35.

Heute war sein wahrer Geburtstag. Der Anfang der neuen Zeit. Von Medingen hatte ihm die Nachricht selbst überbracht. Ich hoffe, Sie machen mir keine Schande, Burger, hatte er gesagt.

Sie können sich auf mich verlassen, hatte er geantwortet und war strammgestanden. Allerdings nur innerlich, denn der Psychologe mochte es nicht, wenn er zu zackig auftrat.

Sonst denken die noch, Sie gehören zu einer Wehrsportgruppe, hatte er mal gesagt. Augenzwinkernd.

Tim Burger wusste nicht, ob er bis zu seiner tatsächlichen Entlassung zwei, drei oder noch fünf Tage zu warten hatte, aber er wusste, dass die Zeit zum Handeln gekommen war. Ein ungeheures Hochgefühl erfasste ihn.

Er trat unters Fenster und schaute zu dem schmalen Stück Himmel. Seit mehr als drei Jahren war das seine Aussicht. Er hatte in grauen Nebel gestarrt und auf schwarze Wolken, hatte strahlende Bläue gesehen und absolute Dunkelheit. Er hatte neue Sterne und Sternbilder entdeckt, aber es hatte mehr als ein Jahr gedauert, bis er den ersten Buchstaben sah. Inzwischen gelang es ihm, jedes Wort in seinem Kopf an dieses schmale Stück Himmel zu projizieren.

Alles hat seine Zeit, stand da, oder Feuer reinigt oder Aus der Zerstörung kommt das Heil.

Heute stand Gnade vor Recht am Himmel. Zu einem großen Festtag gehörte ein Gnadenakt. Er hatte alle Biographien gelesen, die ihm der Anstaltsleiter genehmigt hatte, über Friedrich den Großen, Bismarck und von Hindenburg. Er war nicht so größenwahnsinnig, sich mit diesen Männern zu vergleichen, er hatte nicht das Zeug zum Führer. Er war nur ein Werkzeug. Ein Schwert. Ein messerscharfes, blitzendes, die Augen blendendes Schwert. Nur mit solchen Schwertern werden Kriege gewonnen.

Marco, dieses arme Würstchen, das die Kameraden gefangen hielten und das sich jetzt vor Angst in die Hosen machte, wäre ein Fall für einen Gnadenakt. Aber Marco war stur, unbegreiflich stur für einen Schwächling.