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Tauben

Wo sind die Raubvögel, wenn man sie braucht? Seit dem frühen Morgen sitzen zwei Tauben auf dem Sims vor meinem Bürofenster. Ist offenbar ihr erstes Date. Für etwa eine Stunde oder so sah es so aus, als verbeuge sich das Männchen vor dem Weibchen mit kleinen kellnerhaften Dienern. Okay, ich nehme mal an, dass es das Männchen ist, weil das andere Tier die Farbe von Spülwasser hat und den Kopf scheu neigt wie Prinzessin Di, während er eine prächtige Halskrause trägt, seegrün und lila mit öligem Schimmer.

Es war ja nicht so schlimm, als das Männchen noch süße Nichtigkeiten flüsterte, aber jetzt strunzt er mit aufgefächertem Schwanz auf und ab und faucht und pfeift dabei, um die Aufmerksamkeit des Weibchens zu erregen. Der Krach ist unglaublich. Ich klopfe ein paar Mal scharf ans Fenster, um die Vögel zu verjagen, aber das junge Paar hat nur Augen füreinander.

Ich rufe Guy an und sag ihm, er soll sofort die Hausverwaltung an den Hörer kriegen und Rat einholen, wie mit Tauben zu verfahren ist.

Guy setzt sein Jeeves-Gesicht auf: «Möchten Sie, dass ich ihre Erschießung arrangiere?»

«Nein, Guy, die haben einen Falken, der sich um so was kümmert. Fragen Sie, wann der seinen nächsten Besuch macht.»

Es ist eine wenig bekannte Tatsache, dass die City of London einen Falkner angestellt hat, der mit seinem Rotfalken die Taubenpopulation unter Kontrolle hält. Letztes Mal, als er kam, waren Candy und ich gerade auf dem Weg zum Mittagessen, und meine durch nichts zu erschütternde New Yorker Freundin staunte Bauklötze über den riesigen Mann vom Lande mit dem einzelnen Lederhandschuh, der ein befiedertes Geschütz in den Himmel abschoss.

«Falls du dich je gefragt haben solltest, warum die City im Vergleich zum Rest der Stadt so saubere Pflaster hat, hier ist die Antwort.»

«Oh, verstehe», grinste Candy. «Auf diese Weise bleibt die ganze Scheiße drinnen.»

 

Von: Debra Richardson
An: Kate Reddy
Wie geht es dir? Bin so gestresst nach 3 Tagen Ferien, dass ich am liebsten im Kloster einchecken würde. Gibt es therapeutische Maßnahmen gegen Arbeitsentzugserscheinungen für traurige Fälle wie uns? Wir waren in «kinderfreundlichem» Hotel in Somerset. Sind verbannt worden, nachdem Felix Sicherungen im Frühstücksraum erledigt hat. Hat seine Gabel in den gemeinschaftlichen Toaster eingeführt, und es wurde finster im ganzen Laden. Ruby sagt, sie hasst mich.
Fügen wir unseren Kindern nur kurzfristig Schaden zu, oder wird es später große Gerichtsverhandlungen geben?
In Verdrängung D xxx

 

Von: Jack Abelhammer
An: Kate Reddy
Betrifft: Japanische Bankenkrise
Mit erheblicher Beunruhigung bemerkt Ihr Klient die andauernden Unruhen im fernöstlichen Sektor. Meines Wissens hat die Origami Bank einen Knick hinnehmen müssen, die Sumo Bank schwimmt mit dem Bauch nach oben und die Bonsai Bank plant, diverse kleine Zweige zurückzuschneiden.
Könnte ich Ihre diesbezüglichen Anweisungen erhalten, Madam?xxx

 

Von: Kate Reddy
An: Jack Abelhammer
Betrifft: Japanische Bankenkrise
Haben Sie nicht ein Geschäftsimperium zu leiten, Sir? Witze über die Heimsuchung unserer orientalischen Freunde zeugen von sehr schlechtem Geschmack, allerdings habe ich gehört, dass die Aktien der Kamikaze Bank zum Sturzflug angesetzt haben und 500 Angestellte der Karate Bank einen Schlag ins Genick bekamen.
Katharine. xx

