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Das Trappeln kleiner Füßchen

23.29: Bevorstehender Besuch der Schwiegereltern schwängert die Luft mit dumpfem Grollen – wie dem von Ungeheuern in weiter Ferne. «Mach dir keine Mühe, Liebling», sagt mein Mann. «Woran hattest du für Sonntag zum Mittagessen gedacht?»

«Mach dir keine Mühe, Katharine», sagt Barbara bei ihrem dritten Anruf. Und dann macht man sich keine Mühe, und sie wirft bei ihrer Ankunft einen Blick in den Kühlschrank, klammert sich an ihre Perlenkette, als wär’s ein Rosenkranz, und zerrt Donald hinaus zum Auto. Sie kommen mit dem gesamten Inhalt der Sainsburyfiliale zurück, «damit wir für Notfälle was im Haus haben».

Aber dieses Mal ist alles unter Kontrolle. Es wird nichts an mir auszusetzen geben: Die Gästebetten sind sauber bezogen, und ich hab in der Mittagspause saubere weiße Handtücher von Marks & Spencer geholt. Ich habe sogar ein nickendes Maiglöckchen in die Nachttischvase gesteckt, um dem Ganzen diesen eleganten, femininen Touch zu geben, ganz so wie es Cheryl, meine Muffia-Schwägerin, praktiziert. Außerdem muss ich daran denken, alle Geschenke auszugraben, die Barbara und Donald uns über die Jahre gemacht haben, und sie an gut einzusehenden Orten zu platzieren.

 

Sonnenuntergang über Coniston, Aquarell, von der «gefeierten örtlichen Künstlerin Pamela Anderson (keine Blutsverwandte, leider)
Royal-Worcester-Eierbecher (×4)
Elektrischer Wok
Roman von Dick Francis als Hardcover.
Beatrix-Potter-Gedächtnis-Kuchenplatte

 

Außerdem, da war ganz bestimmt noch ein Außerdem.

Ich wische die Arbeitsplatte sauber und mache Emilys Schultasche fertig. Darin, zwischen den Seiten eines Lesebuchs, ist ein Zettel von der Schule. Könnten die Eltern bitte ein für den kulturellen Hintergrund ihres Kindes typisches Gericht zum World Feast Day beisteuern?

Nein. Könnten die Eltern nicht. Die Eltern haben reichlich damit zu tun, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, danke sehr, und sind froh darüber, dass die Schule die Arbeit macht, für die sie ihr Geld kriegt. Ich lese weiter bis zum Ende des Zettels. Das große Fest ist morgen. ALLE SIND HERZLICH WILLKOMMEN! Neben dieser bedrohlichen Aufforderung hat Emily in ihrer wütendsten, papierdurchbohrenden Schrift geschrieben: «Maine Mummy Ist aine ser gutte köchin fil bessa alz Sofis mamma.» Oh, Scheiße.

Ich durchsuche die Schränke. Was um Himmels willen gilt denn als englisch? Roastbeef? Da ist ein Glas englischer Senf, aber der hat eine widerliche dicke Haut um den Deckel herum. Fish & Chips? Gut, aber Fisch haben wir nicht, und ich hab noch nie in meinem Leben Pommes frittiert. Ich könnte eine große Portion von McDonald’s in Zeitungspapier wickeln. Man muss sich die Gesichter der von Mutter Oberin Angela Law angeführten Vollwertnazis mal vorstellen. Hinter den Cornflakes entdecke ich zwei Gläser Bonne-Maman-Marmelade. Erdbeermarmelade ist ein ausgezeichnetes Beispiel der heimischen Küchenkunst, doch dieses Zeug kommt aus Frankreich.

