie ihm 1900 Euro für die beiden Flüge leihen kann. Seine Oma
wird eine große Portion Moussaka machen, wenn sie beide kommen.
Jacky, die mit Männern schon einiges mitgemacht hat, war noch nie
naiv und gutgläubig. Aber einmal wollte sie offen sein für die
große Liebe – an die sie seitdem nicht mehr glaubt. Tobias und ich
sind ihre letzte große Hoffnung, das Traumpaar
schlechthin.
„Tobias ist so ein Arsch - wie alle
anderen auch. Er kann keine Kinder kriegen. Und weiß das schon seit
einem halben Jahr!“, platzt es bereits im 50er-Jahre-Treppenhaus
aus mir heraus. Jacky hat Baby Gregor im Arm, starrt mich
fassungslos an.
Die alte Frau Piske, die gerade mit
ihrem Dackel aus der Tür gegenüber kommt, nickt nur bestätigt und
brät ihrem Dackel Willi eins mit der Leine über. Ihr Mann hieß
Willi und ist mit einer Russin durchgebrannt.
Jacky sieht mich ungläubig an. „Was,
was, Moment, Moment, TOBIAS!?”
„Er weiß es schon seit einem halben
Jahr oder vielleicht noch länger, wer weiß…!“ Wir sind in ihrem
kleinen Wohnzimmer angekommen. Jacky reicht mir ein Marshmallow und
ich beiße hastig hinein, um meine Tränen mit zwei Millionen
Kalorien zu ersticken.
„Tobias hat dich … verarscht?“ Sie
kapiert es genauso langsam wie ich.
„Er will ein Kind adoptieren. Aber das
kommt überhaupt nicht in Frage.“
„Zumal ihr dafür bald schon zu alt
seid. Und erstmal heiraten müsst. Und dann wartet man ja `ne
Ewigkeit auf so ein Kind. Und eins aus China mit Schlitzaugen, oder
ein verstrahltes aus der Ukraine, ich weiß nicht.“
Ich sehe sie an und die Tränen fließen
endlich.
Jacky nimmt mich in den Arm. Baby
Gregor wird dabei gequetscht und fängt an zu schreien. Männer! Sie
wollen immer im Mittelpunkt stehen.
Während sich Jacky erstmal um Gregor
kümmert, der jetzt auch noch die Brust will, steche ich Zahnstocher
in Marshmallows.
Und als die Marshmallows alle tot
sind, fasse ich einen Entschluss.
Wir sind
nicht tot, wir leben noch. Und wir kämpfen bis zum bitteren
Ende.