21
Sonntag
Der Tag der Ruhe, besser bekannt als der Tag unablässiger körperlicher Arbeit. Ich fang damit an, die ausgestorbenen Fertiggerichte aus dem Kühlschrank zu schmeißen. Wische seltsamen algenähnlichen Belag von den Glasregalen. Entferne ein Stück Parmesan, das nach Altersheim riecht. Lasse die widerlichen Happy Chicken Shapes verschwinden, die Paula an die Kinder verfüttert, und achte darauf, sie ganz unten im Müllbeutel zu verstecken. Für meine empfindlichen Kleinen gibt’s nur Freilaufendes. Wie oft muss ich ihr das denn sagen?
Befülle und leere die Waschmaschine dreimal. Wegen ihres Rückenproblems (das seit dreieinhalb Jahren nicht besser wird) kann man von Juanita nicht erwarten, dass sie schwere Wäsche im Haus herumschleppt. Erwachsenenwäsche fällt nicht in den Aufgabenbereich des Kindermädchens, obwohl Paula gelegentlich die scharfe Demarkationslinie verletzt und einen meiner ausschließlich für Handwäsche geeigneten Pullover in die Maschine wirft. (Ich will mich jedes Mal darüber beschweren, aber stattdessen lege ich es unter Kummer mit Paula, Band III, ab.)
Heute habe ich Kirsty und Simon zu einem «entspannten» Lunch eingeladen. Es ist wichtig, sich mit Freunden zu treffen, sich daran zu erinnern, dass es mehr im Leben gibt als Arbeit, und die sozialen Fäden zu spinnen, die das starke Band der Gemeinschaft ausmachen usw. Und für die Kinder ist es ebenfalls wichtig, Mummy entspannt in häuslicher Atmosphäre zu erleben, damit sie später goldene Kindheitserinnerungen haben und nicht welche an eine Frau in Schwarz, die Anweisungen brüllend aus der Tür rennt.
Alles völlig unter Kontrolle. Das Rezeptbuch liegt wie eine Bibel aufgeschlagen unter dem sauberen Plastikseitenhalter, die Zutaten haben gefällig daneben Aufstellung genommen. Eine schnuckelige Flasche Olivenöl mit einer Seidenschleife aus Siena ist zur Stelle. Ich trage eine entzückende Designerschürze mit einem altmodischen Blumenmuster, eine kleine ironische Anspielung auf die Hausfrau der Fünfziger, die scherzhaft die Distanz zu der erschütternden häuslichen Dienstbarkeit von Frauen wie meiner Mutter betont. Ich habe auch schon geplant, welches lässige Gastgeberinnenoutfit ich Sekunden vor dem Eintreffen der Gäste anziehen werde: Jeans von Earl, Donna-Karan-Cashmerepullover. Versuche den Anweisungen für die Filotarte aus lauchblättrigem Bocksbart, Lauch und Blauschimmelkäse zu folgen, aber Ben erklimmt immer wieder meine Beine und schlägt mir seine ungeschnittenen Fingernägel wie Steigeisen ins Fleisch. Jedes Mal, wenn ich ihn auf den Boden setze, stößt er sein sirenenartiges Heulen aus.
Es gibt Leute, die ihren eigenen Filoteig machen, aber das ist dieselbe Sorte, die Bondage im Schlafzimmer praktizieren, man bewundert ihre Anstrengungen und ihre Techniken, ohne es ihnen unbedingt nachmachen zu wollen. Ich wickele den Teig aus und bepinsele ein Blatt mit geschmolzener Butter. Dann lege ich ein weiteres Blatt darauf. Sehr entspannend. Herein tritt Emily, mit vorgeschobener Unterlippe: «Wo ist Paula?»
«Heute ist Sonntag. Paula kommt heute nicht, Schatz. Wir beide werden zusammen ein paar schöne Kekse backen.»
«Will nicht. Ich will Paula.» (Als sie das zum ersten Mal gesagt hat, habe ich gespürt, wie der Dolch tief in mein Herz gedrungen ist. Der Schmerz über die Untreue der Erstgeborenen ist ohne Konkurrenz.)
«Also, ich fände es toll, wenn du mir mit den Keksen helfen würdest, Liebling. Das macht Spaß.»
Mit ihren großen grauen Augen nimmt Emily den Anblick ihrer Mutter spielenden Mutter auf. «Daddy hat gesagt, dass ich Rugrats sehen darf.»
«Schon gut, du darfst Rugrats sehen, wenn du dir dein blaues Kleid anziehst, bevor Kirsty und Simon kommen.»
