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Starke Männerhände umfassen meine Hüfte.
Es ist Tobias. Ich packe hektisch Kisten aus. Er ist heute früher nach Hause gekommen und extrem gut gelaunt.
„Es ist irgendwie Wahnsinn, aber ich freue mich schon tierisch auf das Baby“, sagt er und lächelt.
Ich lächle zurück, korrigiere „unser Baby“ und bin wieder beruhigt, genau das Richtige zu tun. So hat mich Tobias schon lange nicht mehr angefasst. Seine Augen haben schon lange nicht mehr so vorfreudig gestrahlt. Und offenbar hat er sich mit der Idee bestens angefreundet.
„Hast du schon ein Opfer gefunden?“ will er neugierig wissen. Doch da ich noch nicht dazu gekommen bin, Daniel zu fragen, schüttele ich nachdenklich den Kopf.
„Nein. Aber ich habe ein gutes Gefühl.“
Was für ein Satz. Ich habe ein gutes Gefühl. Hat mein Vater gesagt, als ich ihn als 14-Jährige gefragt hatte, ob er mit meiner Mutter glücklich ist. Kurz danach hat er die Scheidung eingereicht. Ich bin ein verkorkstes Trennungskind und ganz sicher therapiebedürftig. Aber noch sträube ich mich dagegen.
Ich habe Daniel meine Handy-Nummer gegeben. Und ich bin sicher, er ruft bald an. Männer sind so unberechenbar.

 

Ich liege in der Badewanne und starre abwechselnd auf meine Platt-Spreiz-Senk-Füße, meinen vermurksten Nagellack und mein altes Nokia-Handy. Das neuere Smart-Phone-Modell liegt bereits im Regal. Ich bin aber nicht fähig, die Telefonnummern zu bluetoothen, und Tobias hat nach der Arbeit keine Lust mehr auf so etwas. Früher hätte er es für mich gemacht. Früher war alles anders. Da hatte auch noch nicht jeder ein iPhone. Außer mir.
Wieso vergeuden wir eigentlich so viele Stunden unseres Lebens mit dem Warten auf den Anruf irgendeines Kerls? Und während wir warten, schauen Männer Autorennen, machen sich eine Fertigpizza heiß, schneiden sich vor dem Fernseher die Fußnägel und lassen sie da liegen, oder checken den Goldpreis. Sie vergeuden keine Millisekunde damit, uns warten zu lassen. Wieso warten wir? Wieso schaffen wir es nicht, uns solange ein gutes Buch zur Hand zu nehmen, konzentriert das Auslandsjournal zu schauen, ohne währenddessen mindestens alle drei Minuten unser Handy zu hypnotisieren.
Mein Handy klingelt! Ich angle danach und um ein Haar wäre es in der Wanne untergegangen - mit mir.
Am anderen Ende ist Jacky. Ich mache ihr blitzschnell klar, dass die Handyleitung frei sein muss. Ich rufe sie auf Festnetz zurück.
Von meinem konfusen Bericht über den Tag mit Daniel ist sie so begeistert wie über den neuesten Sabber-Milchfleck auf ihrer ein Monate alten Mango-Bluse, einem Internet-Schnäppchen.
„War ja klar. Du bist verknallt!“ Sie klingt zutiefst frustriert.
„Spinnst du? Natürlich nicht, ich hab ja nicht mit ihm geschlafen“, entgegne ich verwirrt, „und das werde ich auch nicht tun.“ Um mir im gleichen Moment da nicht mehr ganz so sicher zu sein.
„Vergiss es. Das macht der nie mit“, sagt sie und beißt in einen Apfel. „Der ist viel zu knackig. Der verbaut sich doch nicht seine Zukunft mit einem Blag.“
Gregor fängt wieder an zu schreien. Und es schmerzt mir zum ersten Mal sehr im Ohr.
„Aber wenn wir nicht bald ein Kind kriegen, dann war’s das … mit uns,“ sage ich leise, und der Schaum unter meinem Kinn zittert so sanft wie ein gerade geschlüpftes Küken.
Das Wasser ist kalt. Ich habe keine Lust mehr zu baden, geschweige denn zu warten.
„Lass uns morgen weiterreden, ich erfriere“, unterbreche ich Jacky, die gerade mit einer Schimpftirade loslegen will. Denn Baby Gregor hat „eingekackert“, wie Jacky gerade flucht. Warum eigentlich nehmen alle Mütter diese Kita-Sprache an? Und das selbst im Umgang mit kinderlosen, gewählt sprechenden Freundinnen? Werde ich je Mutter sein?
Endlich. Eine SMS von Daniel!

 

Himbeersommer
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