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SAKRAMENT

Seattle, Washington · 23./24. März

 

Sie schmeckte Amaretto und öffnete die Lippen für mehr.

Finger strichen über ihre Wange, wanderten die Linie ihres Halses hinab bis zur Schwellung ihrer Brust. Unerwartete Fieberglut loderte in ihrem Bauch auf, entzündete sich zwischen ihren Beinen. Das Aroma von verbranntem Laub und frühem Frost stieg ihr wie Parfüm in die Nase und lockte sie sanft aus dem Schlaf.

Heather wachte auf und blickte in Dantes durchdringende Augen. Er hatte sich auf einen Ellbogen abgestützt und betrachtete sie, während seine Finger über ihre Brust strichen, die unter dem Schlafanzug verborgen war. Dann senkte er den Kopf und küsste sie erneut.

Sie rollte sich auf die Seite und erwiderte seinen Kuss, indem sie den süßen Geschmack seiner Lippen in sich einsog. Die Heftigkeit ihres Begehrens, ihrer Leidenschaft erstaunte sie. Ihr Innerstes brannte heiß. Sie strich mit der Hand über seinen Rücken und spürte seine glatte Haut und die festen Muskeln darunter. Ein brennendes Kribbeln durchlief ihren Körper.

Als der Kuss inniger wurde, glitt Dantes Hand von ihrer Brust über die kurvige Linie ihrer Taille bis zur Hüfte hinab, um sie näher an sich heranzuziehen. Seine Hitze drang in sie ein und verband sich mit dem Feuer in ihr. Er schob ihr Pyjamaoberteil hoch und entblößte ihren Bauch und ihre Brüste. Leidenschaftlich umfasste er eine Brust, ehe sein Mund ihre Lippen verließ und eine Spur heißer Küsse ihren Hals hinab bis zu ihrer Brustwarze legte.

Ein leises Stöhnen entrang sich ihr, als er über die erigierte Spitze leckte und sie in die warme Feuchtigkeit seiner Mundhöhle sog. Das Flattern in ihrem Bauch verstärkte sich. Sie hörte, wie sie zu keuchen begann, während sie eine Hand zwischen ihre beiden Körper schob und seinen Gürtel aufmachte, dann seine Hose. Jetzt bedauerte sie, dass sie sie ihm nicht ausgezogen hatte, als sie ihn ins Bett gebracht hatten.

Dante schob sanft ihre Hand beiseite und machte sich selbst an seiner Hose zu schaffen. Mit einem leisen, ungeduldigen Ächzen küsste er ihre Brust und hob dann den Kopf. Eine verschwommene Bewegung, eine heiße Brise – dann hörte sie das Klirren seiner Gürtelschnalle, als seine Hose zu Boden fiel. Noch eine verschwommene Bewegung – und sichere, schnelle Hände warfen ihren Schlafanzug und ihr Höschen neben seine Lederhose.

Heather drängte sich wieder gegen ihn. Sie lagen noch immer auf der Seite, von Angesicht zu Angesicht, Haut an Haut. Jetzt schob sie einen Finger durch den Ring an seinem Halsreif und zog fordernd daran. Mein, dachte sie.

Dantes Mund presste sich auf den ihren, und sie spürte einen kurzen Stich, als er sie in die Unterlippe biss. Der Schmerz verschwand jedoch fast im selben Atemzug, während er Blut aus ihrer Wunde sog und sie gierig und heftig küsste. Seine Hand schob sich zwischen ihre Beine, seine Finger streichelten und liebkosten sie und fanden genau die richtigen Stellen.

Sie stöhnte leise an seinen Lippen, während sie sich im drängenden Rhythmus ihrer erhitzten Körper, hungrigen Münder und erkundenden Hände bewegten, gefangen von der Musik stiller Seufzer, ihrem keuchenden Atmen und ihren wild pochenden Herzen.

Sie glitt mit der Hand zwischen ihre Leiber, umfasste ihn und liebkoste sein hartes, erhitztes Glied, dessen Haut sich unter ihren Fingern samtig weich anfühlte. Dante erbebte. Die Fieberglut, die sich in ihrem Bauch staute, verwandelte sich in einen tobenden Feuersturm.

Sie kam ihm noch näher, bis sie sich schließlich auf seinen nackten Leib legte. Er stöhnte und drang in sie ein, drängte sich an sie, rieb sich an ihr. Wieder küsste er sie wild und leidenschaftlich, ausgehungert wie ein Wolf.

Auch Heather gab ihrem Hunger nach. Es fühlte sich wie ein geheimnisvolles Urbedürfnis an, sich ihm hinzugeben, seine Schultern, seinen Rücken, seinen kräftigen Hintern zu packen und ihre Finger in sein Fleisch zu krallen, während sie gegen ihn prallte.

