4.

Seine vor vier Jahren noch fast kindlichen Gesichtszüge waren kantig geworden. Er trug das Haar kurz geschnitten und gescheitelt und legte Wert darauf, dass es ihm nicht in die Stirn fiel. Für einen Besuch bei einem anständigen Friseur, spotteten seine Mithäftlinge, würde er sich sogar vögeln lassen. Allerdings wagte keiner, so etwas laut zu sagen, denn Tim Burger war gefürchtet. Es gab Gerüchte, zu Beginn seiner Haftzeit habe er einen Zellengenossen halb totgeprügelt.

»Siebenunddreißig«, keuchte er.

Tim belastete bei seinen Liegestützen nicht wie üblich die Handflächen oder wie die härteren Jungs im Knast die Fäuste. Bei ihm drückte das gesamte Gewicht auf die Fingerknöchel. Er ärgerte sich, weil die Haut an zwei Fingern platzte und das Blut auf dem Boden Flecken hinterließ.

»Dreiundsechzig.«

Die anderen Knackis täuschten sich, wenn sie glaubten, sein Ziel wäre es, eine menschliche Kampfmaschine zu werden. So primitiv war er nicht. Ihm ging es nicht um die Körperkraft, sondern um den Willen. Er wollte es lernen, körperliche und seelische Schmerzen auszuschalten. Nur dafür trainierte er.

»Siebenundneunzig.«

Der Boden unter seinen Augen verschwamm und begann sich in Wellen zu bewegen. Er kam ihm entgegen und entfernte sich wieder. Kam ihm entgegen, entfernte sich. Es ist fast wie mit einer Frau, dachte er. Aber er durfte nicht zulassen, dass der Schmerz ihm Lust bereitete. Er biss sich auf die Zunge.

»Hundertelf.«