 

Von: Jack Abelhammer
An: Kate Reddy
Hey, ich habe dich vermisst. Hatte mich gerade an dein Tempo gewöhnt. Wie waren die Ferien? Hoffentlich heiß und erholsam.
Habe neulich tollen Film über einen Typen gesehen, der sein Gedächtnis verloren hat und alles, woran er sich erinnern muss, auf seinen Körper schreibt. Ich habe an dich gedacht – du hast gesagt, du hast immer an so viel zu denken.
Jack xx

 

Von: Kate Reddy
An: Jack Abelhammer
War weder heiß noch besonders erholsam. Immer noch kalt hier – heute Morgen habe ich einen Typen auf der Eisbahn gesehen, der coole Kreise und Schnörkel fuhr, als würde er seinen Namen aufs Eis schreiben. Oder vielleicht sogar den von jemand anderem – romantisch, nicht?
Das mit dem Film stimmt genau. Der größte Teil meines Körpers ist schon von Notizen bedeckt, aber ich habe für dich ein Plätzchen hinter meinem linken Knie frei gelassen.

 

Von: Jack Abelhammer
An: Kate Reddy
Ich kann ein bisschen Schlittschuh laufen – und du? Wir könnten irgendwann mal ein paar Runden auf dünnem Eis wagen.
Und was das linke Knie angeht, bin gleich zur Stelle. Muss nur meine Feder spitzen.

 

10.23: Nun schlägt dieser verdammte Täuberich mit den Flügeln, als würde er sich selbst beklatschen, weil er so ein toller Liebhaber ist. Die Taube macht indessen das, was bei Vögeln auf dem Rücken liegen und mit den Beinen wedeln entspricht. Nicht auszuhalten. Ich schaffe es, das Fenster aufzukriegen, und versuche sie zu verscheuchen. Aber es stellt sich heraus, dass Liebe sowohl blind als auch taub ist.

So viel zu tun, ich kann nur staunen, dass mein Kopf nicht abknickt unter dem Gewicht der Aktivitäten darin. In zwei Tagen werde ich in den USA an einem Final für einen 300 Millionen Dollar schweren Ethischen Pensionsfonds teilnehmen, den ich mit einer zwanzigjährigen Trainee frisch von der Uni präsentiere, die alle Voraussetzungen für diese Aufgabe erfüllt – das heißt, weder weiß noch männlich ist –, abgesehen davon, dass sie die Arbeit nicht machen kann. Wir beide, Momo Gumeratne und ich, werden EMFs leidenschaftlichem Engagement für die Chancengleichheit Ausdruck geben, ein Engagement, dessen bisheriger Höhepunkt die Aufnahme von Tacos auf die Speisekarte der Cafeteria war. Darüber hinaus habe ich es immer noch nicht geschafft, einen Entertainer für Emilys Geburtstagsfeier zu engagieren. Und ich muss die Klamotten für das Final aus der Reinigung abholen. Und, da war ganz bestimmt noch ein weiteres und.

Scheiße. Das hatte mir noch gefehlt. Ein Memo von Robin Cooper-Clark liegt auf meinem Schreibtisch: Es gibt eine interne Untersuchung, weil EMF Aktien verkauft hat, die EMF eigentlich nicht hatte. Ich schiebe das Memo zu Momo rüber und sage ihr, sie soll gehen und es auf den Tisch von Chris Bunce legen. «Aber pass auf, dass er dich nicht sieht, okay?»

Sie überfliegt das Papier. «Wir haben Aktien verkauft, die wir nicht haben, und nun werden Forderungen an uns gestellt und Robin will wissen, wer dafür verantwortlich ist?»

«Korrekt.»

«Und wie finden wir heraus, wer Schuld hat?»