Seine Bewegungen passten sich den ihren an. Er bewegte sich immer schneller und heftiger in ihr. Seine fiebrige Hitze ließ neues Feuer in ihr entstehen, und schon bald waren beide schweißüberströmt.

Heather keuchte, als sein Mund zu ihrem Hals glitt und seine Reißzähne in ihre Haut drangen. Der kurze Stich löste sich unter seinen Lippen auf, und er trank, nahm sie in großen Schlucken in sich auf, und gleichzeitig war es so, als würde sie ihn in sich einsaugen.

Wortlos fasste er nach ihrer Hand und schob seine Finger zwischen die ihren. Ihre Handflächen pressten sich aneinander – wie ein Gelübde.

Gewaltige Lust pulsierte in Heather, und blaue Funken erhellten die Dunkelheit hinter ihren geschlossenen Augen. Dante drang immer tiefer und ungestümer in sie, bis sie heftig kam. Die Stärke des Orgasmus raubte ihr fast die Stimme. Dante presste seine Lippen auf die ihren. Sie schmeckte ihr Blut in seinem Mund und auf seiner Zunge – Kupfer und Amaretto. Elektrische Stöße wanderten ihr Rückgrat hinab und brachten ihren Bauch zum Flattern.

Ich bin in ihm.

Wieder bauten sich Begehren und Lust in ihr auf und wuchsen ins Unendliche. Musik – oszillierend, düster und voller Sehnsucht – hallte zwischen ihnen wider, Hand auf Hand, Herz an Herz. Blaues Feuer erleuchtete Heathers Bewusstsein, und sie schrie auf, als die Lust wie heißes, geschmolzenes Wachs durch ihre Adern und in ihre Mitte strömte, eine Welle nach der anderen.

Dante stöhnte. Sie öffnete die Augen und sah durch ihre Wimpern hindurch, wie die Lust seine wundervollen Gesichtszüge erleuchtete. Blaue Flammen umgaben ihre vereinten Körper und schimmerten in der Dunkelheit.

Seine Lippen öffneten sich. Immer ungestümer und tiefer drang er in sie. Sie legte eine Hand an seine Wange und liebkoste ihn, während sich seine Muskeln anspannten und er kam. Auch sie kam noch einmal und stöhnte gegen seine Lippen, als sich ihr Orgasmus mit dem Lied verband, das durch beide pulsierte.

Eine nachtschwarze Note hallte lange in ihr wider – leidenschaftlich, bittersüß und doch voller Hoffnung –, bis sie schließlich gemeinsam mit Dantes nachlassenden Bewegungen verklang. Heather schlang die Beine um ihn, legte ihren Schenkel über seine Hüfte und krallte sich in sein Haar. Dante hielt sie fest an sich gedrückt. Sein Körper schmiegte sich so perfekt an sie, als sei er allein dafür gemacht – die zweite Hälfte eines geteilten Medaillons.

Sie wünschte sich aus vollem Herzen, dieser Moment würde nie enden.

Nur sie und Dante, aneinandergeschmiegt. Ihre Körper schweißnass, ihre Finger verschlungen.

Keine Regierungsverschwörungen, keine vergrabenen Erinnerungen. Keine dunklen, schrecklichen Geheimnisse. Kein Verlust.

Nichts außer diesem Augenblick – einem Augenblick, der nicht andauern konnte.

Heather wurde plötzlich bewusst, dass sie beide kein Wort gesagt hatten. Aber alles, was sie in diesem Augenblick zu sagen gehabt hätte, hatte sie ihm mit ihrem Körper und ihren Lippen mitgeteilt. Sie hoffte, dass das auch bei ihm so war.

Dante liebkoste ihre Schulter. Die Berührung hatte etwas Tröstliches. Er küsste sie mehrmals voll Zärtlichkeit auf die Stirn, die Augen und die Lippen, ehe sie wieder in Schlaf sank, befriedigt und unendlich gelöst. Nur noch wie aus großer Ferne nahm sie ihre eigenen Gedanken wahr: Nächstes Mal sind wir langsamer. Spielen mehr, und ich schwöre, dass ich schon bald lernen werde, wie ich seine verdammte Hose aufbekomme.

 

Dante betrachtete die schlafende Heather. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter, ihr Körper schmiegte sich warm und glatt an ihn, ein Bein lag über dem seinen. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und fuhr mit den Fingern durch die lange, seidige Pracht. Sie duftete nach Flieder und Moschus, warm und klebrig – und nach ihm. Ihr Atem ging leicht und gleichmäßig, ihre Lippen waren ein wenig geöffnet, und ihre Wimpern warfen kleine Schatten auf die Haut unter ihren Augen.

In seinem Inneren war es ganz ruhig. Das Flüstern war verstummt, als sei Heathers Umarmung ein Sakrament der Stille, weiß und unvorstellbar leise. Er küsste ihre Lippen, prägte sich ihr nachtumschattetes Gesicht ein, das Gefühl ihres Körpers an dem seinen, ihre weiche Haut und die festen Muskeln. Den Takt ihres Herzens.