Hervorragende Idee. Wasser aufsetzen. Erst nehme ich das eine, dann das andere Glas und halte es über den Dampf, bis die Etiketten sich lösen. In der Schublade mit den Gefrierbeuteln finde ich neue Etiketten, und auf die schreibe ich mit runden, rustikalen Buchstaben: Shattocks Erdbeermarmelade. Etwas übermütig geworden, versuche ich eine saftige Erdbeere unten aufs Etikett zu malen. Sieht aus wie ein entzündeter Magen. Klebe Etiketten auf die Gläser. Et voilà! Je suis une bonne maman!

«Kate, was machst du da? Es ist nach Mitternacht.» Rich ist in die Küche gekommen, in Boxershorts und T-Shirt, mit einem Furby auf dem Arm. Ich verabscheue den Furby. Der Furby ist eine scheußliche Kreuzung zwischen einem Chinchilla und Bette Davis in Whatever Happened to Baby Jane? Sowohl Ehemann als auch Furby blinzeln mich zweifelnd an.

«Ich mache Marmelade. Eigentlich gestalte ich Marmelade um, wenn du es genau wissen willst. In Emilys Schule ist so eine Ethno-Veranstaltung, und sie muss etwas Englisches mitbringen.»

«Könntest du nicht einfach morgen früh was kaufen?»

«Nein, Rich, das könnte ich nicht.»

Sein Seufzen ist beinahe ein Stöhnen. «Gott, wie oft müssen wir das noch durchkauen? Ich hab dir gesagt, du musst lernen loszulassen. Wenn Frauen so hart arbeiten wie du, Kate, dann müssen andere Leute ganz einfach akzeptieren, dass sie nicht all das leisten können, was eure Mütter geleistet haben.»

Selbst wenn andere Leute das akzeptieren können, will ich ihm sagen, dann ist noch lange nicht sicher, dass ich das auch kann. Aber der Furby ist schneller, er bricht das Schweigen mit einem gurrenden Ton, und Rich verschwindet nach oben.

 

0.39: Zu müde zum Schlafen. Ich stecke den Furby in einen schwarzen Müllsack und mache einen Knoten. In der dunklen Küche öffne ich meinen Laptop und sitze in sein milchiges Licht gebadet. Ich rufe die Salinger-Datei auf. Die Zahlen auf dem Bildschirm geben mir Halt, bereitwillig tun sie, was ich verlange, und ich kann sie nicht belügen. Zu Hause dagegen bin ich eine Fälscherin, eine Betrügerin. Ich schäme mich nicht dafür, ich wüsste nicht, was die Alternative wäre. Eine gute Mama kocht ihre eigene Marmelade, nicht? Insgeheim wissen wir das alle. Wenn sie anfangen, ihr Eingemachtes Jetlag Maman oder Quality Time Maman zu nennen, wenn auf der Brotverpackung Father’s Pride steht, dann erst dürfen wir schlechten, erschöpften Mütter uns mit erhobenen Händen raustrauen.

 

Freitag, 7.10: Richard hat seine Stimme erhoben. Das hat er noch nie gemacht, höchstens, um mich zu bitten, leiser zu sein. Aber da saßen wir nun am Frühstückstisch, und die Kinder plapperten vor sich hin, und keiner würde glauben, wie er auf Emily losgegangen ist.

«Mummy, krieg ich eine kleine Schwester?»

«Nein, Schatz.»

«Aber ich will eine. Daddy, kriegen wir eine kleine Schwester?»

«NEIN, KRIEGST DU NICHT!»

«Warum?»

«Um eine kleine Schwester zu machen, müssen Mamas und Papas im selben Raum Zeit miteinander verbringen.» Richard guckt fern, den Ton hat er ausgeschaltet, seine Augen hängen an Chloe-Zoes Schmolllippen.

«Lass das, Richard.»

«Und deine Mama und dein Papa haben nie Zeit, Emily. Mummy will gerade wieder nach New York fliegen, und unter diesen Umständen ist es besonders schwierig, eine kleine Schwester zu machen. Oder vielleicht möchte Mummy, dass ich einen Mann für sie hole. Das sagt Mummy doch immer, wenn die Spülmaschine kaputt ist. Hol einen Mann.»