«Nein, Momo. Das Ziel ist, das Ringlein weiterzugeben, bis die anderen müde werden. Kennst du das Spiel Schwarzer Peter? Das hier ist dasselbe, nur mit Memos. Der Letzte, der das Papier in der Hand behält, sitzt tief in der Scheiße. Würdest du es also bitte Chris Bunce auf den Tisch legen? Jetzt sofort

Langsam kommt mir der Gesichtsausdruck meiner Assistentin bekannt vor: eine Art zitterndes Stirnrunzeln, hehre Prinzipien kämpfen mit dem brennenden Verlangen zu gefallen. «Entschuldigen Sie, Kate, aber woher wissen wir, dass Chris Bunce Schuld hat?»

Ich drehe meinen Stuhl herum, damit ich nicht die Nerven verliere. Draußen auf dem Sims wird das Tableau der Taubenfamilie vom Gerüst eines riesigen Krans gerahmt. Was soll man über Chris Bunce sagen? Einen Mann, der sich im Gespräch unbewusst in den Schritt greift, wie um zu prüfen, ob seine Männlichkeit noch da ist, beziehungsweise dieselbe aufgeregt reibt, wenn er denkt, er habe jemanden in die Pfanne gehauen. Insbesondere mich.

«Hör mal, Chris Bunce ist einer von diesen Hosenbodenartisten, die sich nie um ihre Verwaltung kümmern, sondern es verantwortungsvollen kleinen Mädchen wie dir und mir überlassen, sich um all die langweiligen Sachen zu kümmern, die die Behörden zufrieden stellen. Wenn IMRO wüsste, was Bunce so treibt, wären sie schon mit einer Schäferhundstaffel hier angerückt. Aber Bunce kommt immer gut weg, weil er ein fieser Meister im Spiel mit den Memos ist. Ist damit deutlich geworden, was ich sagen will?»

«Entschuldigung», sagt Momo, so wie jemand anders okay sagen würde, und dann geht sie mit dem Memo durchs Büro wie ein Soldat mit einer unentschärften Mine.

«Wirst du sie erziehen können?»

Candy steht an meinem Tisch. Sie trägt einen Rock von der Länge einer SMS. Ich habe sie nicht mal kommen hören.

«Ich weiß nicht. Ich versuche Momo mit der Idee vertraut zu machen, dass nicht jeder ein netter Mensch ist.»

«Omeingott. Hier liegt doch wohl keine glückliche Kindheit vor?»

«Fürchte ja.»

Candy schüttelt ihren Kopf voll Verwunderung und Mitleid. «Armes Ding. Sie wird es nie schaffen.»

 

11.25: Bin fest entschlossen, mein elektronisches Notizbuch in Gang zu kriegen. Das Pocket Memory wird mein Leben revolutionieren. Das Pocket Memory wird den Stress verbannen. Das Pocket Memory wird meine Zeit für mich arbeiten lassen!

Nachdem ich das Faltblatt vom Starter Pack zehn Minuten lang gelesen habe, stelle ich fest, dass das Pocket Memory nicht mit meinem Computer kompatibel ist. Ich rufe die Hotline an. Der Schulabbrecher am anderen Ende spult sein auswendig gelerntes Skript mit der Leichtigkeit eines Mannes ab, der simultan aus dem Urdu übersetzt.

«Haben Sie einen Serial Port auf der Rückseite, Madam?»

«Meiner Rückseite oder der vom Computer? Wie zum Teufel soll ich das wissen?»

«Was Sie brauchen, Madam, ist ein Connect Kit.»

«Nein, was ich brauche, ist ein Organizer, der organisiert.»

«Sie können ihr Connect Kit jetzt bestellen. Wenn Sie das möchten …»

«Entschuldigen Sie, ist das Teil des Versprechens, mein Leben zu erleichtern? Könnte ich nicht einfach in einen Laden gehen und mir eins holen?»

«Es sind nicht so viele davon im Handel erhältlich, Madam. Sie werden bestellt. Die Lieferzeit liegt zwischen fünf und zehn Tagen.»

«Ich habe keine fünf bis zehn Tage. Ich fahre in vierundzwanzig Stunden in die Staaten.»

«Ich fürchte, wir können nicht …»

«Kann nicht ist was für Memmen.»

«Wie bitte, Madam?»