Der Lärm hat aufgehört, chérie.

Bleiches Licht – charakteristisch für diese Stunde kurz vor Sonnenaufgang – drang an den Rändern des Vorhangs ins Zimmer. Er spürte, wie sich der Schlaf meldete und sich mit den letzten Resten des Morphiums in seinem Blut vermischte.

Er versuchte sich daran zu erinnern, was im Vespers passiert war, knallte aber innerlich gegen eine Wand. Eine undurchlässige, gesichtslose Wand. D’accord. Ein Schritt nach dem anderen: bei Vespers auf der Bühne. Gesang. Auftritt. Schlägerei mit Nachtgeschöpfen aus Seattle. Heather, die sich durch die Menge drängt. Dann nichts. Dante ächzte.

Das Nächste, was er wusste, war, dass er neben Heather zu sich kam und keine Ahnung hatte, wo er sich befand oder wie viel Zeit vergangen war. Das war nichts Neues für ihn. Trotzdem fühlte er sich beunruhigter als sonst. Weshalb?

War es etwas, das Heather ihm gesagt hatte? Rodriguez erstattete Anzeige wegen Fahrlässigkeit gegen …

Schmerz bohrte sich wie rotglühende Speerspitzen in seinen Schädel. Er schloss die Augen. Oranges Licht spann sich wie Spinnweben durch seinen Geist. Der Schmerz ließ nach. Schlaf schlängelte sich durch seine Adern, verlangsamte seinen Herzschlag und kühlte seinen heißen Körper. Er zwang sich, die Augen nochmal zu öffnen. Nochmal. Anzeige wegen Fahrlässigkeit gegen Dr. Robert …

Ein weiterer rotglühender Speer bohrte sich in sein Hirn. Diesmal ließ der Schmerz nicht nach. Na und? Der kann mich mal. Dante tastete wieder nach dem Gedanken. Grauenvoller Schmerz bohrte sich wie ein Flaschenöffner hinter seinem linken Auge in sein Bewusstsein – heftig, durchdringend und gnadenlos. Sein Blickfeld verschwamm.

Er löste sich vorsichtig von Heather und setzte sich auf, um den schmerzenden Kopf auf seine angewinkelten Knie zu legen. Plötzlich schmeckte er Blut und wischte sich über die Nase. Er wartete darauf, dass die Schmerzen entweder nachließen oder ihn in den Schlaf katapultierten.

Etwas Weiches drängte sich gegen sein Bein und stellte leise maunzend eine Frage. Dantes Finger suchten und fanden Eeries Kopf. Das warme, flauschige Fell fühlte sich wie Seide an. Allmählich wurde der Schmerz schwächer. Der Kater machte einen Buckel, schmiegte sich an Dantes Hand und drückte von neuem den Rücken durch.

Dante schniefte, um das Blut aus seiner Nase nicht aufs Bett tropfen zu lassen, und hob dann den Kopf. Er sah Eerie an und strich ihm über den gesamten Rücken bis zum Schwanz. Ein Gesang kräuselte sich in seinem Bewusstsein, eine Symphonie aus genetischen Saiten und einem verdrehten DNS-Rhythmus. Elektrizität knisterte in Dantes Fingern, und das reflektierende Licht spiegelte sich in Eeries Augen wider. Miauend lehnte sich die Katze gegen Dantes Bein.

Dieser schloss die Augen und spielte auf den Saiten, veränderte den Takt, fügte Melodien und neue Rhythmen hinzu. Er komponierte, ersann neue Akkorde. Er stellte sich Eerie wieder ganz vor. Stellte sich vor, wie der Kater herumspazierte und -flitzte.

Gerade als Dante seine Hände hob, jagte Schmerz einen misstönenden Gegenrhythmus über die von ihm gewebte Melodie. Das Lied zerriss und löste sich auf, ebenso wie die weiße Stille in seinem Inneren von einem Dröhnen von Wespen überrollt wurde.

Wollen mal sehen, wie lange du unten bleiben kannst.

Ich glaube, er ist tot. Ich glaube, du hast ihn umgebracht.

Tais toi, du Idiot. Wir f ihn in den Kofferraum.

Schmerz drang wie scharfe Messer in Dantes Gedanken. Er schlug die Augen auf. Weißliches Licht pulsierte am Rand seines Sehfelds. Dann überrollte in der Schlaf wie eine schwarze Welle unter seiner undurchdringlichen Oberfläche. Ein Bild jedoch folgte ihm in die Dunkelheit: das Bild Eeries, wie er vom Bett sprang und durch den Spalt der offenen Tür schlüpfte, während sein Fell von blauen Funken übersät war.