«Ich sagte, lass das.»

«Warum denn, Kate. Lüg sie nie an, hast du das nicht immer gesagt?»

«Ma-ma, Daisy hat eine kleine Schwester.»

«Und du hast einen kleinen Bruder, Em.»

«Aber er ist EIN JUNGE.»

 

8.52: Ausnahmsweise bringe ich Emily selber zur Schule. (Ich hab im Büro angerufen und erzählt, ich müsse zum Arzt. In der Hierarchie der Entschuldigungen ist eine schlechte Gesundheit besser als ein bedürftiges kleines Mädchen.) Em findet es faszinierend, mich in Gegenwart der anderen Mütter dabei zu haben. Sie führt mich ihren Freunden vor wie ein Zuchtpferd, klopft mir die Flanken und weist auf meine Vorzüge hin.

«Meine Mama ist so hübsch und so groß, nicht?»

Ich hatte gehofft, meinen Beitrag zum Ethno-Fest unbemerkt abstellen zu können, aber da steht ein Tisch mitten in der Aula, der sich unter den ethnischen Gaben biegt. Eine Mutter scheint eine ganze Ziege in Curry mitgebracht zu haben. Kirsties Mutter hat Haggis in einem echten Magen gemacht. Himmel. Ich verstecke meine Erdbeermarmelade schnell hinter einem Wall aus Vollkornbrot.

«Kate, hallo! Bist du inzwischen auf Teilzeit?», dröhnt Alexandra Law.

«Nein. Ich fürchte, da, wo ich arbeite, gibt es so was nicht. Da gilt es schon als Schwänzen, wenn man ganztags arbeitet.»

Die anderen Mütter lachen alle, mit Ausnahme von Claire Dalton, Teilhaberin bei Sheridan & Farquhar. Ich bemerke, wie Claire versucht, eine kleine Schale Wackelpudding auf den World-Feast-Altar zu schmuggeln. Sie bewegt sich sehr vorsichtig, damit niemandem auffällt, dass der Pudding noch nicht fest ist.

 

12.46: Candy behält das Baby. Sie weigert sich, darüber zu reden, aber ihr Bauch macht ihre Absichten klar. Die Stratton-Garderobe, seit jeher eher auf der knappen Seite, muss sich mittlerweile arg dehnen, um ihn zu umhüllen. Deshalb hab ich ihr heute eine Tüte voll Schwangerschaftskleider mitgebracht: ein, zwei schöne Stücke, die sie zur Arbeit tragen kann, und ein paar nützliche Säcke für später. Ich übergebe ihr die Tüte kommentarlos beim Lunch im Pizza Navona. Sie zieht ein beiges Kleid mit Bindegürtel raus und hält es hoch.

«Hey, ein Packpapierpaket, das mit Bindfaden zusammengehalten wird. Dafür hab ich was übrig.»

«Ich dachte, du könntest es gebrauchen. Das ist alles.»

«Wozu?»

«Für deine Schwangerschaft.»

«Himmel, was ist das?» Candy nimmt ein weißes Spitzennachthemd und wedelt damit zur Belustigung der Typen am Nebentisch herum. «Ich ergebe mich! Ich ergebe mich», verkündet sie.

«Schau her, man kann es aufmachen zum Füttern.»

«Warum sollte ich im Nachthemd irgendwas essen – o Gott, du meinst, wenn ich jemanden füttere? Nein, wie ekelhaft!»

«Ja, aber das ist schon seit den letzten hundertundfünfzigtausend Jahren so üblich.»

«Nicht in New Jersey, da nicht. Kate?»

«Ja.»

«Das Baby. Es wird doch nicht so furchtbar hilflos sein, oder?»