«Das ist ein altes australisches Sprichwort, und es bedeutet: Sagen Sie ihrem Chef, dass ich mehrere Millionen Aktien seiner Firma halte und wir uns derzeit überlegen, sie eventuell abzustoßen, da sie nach unseren Marktrecherchen nicht besonders gut dastehen. Haben Sie mich verstanden?»

Ein hörbares Schlucken. «Ich muss mit dem Abteilungsleiter reden.»

 

Dienstag, 8.11: Nun ist es so weit. Richard und ich haben letzte Nacht tatsächlich im Bett gelegen und darüber diskutiert, ob wir zu müde für Sex sind. Konnte mich nicht mehr genau daran erinnern, zu welchem Schluss wir gekommen sind, bis ich heute Morgen aufstand und bemerkte, das meine Schenkel ein wenig klebten.

Keine gute Idee vor einer wichtigen Präsentation. Sportler sagen doch immer, dass sie vor einem großen Wettkampf auf Sex verzichten. Weibliche Athletinnen äußern sich darüber nie, aber für sie muss wohl dasselbe gelten, wenn nicht in höherem Maß. Es gibt wahrscheinlich kaum was, das einen so fertig macht wie der weibliche Orgasmus. Stunden nachdem die Erde gebebt hat, versucht eine tiefe Müdigkeit noch immer, einen mit ihren Tentakeln in die Tiefe zu ziehen: Wenn man kommt, und ich meine, wenn man richtig kommt, möchte man liegen bleiben bis Weihnachten. Ich nehme an, so sorgt die Natur dafür, dass die Spermien die besten Chancen haben, die Eizelle zu kapern. (Wenn man mal drüber nachdenkt, ist fast alles in der weiblichen Biologie darauf ausgerichtet, ein Baby bekommen zu wollen oder es, wenn wir es haben, beschützen zu wollen.) Bis ungefähr letztes Jahr litt ich unter leichtem PMS, es war nicht nichts, aber doch nicht zu vergleichen mit der Hölle, die manche Frauen durchmachen. Dann, mit fünfunddreißig, war es plötzlich Krieg. Und jetzt gehen die Hormone jeden Monat auf die Barrikaden, fuchteln mit Plakaten und brüllen: «Rettet unsere Eizellen!» Mein Körper weiß anscheinend, dass die Zeit knapp wird, und betrauert das Abstoßen eines jeden Eis wie den Verlust eines Edelsteins.

Aber wie kann ich denn noch ein Baby bekommen, wenn ich die bereits vorhandenen nicht mal zu sehen kriege? In den letzten Tagen bin ich kaum zu Hause gewesen. Ich schaue hoch zur Wanduhr im Büro, und wenn es nach acht ist, weiß ich, dass ich die Bettzeit der Kinder verpasst habe, und dann, ja, dann denke ich mir, kann ich ebenso gut weitermachen. Momo bestellt eine Pizza oder wir holen uns was Gesundes in der Styroporbox aus der Kantine. Ist immer ungenießbar. Und wir schließen mit unserem üblichen Mitternachtsmahl: eine Tüte Tortilla Chips und ein paar Crunchies aus dem Automaten, die wir mit Diet Coke runterspülen.

Als ich letzte Nacht um 23.55 nach Hause kam, bin ich ans Telefon gegangen. Ich dachte, es sei Momo, die weitere Zahlen durchgeben wollte. Und wer war dran? Barbara, meine Schwiegermutter. Ich konnte kaum glauben, dass sie so spät anrief.

«Sag mir ruhig, dass ich mich nicht in Dinge einmischen soll, die mich nichts angehen, Katherine, aber ich habe heute Abend mit Richard gesprochen und er klang sehr müde. Ich hoffe, dass alles in Ordnung ist.»

Sie glaubt, dass er müde ist?

 

10.07: Ich habe eine Besprechung mit Rod, Momo und Guy. Wir proben das Final zum dritten Mal, Rod und Guy haben die Rolle der Klienten übernommen, als Rods Sekretärin Lorraine hereinplatzt.

«Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Kate, aber da ist jemand für Sie auf Leitung drei. Er sagt, es sei dringend.»

«Und wer ist es?»