11.47: Alles unter Kontrolle. Wende mich wieder dem Rezept zu. «Rühren Sie den Zitronensaft und den Blauschimmelkäse in die kalte Béchamelsauce.» Was für eine Béchamelsauce?
Blättere um. «Rezept für Béchamelsauce: S. 74.» Was? Und das sagen die jetzt erst? Es klingelt auf dem Handy: Es ist Rod Task. «Passt es gerade nicht, Katie?»
«Nein, passt ausgezeichnet. Au! Ben, lass das. Tut mir Leid, Rod. Was wolltest du sagen?»
«Ich faxe dir die Einzelheiten für die Konferenz morgen durch, Katie. Wir brauchen dich in Topform, es geht um die Anlage von Vermögenswerten, Gewinnausschüttung und strategische Ausblicke. Ganz deine Szene also. Der kleine Guy hat Freitagabend dein Loblied gesungen, hat gesagt, wie toll du es doch machst unter den Umständen.»
«Was für Umstände?»
«Och, du weißt ja, wie Jungs so über einem Curry ins Plaudern kommen.»
Nein, weiß ich nicht. Ich wäre am Freitag liebend gern mit Rod und dem Team zum Inder gegangen, und wenn auch nur, um Guy davon abzuhalten, hinter meinem Job her zu pirschen, aber ich musste nach Hause und Harry Potter vorlesen.
Da dringt plötzlich ein verdächtiger Geruch aus dem Backofen. «Keine Sorge, Rod. Alles unter Kontrolle. Bis morgen.»
«Nimm’s leicht, Süße!»
Ich mache die Backofentür auf und enthülle ein Desaster. Die Filoteig hat sich in einen versteinerten Wald verwandelt. Keine Panik. Denk nach, Kate, denk nach. Renne Anweisungen brüllend aus der Tür. Richard, kannst du bitte Ben anziehen und die Küche aufräumen?
12.31: Bin vom Supermarkt zurück. Ben ist angezogen, aber die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld.
«Richard, ich dachte, ich hätte dich gebeten aufzuräumen?»
Er schaut verwundert von der Zeitung auf. «Ich habe aufgeräumt. Ich hab die CDs schon alphabetisch geordnet.»
Kicke Briobahn unters Sofa, schleudere das übrige Spielzeug in den Hauswirtschaftsraum und versperre die Tür mit einem Wäscheständer. Ersetze die Käse-und-lauchblättrige Bocksbartkatastrophe durch eine Quiche von Marks & Spencer. Jetzt das Dressing. Schnucklige Flasche Olivenöl hat bombenfeste, knallrote Wachsplombe. Versuche sie mit dem Korkenzieher rauszuziehen, streue aber nur rote Flöckchen in die zarten Kopfsalatherzen. Nehme die Zähne zu Hilfe. Hat keinen Zweck. Scheiße. Scheiße. Geh mit scharfem Messer auf die Plombe los. Verfehle die Flasche und schlitze mir stattdessen den Handrücken auf. Sieht aus wie volltrunkener Selbstmordversuch. Durchsuche die Erste-Hilfe-Schublade. Kann nur ein einziges Pflaster finden. Mit einem Elefanten drauf. Renne nach oben, um mir das Outfit der entspannten Gastgeberin anzuziehen. Zwänge mich in die neuen Jeans, aber keine Spur vom Donna-Karan-Cashmere-Pullover. Warum ist in diesem Haus nie was an seinem Platz?
12.58: Pullover gefunden. Paula hat ihn ganz hinten im Wäscheschrank versteckt, kein Wunder. Er hat offensichtlich die Kinderwäsche nur knapp überlebt. Jetzt ist er so eingelaufen, dass er Ally McBeal eben noch passen würde. Gehe nach unten und entdecke, dass Ben den übrig gebliebenen Blauschimmelkäse ins Videogerät stopft. Emily brüllt, weil Rugrats stecken geblieben ist. Von Richard keine Spur. Es klingelt an der Tür.
Kirsty und Simon Bing sind Architektenfreunde von Richard. In unserem Alter, haben keine Kinder, aber eine erlesene graublaue Katze, die sich wie Rauch um das japanische Porzellan in ihrem Loft in Clerkenwell schlängelt. Wenn wir die Bings besuchen, verbringe ich viel Zeit damit zu kreischen, während Ben die freitragende Treppe ohne Geländer hochkrabbelt und mit funkelnden Augen in den Abgrund linst. Zwischen den Kinderlosen und uns, die wir mit Nachkommen beschwert sind, gibt es unausgesprochene Spannungen. Vor Emilys Geburt hatten wir mit Kirsty und Simon vor den Toren Sienas eine Villa gemietet, und unsere abkühlende Beziehung erwärmt sich gelegentlich wieder, wenn wir an diese Woche in der Sonne zurückdenken. Falls wir heutzutage überhaupt mal unter Leute gehen, dann neigen Rich und ich dazu, mit Leuten herumzuhängen, die Kinder haben. Weil sie begreifen. Die plötzliche Notwendigkeit, Pizza und Taschentücher aus dem Nichts hervorzuzaubern, oft in ein und demselben Augenblick, die unvorhersehbaren Gerüche und die kleinen Nickerchen. Die schlechte Laune, die wie ein Panzer angewalzt kommt.