Ich studiere Candys Gesicht. Das war kein Witz. «Nein, es wird nicht so furchtbar hilflos sein. Das garantiere ich dir.» Nach den ersten achtzehn Jahren jedenfalls nicht mehr, sollte ich eigentlich hinzufügen, aber um den Seelenfrieden meiner Freundin willen halte ich den Mund. Sie ist noch nicht so weit.

 

15.19: Ein Notfall. Roo wird vermisst. Paula ruft an und sagt, sie sei ganz sicher, dass er im Buggy war, als sie Ben heute Morgen in die Little-Stars-Musikgruppe gebracht hat, und sie ist ziemlich sicher, dass Roo auch wieder mit zurückgekommen ist. Aber dann, als sie Ben zum Mittagsschlaf hinlegen wollte, konnten sie ihn nicht finden. Ben ist am Boden zerstört. Hat geschrien und geschrien, während Paula das Haus durchsucht hat. Von oben bis unten, aber da war kein Känguru. Im Hintergrund kann ich hören, wie Ben vor Kummer hickst.

Was hat sie sich dabei gedacht, Roo mit aus dem Haus zu nehmen? Ich kann gar nicht fassen, dass Paula so dumm sein kann, wo sie doch wusste, wie furchtbar es wäre, wenn er verloren ginge. Ich spreche diesen Gedanken aus, und statt zurückzublaffen, klingt sie einfach nur schuldbewusst und traurig.

«Glaubst du, wir können ein anderes finden, Kate?»

«Keine Ahnung, wie es auf dem Gebrauchtkängurumarkt aussieht, Paula.»

 

15.29: Rufe bei Woolworth an, wo Roo ursprünglich herkam. Die Verkäuferin sagt, sie bedaure, aber sie glaube, Kängurus seien ausverkauft. Ob ich den Geschäftsführer sprechen möchte. Ja.

Geschäftsführer sagt, der Verkauf von Kängurus sei eingestellt worden. «Der Trend führt weg von den weicheren Tieren und hin zu Novelty Creatures, Mrs. Reddy. Wären Sie eventuell interessiert an einem Action Man?»

Nein, die Exemplare an meinem Arbeitsplatz reichen mir völlig.

 

15.51: Probiere es bei Harrods. Die müssen doch ein Roo haben. Die haben doch alles, oder? Eine Frau in der Spielzeugabteilung sagt, sie könnte da etwas haben, sie müsse nur eben in einem anderen Raum nachsehen, ich möge mich einen Moment gedulden. Als sie zurückkommt, beschreibt sie etwas, aber das scheint gar nicht das Richtige zu sein.

«Nein, ein Baby kann ich überhaupt nicht gebrauchen. Es ist ein Notfall. Australien, ja. Ich brauch was, das gut 25 Zentimeter misst, noch heute Abend.»

«Kate, ich wusste gar nicht, dass du dir daraus was machst.» Ich schaue auf und sehe Rod Task, der mich lüstern angeifert. O Gott. «Sorry, Rod, ich brauch ein Känguru.»

«Großartig. Ich dachte schon, du würdest nie fragen.»

Ein fieses Kichern kommt von Guy zwei Tische weiter. Als Rod außer Hörweite ist, sage ich ihm, dass er das Internet umgehend nach Spielzeugbeuteltieren abzusuchen habe.

 

21.41: Es dauert zwei Stunden und dreiundvierzig Minuten, meinen Sohn davon zu überzeugen einzuschlafen. Alle Tröster, die ich ihm als Ersatz anbiete, Lamm, Eisbär, lila Dinosaurier, jeden einzelnen Teletubby nach dem Rotationsprinzip – werden wütend aus dem Gitterbett geschleudert.

«Roo», heult er. «Roo.»

Damit er sich beruhigt, muss ich ihn meine elektrische Zahnbürste halten lassen, und dann sitzen wir auf dem blauen Sessel, wo er alle viere von sich streckt und sich an meinen Rock klammert wie ein Affenbaby. Am Grunde jedes Atemzugs ist so ein klebriger kleiner Schluchzer, als würde ein kleines Tor zu seiner Lunge aufgehen. Bitte, lieber Gott, lass mich ein neues Roo finden.