Lorraine scheint nicht damit rausrücken zu wollen. Sie steht unbeholfen in der Tür, bis sie schließlich in einem Bühnenflüsterton hervorbringt: «Es ist ein Alfred Ananas.»

Guy verdreht die Augen so genervt, dass er sich praktisch in den eigenen Schädel guckt. Momo schaut auf ihre Schuhe.

«Was ist das denn für ein Arsch?», fragt Rod liebenswert.

Ich entscheide mich für den dreisten Kurs. «Ach ja, das ist Alfred Ananas, Entertainmentfirma, gehört zu Fruitscape.com, die jetzt an die Börse gehen. Der Vorsitzende will kommen und mit mir über den Ablauf reden. Vermutlich nur ein kleiner Witz von ihm.»

Gott im Himmel. Noch immer kein Entertainer für Emilys Feier. Habe mich durch die zuverlässigen Favoriten gearbeitet, Roger Regenbogen, Si-Si der Clown und Katie Klatschkuchen, die die phantastischsten Dinge mit Smarties und einer Luftpumpe anstellt. Alle haben bereits Engagements in Monaco oder Las Vegas oder tanzen bei irgendeiner anal fixierten Obermutti vor, die die Pappteller und Servietten für Jokastes siebten Geburtstag schon ausgesucht hatte, als das Fruchtwasser abging.

Die Fische werden immer kleiner, und inzwischen bin ich schon im Kleinanzeigenterritorium der bärtigen Blödmänner gelandet, deren Fotos sich auf geradezu unheimliche Weise mit denen der Pädophilen-Kampagne von News of the World decken. Am Montag gab es einen Hoffnungsschimmer, als Alfred Ananas aus Gravesend sagte, er werde für 120 Pfund, und darüber lässt sich nicht reden, eine schöne Show für das kleine Mädchen auf die Beine stellen. Aber Alfreds Faltblatt war heute Morgen in der Post. Es zeigt einen pummeligen Homunkulus, der schweinchenrosa Ballons zu Besorgnis erregend phallisch anmutenden Dackeln windet.

Was Emily sich wirklich wünscht, ist natürlich ein Fest im Schwimmbad, aber das kommt überhaupt nicht infrage. In der Schwimmhalle, die man dafür mietet, ist das Wasser lauwarm, ziemlich trübe und wimmelt vor Bakterien. Außerdem würde ich mir die Zeit nehmen müssen, meine Bikinizone wachsen zu lassen: Öffentliche Nacktheit in Gesellschaft anderer Eltern ist nichts für mich.

 

23.19: Komme nach Hause und entdecke Pocket Memory Connect Kit auf dem Flurtisch. Richard ist auf dem Sofa gestrandet und guckt das Arsenal-Spiel. Er hat mir Pasta in den Backofen gestellt: riecht und kaut sich wie überbackene Füße.

«Kommt es denn ganz und gar nicht infrage, dass irgendjemand außer mir Sachen, die an der Treppe stehen, mit nach oben nimmt?»

Rich schaut nicht mal vom Fernseher auf. «Ah, SIE ist wieder da. Ist unsere Zeit mal wieder gekommen?»

«Unterstellst du mir PMS?»

Richard jault auf und lässt die Fernbedienung fallen. «Himmel, Kate, ich blicke auf die Zeiten deiner prämenstruellen Spannungen wehmütig zurück. In diesen Tagen haben wir es mit postmenstruellen Spannungen und intermenstruellen Spannungen zu tun. Wir haben die Rund-umdie-Uhr-Spannung. Kannst du abschalten, wenn du schließlich doch mal ins Bett gehst, oder gibst du im Schlaf immer noch Instruktionen?»

Ich mache die Geschirrspülmaschine auf und stelle fest, dass das Geschirr, das ich für sauber gehalten hatte, von einem grauen Film überzogen ist. Scheißmaschine ist wohl am Verrecken. «Es mag deiner Aufmerksamkeit entgangen sein, Rich, aber ich habe eine wichtige Präsentation …»

«Wenn so was meiner Aufmerksamkeit entginge, wäre ich eine Mumie in Ulan Bator.»

