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Jacky öffnet mir nicht ihre Tür!
Ich fasse es nicht. Ich stehe in ihrem Treppenhaus und versuche sie anzurufen.
Die alte Frau Piske mit ihrem Dackel kommt natürlich just in diesem Moment heraus. Ich nehme an, sie lauert immer, was bei den Mädchen so los ist. Ist ja auch immer spannend bei uns, keine Frage. Mal heult die eine, mal die andere, mal werden Tonnen von Süßigkeiten angeschleppt, dann plötzlich Windeln, dann kommt mal ein richtig gut aussehender Kerl, dann ist das nur der Klempner …
Frau Piske hat es jedenfalls gut. Sie setzt ihre Perücke auf und fühlt sich chic. Dass sie aussieht wie Atze Schröder, scheint sie nicht zu stören.
Jacky geht auch nicht an ihr Handy! Nachdem ich ihr das dritte Mal auf Mailbox gequatscht habe, wie leid es mir tut, was für eine miese Freundin ich bin und sie gar nicht verdient habe, gebe ich auf.
Ich bin eine Frau zwischen zwei Männern! Ein Szenario, von dem ich in meinem Leben nicht zu träumen gewagt hätte. Eher war ich mir sicher, als neurotischer Großstadtsingle in der Ambulanz der Psychiatrischen in Mitte zu enden. In diesem schönen Innenhof unter blühenden Büschen und meinesgleichen. Enddreißigerinnen, die alle Fehler ausschließlich bei sich suchen – und jede Menge finden.
Dabei können Männer, vor allem Männer um die 40, wirklich grausam sein. Haben sie doch selbst ihre Päckchen zu tragen. Nur über ihre Macken reden wir nicht.

 

Ich habe es wirklich geschafft! Ich bin nicht ans Handy gegangen, als Daniel angerufen hat. Und es fällt mir erst jetzt wieder ein. Oder um die Wahrheit zu sagen, ich habe mich selbst kasteit, die ganze Zeit daran gedacht und mich richtig stark gefühlt, zu widerstehen.
Schnell wähle ich die Nummer meiner Mailboxabfrage und höre seine junge, angenehme Stimme, die klingt wie die deutsche Synchron-Stimme von Leonardo DiCaprio.
„Nora, wo warst du so plötzlich, hier ist Daniel. Melde dich, ich muss dir was sagen.“
Na bravo, das hat er doch extra gemacht. „Muss dir was sagen.“ Natürlich bin ich mindestens so neugierig, wie wenn ich eine neue Haarfarbe ausprobiere und hoffe, dass sie mir steht. Und natürlich sehe ich mich im Spiegel an.
Meine Finger zittern bei 30 Grad. Und das wegen eines Kerls, der weit unter dreißig ist!
„Ich bin’s, Nora.“
„Es hat keinen Sinn zu flüchten“, sagt er und trifft damit den Punkt.
Ich werde blass und höre das Klappern von Tassen im Hintergrund.
Ich habe von der Frucht der Versuchung genascht und muss nun damit leben.
„Ich komm zu dir auf die Baustelle.“ Er klingt sehr entschlossen.
„Bist du verrückt?! Auf keinen Fall.“
„Aber ich muss dir was Wichtiges sagen.“
„Das kannst du genauso gut am Telefon tun“, versuche ich, meine Stimme so gelassen klingen zu lassen, wie Joan Collins damals im Denver-Clan, als sie mit einem jüngeren Lover telefonierte. Und ich fühle mich mindestens so alt und so biestig wie sie.
„Nein“, Daniel klingt so aufgewühlt, als habe er gerade einen Schatz gefunden. Aber offensichtlich will er nicht verraten, unter welcher Palme er liegt. „Wo können wir uns sehen?“
Ich überlege, und es fällt mir nichts ein. Mein Hirn ist in rosa Zuckerwatte gepackt. Meine Synapsen verklebt.
„Also gut. Du gibst eh nicht auf.“
„Das hoffst du“, entgegnet er lächelnd.
„Wie wäre es heute Abend?“ Ich höre mich reden und fühle mich schlecht.
Was tue ich da? Heiligt der Zweck wirklich jedes Mittel? Die Gefahr, mich unsterblich in Daniel zu verlieben, nur um ein Kind mit Tobias zu bekommen, ist so groß wie … wie mein Hintern auf dem unsäglichen Foto, das meine Mutter immer noch an ihren Kühlschrank hängen hat. Wir waren damals auf einem Ponyhof, ich war 17 und ich bin gerade auf ein Pony gestiegen, das kleiner war als ich. Meine Mutter steht neben mir. Sie selbst sieht in ihrem lila Flatterkleid umwerfend aus. Ich hingegen wie eine Mischung aus Walross und Storch.
Was ziehe ich an? Meine jugendlichen Outfits habe ich bereits durch und keine Lust mehr, mich zu verkleiden. Das Beste ist, ich sage ab.

 

Himbeersommer
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