 

ALLES IST GUT gelaufen, als Barbara und Donald zu Besuch waren, verdächtig gut, das sehe ich jetzt deutlich. Soweit Barbara dazu fähig war, hat sie mir Komplimente über meine Küche gemacht. «Das wird sicher sehr schön, wenn es erst fertig ist», sagte sie. Aber ich ging huldvoll lächelnd darüber hinweg, ebenso beim Tee mit den Kindern, als Barbara zu Donald sagte: «Ist das nicht putzig, Emily sieht aus wie Richard, wenn sie lacht, und wie Kate, wenn sie die Stirn kraus zieht!»

An diesem Abend aßen wir italienisch. Ich hatte einen Bund Ruccola gewaschen und abgetrocknet, die roten Paprika waren geröstet und sorgfältig aus ihrer Haut gepellt worden. Im Backofen schmorte eine Lammkeule auf dem oberen Rost, und darunter brutzelten die mit Rosmarin aus dem eigenen Garten gesprenkelten Kartoffeln. Ich hatte sogar noch ein Bad reinquetschen können, nachdem die Kinder zu Bett gebracht worden waren, und eine saubere Bluse und einen Samtrock angezogen, über dem ich die abwischbare Schürze mit dem Libertymuster trug, die mir die Schwiegereltern zu Weihnachten geschenkt hatten.

Ja, dachte ich, als mein Blick über die Szene beim Abendessen glitt, dies ist einer der seltenen Augenblicke, in denen sich das wirkliche Leben den Abbildungen in Zeitschriften annähert. Die Göttin des Haushalts bewirtet ihre bewundernden Schwiegereltern in ihrem herrlichen, stilvollen Heim. Barbara hatte mich gerade um das Paprikarezept gebeten – da sah ich es. Über das Eichenparkett bewegte sich das rundlich samtene Hinterteil einer Ratte.

Benimmbücher schweigen sich ganz unnatürlich aus, wenn es um das Thema Ratten beim Abendessen geht.

Wie verhält man sich?

 

a) man lacht fröhlich und tut so, als sei die Ratte ein geliebtes Haustier?
b) ruft: «Ah, da ist das Hauptgericht. Siebeck sagt, Ratten sind stark im Kommen. Sollen delikat sein, wenn man sie auf die vietnamesische Art zubereitet.
c) man bittet die Gäste, sich nach oben zurückzuziehen, wo man sie mit so viel Alkohol wie irgend möglich abfüllt und eine Burt-Bacharach-CD auflegt, um die Geräusche aus der Küche zu dämpfen, wo der Ehemann das Nagetier mit dem Mary-Poppins-Schirm der Tochter verfolgt.

 

Richard und ich entschieden uns für c.

Unten hat sich die Ratte im Laufstall verkrochen, vielleicht baut sie darauf, als Kuscheltier durchzugehen. Vor kurzem noch ist sie in der Küche munter im Kreis gerannt. Barbara hat gesagt, wenn sie es recht bedenke, dann meine sie sich zu erinnern, das Gefühl gehabt zu haben, ihr sei etwas über die Füße gelaufen. Sie brauche sofort ein Aspirin und müsse sich hinlegen. Niemand hatte Lust auf meine Amaretto-Pfirsiche in Himbeercoulis. Plötzlich hatte ich ein sehr schlechtes Gefühl, was die Rosinenklumpen anging, die immer auf dem Küchenboden herumlagen.

«Werd nicht hysterisch», sagte Richard, nachdem er die Ratte aus der Terrassentür in den Garten getrieben hatte. «Denk dran, die haben mehr Angst vor dir als du vor ihnen.»