«Ich tu das für uns, weißt du.»

«Wer ist denn uns, Kate? Die Kinder haben dich nicht mehr gesehen, seit wir aus Wales zurück sind. Vielleicht solltest du Fernsehmoderatorin werden, dann würden sie dich wenigstens zweimal am Tag auf dem Bildschirm zu Gesicht kriegen.»

In der Tür stehend, betrachte ich mein Männerelend aus ganz weiter Ferne. Diese Situation kenne ich gut, denke ich, und ich weiß, welche Möglichkeiten es gibt, da wieder rauszukommen: Entweder fahre ich morgen früh bei klirrendem Frost zum Flughafen und hoffe, dass das Eis getaut ist, bis ich wieder zurückkomme, oder ich lasse sofort meine Kleider fallen und erinnere uns beide daran, dass Liebe was ist, das man machen kann. Ich bin so erschöpft, dass sich mein Körper nur noch anfühlt wie eine Hülle, nein, es kommt mir vor, als schleppte der lebende Körper einen toten auf dem Rücken mit. Aber ich kann es nicht ertragen, ihn so sitzen zu lassen, und manche Arten von Sex erfordern weniger Zeit und Energie als andere.

«Bitte, sei auf meiner Seite, Rich», sag ich zu ihm, als ich ein paar Minuten später aufstehe. «Im Büro stehe ich allein gegen alle. Ich will nicht auch noch zu Hause eine Einzelkämpferin sein.»

 

1.01: Habe fast alle Daten, die ich brauche, ins Pocket Memory eingegeben, als oben ein Schrei ertönt.

 

4.17: Emily war schon dreimal wach. Kämpft mit der Bettdecke, feuchtes Haar trocknet in krustigen Strähnen auf ihrer blassen Wange. Kann mir nicht sagen, was ihr fehlt. Wie kann sie mir das ausgerechnet heute Nacht antun? Wo ich doch in drei Stunden zum Flughafen muss. Spüre sofort einen schuldigen Stich, dass ich so was überhaupt denken kann. Dann, gerade als ich beschlossen habe, dass es eine Vorabbestrafung dafür ist, dass ich sie allein lasse – wie eine Katze erspürt Emily eine Abreise, ehe der Koffer nach unten gebracht worden ist –, stöhnt sie schließlich: «Mummy, meine Pipi tut weh.»

Ich gieße ihr eine große Tasse Saft ein und verbringe die folgenden zwanzig Minuten damit, zu einem Notarzt durchzudringen. Er schlägt vor, dass ich ihr Calpol gebe und, gleich wenn die Praxis aufmacht, eine Urinprobe abgebe. Unten versuche ich irgendeinen geeigneten Behälter zu finden, irgendwas Wasserdichtes, das groß genug ist zum Reinpinkeln. Das Einzige, was ich auftreiben kann, ist eine Barbie-Trinkflasche. Das muss reichen. Wieder oben, kniee ich mich neben die Toilette. Kein Glück, ich kann Emily nicht dazu überreden, in die Flasche zu machen.

«Mummy?»

«Ja, Schatz.»

«Können wir im Schwimmbad feiern?»

«Natürlich, Liebes.»

Im Handumdrehen ist die Flasche randvoll.

 

Mittag, JFK Airport, New York: Ein massiger Zollbeamter durchwühlt mein Handgepäck. Völlig unbesorgt verfolge ich, wie er mein Handy, die Ersatzstrumpfhosen und das Otto-Fresssack-Buch herausnimmt, seine fleischige Hand in eine Seitentasche schiebt und die Barbieflasche herausholt. Omeingott. Die hätte ich auf dem Küchentisch stehen lassen sollen. Wenn die Flasche hier ist, wo ist dann das Pocket Memory?

Zollbeamter schraubt Barbieflasche auf und schnuppert:

«Ma’am, wie würden Sie diese Flüssigkeit bezeichnen?»

«Das ist der Urin meiner Tochter.»

«Ma’am, ich glaube, Sie kommen besser mal mit.»

 

Nicht vergessen

An absolut jeden Scheiß zu denken.

Working Mum
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