Kirsty und Simon wirken immer so, als freuten sie sich, uns zu sehen, aber ich glaube, es ist berechtigt anzuführen, dass ihre Verabschiedungen ganz besonders überschwänglich ausfallen, ein Präludium für die Explosion geteilter Erleichterung, wenn sie die Tür hinter uns schließen und sich auf ihr rotzfreies Sofa vertagen können. Aber heute sind sie zu uns gekommen, wo jedes Möbelstück im Prinzip so was wie ein großes Taschentuch ist. Verglichen mit ihrem normalen Zustand ist die Küche jetzt unbefleckt wie die Jungfrau Maria, aber ich sehe, dass Kirsty ein verständnisvolles Lächeln auf ein einziges Spielzeug richtet, dass mitten auf dem Fußboden liegt, und völlig unvernünftigerweise möchte ich ihr dafür eine klatschen.
Das Essen verläuft prima, und ich nehme die Komplimente für die M & S-Quiche mit erstaunlich wenig Schamgefühl entgegen. Immerhin hab ich große Anstrengungen unternommen, sie zu besorgen. Die Gesprächsthemen der Bings decken ein weites Feld ab. War die Idee, den Hof des Britischen Museums abends der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, denn wirklich so gut? «Ein gescheitertes Experiment», urteilt Simon, der schockiert wäre, wenn er erfahren würde, dass ich vergessen habe, wo das Britische Museum eigentlich ist.
Dann gehen wir über zur Stagnation des zeitgenössischen Kinofilms. Kirsty und Simon haben irgendeinen französischen Film über zwei Mädchen gesehen, die in einer Fabrik arbeiten, und sind völlig überwältigt davon. Rich offenbart, dass er den Film auch gesehen hat. Wann hat er nur die Zeit dazu gefunden?
«Kate hat in einer Fabrik gearbeitet, nicht wahr, Liebling?»
«Oh, wie faszinierend», sagt Simon.
«Eigentlich nicht. Plastikdeckel für Sprayflaschen. Sehr langweilig, sehr übel riechend und sehr schlecht bezahlt.»
Das darauf folgende, ein wenig unbeholfene Schweigen wird von Kirsty gebrochen. «Und wie steht’s mit dir, Kate?», fragt sie strahlend. «Irgendwelche guten Filme gesehen?»
«Oh. Ich fand Kauernder Tiger ganz gut.» Ich mache eine Pause. «Und Kauernder Drache.»
«Versteckt», murmelt Richard.
«Versteckter Tiger», sage ich. «Die chinesischen Teile waren so toll. Mike Leigh ist toll, nicht?»
«Ang», murmelt Rich.
«Ich mag Mary Poppins», zwitschert Emily, das gute Kind, die aus der Küche angerannt kommt, nackt, abgesehen von ihrem grünseidenen Meerjungfrauenschwanz. «Jane und Michael gehen mit ihrem Papa zur Arbeit, in die Bank. Das ist ganz in der Nähe von Mummys Arbeit, und da gibt es viele Tauben.» Sie fängt mit kindlicher Unerschrockenheit an, laut und unmelodisch zu singen: «Füttert die Tauben. Zwei Penny die Tüte, zwei Penny, zwei Penny, zwei Penny die Tüte. Mummy, fütterst du auch die Tauben?»
Nein, ich hole Männer, die sie totmachen. «Ja, natürlich, Schätzchen.»
«Kann ich mitkommen zu deiner Arbeit?»
«Ganz bestimmt nicht.»
Kirsty und Simon lachen höflich. Kirsty versucht das Stückchen orange Knetmasse aus den Zinken ihrer Dessertgabel zu pulen und fragt sich, ob es nicht langsam Zeit wird aufzubrechen.
Nicht vergessen
Unbedingt Verabredungen meiden, für die man saubere Kleider oder saubere Möbel braucht. Packliste für EuroDisney. Brot? Treppenläufer. Dad anrufen. Bewerbungsunterlagen für Bens Kindergarten. Jill Cooper-Clark anrufen!!! Thorntons Schokoladenentchen!