Das erschien mir unwahrscheinlich. Die Ratte hat bei mir eine Rattenphobie ausgelöst, immer wenn ich eine Schranktür öffne, macht mein Magen einen Satz, weil ich nicht weiß, welchem Angesicht ich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen werde. In jener Nacht trappelten kleine Füße durch meine Träume.

 

Montag, 9.38: Ich bin von meiner eigenen Putzfrau gefeuert worden. Wie tief kann man sinken in den Annalen häuslicher Demütigungen? Als ich an diesem Morgen nach unten kam, fand ich Barbara und Juanita in anklagender Eintracht beieinander. Meine Schwiegermutter gab Geräusche der Missbilligung von sich, als meine Putzfrau nachstellte, wie eine Ratte über die Arbeitsfläche lief, und auf Teile der Küche zeigte, die von Zeitungsstapeln und Spielzeug unpassierbar gemacht würden. «Es ist kein Wunder», sagte Barbara. Obwohl meine Schwiegermutter des Spanischen nicht mächtig ist, vermochte sie sich mit Juanita in der internationalen weiblichen Sprache der Missbilligung zu verständigen.

«Der Rattenmann ist unterwegs», verkündete ich laut, um sie auf meine Anwesenheit aufmerksam zu machen und zu verhindern, dass weitere Beispiele meiner Schlampigkeit angeführt wurden.

Als ich den Namen des Schädlings aussprach, ließ Juanita eine Salve von Klagelauten los.

«Wenn du Essen herumstehen lässt, zieht das Ungeziefer an», warf Barbara hilfreich ein.

«Ich lasse kein Essen herumstehen», sagte ich, aber sie war schon draußen auf dem Flur, wo Donald das Gepäck zusammengestellt hatte. Er winkte mir wehmütig zu.

Als sie weg waren, sagte Juanita mir, es tue ihr Leid, aber sie könne es nicht mehr aushalten. All das wurde durch Armbewegungen und Schluchzer ausgedrückt. Und hier ergab sich endlich die Gelegenheit klarzustellen, dass das Haus nur deswegen in einem solchen Zustand war, weil meine Putzfrau es in den letzten zwei Jahren nicht sauber gemacht hatte – wegen einer Reihe von Leiden, auf die ich stets mit enormem Mitgefühl reagiert hatte, wahrscheinlich, weil da, wo ich herkomme, niemand hinter einem herputzt und es eine Schande ist, wenn man als Frau sein Haus nicht sauber halten kann. («Kate ist ja vielleicht ein Genie, wenn es um Zahlen geht, hat meine Schwägerin mal gesagt, aber man muss sich mal ansehen, in welchem Zustand ihre Scheuerleisten sind!»)

Na, hab ich wohl Juanita an Ort und Stelle meine Meinung gesagt? Nicht ganz. Ich habe ihr das gesamte Bargeld gegeben, das ich im Portemonnaie hatte, und versprochen, mehr mit der Post zu schicken, und gesagt, ich würde sie Freunden in Highgate empfehlen, die eine Putzfrau suchten.

 

Nicht vergessen

Hinter dem RATTENMANN her sein. Neue Putzfrau einstellen. Ersatz-Roo. DRINGEND! Einigung über Stimmrechtsübertragung mit Klienten. Quartalsfragebogen zur Wertentwicklung ausfüllen. Sitzungsprotokoll selbst schreiben (Sekretärin Lorraine noch immer krankgeschrieben). Die Aussichten auf das Final, für das Momo und ich uns gerade ins Zeug gelegt haben, sind wegen der beschissenen Wertentwicklung im Juni vergeigt. Prüfen, wie Konkurrenz abgeschnitten hat – vielleicht ist es bei denen noch schlimmer? Konferenzschaltung mit dem japanischen Büro, zwecks Diskussion der Anlagen. Sandalen für Emily, sonst hat mich der Kinderschutzbund beim Wickel wegen Fußgrausamkeit. Honigpops, Panadol. Wellnesstag absagen.

Working Mum
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